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Children Of Bodom – Ohne Reue

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Chrildren of Bodom

 

Beinahe zwei Jahre waren die Finnen unterwegs, um ihr Erfolgsalbum BLOODDRUNK auf der Bühne zu präsentieren. Nun kommt der Nachfolger RELENTLESS RECKLESS FOREVER auf den Markt – ein weiterer Metal-Kracher mit viel Melodie-Gespür.

Seit über zehn Jahren gehören Children Of Bodom zu den Speerspitzen des europäischen Melodic Death Metal und können seit einiger Zeit auch beträchtliche Erfolge in Übersee verzeichnen. Vor allem ihr letztes Album BLOODDRUNK von 2008 katapultierte die Finnen in internationale Höhen: Platz eins in den finnischen, Platz zehn in den deutschen, Platz 22 in den USA und Platz zwölf in den japanischen Charts. Dabei hatten die Musiker einen derartigen Erfolg nicht zu hoffen gewagt. „Du hoffst zwar als Musiker immer, dass sich ein Album einigermaßen verkauft“, erklärt Gitarrist Roope Latvala. „Wir waren aber schlichtweg überwältigt, wie gut es diesmal für uns lief. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Downloads das Geschäft kaputt machen.“

Nach einem fast zweijährigen Tourmarathon, der die Band unter anderem mit Slayer, Megadeth und der Black Label Society durch die USA und als Headliner durch Europa führte, zogen sich die Musiker im Frühling 2010 in ihren neuen Proberaum zurück, um bis Mitte August an den Songs zu RELENTLESS RECKLESS FOREVER zu schreiben. Dabei machte sich auch der Erfolg von BLOODRUNK bemerkbar. „Zu Beginn der Songwriting-Phase war der Druck etwas stärker als zuvor“, schildert Roope diese Zeit. „Aber als alles ins Rollen kam, war es wie eine Befreiung. Unsere Lektion daraus: Man muss einfach sein eigenes Ding durchziehen, dann kann eigentlich nichts schief gehen.“ Die Aufnahmen selbst waren nach etwa sechs Wochen beendet. „Es lief alles sehr entspannt ab“, sagt Roope, „denn wir hatten alle Songs schon ausgiebig geprobt, bevor wir ins Studio fuhren. Das hat uns geholfen, denn wir waren nicht nur schneller, sondern auch konzentrierter.“

Nachdem bei BLOODDRUNK noch der auf Death Metal-Produktionen spezialisierte Hypocrisy-Chef Peter Tägtgren hinter den Reglern saß, entschied sich die Band dieses Mal für Matt Hyde, der sich mit seiner Arbeit für Monster Magnet, Slayer und No Doubt einen Namen machen konnte. „Wir wollten etwas Neues ausprobieren. Matt schien der richtige Mann für den Job zu sein“, erklärt Roope die Entscheidung. „Und alles hat gepasst. Er besitzt einen tollen Sinn für Humor und hat eine gute Arbeitseinstellung. Er ist die Sache zügig, aber dennoch nicht überstürzt angegangen.“

Für die Band stellt RELENTLESS RECKLESS FOREVER eine Art Dokumentation der Band-Phase dar, in der das Album entstanden ist. Neben altbewährten Children Of Bodom-Attitüden enthält es auch ein paar neue Kniffe, die sich vor allem bei den komplexen Gitarrensoli bemerkbar machen und die das Album erwachsener klingen lassen als seine Vorgänger. Auch der Titel selbst hat für die Band eine spezielle Bedeutung. „Er sagt aus, dass man nichts bereuen sollte“, erklärt Roope. „Man muss die Dinge einfach machen, loslegen, ohne viel darüber nachzudenken.“

Momentan hat sich die Band jedoch vorerst eine kleine Auszeit genommen und genießt die Ruhe vor dem kommenden Tournee-Sturm. „Diese Pause ist gerade wirklich nötig“, erzählt der Gitarrist. „Wir müssen unsere Batterien für die kommenden Touren aufladen. Kurz nach Veröffentlichung des Albums, genauer gesagt am 19. März, geht’s nämlich wieder los.“ Diese Tour führt die Band über zwei Monate hinweg quer durch Europa, insgesamt zehn Mal macht sie dabei auch im CLASSIC ROCK-Land Halt. Also: hingehen – schließlich sollte man nichts bereuen, sondern einfach loslegen, ohne viel darüber nachzudenken.

