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John Mayall – SO MANY ROADS: AN ANTHOLOGY 1964 – 1974

JohnMayallSoManyRoadsAll Is Blues: Ein Prophet, der auf vielen Straßen unterwegs ist.

Als britischer „Godfather Of Blues“ wird er gerne apostro-phiert, obwohl er sich das Prä-dikat gerechterweise mit Mentor Alexis Korner teilen müsste: John Mayall, der eiserne Purist, leidenschaftliche En- thusiast, aber auch neugierige Innova-tor und notorische Fremdgeher. Mit 40-seitigem Booklet und 74 Tracks auf vier CDs gibt das Box-Set SO MANY ROADS: AN ANTHOLOGY 1964 – 1974 einen ausführlichen Einblick über die ersten zehn Jahre von Mayalls Karriere, die auch qualitativ seine besten waren. Obwohl der mittlerweile 76 Jahre alte Sänger, Gitarrist, Mundharmonika-spieler und Komponist auch noch im Rentenalter für manch Überraschung gut ist. Mayall beeindruckt auf SO MANY ROADS mit Experimenten wie einer Blues-Suite (BARE WIRES), lobpreist seine zeitweilige Zweit-Hei-mat Kalifornien (BLUES FROM LAU-REL CANYON) und erforscht auf aku-stischer Basis die Grenzgebiete zwi-schen Jazz und Blues (THE TURNING POINT).

Unterstützung erhielt der Missionar auf seinem Kreuzzug durch viel versprechende Virtuosen, die Mayalls mitunter harte Blues-Schule durchliefen, um wenig später außergewöhnliche eigene Karrieren zu starten: Eric Clapton, Peter Green, Jack Bruce, Mick Fleetwood oder John McVie begleiteten ihren Förderer jeweils ein kleines Stück des Weges auf jener kontinuierlichen Reise, die bis heute anhält und fasziniert.

Peter Frampton

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Peter Frampton 2Der Ex-Humble Pie-Gitarrist mit neuem Soloalbum.

Peter Frampton hat Humor. Wenn er in Hotels eincheckt, dann benutzt er oft den Namen eines bekannten Sportlers als Pseudonym. Die Parallelen zwischen Frampton und seinem Alter Ego sind nämlich verblüffend: Beide sind in jungen Jahren von einer Welle der Teenie-Hysterie überrollt worden. Nur dass es im Fall von Peter Frampton schon eine Weile her ist, seit er mit Humble Pie die Mädchenherzen eroberte. Und mit nackter Brust fürs Cover des Magazins „Rolling Stone“ posierte. Ein Fehler, wie er heute weiß. Denn spätestens seit dem Beginn seiner Solokarriere im Jahr 1976 hatte der Gitarrist seine liebe Mühe damit, die Hörer von seinen spieltechnischen Fähigkeiten zu überzeugen – so fixiert waren die meisten auf sein Image als Teenieschwarm.

Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Frampton ist inzwischen 60 Jahre alt und begeistert die Fans vorwiegend mit Musik – und zwar aktuell mit seinem neuen Album THANK YOU, MR. CHURCHILL.

Peter, der Albumtitel klingt patriotisch…
Nun, das ist in der Tat auch beabsichtigt. Ich bedanke mich mit der Platte quasi nachträglich bei den Alliierten, dass sie den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, dann bin ich froh, dass es so gekommen ist. Denn wenn nicht, wäre ich wohl gar nicht auf der Welt… Zudem habe ich auf der Platte viele persönliche Erinnerungen verewigt. In ›Vaudeville Nanna And The Banjolele‹ etwa. Als Siebenjähriger wurde ich auf den Dachboden geschickt wurde, um die Koffer für unseren Sommerurlaub herunterzuholen. Dabei fand ich eine Banjolele, die meine Großmutter meinem Vater geschenkt hatte. Er zeigte mir daraufhin, wie man sie spielt – als erstes Stück lernte ich ›Hang Down Your HeadTom Dooley‹.

Inzwischen hast du erfolgreich Karriere gemacht und insgesamt 14 Soloalben veröffentlicht. Warum sollen die Fans also dein neues Werk kaufen?
Weil es symbolisiert, für was ich heute stehe. Ich bin nun seit über sieben Jahren clean – das ist auch der Grund dafür, warum ich mich mental verändert habe. Zwar kann man als Abhängiger nie sagen, dass man es endgültig geschafft hat, denn man lebt immer nur von einem Tag zum nächsten, aber die lange Phase der Abstinenz hat mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit verschafft.

Wie gehst du damit um, dass du schon in deinen Sechzigern bist?
Na ja, ich bin ja gerade erst in diese Phase eingetreten. Bislang geht es mir gut damit. In meinem Innersten bin ich ohnehin immer noch der 18-Jährige, der bei Humble Pie spielt.

Du hast angeblich gesagt, dass du froh über deine Glatze bist, weil dich die Mädchen nicht mehr anhimmeln. Stimmt das?
Ich wollte als guter Musiker wahrgenommen werden, nicht als Pin-up-Rocker. 1980 kam mal jemand nach meiner Show zu mir und sagte: „Hey, ich wusste gar nicht, dass du Gitarre spielen kannst.“ Das war eine krasse Erkenntnis für mich. Als ich meine Haare verloren habe, war mir klar, dass nun nur die wahren Fans übrig bleiben würden. Richtig deutlich wurde das aber erst mit dem 2007er-Grammy für FINGERPRINTS.

 

Black Sabbath Erfolgsparanoia

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Bill at Drums 01Im September 1970 wurde eines der wichtigsten Alben der Rockhistorie veröffentlicht: PARANOID von Black Sabbath. Nun gibt es eine DVD, auf der die Band die Entstehungsgeschichte der Platte Revue passieren lässt. Und Schlagzeuger Bill Ward erinnert sich für CLASSIC ROCK persönlich an die aufregendste Zeit seiner Musikerlaufbahn zurück.

Handelte es sich etwa um einen geschickt platzierten Geniestreich? Oder um puren Zufall? Vielleicht schlicht um eine Verkettung glücklicher Umstände? Wohl alles zusammen! Es sind jene legendären Tage im Juni 1970, in denen Black Sabbath quasi ein neues Genre erfanden – die Veröffentlichung ihres Klassikers PARANOID gilt nämlich als die Geburtsstunde des Heavy Me-tal. Insbesondere der Titeltrack ist ein grandioses Bindeglied zwischen revolutionärem Underground und massenkompatibler Pop-Kultur.

Das liegt auch an den magischen Worten von Sänger Ozzy Osbourne, dem Fürsten der Finsternis, dessen elegische Stimme im Song ›Paranoid‹ um Hilfe fleht, nur um zeitgleich festzustellen, dass die Liebe für ihn immer etwas Unerfüllbares bleiben wird: „Finished with my woman, ‘cause she couldn’t help me with my mind, people think I’m insane, because I am frowning all the time.“ In der zweiten Strophe heißt es dann: „All day long I think of things, but nothing seems to satisfy, think I’ll lose my mind, if I don’t find something to pacify.“ Das Klagen in Osbournes Stimme, die treibende Hookline von Riffmeister Tony Iommi: Hier verschmelzen sie zu einem der wohl magischsten Momente der Musikgeschichte.

