Obwohl sie auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher wirken könnten, so strahlen Sam, Jan und Sascha im Interview doch denselben Feuereifer, dieselbe Leidenschaft für The Pill aus – jene Band, die sie erst vor kurzem gemeinsam aus der Taufe gehoben haben. „Durch Sams Anwesenheit in der Band habe ich viel dazugelernt, vor allem was die Kommunikation untereinander betrifft. Unter Männern trinkt man gerne mal was weg oder man klopft sich nur kurz auf die Schulter, jetzt sprechen wir wirklich miteinander. Das ist etwas ganz Wundervolles!“, so Bassist Jan ehrlich erfreut über die psychologische und künstlerische Dynamik des Quintetts aus Frankfurt. Die Instrumentalisten von The Pill kennen sich lange, haben seit den 90ern gemeinsam in Hardcore-Bands gespielt und ihre Jugendjahre in aufgeheizten Clubs und stickigen Vans verbracht. Nach einer längeren Pause juckte es Sascha, Jan, Tobias und Philipp erneut in den Fingern, während Corona fanden sie deswegen musikalisch wieder zueinander. Doch ein entscheidendes Puzzle-Teil wollte sich auch nach diversen Casting-Versuchen nicht finden lassen: eine passende Person hinter dem Mikro – da man laut Drummer Sascha „nicht diese*n klassische*n Hardcore-Shouter*in“ suchte. Geklickt hat es erst – Obacht: digitales Märchen im Anmarsch – als sich beide Seiten in letzter Verzweiflung bei einer Musik-Dating-App anmelden und durch den Hashtag #blackflag zueinander finden.
„Als wir uns zum ersten Mal im Proberaum trafen, war das für mich wie eine Offenbarung. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir alle ein richtig fettes Lächeln im Gesicht, weil jeder gespürt hat, dass hier gerade etwas Besonderes passiert. Ich dachte mir nur: ‚Oh Gott, hoffentlich fühlen die das auch, hoffentlich wird das was.’“, erzählt Sängerin Sam, die auf den ersten, klischee-behafteten Blick nicht zwingend wie die Frontfrau einer Hardcore-Band wirkt. Die Künstlerin und Influencerin strahlt neben Lebensfreude und Selbstbewusstsein eine gewisse Zerbrechlichkeit aus, doch wenn sie das Mikrofon an die Lippen führt, wird ein gewichtiger Kontrast zu diesem zarten Eindruck zementiert. Sie kann shouten, singen, dem Publikum vokal eins auf die Fresse geben, all dies mit kritischen Texten, die gesellschaftliche Fassaden einreißen. In Kombination mit den vier Männern eine ungewöhnliche, dabei absolut authentische und energiegeladene Mischung, die dazu führte, dass The Pill schon nach sechs Monaten gemeinsamer Sache ihr erstes Album HOLLYWOOD SMILE aufnahmen. Zehn Tracks in DIY-Manier, 20 Minuten, „kein Ballast“, keine Umwege. „Klar haben wir uns kurz gefragt, ob es zu früh ist, eine Platte aufzunehmen. Doch dann dachten wir uns: ‚Scheißegal, was später ist, wir wollen dieses Momentum einfangen, das wir gerade haben.‘ Wir wussten: so ein Gefühl, das kriegen wir vielleicht nie wieder. Sturm und Drang sozusagen.“, erklärt Jan und Sascha ergänzt: „Ich bin total froh, dass diese Band in der Lage war, diesen Moment zu erkennen. Als wir die Platte zum ersten Mal gehört haben, war uns allen klar: Wir haben noch nie so geile Musik gemacht!“ Seitdem läuft es für das kreative Kollektiv: das Quintett hat das Hamburger Label Sounds Of Subterrania von sich überzeugen und schon nach ein paar Konzerten große Support-Shows an Land ziehen können, die selbstgedrehten Videos werden zehntausende Male bei Youtube geclickt – kurzum: die Menschen haben Bock auf eine Band wie The Pill.
50 Jahre Mitglied einer Band zu bleiben, ist eine Leistung; dabei beinahe 50 Mitmusiker kommen und – manche für immer – gehen zu sehen, unglaublich. Drummer Fito de la Parra ist dies sowie ein wunderbares neues Album mit „seinen“ Canned Heat gelungen.