Evergrey – In der Zwischenwelt

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Evergrey

Seit ihrer 1993er-Gründung sitzen EVERGREY zwischen allen Stühlen. Mit einer eigenwilligen, melancholischen Mischung aus diversen Metal-Stilen, elektronischen Elementen sowie Prog-Einflüssen hatten es die Schweden oft schwer, sich Gehör zu verschaffen. Daran wird wohl auch ihr achtes Studioalbum GLORIOUS COLLISION nichts ändern. Bandkopf Tom S. Englund ist dennoch guten Mutes.

Die Geschichte des Rock ist voller Widersprüche. Unzählige Gruppen sind ohne großes Talent oder erkennbare musikalische Begabung die Erfolgsleiter hinaufgestolpert. Andere quälen sich trotz hoher Originalität und Virtuosität jahrelang, ohne dabei den Durchbruch zu schaffen. Evergrey zählen zur letzteren Kategorie – doch bezeichnenderweise nicht völlig: Auf ihren ausgedehnten Tourneen konnten sich die Schweden inzwischen eine loyale Anhängerschar erspielen, die fein, aber nicht riesig ist. Denn diese Band will einfach in keine Schublade passen. Bandkopf Tom S. Englund trägt sein Schicksal mit Fassung. Lächelnd macht sich der stämmige, hochgewachsene Schwede in seiner Garderobe im schweizerischen Pratteln erst einmal ein Bier auf. Die skandinavische Form der Vorbereitung auf den letzten Auftritt der aktuellen Konzertreise.

„Für uns hat es sich immer eher als Fluch erwiesen, in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden“, sinniert der Sänger. „Die Kategorisierung als Progressive Metal-Band zum Beispiel weckt falsche Vorstellungen von unserer Musik. Wir haben gar nicht das Talent, wie Dream Theater zu spielen. Dafür braucht man keinen Doktortitel, um unsere Songs zu verstehen.“ Für Englund besteht der einzige Ausweg aus den „Schubladen“ darin, die Leute live zu überzeugen. Nach jedem Gig hat die Band einige frisch gewonnene Anhänger mehr, und die erzählen den Musikern häufig, wie überrascht sie von Evergrey waren. „Vielleicht verkaufen wir uns selbst zu schlecht“, überlegt der Schwede. „Aber ich sehe keine Möglichkeit, dies zu ändern, ohne uns dabei zu verbiegen.“ So bleibt es wohl bei der Ochsentour. Entsprechend großen Wert legt die Band auf möglichst perfekte Shows.

Nur einmal gerieten die Dinge außer Kontrolle. Trotz selbst auferlegtem Alkoholverbot vor dem Auftritt endete der Band-Ausflug in eine Kopenhagener Konditorei im Vollrausch – und dem entsprechenden Konzertniveau am späteren Abend. „Als wir auch noch Bruce Springsteen gecovert haben, ging auch der letzte Zuschauer aus dem Saal“, erinnert sich Englund mit einem schaudernden Grinsen. „Vielleicht hätte es geholfen, ›Born In The USA‹ vorher zu proben. Aber wir haben unsere Lehre aus diesem verpatzten Headliner-Auftritt gezogen und nie wieder so einen Mist gemacht.“

Zumal inzwischen auch andere Leute in der Band sind. Denn im Jahr 2010 mussten Evergrey gleich drei langjährige Mitstreiter ersetzen. „Es gab keinen Streit, aber wir hatten auch keinen Spaß mehr miteinander“, gibt Englund zu Protokoll. „Musikalisch stimmte es nicht mehr, aber wir wollten unbedingt unsere Freundschaft erhalten.“ Mit den neuen Mitgliedern kam aber auch für den Sänger und Gitarristen, der ungefähr 3/4 der Musik und nahezu alle Texte von Evergrey verfasst, frischer Schwung in die Band. Es fällt auf, dass GLORIOUS COLLISION eher an die klassische Phase mit solch epischen und detailverliebten Alben wie RECREATION DAY (2003) und THE INNER CIRCLE (2004) anknüpft denn an die jüngsten Evergrey-Werke. „Das war nicht so geplant, hat sich aber aus unserem Zusammenspiel so ergeben“, stimmt der Bandkopf zu. „Bei Evergrey geht es um Ehrlichkeit. Und um ein geradezu therapeutisches Freisetzen von Emotionen. Deshalb singen wir auch nicht über Drachen.“ Für ihn erweist sich so mancher Zusammenprall im Leben als Anstoß in eine neue, bessere Richtung, worauf sich auch die „Glorreiche Kollision“ des Albumtitels bezieht.