Veröffentlicht wird das Album wenig später, am 18. September 1970 – nur knapp ein halbes Jahr nach dem Debüt BLACK SABBATH. Es katapultiert Black Sabbath in nahezu sämtliche Pop-Charts der westlichen Hemisphäre. Der Titeltrack ist der Schlüssel zur Platte, und zwar einer, der einem genialen Geistesblitz, einer Laune der Kreativität entsprungen ist. „Unsere beiden Produzenten Rodger Bain und Tom Allom eröffneten uns unmittelbar vor dem Ende der Studiosession, dass eigentlich noch ein Stück fürs Album fehlte“, erinnert sich Schlagzeuger Bill Ward an die Tage in den Londoner Regent Sound- und Island Studios. „Wir hatten jedoch all unsere halbwegs ausgearbeiteten Ideen bereits verwendet, mehr gab es nicht.“

Doch die Zeit drängt, deshalb bleiben Bain und Allom hartnäckig. Kurzentschlossen schicken sie die vier Musiker Osbourne, Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward zum Mittagessen in ein Pub auf der gegenüberliegenden Straßenseite, verbunden mit einem konkreten Auftrag: „Rodger sagte: ,Macht mal ’ne kurze Pause und denkt über neue Songideen nach. Anschließend starten wir ein paar Versuche!‘ Wir saßen also beim Essen in diesem Pub, diskutierten diverse Möglichkeiten und überlegten uns Alternativen, falls nichts Brauchbares dabei herauskommen würde, als Tony meinte: ,Es gibt da noch ein Riff, das mir seit einigen Tagen im Kopf herumgeistert. Ich gehe schon mal rüber ins Studio und probiere es aus.‘“

Als Osbourne, Butler und Ward nur wenig später ihrem Gitarristen folgen, stehen bereits die Fundamente von ›Paranoid‹. „Es war unglaublich! Tony hatte das Eröffnungsriff vollständig ausgearbeitet, auch die Strophe und der Rhythmus waren schon vorbereitet“, so Ward auch heute noch euphorisch. Kurzentschlossen schreibt Geezer Butler den legendären Text dazu – ohne eigentlich genau zu wissen, was „paranoid“ überhaupt ist. Ihm ist dieser Begriff nur deswegen vertraut, weil es sein eigener Spitzname ist, den ihm Freunde Jahre zuvor verliehen haben. „Es dauerte keine 20 Minuten, da war ›Paranoid‹ im Kasten“, staunt Ward noch heute. „Am nächsten Tag machte Tony nur noch ein paar Gitarren-Overdubs, und fertig war die Sache.“

20 Minuten, die zunächst nur den Albumtitel verändern – aus dem ursprünglich geplanten WAR PIGS wird PARANOID, für ein neues Cover-Motiv bleibt aber keine Zeit mehr. Doch diese kurze Zeitspanne wird das komplette Leben der Musiker über den Haufen werfen. In England und Deutschland klettert das Werk auf Platz eins beziehungsweise Platz zwei und hält sich wochenlang in den Charts. In Amerika landet die Scheibe im Februar 1971 auf Rang zwölf – das ist der internationale Durchbruch. „Auf eine solche Resonanz waren wir überhaupt nicht vorbereitet“, gesteht Ward. „Wir waren jung, wollten unseren Spaß haben und freuten uns, zum ersten Mal etwas Geld in die Hand zu bekommen. Doch nach der Veröffentlichung von PARANOID brachen alle Dämme.“

Aber es ist nicht nur der gigantische Titeltrack, der das Album zu einer der einflussreichsten Veröffentlichungen der Rockmusik macht. Es sind auch die anderen Nummern der Scheibe, die Publikum wie Presse gleicher-maßen faszinieren. Das böse ›War Pigs‹ zum Beispiel, ein frontaler Angriff gegen das Militär und seine menschenverachtenden Methoden. Zudem das melancholische ›Iron Man‹ und der selbstkritische Track ›Hand Of Doom‹, quasi eine weitere Steilvorlage für eine neue Musikrichtung: Doom Metal.

Für die vier Musiker von Black Sabbath bedeutet der riesige Erfolg zu-nächst eine Neuorientierung. Ihr im Frühjahr 1970 erschienenes Debüt hat sie zwar überregional bekannt, aber beileibe nicht weltweit berühmt ge-macht. Durch PARANOID werden aus den Beteiligten Superstars, deren Erwartungshaltung an die eigene Zielsetzung sofort ins Unermessliche steigt: „Wir dachten, natürlich, dass wir unbedingt weitere Single-Hits schreiben müssten“, gibt Ward zu. „Damals waren wir gerade mal Anfang 20, hatten keine Ahnung vom Musikbusiness und glaubten, dass die Zu­kunft der Band nur aus Chart-Singles bestehen würde. Zum Glück zeigte uns MASTER OF REALITY sofort, dass Black Sabbath auch ohne einen alles überragenden Song fortbestehen konnten.“

Denn trotz der Lobeshymnen für PARANOID, den kommerziellen Erfolgen und umjubelten Konzerten kehrt die Band 1971 wieder zu ihrem eigentlichen Anliegen zurück: „Für MASTER OF REALITY galt das, was im Grunde für alle Scheiben dieser Band zutrifft: Wir schrieben nur Songs, die uns selbst gefielen. Keine Nummer in der Geschichte von Black Sabbath wurde mit irgendeinem Kalkül komponiert, weder ›Paranoid‹ noch irgendein anderer Track auf den späteren Veröffentlichungen. Die Songs mussten uns gefallen, andere Kriterien gab’s nie.“

Ob allen Musikern von Black Sabbath ihr größter Hit wohl auch heute noch gefällt, obgleich es in 40 Jahren kaum ein Konzert mit einem der beteiligten Musiker gegeben haben dürfte, bei dem ›Paranoid‹ nicht gespielt wurde? Schlagzeuger Bill Ward jedenfalls kann dem Stück immer noch viel Freude abgewinnen: „Ich spiele es ja ständig anders, niemals gleich. Mal ist ein Break anders, mal wird das Tempo variiert. Deshalb bringt ›Paranoid‹ immer noch Spaß, aber das trifft letztendlich auf alle Lieder des Albums zu.“

 

Black Country Communion – Die Zangengeburt

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Black Country Communion 2010 @ Robert Knight 3Der Start hätte durchaus problemloser ausfallen können: Ein Streit um die Namensrechte sowie Unstimmigkeiten zwischen den Musikern haben das Projekt von Glenn Hughes, Joe Bonamassa, Jason Bonham und Derek Sherinian anfangs stark belastet. Manch einer befürchtete, und das nicht zu Unrecht, dass das Debütalbum vielleicht nie in die Läden kommen würde. Doch einige reinigende Verbalgewitter und Rechtsanwaltbesuche später ist es nun soweit: Black Country Communion bringen am 17. September ihr erstes Werk auf den Markt.

Aller Anfang ist schwer – das gilt für Supergroups ganz besonders. Denn wenn renommierte Rocker wie Glenn Hughes, Joe Bonamassa, Jason Bonham und Derek Sherinian ein gemeinsames Projekt ankündigen, dann schlägt das natürlich Wellen in der Szene. Und: Der Druck auf die Beteiligten steigt. Joe Bonamassa, einer der Protagonisten von Black Country Communion, versucht auf seine ganz eigene Art und Weise, damit klarzukommen: „Natürlich haben die Menschen hohe Erwartungen, wenn sich vier etablierte Musiker zusammentun. Aber wenn ich von mir ausgehe, dann kann ich nur sagen: Es ist mir egal, wer in der Band spielt, für mich zählt die Qualität der Songs. Und wenn die nicht stimmt, hilft auch alles andere nichts!“

Ziemlich bodenständige Einstellung, insbesondere für jemanden, der momentan zu den angesagtesten jungen Bluesrock-Talenten zählt. Im Grunde könnte er sich denken, dass das alles keine Rolle spielt. Die Leute greifen schon zu, wenn sie die vier Namen auf dem CD-Sticker sehen. Doch das ist Bonamassa zu wenig, geht ihm gegen den Strich. Er will mehr: „Ich möchte ein herausragendes Album mit Black Country Communion machen“, betont er. „Alles andere wäre nur Verarsche. Wir wollen uns doch nicht wie Pferde vor einen Promokarren spannen lassen.“
Der Gitarrist glaubt an das Potenzial der Band, wie er schon im Interview in CLASSIC ROCK #1 betont hat. Die Songs stehen für ihn im Mittelpunkt, und die sind nach Bonamassas Auffassung „sehr, sehr gut“ geworden.

Der Bluesrocker beweist damit nicht nur, dass er mit Herz und Leidenschaft bei der Sache ist, sondern erweist auch seinen Kollegen Respekt. Sänger Glenn Hughes kennt er seit drei Jahren – und spätestens seit einem gemeinsamen Jam im House Of Blues-Club im letzten November schwärmen sie gegenseitig vom jeweiligen Genius des anderen. Bei besagter Show ist nicht nur deutlich geworden, dass die beiden auch musikalisch harmonieren, sondern zugleich auch den Grundstein für die Entstehung von Black Country Communion legten. Produzent Kevin Shirley, der ebenfalls vor Ort war, schlug damals schon vor, dass die beiden ein gemeinsames Projekt starten sollten. Und zwar am besten mit Jason Bonham und Derek Sherinian. So einfach kann es manchmal sein – zumindest am Anfang.