Es sagt schon viel aus, wenn eine Band 1965 gegründet wurde und „bereits“ 1975 über United Artists eine „The Very Best Of…“-Langspielplatte auf den Markt kam. Ihre Hits zierten zahlreiche Filmsoundtracks, wenn es um ikonische Untermalung der Hippiejahre ging. Wichtig: Sie waren auch in Woodstock dabei. 2024 kommt nun ein neues, frisches Album, abermals mit zeitlosem Trademark-Boogie und -Blues. Wir sprachen mit Drummer Fito aka Adolfo de la Parra – er ist seit 1967 im Boot, die anderen „klassischen“ Mitglieder mit Spitznamen wie „Die Eule“, „Der Bär“, „Sonnenblume“, „Die Schlange“ oder „Der Maulwurf“ leben leider nicht mehr und machen im Himmel wahrscheinlich gerade Boogie-sessions. Insgesamt waren 48 Musiker bei der Band, die aktuelle Besetzung mit dem rührig um den Fortbestand der Gruppe engagierten Fito legt mit FINYL VINYL jetzt noch mal unkaputtbaren und vitalen Boogie/Blues auf Höhe der Zeit vor. Abwechslungsreich und gewürzt mit neurotisch-humorvollen Texten, kam das zweideutig betitelte Album pfeilgerade am 5. April raus – als man sich also bereits hochoffiziell legal seinen ersten Joint in aller Zweisamkeit vor dem kreisenden Plattenspieler anzünden durfte. Als der mexikanische Emigrant Fito damals gefragt wurde, ob er bei Canned Heat einsteigen wollte, beantwortete er das Angebot übrigens mit einem bescheidenen: „Aber gerne, ich bin sozusagen dafür geboren, bei Canned Heat zu spielen!“ Er denkt auch als „ewiges“ Mitglied – 57 Jahre – nicht daran, in Rente zu gehen. „Ach was, Musiker gehen nicht in Rente. Musiker sterben irgendwann einfach. Alle Musiker, die ich bewundere, spielten, bis sie 70 oder 80 waren. Und dann gingen sie irgendwann von uns. So wird es bei mir wohl auch sein. Ich bin jetzt 78 und liebe meinen Job über alles, warum also sollte ich damit aufhören? Und ich mache Aerobic: Das Schlagzeugspielen erfordert viel Energie, dafür schlafe ich immer tief und fest!“ Rückblickend betrachtet, sagt er, habe jedes Jahrzehnt seine glücklichen Momente gehabt, aber gerade die letzten Jahre waren wegen des Weltgeschehens nicht einfach. Nach der Pandemie läuft es aber wieder, allein im letzten Jahr war die Gruppe dreimal live in Europa unterwegs. „Nur das Reisen wird immer schlimmer, vor allem die Flüge. Dauernd gibt es Verspätungen, Flüge werden gestrichen, du kannst dich auf niemanden mehr verlassen. Wenn du aus Vergnügen in den Urlaub fliegst, nimmst du dann vielleicht den nächsten Flug, aber bei uns ist das was anderes. Letztes Jahr konnten wir zum Beispiel nicht in Bilbao auftreten, weil mein Flug mit sechs Stunden Verspätung startete, dadurch verpasste ich alle weiteren Verbindungen.