Nur eine Sache hat sich bei Evergrey nie verändert: Durch sämtliche Song der Schweden zieht sich eine zerbrechliche Traurigkeit, die man dem Sänger gar nicht zutraut. „Dur passt nicht zu uns“, beendet Englund das Gespräch. „Wir klingen am besten in Moll!“

Psychotic Waltz – Götterdämmerung

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Devon Graves  @ M.H«Ùfinger_bearbnew
Im Zuge der „Power Of Metal“-Tour kehrt eine der einflussreichsten Progressive Metal-Acts der Neunziger zurück auf die hiesigen Bühnen: Psychotic Waltz. Wie es die Band schaffte, die früheren Streitigkeiten beizulegen und was sie sich nun für ihre Rückkehr wünscht, verrät Sänger Devon Graves im CLASSIC ROCK-Gespräch.

Bands werden gemocht, geliebt, verehrt. Psychotic Waltz werden vergöttert, auch über zehn Jahre nach dem Split. Nun sind sie zurück, um mit ihrem hippiesken, hochemotionalen, Siebziger-beeinflussten, grandios inszenierten, klischeefreien Progressive Metal abermals zum Tanz zu bitten. Und das in der Original-Besetzung der Göttergaben A SOCIAL GRACE und INTO THE EVERFLOW, sprich mit Ward Evans am Bass, Dan Rock und Brian McAlpin an den Gitarren, Norm Leggio am Schlagzeug und Devon Graves aka Buddy Lackey an der Querflöte und am Gesang. Der Frontmann gibt Auskunft.

Devon, woher stammt der Impuls, einen Neustart zu wagen?
Ich habe immer wieder versucht, Dan zu einer Reunion zu bewegen. Denn wir waren damals die Hauptauslöser für den Split. Ich wollte unsere zwischenmenschlichen Probleme aus der Welt schaffen. Dan fühlte sich jedoch nicht bereit, die Opfer zu bringen, die das Leben in einer hart arbeitenden Band erfordern. Plötzlich meldeten sich Norm, Ward und Brian und sagten, dass sie Psychotic Waltz wiederbeleben möchten. Ich fühlte mich innerlich zerrissen, weil ich mitten in der Produktion zum Debüt von The Shadow Theory steckte. Außerdem zweifelte ich, ob die Sache ohne Dan Sinn machen würde. Die Offerte für die „Power Of Metal“-Tour bot ihm schließlich eine Perspektive.

Zuerst war aber Steve Cox als zweiter Gitarrist für Dan eingeplant.
Dan und Brian passen perfekt zusammen. Sie sind überragende Gitarristen und geniale Songwriting-Partner. Sie gründeten den Psychotic Waltz-Vorgänger Aslan und verstehen sich blind. Als Steve Brian ersetzte, zerstörte das die Bandchemie. Nichts gegen Steve. Er ist ein wahres Gitarren-Monster! Aber wenn es darum geht, neue Musik zu kreieren, reicht er an das Gespann Dan und Brian nicht heran.

Brian sitzt seit einem Autounfall im Rollstuhl. Er konnte die Tourstrapazen nicht mehr ertragen, weshalb er 1996 aufgab, nicht wahr?
Exakt. Und es war der Anfang vom Ende. Brian ist sehr kreativ und war mein engster Freund in der Band. Als er uns verließ, verstärkte sich mein Wunsch, musikalisch eigene Wege zu gehen, so dass ich mit Dan in Streit geriet.