Hughes jedenfalls war sofort begeistert von der Idee und wollte direkt loslegen. Die besondere Konstellation der Band hatte es ihm angetan, denn insbesondere mit Jason Bonham verbindet ihn eine langjährige Freundschaft, die bis in Bonhams früheste Kindheit zurückreicht. „Ich kannte Jasons Vater John sehr gut, denn er kam oft vorbei, um mit meiner damaligen Band Trapeze zu jammen“, erinnert sich Hughes, der später bei Deep Purple einstieg. „Eines Tages besuchte ich Bonham zu Hause. Als ich reinkam, saß John gerade mit dem damals vierjährigen Jason vor dem Drumkit und brachte ihm einige Tricks bei. Und jetzt spielt er gemeinsam mit mir in einer Band. Für mich ist das eine Ehre – denn es gibt nicht viele Menschen, die schon mit beiden Bonhams zusammengespielt haben. Auch mit Derek verbindet mich eine langjährige Beziehung. Ich kenne ihn seit über 20 Jahren. Er ist wirklich ein grandioser Keyboarder!“

Die Rahmenbedingungen könnten also perfekter nicht sein. Alle Beteiligten verstehen sind und schätzen einander, ein Produzent steht auch schon bereit. Könnte also sofort losgehen. Doch dann tauchen die ersten Probleme auf. Der Wunsch-name für das Projekt ist schon vergeben – eine Band namens Black Country meldet ihre Rechte an, als sie erfährt, dass sich Hughes, Bonamassa, Bonham und Sherinian so nennen wollen. Um einen langwierigen und teuren Prozess zu vermeiden, einigen sich die Parteien. Aus Black Country werden Black Country Communion.

Doch damit nicht genug. Parallel zum Hickhack über den Projektnamen meldet sich Kevin Shirley via Facebook zu Wort. Er schäumt vor Wut – und wirft den Musikern und deren Managern Habgier und Geltungssucht vor, lediglich Joe Bonamassa spart er in seiner Tirade aus. Hintergrund der Attacke: Wie so häufig bei Supergroups wollen alle Beteiligten (und insbesondere die dahinterstehenden Geschäftspartner) ein großes Stück vom Riff-Kuchen abhaben. Ein Hauen und Stechen setzt ein, das Shirley zur Weiß-glut treibt. „Die Sache wird wohl nicht wieder ins Reine kommen“, sagt er den Kollegen vom britischen CLASSIC ROCK-Magazin. „Es ist wirklich eine Schande, denn die Songs sind viel zu gut, um einfach so auf einer Festplatte zu versauern. Doch die Idee, die dahinterstand, ist in dieser Form einfach nicht umzusetzen. Black Country Communion sollten von den unterschiedlichen Talenten der beteiligten Musiker leben, Einflüsse von Deep Purple und Led Zeppelin in sich vereinen und das Ganze auf ein neues, anderes Niveau hieven. Doch der Teamgeist und die Kameradschaft, die im Studio noch zu spüren war, ist nun vollständig verschwunden. Die Gier hat sie vernichtet.“

So emotional und sicherlich auch etwas naiv diese öffentliche Wortmeldung von Kevin Shirley auch war – sie hat tatsächlich dazu geführt, dass die vier Musiker ihre Haltung neu überdenken wollten. Endlich brachten sie alle Probleme auf den Tisch – und arbeiteten gemeinsam an einer Lösung. Ein Silberstreif am Horizont.

„Nun, Kevins Posting hat uns dabei geholfen, die Dinge wieder etwas objektiver zu betrachten. Jedem von uns war klar, dass nun etwas passieren musste. Also schnappten wir uns ein Telefon, riefen uns gegenseitig an und besprachen die nächsten Schritte. Jeder durfte seine Bedenken klar und deutlich äußern, und das war wichtig“, sagt Bonamassa rückblickend. „Manche Dinge ließen sich relativ schnell aus der Welt schaffen, bei anderen dauerte es eine Weile. Jeder von uns steht beispielsweise bei einem anderen Management, Label oder Tourveranstalter unter Vertrag. Die Leute dort haben natürlich Angst, dass ihnen Black Country Communion in der Quere kommen, wenn sich Konzerte oder Veröffentlichungstermine überschneiden. Daher mussten wir eine Weile hin- und herüberlegen und etliche Zugeständnisse machen, doch am Ende ist alles gut ausgegangen. Jeder ist zufrieden. Das Wichtigste an der ganzen Geschichte war für mich die Erkenntnis, dass die Freundschaft zwischen Glenn, Jason, Derek und mir an erster Stelle stehen muss – danach erst kommt alles andere!“

Das sieht auch Glenn Hughes so, mit dem Shirley alles andere als zimperlich umgesprungen ist. Doch der 59-Jährige, der seit über vier Jahrzehnten im Rock-Geschäft vorne mitspielt, gibt sich inzwischen geläutert. Er weiß, dass Fehler passieren – und speziell im Musikbusiness sind die Geier selten weit. Obwohl er sich der Tatsache bewusst ist, dass es – zumindest auf Dauer – nicht einfach sein wird, das Projekt Black Country Communion als konstant tourende Band am Laufen zu halten, freut er sich darüber, dass zumin-dest für die ersten Schritte eine Lösung gefunden werden konnte. „Es gab heftige Geburtswehen, um es vorsichtig zu formulieren“, setzt Hughes an. „Das will ich auch gar nicht bestreiten. Aber im Grunde ist das gar nicht mal so schlecht. Rock’n’Roll ist nicht schön. Die Musik packt man nicht einfach in eine schicke gelbe Box, bindet ein Schleife drumherum und bringt sie zum Nachmittagstee mit. Rock’n’Roll muss immer unberechenbar und schmutzig sein. Anfangs ist bei Black Country Communion ein bisschen dreckige Wäsche gewaschen worden – und wenn schon…

Das gehört jetzt der Vergangenheit an! Ich zumindest freue mich auf die neuen Herausforderung. Seit Jahren war ich kein Teil einer Band mehr. Jetzt kann ich mich wieder voll ausleben. Und das ohne den ganzen Kram von früher, die Drogen, den Alkohol und all das Zeug. Die Leute fragen mich immer, wieso ich glaube, dass ich heute besser singe als mit 25. Die Antwort ist ganz simpel: Weil ich nicht auf Crack bin. Und weil es Gott gut mit mir gemeint hat, indem er dafür sorgte, dass ich meine Stimme trotz der höllischen Drogenphasen nicht ruiniert habe. Jetzt kann ich wieder mit einer Band rocken, und zwar auf großen Bühnen und in einem angemessenen Rahmen. Das ist großartig!“

Eine erste Kostprobe ihres Könnens haben Black Country Communion bereits abgeliefert. Im März, während Bonamassas US-Tourstopp im kalifornischen Riverside, gab der frisch formierte Vierer sein Live-Debüt. Joe Bonamassa verzichtete dafür auf seinen Solo-Zugabenblock und holte seine drei Kollegen zu sich auf die Bühne. Dort spielten sie das Cover ›Mistreated‹ sowie die erste, von den Fans bejubelte Eigenkomposition ›One Last Soul‹.

Mitte September bekommt die Welt nun das komplette Album zu hören – mehr zu den einzelnen Songs ist im Rezensionsteil dieser CLASSIC ROCK-Ausgabe nachzulesen. Glenn Hughes selbst beschreibt die Scheibe als „traditionelles Rockalbum, das aber durchaus den Maßstäben der heutigen Zeit gerecht wird. Und, das ist mir ganz wichtig, wir sprechen hier über Rock. Von Trendanbiederung ist hier also weit und breit nichts zu hören. Wir wollten lediglich das ausdrücken, was wir selbst fühlen – und es sollte so klingen, dass wir diese Atmosphäre auch live wiedergeben können. Das ist uns definitiv gelungen.“