Seit der Pandemie ist eigentlich alles schlechter geworden. Dabei war Fliegen früher purer Spaß! Alles flutschte, man wurde an Bord gut versorgt und hatte Platz. Dann kam Reagan und hat die staatliche Regelungen für Fluggesellschaften aufgehoben. Seitdem regiert der Kapitalismus, es wird nur noch gespart. Versteckte Aufpreise und so, für maximal viel Geld geben sie dir so wenig wie möglich. Auch nach 9/11 ist alles nur noch schlimmer geworden.“ Wo wurde die neue Platte aufgenommen? Fito: „In Burbank, Kalifornien. Das Studio heißt Paul And Mike’s Recording. Man denkt erstmal, es sei nicht größer als eine Garage. Aber Paul du Gré ist ein echt guter Aufnahmetechniker, mit ihm haben wir schon zwei andere Platten gemacht. Drinnen ist das Studio vielleicht nicht so geräumig und auch nicht so schick wie all diese Luxusstudios, es kommt aber halt auf die Person an, die drin arbeitet. Und Paul hat es einfach drauf. Er benutzt digitales und analoges Equipment, ich weiß nicht, wie er das macht, aber es klingt herausragend. Er ist ein Genie!“ Gerade als älterer Musikhörer weiß man das zu schätzen, das Album hat – legt man es zu Hause auf einer guten Anlage auf – wirklich das ganze Frequenzspektrum und besitzt einen schön ausbalancierten, transparenten Sound. Aber der Konsument hört heutzutage Musik halt leider meist nur unterwegs, vor allem die jüngeren. Fito: „Ja, die hören Musik nur noch über ihr Smartphone, über Plastik. Und ja, es klingt dann auch nach Plastik! Ich als Drummer bilde ja in einer Band mit dem Bassisten eine solide Einheit, aber über moderne Wiedergabegeräte geht einfach die Hälfte der ganzen Musik verloren. Ich vermisse dabei vor allem den Bass, man hört oft nur hohes Gizirpe. Aber die Industrie arbeitet daran, ich hoffe es wird in Zukunft besser.“ Die Aufnahmen selbst sind bei einer derart erfahrenen Gruppe flott erledigt. „Wir proben relativ wenig und machen auch nicht viele Takes eines Songs im Studio. Sonst kann es passieren, dass der Track seine Frische verliert. Der erste Take ist meistens der beste. Schau dir mal Leute an wie John Lee Hooker: Der brauchte maximal zwei Takes. Mit ihm als Gast brauchtest du im Studio was anderes gar nicht erst versuchen. Er sagte dir dann, beim dritten Versuch käme eh nur Scheiße raus.“ Dazu kommt, dass der Blues, wie auch der Jazz, live vor allem von der Improvisation lebt. Genauso lebt ein Livekonzert von Canned Heat davon, dass die Lieder variabel gespielt werden. Mit ein paar Ausnahmen: „Unsere Hits spielen wir im Gegensatz dazu immer originalgetreu. Das erwartet das Publikum einfach von dir. Oder wie es Strawinsky einmal gesagt hat: ‚People don’t know what they like, they like what they know!‘“
Im Sommer sind Canned Heat wieder in Europa unterwegs. Deutschland ist für Fito das Lieblingsland zum Touren: Alles ist gut vorbereitet, die Verpflegung stimmt, die Locations sind schön und die Bühnentechnik ist meist hochklassig. Und nicht zuletzt flutscht hier einfach alles. Auch wenn wir Letzteres hierzulande vielleicht anders sehen, aus Sicht einer Band auf Tour macht es bei uns offensichtlich einfach mehr Spaß als an den meisten Orten sonst auf der Welt. „Wir haben da diesen Running Gag, von wegen ‚Touring Heaven‘ und ‚Touring Hell‘. Der ‚Touring-Himmel‘ ist Deutschland, wenn es um die Organisation geht. Wenn es um das Essen geht, ist Frankreich himmlisch. Die ‚Touring-Hölle‘ ist, wenn die Italiener organisieren. In Deutschland ist es übel, wenn es um die Polizei geht, und in Sachen Essen sind eindeutig die Engländer die Hölle auf Erden.“ Was die Zukunft der Musik betrifft, ziehen für Fito dunkle Wolken auf. „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass ein Computer Musik komponiert, auch wenn das bereits passiert. Ich bin ja schon sehr alt und hoffe nicht, noch miterleben zu müssen, wie eine KI unsere Musik kopiert und daraus neue Lieder macht. Computer haben unser Leben viel einfacher gemacht, aber wenn es um Kreativität geht, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Computer das lernen kann. Wer weiß, was in 15 Jahren sein wird, ich werde es wohl nicht mehr mitbekommen. Aber ich wünsche allen jüngeren Leuten, dass die Menschheit und die wichtigsten Entscheider auf dieser Welt Kunst und Kreativität von künstlicher Intelligenz fernhalten.“ Fito ist übrigens geistig f itter als offenbar sein Landsmann Joe Biden, der schon mal den aktuellen französischen Premier Macron mit dem seit 30 Jahren verstorbenen Mitterand oder erst kürzlich Merkel mit Kohl verwechselt. „Mit Deutschland verbinde ich auch ein Stück Geschichte, das ich miterleben durfte“, sagte er. „Wir haben mit Canned Heat sogar schon in Ostdeutschland gespielt, als die Mauer noch stand und es unter kommunistischer Kontrolle war. Adenauer war damals Staatsoberhaupt im Westen. Es war ein großes Abenteuer, damals nach Ost-Berlin zu kommen und dort zu spielen.“
Bei den Rolling Stones gab es zum Juni-Start immer gleich zwei Feierlichkeiten: Ronnie Wood wird heute 77 Jahre alt und Charlie Watts hätte morgen seinen 83. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren!