Du bist daraufhin mit deiner damaligen zweiten Frau in deren Heimatland Österreich umgezogen…
Ja, wir verbrachten zwei Jahre in San Diego und siedelten anschließend nach Österreich über, wo ich heute noch lebe. Mit meiner neuen Frau Genia habe ich vier Kinder: Anastasia (8), Evan James (6), Solomon Alexander (3) und Angelina Sophia (6 Monate).

Wie haben denn die anderen die Zeit seit der Auflösung von Psychotic Waltz verbracht?
Ward ist mit Lorraine verheiratet, hat einen Sohn und arbeitet als leitender Tontechniker bei Qualcomm. Brian ist geschieden, seine Tochter heißt Haley, und er verkauft Gitarren. Dan ist verheiratet und arbeitet in einem Labor. Norm ist Single – und so was wie ein Lebenskünstler. Musikalisch kam von den ehemaligen Waltz-Mitgliedern nach 1997 nur wenig, außer ein paar halbgaren Versuchen mit End Amen, Teabag oder Darkstar.

Außer von dir. Du hast mit Deadsoul Tribe fünf Alben veröffentlicht und gerade erst das Debüt von The Shadow Theory.
Ward konzentrierte sich auf seine berufliche Karriere, und Dan hing die Gitarre schnell an den Nagel. Brian komponierte zwar über all die Jahre, weiß sich jedoch nicht zu vermarkten, sondern ist zu bescheiden. Ich erkannte im Laufe der Zeit, wie sehr mir Psychotic Waltz fehlen – Groll hin oder her. Hätte ich doch unserem damaligen Manager Ray Woodbury vertraut. Er verschaffte uns durch seine blendenden Kontakte und seine harte Arbeit tolle Voraussetzungen für Tourneen in den USA. Aber meine Ungeduld zermürbte mich. Ich wollte zu früh zu viel. Und bei Deadsoul Tribe war ich dann für alles allein zuständig, was sehr an die Substanz ging. Außerdem fühlte ich mich kompositorisch eingeschränkt, da meine Musiker die Ideen live nicht umsetzen konnten.

Gerüchten zufolge scheiterten geplante Psychotic-Reunion-Gigs auf Festivals an überzogenen Gagen-Forderungen…
Es gab wirklich Angebote von einigen Open Air-Veranstaltern, doch wir konnten Dan nicht überreden und lehnten daher ab. Wir betrachten Gagen nämlich nicht als Leistung für unsere Live-Gigs, sondern als Ausgleich dafür, dass wir von unseren Familien ge-trennt sind, stundenlang auf Flughäfen warten, ewig im Flieger sitzen und einige von uns auch Urlaub einreichen müssen.

Ihr seid in der Besetzung der ersten beiden Alben zusammen. Werdet ihr deshalb bei den Auftritten den Schwerpunkt darauf legen?
Nicht unbedingt. Alle Phasen werden abgedeckt. Übrigens spielte Ward auch auf MOSQUITO Bass und nicht Phil Cuttino, wie im Booklet vermerkt war. Es ist also das Line-up der ersten drei Platten.

Ist die unbeschreibliche Magie von früher reproduzierbar?
Das können wir nicht kontrollieren, weil nicht wir die Magie kreieren, sondern sie von allein entsteht. Ich liebe die alten Alben wie meine Kinder. Diese Liebe und die totale Hingabe sind die Schlüssel dafür, dass eine magische Entfaltung überhaupt erst möglich wird.

Wird es dir schwer fallen, dich parallel auf Psychotic Waltz und The Shadow Theory zu konzentrieren?
Vermutlich wird der Kompositionsprozess bei Psychotic Waltz langsam vorangehen. Ganz einfach, weil alle anderen privat beschäftigt sind. Deshalb denke ich, dass das zweite Shadow Theory-Album noch vor der Comeback-Scheibe von Psychotic Waltz erscheinen wird. Ich rechne damit, dass die Waltz-Platte irgendwann 2012 auf den Markt kommt. Und mal ehrlich: Wenn Maynard James Keenan Tool und A Perfect Circle auf die Reihe bringt, kann ich das auch. Außerdem habe ich mich noch nie im Leben so kreativ und ambitioniert gefühlt wie im Moment. Ich bin zu allen Schandtaten bereit.“

Stratovarius – Harte Zeiten

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Stratovarius 2010a @ Ville Akseli Juurikkala

 

Mit ihrem neuen Album ELYSIUM bedienen STRATOVARIUS perfekt die Melodic Metal-Zielgruppe. Dennoch drücken die finnische Band zurzeit allerlei Sorgen.