Bleibt nur die Frage, ob der Supergroup-Stempel für Black Country Communion nun auf lange Sicht eher Fluch oder Segen sein wird. In Sachen Starthilfe ist er natürlich un-schlagbar, doch die Aktion könnte auch einige Rückstöße zur Folge haben. Ein nicht ganz unberechtigter Einwand, mit dem sich auch Joe Bonamassa schon beschäftigt hat: „Ich hoffe, dass wir mit Black Country Communion Menschen erreichen, die sich für die Songs interessieren, nicht nur für die Musiker, die dahinter stehen.“ Das sieht auch Glenn Hughes ähnlich. Er wäre sogar gerne bereit, die Stücke für sich allein sprechen zu lassen. Das Etikett „Supergroup“ haben Black Country Communion seiner Ansicht nach gar nicht nötig. „Es gibt immer Vor- und Nachteile, wenn man mit diesen Vorschusslorbeeren ins Rennen geht. Das hat man bei Chickenfoot und Them Crooked Vultures deutlich gesehen“, so der Sänger. „Aber um es in aller Deutlichkeit zu sagen – es waren nicht wir, die sich das Wort ,Supergroup‘ ausgedacht haben. Mir wäre es auch lieber, wenn uns die Leute als ,die neue Band‘ oder eben Black Country Communion bezeichnen würden. Aber es ist nun einmal so, dass die Menschen den Schlagzeilen und den großen Namen hinterherhecheln und ihnen mehr Bedeutung zumessen, daher werden solche Begriffe erfunden. Und die können für einen Act gut und schlecht zugleich sein.“

Doch egal was die Zukunft für Black Country Communion bereit hält – jetzt ist für die Musiker erst einmal die Zeit gekommen, die ersten Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Sie bewerben die Platte – und freuen sich auch jetzt noch über die großartige Zeit, die sie gemeinsam im Studio verbracht haben. „Wir haben hart gearbeitet, darauf kann jeder von uns wirklich stolz sein“, betont Bonamassa. „Daher hätte es mich wirklich traurig gemacht, wenn dieses Album wegen der Streitigkeiten nie erschienen wäre. Manche Momente während der Aufnahmen waren einfach magisch. Ich konnte oft kaum glauben, wie sich Jason und Glenn gegenseitig angestachelt haben. Und dann kam auch noch Derek dazu, und das Ganze verband sich zu einem unglaublich dichten, intensiven Soundgewebe. Anfangs hat es zwar noch ein wenig im Getriebe geknirscht, doch als alles geölt war, lief der Motor auf Hochtouren – und zwar mit einer Kraft, die sich gewaschen hatte!“

 

Lebenslinien: Rick Wakeman

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Photo of Rick WAKEMAN and YESEr ist eine Progrock-Legende und auch ein Lebemann – selbst wenn er das heute nicht mehr so deutlich zeigt wie früher. Und er hat im Laufe seiner langen Karriere etliche Persönlichkeiten getroffen, die sonst nur selten jemandem über den Weg gelaufen sind, wie Rick Wakeman (61) im CLASSIC ROCK-Interview verrät.

Schon bevor Rick Wakeman mit der Progrock-Legende Yes zu weltweiten Ehren gelangte, stand er mit den Giganten des Musikgeschäfts im Aufnahmeraum. Wakeman war nämlich in den berühmten Londoner Trident Studios als Keyboarder fest angestellt und verhalf mit seiner Arbeit so manchem Act zu einem Charterfolg. Als Komponist verdiente er sich zunächst seine Sporen bei den Folkproggern The Strawbs, bevor er mit Yes weltweit die Stadien füllte. Auch mit seinen exzessiven Soloshows sorgte er in den Siebzigern für Furore: So unternahm er 1975 den Versuch, sein Album THE MYTHS AND LEGENDS OF KING ARTHUR AND THE KNIGHTS OF THE ROUND TABLE in der Wembley Arena aufzuführen – und zwar als Eislauf-Show. Der Begriff „exzessiv“ trifft nicht nur auf Rick Wakemans opulente Musik und deren optische Umsetzung zu, sondern auch auf sein Privatleben. So hatte ihn bis Mitte der Achtziger der Dämon Alkohol fest im Griff. Er konnte ihn jedoch erfolgreich niederringen und ist seither eine der schillerndsten und meistbewunderten Persönlichkeiten der Progrock-Szene. Kein Wunder, dass er daher auch etlichen ande-ren interessanten Stars begegnet ist…

David Bowie

Ich habe ihn Ende der Sechziger das erste Mal getroffen – also in einer Ära, in der man noch durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder die Zeitschrift „Melody Maker“ herausgefunden hat, welche neue, junge Band das nächste große Ding werden könnte. Ich sollte 1969 einen Job für Bowies Produzent Tony Visconti erledigen, er arbeitete zu dieser Zeit mit Junior’s Eyes in Willesden an einem Album. Ich kam rein – und sah als Erstes ein Mellotron in der Ecke stehen. Die Dinger waren damals brandneu, und keiner wusste so richtig etwas damit anzufangen. Also fragte ich, ob ich ein bisschen rumprobieren dürfe. Und tatsächlich: Es gelang mir, das Teil zum Laufen zu bringen. Einige Tage später, ich trat gerade mit einer Soul-Coverband im Reading Top Rank Club auf, rief mich Tony an und fragte, ob ich nicht bei Bowies SPACE ODDITY-Session in den Trident Studios dabei sein wolle. David war gerade dabei, eine Single aufzunehmen und wünschte sich Streicher-Parts und auch eine Mellotron-Passage. Ich sagte zu. Die Aufnahmen dauerten nur eine halbe Stunde. David tauchte mit einem Stylophone auf, diesem Keyboard, das man in der Hand halten kann. Er hatte es im Vorbeigehen in einem Laden gesehen und sofort gekauft. Bowie liebte alles, was neu war. Wir dagegen sagten ihm, dass er keinen einzigen vernünftigen Ton aus dem Ding herausbekommen würde. Doch als die Single schließlich erschien, war ich erstaunt: Er hatte es tatsächlich geschafft, das Instrument zu integrieren. Außerdem bestand er darauf, dass die Single in Stereo, nicht in Mono auf den Markt kommen sollte. Die Leute von der Plattenfirma waren dagegen, doch am Ende setzte er sich durch. Das ist wohl einer der Gründe, wa-rum ich ihn schon immer als einen Künstler betrachtet habe, der sich zu 100 Prozent für seine künstlerische Vision einsetzt.

David hat mir auch geholfen, als ich noch unter dem Motto „Booze Droop“ Folk-Abende im White Hart Pub in North Acton organisierte. Es hatten sich einige Mietrückstände aufgetürmt, und der Vermieter ging uns deswegen tierisch auf die Eier. Ich erwähnte das bei einem Abendessen mit David, und er bot mir an, dort ohne Gage aufzutreten. Von den Einnahmen sollte ich die Rechnungen begleichen. Also schaltete ich Inserate und pries den Gig an. Es kamen genau vier zahlende Gäste. Alle hatten gedacht, dass es sich um einen Scherz handele und waren zu Hause geblieben. Bowie spielte sein Set dennoch. Und siehe da: In der Woche darauf war der Laden rammelvoll – und die Mietschulden schnell Geschichte. Ebenso wie der „Booze Droop“-Abend übrigens, denn das war mir eine Lehre.

BLACK SABBATH

Ich habe Black Sabbath geliebt. Ihre Musik, aber auch die Menschen dahinter. Da wir mit Yes einige Male als Support auf ihren US-Tourneen in den frühen Siebzigern dabei waren, kannte ich sie ganz gut. Sie hatten nichts gegen einen gepflegten Drink – und ich ebensowenig, also war die Sache klar. Mich verband auf einer persönlichen Ebene mehr mit Sabbath als mit Yes. Ich liebte es, mir einen zu genehmigen und danach ordentlich auf die Kacke zu hauen: Rock’n’Roll eben. Da wir uns so gut verstanden, bin ich auch oft in ihrem Flugzeug mitgeflogen, um Party zu machen. Tony Iommi, mit dem ich bis heute gut befreundet bin, hat mir sogar einmal gezählt, dass die Band ernsthaft darüber nachgedacht hat, mich ins Line-up aufzunehmen. Sie mochten mich und hatten außerdem vor, ihren Sound etwas zu verändern. Doch Ozzy hatte Bedenken, dass die Metal-Fans negativ auf diese Entwicklung reagieren würden – nicht ganz zu Unrecht, wie ich zugeben muss. Ich habe das erste Mal während der Aufnahmen zu SABBATH BLOODY SABBATH mit ihnen zusammengearbeitet, das war Anfang der Siebziger. Sie wollten einen Mini-Moog-Part in einem Song einbinden. Da wir mit Yes in einem Studio nebenan an neuen Stücken bastelten, sagte ich zu, bat sie aber, einfach weiterzumachen mit ihren Recordings – ich wollte erst meine Arbeit mit Yes beenden und dann dazustoßen, um den Kram einzuspielen. Als ich schließlich soweit war und das Studio von Sabbath betrat, traute ich meinen Augen nicht. Alle lagen rum und schliefen. Wobei der Begriff „schlafen“ hier noch eine vornehme Bezeichnung ist… Nur ein junger, völlig verängstigter Techniker war noch bei Bewusstsein. Er legte das Tape mit besagtem Track ein, ich hörte es mir an und probierte ein bisschen herum, improvisierte mit zwei, drei Varianten. Schließlich nahm ich die dritte Version auf. Während ich spielte, hob plötzlich Ozzy seinen Kopf, grunzte „fucking great!“ und knackte wieder weg.