Dieses Wochenende feiern wir mit den Rolling Stones gleich doppelt Geburtstag. Heute, am 01. Juni, wird Ronnie Wood stolze 77 Jahre alt. Am 02. Juni, also morgen, hätte Gentleman Charlie Watts sein 83. Wiegenfest gefeiert. Leider vertsarb der legendäre Schlagzeuger am 24. August 2021.
Grund genug, einem der etwas neueren Klassiker der Stones Tribut zu zollen. ›Anybody Seen My Baby‹ stammt aus ihrem 1997 erschienenen Album BRIDGES OF BABYLON. Im Video ist auch Schauspielerin Angelina Jolie zu sehen. Die damals 22-Jährige spielt eine Stripperin, die durch New York streift.
Mit HUMANOID präsentieren die ursprünglich aus Solingen kommenden, mittlerweile aber seit vielen Jahren in den USA (Tennessee, Florida, New Jersey) angesiedelten Heavy-Rocker einen weiteren Meilenstein ihrer Laufbahn. Wir sprachen mit Frontmann Mark Tornillo.
„Weißt du was?“, beginnt Tornillo unser Zoom-Interview. „Das hier ist bereits mein sechstes Album mit Accept. Im Mai werden es 15 Jahre, seit die Jungs mich damals fragten, ob ich einsteigen wollte. Das ist viel, viel länger, als die meisten Leute Teil irgendeiner Band sind – ob erfolgreich oder nicht. Und wir sind zum Glück sehr erfolgreich. (lacht) Trotzdem fühlt es sich noch immer verdammt frisch und neu an. Ich sehe mich wirklich als einen Glückspilz, dass mir diese Möglichkeit so spät in meiner Karriere noch gegeben wurde.“ HUMANOID ist ein echter Brecher geworden. Accept kehren hier stilistisch in die 1980er zurück – das 1985er-Werk METAL HEART dürfte wohl der nächste Verwandte der Scheibe sein. Das tun sie allerdings, ohne dabei doof auf „retro“ zu machen oder – noch schlimmer – altbacken und gestrig zu klingen. Die Produktion hat erneut der Brite Andy Sneap (Judas Priest, Saxon, Amon Amarth) übernommen. Eingespielt wurde alles im Studio von Gitarrist und Accept-Mastermind Wolf Hoffmann in Nashville. „Andy weiß genau, was wir soundmäßig brauchen“, erklärt Tornillo die Rolle des Mischpultartisten. „Er ist wie ich seit BLOOD OF THE NATIONS dabei und wird im Studio zu unserem fünften Beatle.“
Sneap dürfte es zu verdanken sein, dass HUMANOID trotz seiner Oldschool-Ausrichtung komplett nach 2024, vielleicht sogar nach 2025 klingt. Fetter und kompakter, dabei filigraner und doch voluminöser kam bisher jedenfalls kaum ein Accept-Longplayer daher. Herz des Ganzen sind aber natürlich die Kompositionen. Und da haben die Herren einmal mehr erstklassig aufgefahren. Während jedes Stück klar als Accept-Nummer mit für die Gruppe typischen Charakteristika identifizierbar ist, gibt es dennoch immer wieder Abweichungen von der Norm, die jedem Track seinen individuellen Charme geben. ›Diving Into Sin‹ etwa hat einen orientalischen Touch, während der Titeltrack – passend zum futuristischen Text – mit einem roboterhaften Groove glänzt und der Stampfer ›Man Up‹ ungewöhnliche Harmonien bietet, die subtil in Richtung Jazz tendieren. ›The Reckoning‹ wiederum enthält einen brillanten Slow-Part, kurz bevor die Soli einsetzen, der Züge von Bach und anderen Klassik-Idolen hat – ebenso wie der Einstieg in das abschließende ›Southside Of Hell‹.