Dies sind nicht eben die einfachsten Monate im Leben von Stratovarius-Sänger Timo Kotipelto: Die Aufnahmen des am 14.1. veröffentlichten Albums ELYSIUM nahmen mehr Zeit als geplant in Anspruch, so dass die Tour-Vorbereitungen darunter litten. Außerdem meldete sich zum Tour-Start auch noch Drummer Jörg Michael krank. Doch der Reihe nach:

Seit dem Ausstieg ihres langjährigen Chefs, Gitarrist Timo Tolkki, vor drei Jahren haben Stratovarius mit Matias Kupiainen einen neuen Saiten-Experten an Bord. Während sich Kupiainen auf seinem Stratovarius-Einstand POLARIS (2009) noch spürbar zurückhielt, hat er mittlerweile das Zepter übernommen: Der vielseitige Musiker schrieb nicht nur mehr als die Hälfte der neuen Songs, er fungierte auf ELYSIUM auch als Toningenieur und Produzent. „Für mich als Sänger ist es natürlich besonders wichtig, dass unsere Kompositionen immer die Bandbreite meiner Stimme berücksichtigen, da-mit die Stücke auch wirklich strahlen“, erläutert Kotipelto. „Matias und ich mussten uns erst aneinander gewöhnen. Insofern war ELYSIUM eine schwierige Geburt. Ich verbrachte vier Wochen lang jeden Tag im Studio, damit wir auf den gleichen Nenner kommen. Das kostete Zeit und Kraft.“

Nur mit Ach und Krach wurde die aktuelle Scheibe, an der Kupiainen vier Monate lang ununterbrochen werkelte, rechtzeitig zur Tournee mit den Power Metal-Kollegen Helloween fertig. „Wir sind ja keine Band, bei der alle im gleichen Ort wohnen und sich locker im Proberaum treffen können. Jens (Johansson, Keyboarder der Band, Anm.d.A.) lebt in Schweden, Jörg Michael in Dortmund, der Rest in Finnland. Es muss also immer alles frühzeitig organisiert werden.“

In diesem speziellen Fall machte die Hiobsbotschaft schlechthin das Chaos perfekt: Bei Drummer Jörg Michael wurde ein Krebsleiden diagnostiziert. Im vergangenen Herbst mussten bei ihm eine Geschwulst entfernt und eine Strahlenbehandlung durchgeführt werden. „Zum Glück scheint der Krebs noch nicht gestreut zu haben, sodass sich Jörg bereits wieder auf dem Weg der Besserung befindet. Aber natürlich fiel er für den ersten Teil der Tournee aus“, bedauert Kotipelto. Als Ersatzmann wurde Alexander Landenburg (Mekong Delta, Annihilator) verpflichtet, doch ab Mitte Januar soll Michael wieder an Bord sein. „Er ist schon im Proberaum und trainiert für die Tournee“, freut sich der Stratovarius-Frontmann für seinen Bandkollegen.

Zum Glück kann man der neuen Scheibe ELYSIUM diese schwierige Entstehungsgeschichte nicht anmerken. Stratovarius klingen auf ihrem 14. Studioalbum unbeschwert wie ehedem und glänzen mit hymnenartigen Gesangsmelodien und opulenten Arrangements. „Bei so vielen Vorgängerscheiben ist es natürlich schwierig, wirklich signifikante Änderungen auszumachen“, weiß Kotipelto nur allzu gut, „zumal wir den etwas progressiveren Ansatz, den Mattias in die Band bringt, natürlich sehr begrüßen, andererseits Stratovarius aber nicht grundlegend verändern wollen. Es war schon so mühsam genug, Matias Wunsch entsprechend die Gesänge etwas tiefer als gewohnt anzulegen. Anfangs machte ich mir Sorgen, dass wir zu viele Veränderungen auf einmal vornehmen. Aber jetzt bin ich sehr zufrieden und auch stolz darauf, dass wir diesen Spagat geschafft haben.“