JACK LEMMON

Wenn man älter wird – und das gilt für Rocker wie für normale Menschen –, dann schleichen sich plötzlich Aktivitäten ins Leben ein, die man vorher niemals freiwillig getan hätte. Kochen zum Beispiel. Oder Gartenarbeit. Golfen ist auch so eine Sache. Ich habe in den Achtzigern damit begonnen, nachdem ich mit dem Trinken aufgehört hatte. Als Ausgleich quasi. Eines Tages bekam ich eine Einladung zum Howard Keel Golf Classic, das ist ein Celebrity-Turnier in Manchester. Höhepunkt der Veranstaltung ist eine Gala, bei der Gastgeber Howard Keel jede Menge Stars und Sternen aus den Staaten einfliegen lässt. Nun, jedenfalls war ich auch da – denn Howard sagte: „Jack mag dein Pianospiel. Also spielst du ein bisschen, moderierst Jack an, er spielt dann auch ein bisschen und moderiert schließlich mich an“. So weit sein Plan. Ich sagte zu – und verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran, wer denn dieser Jack eigentlich war. Als es dann soweit war, machte ich mich auf den Weg nach Manchester, traf Howard und fragte nach Jack. Keel deutete zum Bühnenrand und sagte: „Da hinten steht er doch.“ Ich blickte in die Richtung – und plötzlich fiel bei mir der Groschen: Jack = Jack Lemmon! Ich war noch völlig wie vom Donner gerührt, als Lemmon uns schon erblickt hatte und rüberkam. Er hatte von Howard Keel einige meiner Platten bekommen und mochte sie sehr. Also bat er Keel, mich für die Show zu buchen, damit wir gemeinsam auftreten könnten. Wenn ich mich recht erinnere, spielte Lemmon ziemlich jazzig. Aber so genau weiß ich das ehrlich gesagt gar nicht mehr, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, mich selbst zu zwicken, denn ich konnte nicht glauben, dass ich wirklich direkt neben einer Filmlegende saß.

John Lennon @ Alan Tannenbaum 1_bearbeitetJOHN LENNON

Mit Ringo Starr war ich lange Jahre befreundet, und ich hatte auch Paul McCartney und George Harrison schon etliche Male getroffen. Aber noch nie John Lennon. Eines Tages jedoch, ich lebte damals in der Schweiz, war aber gerade in New York, um eine Yes-Tour zu promoten, war es soweit. Ich saß in der „Tavern On The Green“ im Central Park, denn das Essen dort schmeckte hervorragend. Außerdem gab es einen Raum namens „Crystal Room“, in dem man in aller Ruhe dinieren konnte, ohne von irgendwelchen Leuten belästigt zu werden. Die Leute schauten zwar neugierig, aber das war’s dann auch schon. Meine damalige Frau und ich hatten es uns gerade bequem gemacht, als ich bemerkte, dass John und Yoko am Nebentisch saßen. Ich hätte nie gedacht, dass er mich erkennen würde – aber er kam rüber zu uns, stellte sich vor, und wir kamen ins Gespräch. Er wirkte sehr nett und höflich, berichtete uns von den Problemen, die ihm die Arbeit am neuen Album DOUBLE FANTASY bereitete. Die Art und Weise, wie er über seine Musik sprach, erinnerte mich stark an David Bowie – er war ähnlich leidenschaftlich und engagiert. Kurz nachdem ich in die Schweiz zurückgekehrt war, bekam ich einen Anruf von einer Journalistin, die mich um ein Zitat zu John Lennon bat. Ich war verwirrt und wollte wissen, weshalb sie mich danach fragte. Schließlich erfuhr ich von seiner Ermordung. Ich war wohl einer der letzten Musiker, mit denen er ins Gespräch gekommen war – zumindest in der Öffentlichkeit. Und dann stellte mir die Journalistin eine der dümmsten Fragen, die mir in meiner Karriere bisher untergekommen ist: „Hat John dir irgendetwas über eine Vorahnung seines baldigen Todes erzählt?“ Manche Leute haben vielleicht Ideen…

KEITH MOON & VIVIAN STANSHALL

Wer mit Keith ausging, der wusste, dass die Polizei an diesem Abend nicht weit sein würde. Zumindest nicht, wenn Vivian Stanshall (Bonzo Dog Band) auch mit von der Partie war. Die beiden konnten zwar keiner Fliege was zu leide tun, zogen aber Ärger magisch an. Die trieben unablässig ihre Scherze mit allem und jedem – und es wurde besonders übel, wenn sich Alkohol zu ihrem überschäumendem, kindlichen Enthuasismus gesellte. Speziell Keith konnte ein wirklich gemeiner kleiner Kerl sein. Aber die Nächte mit ihnen werde ich nie vergessen – sie gehören zu den heftigen und spaßigsten, die ich je erleben durfte.

Jim Davidson

Ich kenne Jim schon seit vielen, vielen Jahren. Er ist ein echter Progrock-Fanatiker, und so sind wir im Laufe der Zeit zu dicken Freunden geworden. Aber auch er fällt in dieselbe Kategorie wie Keith und Vivian: Wer mit ihm ausgeht, muss aufpassen, denn das Chaos lugt ständig ums Eck. Jim trinkt auch heute noch gerne einen über den Durst, obwohl er lange nicht mehr so schlimm ist wie früher. Und genau wie bei Moons & Stanshalls Exzessen hat auch Davidson nie irgendjemandem etwas Böses zugefügt. Denn egal wie krass ein Witz war oder wie viele Schnäpse schon unsere Kehlen heruntergeronnen waren – für alle Beteiligten stand immer nur eines im Vorder­grund: der Spaß.

 

Rush

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Rush 2007 (7)_bearbeitetAls unterbeschäftigt kann man Rush momentan sicherlich nicht bezeichnen. Sie bringen gerade ihre Dokumentation RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE in die Kinos und parallel auch als DVD in die Läden, gehen mit der Komplettaufführung von MOVING PICTURES auf Nordamerika-Tour und arbeiten zudem an den Songs für ihr neues Studiowerk CLOCKWORK ANGELS, das im Frühjahr 2011 auf den Markt kommen soll. Und trotz all der Hektik finden Geddy Lee und Alex Lifeson auch noch Zeit, mit CLASSIC ROCK presents PROG ein Interview zu führen.

Kein Fan der Band, und sei er noch so fanatisch, hätte je gedacht, dass er jemand diese drei Worte im Zusammenhang mit seinen Göttern lesen würde. Und doch, hier kommen sie: Rush sind cool.

Alex Lifeson kann darüber nur lachen. „Dabei haben wir doch gar nichts gemacht!“, redet er sich schmunzelnd raus, freut sich aber dennoch sichtlich über das Kompliment. „Es war Sam, der auf uns zukam und uns vorschlug, eine Band-Doku zu drehen. Erst sechs Monate später war uns klar, dass das wirklich eine tolle Idee war!“
Besagter Sam heißt mit vollem Namen Sam Dunn und hat gemeinsam mit dem Kompagnon Scot McFayden RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE produziert. „Die beiden hatten bereits einige Filme zusammen gemacht, unter anderem eine Dokumentation namens METAL: A HEADBANGER’S JOURNEY, die wir sehr mochten“, erläutert der Gitarrist. „Ged ist dafür interviewt worden, daher kannte er Sam und Scot bereits. Und er wusste, dass sie sehr leidenschaftlich für ihr Projekt eintreten würden. Sie haben uns schließlich vor unserer letzten Tour ihr Konzept präsentiert – und uns damit vollends überzeugt.“

Das Resultat von Dunns und McFaydens Arbeit wird jeden Rush-Fan überzeugen. RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE ist offen, ehrlich und direkt. Und es stellt die Beziehung zwischen den drei Protagonisten deutlich heraus – dieser Aspekt ist bislang häufig ausgeklammert worden, wenn es darum ging, die Erfolgsgeschichte des Trios nachzuzeichnen. Dabei hat er die Arbeit nachhaltig geprägt.