„Das ist alles Wolf“, lacht Tornillo und beginnt, über seinen Gitarristen, das einzig verbliebene Original-Mitglied der Gruppe, zu schwärmen. „Er hört privat fast ausschließlich klassische Musik und nimmt diesen Einfluss immer wieder in unsere Lieder hinein. Wolf ist ein fantastischer Musiker. Ich bin nun schon so lange bei Accept und er überrascht mich dennoch wieder und wieder. Er ist so einfallsreich und dazu noch so talentiert, dass er all diese Ideen im Kontext unseres Sounds umsetzen kann. Ich glaube, diese kleinen, immer neuen, immer anderen Besonderheiten spielen eine enorme Rolle, warum die Fans uns schon so lange treu sind und nicht nur die alten Hits, sondern auch kontinuierlich neue Musik von uns hören wollen.“ Tornillo kann es kaum erwarten diese – natürlich zusammen mit den unsterblichen Gassenhauern, von ›Fast As A Shark‹ bis ›Balls To The Wall‹ – auf der Bühne vorzustellen. Die Tour zu HUMANOID startet Ende April in Südamerika, bevor die europäischen Festivals dran sind. Ab Oktober steht dann die hiesige Hallentournee an.
Am 28. Juni erscheint das neue Album A PARADOXICAL THEORY OF CHANGE von Makewar. Die Pop-Punk-Band aus New York City mit leichtem Foo-Fighters-Einschlag lieferte bereits einen ersten Vorgeschmack auf das neue Werk mit ihrer Single ›Goodbye To All That‹, in der Sänger Jose Prieto seine ambivalente Beziehung zu seiner Wahlheimatstadt besingt.
„Dieser Song handelt von einer Beziehung. Und wie jede Beziehung hatte auch diese ihre Höhen und Tiefen. Es ist auch eine der längsten Beziehungen in meinem Leben. Ich lernte New York City zufällig kennen, als ich 2006 den Marathon lief. Zwei Jahre später lebte und atmete ich New York. Es war der beste Ort, an dem ich je gelebt hatte. Es gab immer etwas zu tun. Die Miete war billig. Bier gab es für einen Dollar im The Levee. Ich verpasste nie ein Two for Tuesdays im Matchless. Roberta’s hatte die beste Pizza der Welt, und die Chimichangas um 6 Uhr morgens im Grand Morelos waren eine Delikatesse. Passende Tattoos waren ein typischer Sonntagmorgen, immer begleitet von einem Frühstücksbier im Hof. Doch allmählich zogen die Freunde weg, und ich begann, alt zu werden. Plötzlich fielen mir all die Mängel auf, die New York City hatte. Jedes Mal, wenn ich meine Wohnung verließ, musste ich 100 Dollar bezahlen.
Der Müll und die Ratten auf den Straßen wurden immer sichtbarer und gespenstischer. Eine Stunde lang herumzufahren, um einen Parkplatz zu finden, wurde unerträglich. Seit wann ist ein Milchkaffee für 10 Dollar die Norm? Ich habe dieses Lied geschrieben, weil ich New York City zu sehr geliebt habe. So sehr, dass ich einmal eine Hymne über sie geschrieben habe, die „Ode“ heißt, und jetzt schreibe ich meinen Abschiedsbrief an die Stadt, die ich wahrscheinlich nie verlassen könnte. Es ist eine dieser giftigen Beziehungen. Aber bis ich den nächsten Ort finde, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das jemals tun werde, möchte ich New York City weiterhin mein Zuhause nennen. Ob man es liebt oder hasst, es ist immer noch die beste Stadt der Welt.“
Der Song nahm seinen Anfang als bescheidene Instrumentaldemonstration von Schlagzeuger John Bonham auf LED ZEPPELIN II, doch als er ihn live spielte, entwickelte er ein grandioses Eigenleben.