In diesen Wochen entscheidet also zunächst das Publikum von Helloween darüber, ob ELYSIUM auch auf der Bühne sein hohes Potenzial bestätigen kann. Doch für den Frontmann ist dies kein Problem: „Die Zuschauer von Helloween und Stratovarius sind sowieso fast identisch: Beide Bands machen einen melodischen Power Metal, insofern interessiert mich die Reaktion der Helloween-Fans ebenso wie die unserer eigenen Anhänger.“

Matthias Mineur

Mr. Big – Schmusekurs statt Kuschelrock

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Mr. Big1-12-09HollywoodIhre Reunion-Konzerte haben es bereits angedeutet: Mr. Big sind nicht nur zurück, sondern sprühen geradezu voll neuer Energie. Was unter anderem daran liegt, dass sie die früheren Streitigkeiten innerhalb der Band wohl endgültig ad acta legen konnten. Das erfreuliche Resultat des Friedensprozesses im Hause Mr. Big: ein erstaunlich schlagkräftiges, frisches Studioalbum namens WHAT IF…

Es war eine Annäherung in drei Akten, die jetzt zum Comeback-Album WHAT IF… der amerikanischen Mainstream-Fürsten Mr. Big geführt hat. Und sie waren besonders schmerzhaft für Sänger Eric Martin, denn er musste jemanden zurückgewinnen, für den er jahrelang ein Feindbild darstellte. Bis etwa 1999 hatten Martin und die drei Ausnahme-Instrumentalisten Paul Gilbert (Gitarre), Billy Sheehan (Bass) und Pat Torpey (Schlagzeug) die Welt mit hinreißenden Rock-Tracks und zuckersüßen Balladen begeistert. Ihr größter Hit ›To Be With You‹, der sie in der ganzen Welt berühmt machte, kletterte im Februar 1992 an die Spitze der US-Single-Charts, hielt sich dort drei Wochen und war insgesamt fast sechs Monate ununterbrochen unter den 100 erfolgreichsten Scheiben des riesigen US-Marktes zu finden. So etwas öffnet natürlich Türen – und zieht für gewöhnlich einen wahren Geldregen nach sich. Fast zehn Jahren lang reihte die Band Erfolg an Erfolg, landete einen Radiohit nach dem anderen – nichts schien Mr. Big aufhalten zu können.

Doch schon damals tobten hinter den Kulissen Grabenkämpfe: Es ging um Einfluss und Kompetenzen, zwischen den Musikern gab es Eifersüchteleien und unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten. 1997 zog Paul Gilbert die Konsequenz und verließ die Gruppe, für ihn kam Richie Kotzen, doch der war nur ein halbwertiger Ersatz. Vier Jahre danach feuerten Eric Martin und Pat Torpey ihren Bassisten Billy Sheehan, als der sich zu einer Tour mit Gitarrengenie Steve Vai entschloss und Mr. Big nicht mehr in dem Maße zur Verfügung stand, wie es von ihm erwartet wurde. Zwölf Monate später kam dann das Aus: Mr. Big waren nur noch Legende.

„Billy muss mich damals gehasst haben“, glaubt Eric Martin heute. Denn Martin war die treibende Kraft bei Sheehans Rausschmiss und damit quasi unmittelbar für das vorzeitige Ende der Gruppe verantwortlich. „Es ist eine Schande, dass wir es seinerzeit nicht gemeinsam hinbekamen. Billy und ich sind beide Perfektionisten. Wir taten mit unseren Auseinandersetzungen vielen Menschen sehr weh.“

Fast zehn Jahre herrschte absolute Funkstille zwischen den einstigen Weggefährten. Die Beteiligten kümmerten sich – mehr oder minder erfolgreich – um ihre Solokarriere und stimmten immer mal wieder ein paar alte Mr. Big-Nummern an, wenn das Publikum danach verlangte. Der Zufall wollte es, dass bei einem Eric Martin-Konzert in Italien seine beiden Ex-Bandkollegen Kotzen und Torpey mit ihrer gemeinsamen Band im Vorprogramm auftraten. „Ich spielte ›To Be With You‹ sowie einige andere Mr. Big-Songs. Die Fans flippten wie immer total aus. Nach dem Gig kam Pat zu mir in die Garderobe und fragte mich: ‚Eric, vermisst du die Band eigentlich?‘“