Neben den Hauptdarstellern bekommen auch weitere Musiker die Gelegenheit, sich zum Phänomen Rush zu äußern. Trent Reznor (Nine Inch Nails) zum Beispiel schafft es, den enormen Einfluss der Drei auf die nachfolgenden Rock-Generation in präzise und profunde Worte zu fassen. Auch Mike Portnoy (Dream Theater) sowie der ansonsten notorisch wortkarge Billy Corgan (The Smashing Pumpkins) geraten angesichts von Rushs Backkatalog ins Schwärmen. Und selbst Gene Simmons, eine nicht minder große Ikone, lässt sich zu wahren Worten hinreißen: „Was für Art Band Rush sind? Nun, sie sind Rush. Ganz einfach.“

So simpel diese Weisheit klingt, so wahr ist sie auch. Geddy Lees Archiv-material, das er für RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE zur Verfügung gestellt hat, belegt dies. In alten wie in neueren Aufnahmen reißt immer irgendjemand einen Witz. Humor ist ein essentielles Element bei Rush. Und es beweist, dass Freundschaft zwischen den Musikern die Basis der Band ist. Damals wie heute. Hinzu kommt, dass sich die Kanadier nie irgendwelchen Trends unterworfen haben. Sie wollten sich nie verbiegen, dieses Prinzip gilt bis in die Gegenwart. Daher klingt auch keine andere Band so wie sie. „Sie mussten sich entscheiden, ob sie ein absolutes Hit-Album komponieren oder ob sie sich und ihren Ideen treu bleiben wollten“, so Co-Produzent Scot McFayden. „Ein internationaler Megaseller hätte für Rush bedeutet, dass sie diese Platte immer wieder aufs Neues hätten kopieren müssen. Das wollten sie nicht, denn die Entwicklung war ihnen wichtig – auch wenn sie deshalb vielleicht auf den ganz großen Erfolg verzichten mussten.“

Das sieht auch Alex Lifeson so. Er betrachtet Rush als „Band mit einer Ge-schichte und einem Vermächtnis. Es gibt nicht viele Acts, die eine so lange Zeit im selben Line-up zusammenspielen wie wir. Wenn wir etwas tun, also touren oder eine Platte veröffentlichen, dann machen wir das so, wie wir es möchten. Das ist nicht immer einfach, speziell im umkämpften Musikgeschäft.“

Umso mehr freut sich der Gitarrist darüber, dass er nun Lob von den Kollegen bekommt. Die positiven DVD-Kommentare anderer Musiker zeigen ihm, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat und bestärken Lifeson nachträglich in seinen Entscheidungen: „Wenn ich mir die Aufnahmen ansehe und höre, dass wir andere Menschen beeinflusst haben, die jetzt wiederum selbst erfolgreich sind, dann weiß ich, dass wir etwas Bleibendes ge-schaffen haben. Darauf bin ich stolz.“

Stolz kann Alex Lifeson auch auf den Zusammenhalt der Band sein. Denn wie stark die Bande innerhalb der Band sind, wird auf RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE speziell dann deutlich, wenn das Privatleben von Neil Peart thematisiert wird. Der Drummer musste 1997 zunächst den Unfalltod seiner Tochter verkraften, zehn Monate später starb seine Frau nach qualvollen Monaten an Krebs (und gebrochenem Herzen). Um diese beiden Schicksalsschläge zu verarbeiten und einen neuen Lebensabschnitt beginnen zu können, nahm sich Peart eine mehrmonatige Auszeit. Er reiste mit seinem Rad kreuz und quer durch Nordame-rika und veröffentlichte im Anschluss daran das Buch „Ghost Rider: Travels On The Healing Road“ sowie einen hochemotionalen Song gleichen Namens.

Danach sah er sich wieder in der Lage, mit Geddy Lee und Alex Lifeson gemeinsame Sache zu machen. 2002 veröffentlichte das Trio erneut ein Album: VAPOR TRAILS. Lifeson selbst ist damit heute nicht mehr hundertprozentig zufrieden – er würde die Scheibe gerne remixen und den Fans als Gratis-Download zur Verfügung stellen. Die Gespräche dazu laufen im Moment noch.

Dennoch ist er der Ansicht, dass sie zum damaligen Zeitpunkt exakt so klingen sollte und musste: „VAPOR TRAILS ist mit Sicherheit das gefühlsbetonteste Album, das wir je komponiert haben. Daher haben wir uns bewusst dafür entschieden, nicht zu lange an der Produktion zu feilen oder viele komplexe Parts in die Songs zu integrieren. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Platte letztendlich so erfolgreich war. Es ging nur um die puren Emotionen, die durch die tragischen Ereignisse ausgelöst worden waren. Wir legten offen, wer wir waren, wie wir damit umgingen und was wir fühlten. Es dauerte 14 Monate, bis VAPOR TRAILS fertig war.“

Für die Produktion von RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE musste jedoch auch dieses dunkle Kapitel der Band-Historie im Dokumentarfilm behandelt werden. Es wäre nicht möglich gewesen, die Geschichte von Rush glaubhaft zu erzählen, wenn nicht auch Neil Pearts Verluste ein Thema gewesen wären. In langen, einfühlsamen Gesprächen gelang es Peart und den beiden Produzenten, die Ereignisse für die Fans zu rekapitulieren. „Neil hat schon in GHOST RIDER offen gelegt, wie es in seiner Seele aussieht“, so Geddy Lee. „Daher war es für ihn nicht mehr ganz so schwer, das jetzt auch im Film zu tun.“

Und Alex Lifeson setzt nach: „Neil ist außerdem jemand, der gerne redet. Dass das nach außen hin oft anders wirkt, liegt daran, dass er sehr schüchtern ist. Er braucht die richtige Gesellschaft, dann funktioniert das. Und er hatte nie ein Problem damit, in einer Rockband zu spielen, die eine breite Öffentlichkeit er­reicht. Zu viel Bewunderung und Verehrung schreckt ihn allerdings ab, daher kommt er manchmal etwas verstockt rüber – daher bin ich froh, dass wir RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE machen konnten, denn hier wird deutlich, dass er gar nicht so ist, sondern ihn oft nur diese spezielle Situation überfordert. Geddy und ich können damit gut umgehen, zudem sind unsere Fans stets sehr höflich. Aber dennoch muss es für jemanden, der damit nicht umgehen kann, eine echte Tortur sein“, berichtet Alex. „Neil ist eben jemand, der sich gerne zurückzieht und nur mit Menschen umgibt, die er schon kennt. Doch er war sofort bereit, sein Okay für die Dreharbeiten zu geben, nachdem wir ihm versichert hatten, dass wir ihm und seiner besonderen Geschichte in die Dokumentation mit Respekt begegnen würden.“

Damit war die Sache geritzt – Dunn und McFayden konnten loslegen. Die Band jedoch musste sich fortan daran gewöhnen, dass sie ständig von Kameras umgeben war. Doch so schlimm, wie man es erwarten würde, war diese Erfahrung letztendlich nicht, wie Lifeson berichtet. „Andrew MacNaughton, unser langjähriger Tourfotograf, hat uns begleitet. Wir waren ohnehin schon so daran gewöhnt, dass er ständig mit einer Kamera hinter uns herlief oder uns in allen möglichen Situationen ablichtete, dass wir gar nicht bemerkten, wenn er uns filmte. Daher wirken die Aufnahmen authentischer, als wenn ständig ein komplettes Filmteam um uns herumgesprungen wäre.“

Der Crew ist es gelungen, die Beziehung zwischen den Band-Mitgliedern offen zu legen und filmisch einzufangen. Humor spielt dabei eine wesentliche Rolle. Und da sich Rush, die seit 1974 in derselben Besetzung rocken, wohl besser kennen als jede andere Band auf diesem Planeten, weiß jeder Musiker auch genau, wann und wo er einen Gag platzieren kann. Und so endet der Film auch mit einer Szene, in der sich die drei beim gemeinsamen Abendessen (oder besser: Abendtrinken) während der SNAKES & ARROWS-Tour ohne Unterlass Quatsch um die Ohren hauen.