Die erneute Betrachtung der Nahaufnahmen von dem 21-jährigen John Bonham, der ›Moby Dick‹ bei Led Zeppelins heute legendärem Auftritt im Januar 1970 in der Royal Albert Hall in London spielt, ist heute genauso beeindruckend wie damals, als die Aufnahme 2003 auf der großartigen Live-DVD-Sammlung erschien. Kraftvoll, brutal, heidnisch. Als er nach ein paar Minuten sanft die Schlagstöcke beiseitelegt und die Trommeln mit bloßen Händen spielt, wird es schamanisch. Nicht nur zaghafte Tomtoms, sondern ein Schnappen nach der Snare, Schläge auf die große Bassdrum, die Felle, die Ränder, die Becken … Bei Bonzo, wie er voll Zuneigung und Furcht genannt wurde, ging es nie nur um Musik, wenn er diese Demonstration ablieferte. ›Moby Dick‹ begann vielleicht als ein relativ bescheidener instrumentaler Füller am Ende von LED ZEPPELIN II, aber live wurde es zu einem Symbol für Bonhams aufregende Angriffslust. Kein Gesang, keine billigen Worte, sondern die schiere Action, die ganze Zeit. Wann immer ›Moby Dick‹ in den 70ern gespielt wurde, wuchs es wie Zaubersamen. Erst von der vierminütigen Albumversion zu dem 15-minütigen Höhepunkt von 1970, dann 1972 auf über 20 Minuten und an manchen Abenden sogar über 30 Minuten, als Zeppelin 1977 durch ihre letzte katastrophale US-Tournee schlingerten, je nachdem, wie viel Kokain Bonzo geschnupft hatte. Bevor er ›Moby Dick‹ spielte, griff er nach unten, holte riesige Mengen Koks aus einer Tasche zu seinen Füßen und rieb es sich über Nase und Mund. Man konnte auch – wenn man sehr genau hinhörte – eine gewisse Sensibilität in Bonhams ansonsten brutalem Angriff erkennen. Etwas fast unheimlich Zärtliches, das aus dem tiefen Gefühlsbrunnen sprach, der im Herzen seines persönlichen Schlagzeugorchesters, seiner persönlichen Verrücktheit, lauerte.
›Moby Dick‹ hat seinen Anfang einst als ›Pat’s Delight‹ genommen, benannt nach Johns geliebter Ehefrau Pat. Er liebte es, bei Zeppelin Schlagzeug zu spielen, aber er hasste das Touren. Er litt unter chronischem Heimweh, das er bewältigte, indem er unterwegs allen anderen das Leben zur Hölle machte. Und er litt zunehmend an Angstzuständen. Zu Hause war John Bonham stolzer Ehemann und Vater, wenn er auf seinem großen roten Traktor über die von Pappeln gesäumte Old Hyde Farm fahren konnte, sein Privatanwesen in der Grafschaft Worcestershire. Doch weg von seinem Bauernhof, wenn er da draußen auf US-Tournee zwischen den hellsten Hotspots der Welt umherreiste und sein zunehmend unberechenbares Verhalten jeden Abend in ›Moby Dick‹ zwängte, verwandelte er sich in Bonzo. Ein aufgebrachter französischer Plattenlabel-Manager nannte ihn „La Bête“ (das Biest), und seine ›Moby Dick‹-Show wuchs zu einem immer längeren Psychodrama. Bombastische Schlagzeugsoli gehörten nun bei allen bedeutenden Heavy-Rock-Konzerten zum guten Ton. Cream hatten damit angefangen, The Who perfektionierten es und danach fühlten sich alle anderen ebenso verpflichtet, „den Typen hinten, der alles zusammenhält“, richtig strahlen zu lassen. Die voll ausgearbeitete Version von ›Moby Dick‹ war erst das zweite Mal, dass ein Schlagzeugsolo als eigenständiger Track auf einer Rockplatte erschien (Cream kamen ihnen mit Ginger Bakers ›Toad‹ um drei Jahre zuvor). Bonzo. Das Biest.