Natürlich vermisste Eric Martin sie: Wer denkt nicht gerne an die erfolgreichsten Tage seiner Musikkarriere zurück? Aber es ist nicht einfach, etwas zu kitten, das man leichtfertig zerstört hat. Und vor allem: Bei welchem seiner früheren Kumpels sollte er als Erstes anfragen? Martins fünfjähriger Sohn Dylan war es schließlich, der den ersten und wichtigsten Schritt einleitete. „Ich sprach mit Pat über meine Kinder und erzählte ihm, dass Dylan gerne Bass spielen möchte, dafür aber ein Linkshänder-Instrument bräuchte. Pat meinte nur: ‚Ruf doch Billy einfach mal an, der hat beste Kontakte zu Bass-Herstellern!‘“

Mit diesem Gedanken musste sich Martin allerdings erst anfreunden; zu groß war seine Sorge, dass der ihm sein Verhalten von vor zehn Jahren noch nachtragen würde. „Ich brauchte Monate, um ihm eine Mail zu schicken“, gesteht er, „dann jedoch schrieb ich: ‚Hey Billy, wir kennen uns, kannst du dich an mich erinnern? Wie geht’s dir? Ich vermisse dich!‘“ Martin erklärte Sheehan die Situation seines Sohns Dylan und bat um Hilfe. Das war im November 2008. Sechs Wochen später, genauer gesagt am 23. Dezember, also pünktlich zu Weihnachten, bekam Eric Martin ein Paket von Sheehan aus Japan. Darin befand sich ein handgefertigter Linkshänder-Bass. „Ich sagte zu Dylan: ‚Schau mal, dieses wunderbare Geschenk verdankst du Onkel Billy!‘“

Der Kontakt war also wiederhergestellt, kurz nach dem Fest telefonierten Martin und Sheehan miteinander und begruben dabei endgültig das Kriegsbeil. Ein wichtiger Schritt, den auch Paul Gilbert als essenziell erachtete, als Martin ihm die Idee einer Mr. Big-Reunion unterbreitete: „Paul fragte: ‚Hast du dich mit Billy ausgesöhnt?‘ Ich antwortete: ‚Ja, wir haben uns ausgesprochen, alles ist wieder in Butter.‘“

Akt zwei der Wiederannäherung war eine große Tournee durch Südostasien, Japan und Europa, bei der Mr. Big erstmals seit Jahren wieder in ihrer Originalbesetzung auftraten. „Ich habe schon mit unzähligen Musikern zusammengespielt, aber niemand ist so talentiert wie Billy, Paul und Pat“, sagt Eric Martin, „außerdem wusste ich im Laufe der Jahre manchmal schon gar keine Antwort mehr, wenn mein großer Sohn Jakob mal wieder vor dem großen Mr. Big-Poster in meinem Musikzimmer stand und mich fragte: ‚Ihr seht so cool aus, Daddy, warum macht ihr nicht mehr gemeinsam Musik?‘“

Die Reunion-Tour entwickelte sich zu einem Triumphzug. Mr. Big reanimierten die ursprüngliche Spielfreude der frühen Jahre und verbanden sie mit größerer menschlicher Reife und dem Wissen, dass nur gegenseitiger Respekt die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit bilden kann. „Die Shows waren Spaß pur und verliefen vollends ohne Dispute“, blickt Martin auf atemberaubende Konzerte zurück.