„Lachen ist wichtig. Doch wenn wir unterwegs sind, beschäftigt sich jeder von uns auch mit anderen Hobbies, um Abstand zu gewinnen“, ergänzt Alex. „Ich zum Beispiel spiele gerne Golf. Neil fährt Motorrad. Und Geddy liebt gutes Essen und edle Weine.“ Was man bei Lee nicht unbedingt vermuten würde – zumindest beim Blick auf die Körpermaße. „Er hat gute Gene – im Gegensatz zu manch anderen Leute“, kommentiert der Gitarrist grinsend und blickt an sich herunter. Wer das Rush-Archivmaterial sichtet,wird nämlich rasch feststellen, dass Lifeson früher Bohnenstangen-Qualitäten hatte, was heute nicht mehr zutrifft. Doch allzu viele Kalorien hat er bei besagtem Abendmahl im Kreise seiner Band-Kollegen ohnehin nicht zu sich genommen – jedenfalls nicht in Form fester Nahrung. „Sie haben vier Stunden lang nur getrunken und rumgealbert“, berichtet Scot MyFayden. „Das Essen spielte hier definitiv nur eine Nebenrolle… Aber die Szenen zeigen deutlich, wie essentiell Spaß für Rush ist. Es war die pure Freude, mit ihnen zu arbeiten, denn sie sind nicht nur gut drauf, sondern auch sehr selbstironisch und nehmen sich gerne gegenseitig auf die Schippe.“

Doch natürlich, und hier wird aus dem Spaß sofort Ernst, ist es für die drei Musiker auch enorm wichtig, ihr kreatives Potenzial zu erhalten und auch weiterzuentwickeln. So steht für die Band im Moment nicht allein die Promotion von RUSH: BEYOND THE LIGHTED STAGE im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Vorbereitung auf das nächste Studioalbum CLOCKWORK ANGELS, das im Frühjahr 2011 erscheinen wird.

Zwei Songs davon, nämlich ›Caravan‹ und ›BU2B‹ haben die Fans bereits auf der jüngsten Nordamerika-Tour live zu hören bekommen – sie sind seit Juni auch als Download erhältlich. Weitere vier Tracks stehen ebenfalls schon – sie werden dann auf der Welttournee präsentiert, die parallel zum Albumrelease starten soll.
„Es hat Spaß gemacht, MOVING PICTURES in seiner Gesamtheit aufzuführen. Besonders nach ›The Camera Eye‹ haben die Leute seit Jahren gefragt – jetzt bekommen sie ihren Wunsch erfüllt. Aber es gab eben auch Platz für zwei neue Stücke im Set. Daher haben wir die Tour ›Time Machine‹ genannt, denn sie symbolisiert für uns sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft.“

Eine Zukunft, die für Rush-Fans nicht rosiger sein könnte. Denn Geddy Lee erklärt, dass es nicht bei den sechs Tracks bleiben wird – das Prog-Trio hat noch Größeres vor. „Die Songs sind nur der Anfang, wir wollen noch mehr Material schreiben, das in diese Richtung geht. Die Lieder, die bereits fertig sind, klingen fantastisch – ich finde, dass sie zu den stärksten gehören, die wir je geschrieben haben.“

Da alle so begeistert von dem Stoff waren, entwickelte die Band zudem ein neues Recording-Konzept. Rush wollten sich nicht mehr monatelang im Studio verbarrikadieren, um danach direkt auf eine lange Tour zu gehen, sondern ihre Zeit stattdessen anders einteilen. Fortan wollen sie einige Tracks aufnehmen, danach Gigs spielen und das Material dort vor Publikum testen, um dann perfekt aufeinander eingespielt ins Studio zurückzukehren. Denn hier greift die alte Musikerweisheit: Einen Song lernt eine Band erst richtig kennen, wenn sie ihn live gespielt hat.
„Momentan sind wir in einer Top-Verfassung“, berichtet Alex Lifeson. „Entspannt und aufgeregt zugleich. Wir vertrauen auf unsere Fähigkeiten und haben etliche Ideen im Kopf, die wir noch ausarbeiten wollen. Die Arbeit an den neuen Songs hat uns beflügelt – und sie dann sofort auf die Bühne bringen zu können, ist wirklich großartig!“

Und obwohl die europäischen Fans auf die ›Time Machine‹-Shows verzichten mussten, so ist doch ein Silberstreif am Prog-Horizont zu sehen. Rush wollen nämlich nach der Veröffentlichung von CLOCKWORK AN-GELS auf eine ausgedehnte Tour gehen. Und die umfasst nicht nur Nordamerika, sondern auch Europa. Insgesamt 60-70 Konzerte soll es geben. „Wir wollen definitiv auch bei euch spielen“, so Geddy Lee. „Denn es hat uns eine Menge Spaß gemacht, als wir beim letzten Mal nach langer, langer Zeit wieder nach Europa zurückgekehrt sind. Dennoch war es eine gute Entscheidung, nicht ständig die komplette Welt zu betouren. Denn so freut man sich umso mehr über ein Wiedersehen.“ In der Tat…

 

Disturbed – Hartes mit Hirn

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Disturbed 2010_bearbeitetWeltreisender, Philosoph, Systemkritiker: Disturbed-Sänger David Drainman ist der etwas andere Metal-Frontmann.

Es gibt viele Ansätze, ein interessantes Gespräch mit dem 37-jährigen New Yorker zu führen. Sei es über seine Passion für traditionellen Hardrock in der Manier von Maiden oder Priest, die sich auch auf seinem fünften Album ASYLUM fortsetzt. Oder über den amüsanten Gegensatz zwischen beruflichem Erfolg und privatem Pech, das sich in gescheiterten Beziehungen, Motorradunfällen und einem abgebrannten Haus manifestiert. „Ich habe halt kein Glück“, so der kahlköpfige Muskelmann. „Als ich von der letzten Tournee nach Hause kam, musste ich feststellen, dass meine Freundin durchgebrannt ist und mich mein bester Freund finanziell betrogen hat. Außerdem ist mein Hund gestorben. Das war wie ein Tritt in die Eier.“

Weshalb er nach Austin, Texas, gezogen ist und ein Dutzend Songs geschrieben hat, die sich als radikale Abrechnung mit der Ex sowie kritische Auseinandersetzung mit großen weltpolitischen Themen erweisen. So ist das Stück ›Never Again‹ dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad gewidmet, dessen Atombomben nicht nur eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen, sondern der – und da wird der studierte Philosoph und Politologe fuchsteufelswild – auch den Holocaust leugnet. „Meine Großeltern waren in Konzentrationslagern – sie in Bergen-Belsen, er in Auschwitz. Da das die letzte Generation ist, die dabei war und nun vor dem Aussterben steht, muss man etwas gegen diesen Bastard tun, der behauptet, das wäre alles nur ein Märchen.“

Womit er, der aus einer wohlhabenden jüdischen Anwaltsfamilie stammt, einen Diskurs in Sachen Israel vs. Palästina einleitet. So unterstützt er zwar die Blockade des Gaza-Streifens, wendet sich gleichzeitig aber gegen die Siedlungspolitik beziehungsweise fordert eine friedliche Ko-Existenz beider Völker. Und weil er Verwandtschaft in Tel Aviv hat und dort jedes Jahr Weihnachten verbringt, wünscht er sich nichts sehnlicher als einen Auftritt im heiligen Land. „Unsere Platten sind zwar dort erhältlich, aber Konzerte zu geben ist bislang nicht drin. Ich meine, wir sind ja nicht Metallica, die sich das problemlos leisten können. Und die immer meine ganzen Cousins und Cousinen auf die Gästeliste setzen, wofür ich den Jungs extrem dankbar bin. Gleichzeitig würden wir aber nie bei einem Festival wie Dubai Desert Rock spielen, weil die Leute dort etwas gegen die israelischen Stempel in meinem Pass haben. Was einfach unglaublich dumm ist.“ Es folgt ein verbaler Rundumschlag gegen die arabische Liga, Barack Obama, BP sowie Gott und die Welt. Wie gesagt: Der etwas andere Metal-Frontmann…

 

Grinderman – Die Verwandlung

Grinderman @ Deirdre OCallaghanKein Nebenprojekt mehr, keine minderen Bad Seeds: Mit dem zweiten Album sind Grinderman für Nick Cave und Kollegen zur vollwertigen Band geworden – ein Garagenblues-Mahlwerk, vor dem einem schon mal das Deo versagt.