John Bonham verschlang diese Rolle bei Zeppelin förmlich. Aber wenn ›Moby Dick‹ anstand, fielen jeden Abend auf der Bühne die Masken und Bonham knüpfte seine eigene merkwürdige Verbindung zum Universum. Als ihre Show im L.A. Forum am 31. Mai 1973 mit Bonzos 25. Geburtstag zusammenfiel, zwang das 18.000-köpfige Publikum ihn dazu, sein 20-minütiges ›Moby Dick‹ zu unterbrechen, während sie und die gesamte Gruppe und Crew ›Happy Birthday‹ für ihn sangen. „Heute 21“, kündigte Robert Plant von der Bühne aus an, „und ein Bastard sein ganzes Leben lang.“ Dann ging es weiter mit dem Heraufbeschwören von Engeln und Dämonen für das Finale von ›Moby Dick‹. Sein Geburtstagsgeschenk von der Band war ein neues Spitzenmotorrad von Harley-Davidson. John wartete nicht darauf, es nach Hause nach England zu bringen. „Er raste einfach die Hotelgänge entlang und richtete offenbar einigen Schaden an“, erinnert sich sein alter Kumpel Bev Bevan, ehemals Schlagzeuger von The Move, heute bei ELO. „Aber er bezahlte die Rechnung am nächsten Tag und sagte ihnen dann: ‚Oh, und behaltet das Motorrad.‘ Unglaublich, aber das war John.“
Unvermeidlicherweise wurde ›Moby Dick‹ der Soundtrack zur „Fantasie-Sequenz“ im Zep-Film „The Song Remains The Same“ von 1976. Seine Metamorphose von seinem gigantischen Schlagzeugsolo im Madison Square Garden in einen Bauern und Familienvater mit Stoffmütze (Pat und sein sechsjähriger Sohn Jason sind auch kurz liebevoll im Bild) und schließlich in einen Drag-Race-Draufgänger. Die epische Saga von ›Moby Dick‹ fand 1977 auf der letzten US-Tournee von Zep einen aufgeblähten und sperrigen Abschluss. An manchen Abenden dauerte Bonzos umbenanntes ›Moby Dick/Over The Top‹-Solo sogar fast 40 Minuten. Nach anderen ebenso langen Epen wie John Paul Jones’ ›No Quarter‹, das seinerseits auf 30 Minuten ausgedehnt wurde, gab es zum ersten Mal überhaupt bei einer Zeppelin-Show Unruhe im Publikum.
Denn einige Fans betrachteten diese Auswüchse als inoffizielle Toilettenpausen oder schlenderten zu den Verkaufsständen und warteten darauf, dass die „richtige“ Show weiterging. Niemand verließ jedoch seinen Platz, als ›Moby Dick‹ zum Leben erwachte. An ihrem dritten von sechs Abenden im Juni im L.A. Forum kam Keith Moon fröhlich während ›Moby Dick‹ herein und begann mitzumachen, schnappte sich Bonzos Ersatzstöcke und ließ sich zu einem wirklich mitreißenden Schlagzeugsolo nieder. Es war praktisch das letzte Mal, dass Bonzo es spielte. Als Zeppelin das nächste Mal auf Tour gingen, bei ihrer „Tour Over Europe“ 1980, stand ›Moby Dick‹ nicht mehr auf der Setlist. Inoffiziell als „Schluss mit dem Geschwafel“-Tour bezeichnet, waren die Laser, Videoleinwände, Rauchbomben und Lichter verschwunden. Stattdessen gab es eine karge schwarze Kulisse, eine stark reduzierte Anlage und die Entscheidung, alte Schlachtrösser wie ›Dazed And Confused‹, ›No Quarter‹ und – was als am bedeutsamsten empfunden wurde – ›Moby Dick‹ zu streichen. Im Zeitalter nach dem Punk waren Schlagzeugsoli strengstens verboten. Ebenso wie lange Haare und Schlaghosen. Drei Monate später war Bonzo tot. Sie sagten, es sei der Alkohol gewesen. Andere glauben, Bonzo sei mit ›Moby Dick‹ gestorben. (Aus CLASSIC ROCK #129)
Von der aktuellen Power-Up-Tournee von AC/DC gibt es jetzt erstmals professionelle Konzertaufnahmen zu sehen. Europa Press Andalucía hat am 29. Mai einen Mitschnitt vom Tour-Opener ›If You Want Blood‹ aus dem Olympiastadion in Sevilla geteilt. Seht hier, wie Angus Young und Co. den Auftakt ihrer Show bestreiten:
Hört hier den brandneuen Song ›Teenage Rebel‹ von Nestor und seht das Video dazu!
Am 31. Mai erscheint TEENAGE REBEL, das neue Album von Nestor. Heute veröffentlichen die schwedischen Hardrocker mit starkem 80s-Vorliebe den Titeltrack ihrer kommenden Platte. „Der Song und das Video für ›Teenage Rebel‹ sind eine Hommage an die späten 80er Jahre und an unsere Heimatstadt Falköping, in wir aufgewachsen sind. Der Song handelt von Nostalgie und der Sehnsucht, wie E.T. nach Hause zu kommen, aber auch davon wie wichtig es ist im Hier und Jetzt zu leben.“, erklärt die Band über ihre neueste Veröffentlichung.