s ist egal, ob man Nick Kent oder Jon Savage heißt, ein gewiefter Musikjournalist oder Fanzineschreiber ist – irgendwann trifft man seinen Angstgegner. Irgendwann marschiert man mit einem Päckchen Kippen vor dem 19:25 Uhr-Interviewtermin auf und ab und hyperventiliert. Was kann man um die Zeit eigentlich noch… Was hat er heute noch nicht 1000 Mal… Okay, versuchen wir es mit dem „Langer Tag“-Gambit: Guten Abend, Mr. Cave. Gibt es eine Frage, die Ihnen heute noch nicht gestellt wurde? „Uhhngh. Ungh. Ugh. Ich weiß nicht.“ Er stöhnt ins Telefon. „Mir kam das vor wie eine Million Fragen. Du musst schon deine eigenen stellen, fürchte ich. Das ist dein Job.“

Fair genug. Schließlich sitzt auf der anderen Seite nicht mehr der augenberingte Fürst der Finsternis, der sich in den Achtzigern ein Wandloch mit Blixa Bargeld teilte. Nein, es ist Nicholas Ed-ward Cave, 52 Jahre alt, Feuilleton-Liebling, Untergrund-Ikone und der erfolgreichste Seelenver-käufer seit Robert Johnson – ein Mann, dem man selbst den 2008er „Pornstache“ überm schwachen Kinn verzeiht. Ein Nick Cave tut sowieso nur, was er will, denkt man – bis er mit dieser Stimme, die einem auch das Telefonbuch vorlesen darf, losknarzt, nein, vielmehr habe Grinderman ihn endlich vom Diktat des guten Geschmacks befreit. Als hätte er, der im Video Kylie totmachte, sich je darum geschert. Oder doch? „Du bist mit allem erdenklichen Gepäck befrachtet, immer“, kommt es zurück. „Aber bei Grinderman ist nichts mehr unmöglich, und alles ist neu.“

An der Herangehensweise hat sich seit GRINDERMAN 1 nichts geändert – nur der Haufen merk- würdiger Ideen ist gewachsen: „Die Songs entstehen aus Jams, die oft das völlige Chaos sind. Mittlerweile können wir auf sieben, acht CDs mit Material zurückgreifen, das spontan entstanden ist und irgendwie“ – er lacht guttural, hur, hur, hur – „interessant klang. Die Herausforderung ist, da-raus noch etwas zu formen, das halbwegs genießbar ist. Das war nicht immer einfach; einige Stücke wie ›Evil‹ und ›Worm Tamer‹ haben sich extrem quer gestellt. Aber ich denke, dass Grinderman bei aller Sprödheit tatsächlich etwas Neues ist, ein frischer Sound.“

Einwand, Euer Ehren: Wirklich neu ist das nur, wenn man weder Caves Hang zur Moritat noch das Grinderman-Debüt kennt, auf dem sich Warren Ellis, Martyn Casey und Jim Sclavunos 2007 das erste Mal auf das Geschrabbel ihres Chefs einließen. Das Resultat gemahnte an The Birthday Party, Gott hab’ sie selig, während GRINDERMAN 2 mehr von Bluesmännern und Predigern bevölkert wird – auch eine schöne Mischung. Dass sich das alles um ihn, Cave, dreht, verneint er indes: „Es gibt nur eine ultimative Autorität, und das ist Gott“, sagt er trocken. „Grinderman ist aber auch keine Demokratie. Für den kreativen Prozess wäre das zu langsam. Ich neige zum Delegieren, wenn du verstehst.“

Äh. Nicht direkt. „Als Musiker habe ich gelernt, wann ich etwas aus der Hand geben muss, und zwar an jemanden, der es besser kann.“ Ihre Sitzungen muss man sich folglich vorstellen wie Schwitzhüttenrituale in den Sussex Downs: „Wir sitzen Kopf an Kopf, ich mit Gitarre, Keyboard und Mikro, War-ren an der Gitarre, Martyn mit Bass, Jim an Drums, und versuchen zu ergründen, was in uns vier Individuen gerade vor sich geht.“ Dieses kollektive Einfühlen gebiert zuverlässig Monster und wird von Caves Lyrik zusammengezurrt wie mit… „einem Lasso!“, unterbricht er und gluckst. „So ein Ding, mit dem man Kühe fängt?“ Eisenketten, wollten wir sagen. Abgesehen davon, dass auch ein glucksender Nick Cave etwas Furchteinflößendes hat, woher kommen sie, seine Feuer & Schwefel-Texte? Diese Gischt schäumenden Mantras auf ›Evil‹, ›Kitchenette‹ und ›Worm Tamer‹, die Abgesänge des ›Bellringer Blues‹ und ›Mickey Mouse And The Goodbye Man‹, das schlafwandlerische ›What I Know‹?

„Anfangs ist das zu 100 Prozent Improvisation“, antwortet er. „Ich habe ein Talent, aus dem Stand Reime und einigermaßen schlüssige Erzählungen von mir zu geben. Wenn du das ein paar Tage lang machst, wie bei den Sessions, beginnst du zu delirieren. Dann ergießt sich dieses ganze… Zeug.“ Cave betont „Zeug“ wie ein Hund, der an seiner Kotze riecht – stolz und ein bisschen verwundert. „Wenn ich mir die Aufnahmen danach anhöre, denke ich nur: ,Fuck, wo kam das her?‘ Später arbeite ich sie zu Lyrics aus. Würdest du mich mit einem leeren Blatt an den Schreibtisch setzen, käme nichts raus; da ist der Geist nicht frei“, sagt er. „Betest du hin-gegen Song um Song runter, gerätst du schnell in Gefilde, wo du die Kontrolle verlierst.“

Einiges davon kann man zu Gruppen sortieren: ›Worm Tamer‹, ›When My Baby Comes‹ und ›Heathen Child‹ bilden ein Triptychon, das die Frau als das „unbarmherzige Andere“ zeigt. Hat sie ein Gesicht? „Mhh.“ Er lacht. Die Zahnräder knirschen. „Nein, ich glaube nicht. Das unbarmherzige Andere dieser Songs ist weiblich, aber auf der ganzen Platte ist es eher das Selbst. Die Chimären, die sich durch die Songs winden, sind das Unterbewusste, das sich aufbäumt. Bei ›Heathen Child‹ zum Beispiel sah ich ein Mädchen, das in einer Wanne sitzt und im Begriff ist, sich zu… verändern. Der Verlust der Unschuld, das Kind, das zur Erwachsenen wird – und zugleich tanzt es um diese Veränderung herum. Ängste und Archetypen kommen zum Vorschein, Mythen quellen hervor…“

Klingt, als ob er manchmal so lange in den Spiegel schaut, bis er sich fühlt wie Edvard Munchs „Der Schrei“… „Hur hur hur. Genau! Wobei“, fügt er hinzu, „ich zugeben muss, dass GRINDERMAN 2 eine ausgesprochen dunkle und gewalttätige Platte ist. Dass ich es immerzu von Gewalt oder Gott beziehungsweise deren Fehlen habe, ist eine Konstante bei mir. Selbst wenn ich von einem Pärchen in einem Blumenmeer singe, geschieht das unter den Vorzeichen von Gewalt.“ Er denkt nach, zögert. „Wovon meine Texte aber sicher nicht handeln, ist der Missbrauch von Frauen. Das ist Bullshit. Ständig kriege ich böse E-Mails dazu, deshalb nochmal zum Mitschreiben: Das Thema sind Wandlungen.“

Eines noch, Mr. Cave, ehe wir gehen müssen, und vielleicht eine unanständige Frage nach vier Dekaden im Musik-, Film- und Literaturgeschäft, aber… wo liegt der Quell der Kreativität? „Ähm. Vermutlich, leider… Beklemmungen, fürchte ich?“ Er schnaubt und seufzt im selben Atemzug. „Dabei liebe ich mein Leben, meine Frau, meine Kinder, meine Freunde und das ganze Zeug. Aber es gibt diesen einen Ort, den ich betreten kann, der süchtig machend und von einem Zaun umgeben ist, und das ist die Imagination. Sie hat ihre eigenen Ge-setze, ihren eigenen Drall. Sie ist unabhängig von meiner Stimmung, meinen Launen, auf welchen Drogen ich bin. Für die Vorstellungskraft ist Quali-tät kein Kriterium. Es ist ein Ort, an dem sich alles verändert, sogar die Chemie deines Körpers. Und dorthin gehe ich nicht – ich renne.“

 

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