Den dritten Schritt zum Comeback-Album leitete Paul Gilbert ein. Er fragte seine drei Mitstreiter: „Sollten wir nicht mal eine neue Scheibe aufnehmen, anstatt nur alte Scheiben, T-Shirts und Poster zu verkaufen?“ Gesagt, getan: Speziell Kreativwunder Gilbert hatte ein Arsenal an Song-Fragmenten, Ideen, Riffs und Hooks in der Schublade. Doch eines war noch ungeklärt: Wer eignete sich dazu, dieser Band einen Sound zu verpassen, der weder mit der Tradition bricht noch altbacken klingt? Mehrere Kandidaten standen zur Auswahl, doch Mr. Big wählten die Ideallösung: Kevin Shirley. Der renommierte US-Amerikaner, der schon für Iron Maiden, Journey, Rush oder auch Led Zeppelin gearbeitet hat, gilt als besonders flexibler Produzent, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht und jedem Musiker seine Meinung sagt – egal ob gefragt oder ungefragt. „Wir trafen uns mit Kevin“, erinnert sich Martin schmunzelnd, „und er sagte zu uns: ‚Ganz ehrlich? Eure früheren Scheiben klangen mir zu glatt, zu schmierig, zu perfekt. Ich dagegen stelle mir für euch einen raueren, authentischeren Sound vor. Wir sollten im Studio deshalb so viel wie möglich live aufnehmen.“

Mr. Big wussten, dass sie dieser besonderen Herausforderung dank ihres großartigen spielerischen Niveaus gewachsen waren. Zudem bekamen sie im Studio von Shirley sämtliche Freiheiten, die sie für eine kreative Atmosphäre brauchten. Nur in einem Punkt ließ der Tonmeister nicht mit sich verhandeln: „Wenn wir anfingen, mit Kevin über Soundkosmetik zu diskutieren, schimpfte er mit uns: ‚Ständig erzählt ihr mir, wie toll ihr Cream und Led Zeppelin und Free und Humble Pie findet. Warum, verdammt noch mal, klingt ihr dann nicht endlich selbst mal so? Quatscht nicht nur dauernd darüber, macht es einfach!‘“

Shirley spornte die Musiker jedoch nicht nur an, sondern gab laut Eric Martin auch ganz konkrete Anweisungen: „Kevin sagte zu Pat: ‚Ich will, dass du wie Keith Moon spielst, dass du genauso trommelst, als wenn John Bonham es getan hätte!‘“ Anweisungen dieser Art trugen tatsächlich Früchte: Nach gerade mal zwei Wochen hatten Mr. Big mehr als 20 Songs eingespielt. Als die Band nach einer anstrengenden, aber äußerst ertragreichen Aufnahmeprozedur von ihrem Produzenten die ersten Endversionen zu hören bekam, war sie völlig aus dem Häuschen. „Wir standen vor dem Pult, bekamen alle total rote Wangen und riefen: ‚Super! Genauso hätte Mr. Big immer schon klingen müssen!‘“, blickt der Mr. Big-Frontmann auf diesen Moment größter Genugtuung zurück.

In der Tat ist WHAT IF… ein kleines Meisterwerk geworden, ein Opus mit kernigem Hard Rock, bluesigen Anleihen und angerauten Balladen, bei denen die Vitalität der Gruppe den Zuhörer geradezu anspringt. Sie sind also endlich wieder Kollegen, die Herren Martin, Gilbert, Sheehan und Torpey. Ob sie auch wieder Freunde sind, wird sich allerdings wohl erst dann zeigen, wenn es erneut gilt, die eine oder andere Schwierigkeit zu überwinden.

Special: Melodic Rock – Zurück zur Melodie, die zweite Blüte des AOR

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Foreigner 2Er ist zurück: der Melodic Rock. Eine Reunion jagt die nächste, Journeys ›Don’t Stop Believing‹ gehört mit drei Millionen Downloads zu den meistgekauften Songs im Online-Bereich, und mehr und mehr Nachwuchsbands stellen ihre Liebe zum Rock mit softer Schlagseite offen zur Schau. CLASSIC ROCK spricht mit den Protagonisten, um herauszufinden, was und wer dem »Adult Orientated Rock« neues Leben eingehaucht hat.

Vor nicht allzu langer Zeit schien es, als sei der Melodic Rock tot. Mausetot. Doch diese Zeiten sind vorbei. Das Genre hat sich nicht nur erholt, indem es die früheren Helden reanimiert und aufpoliert hat – es erstrahlt auch in neuem Glanz. Junge, frische Bands verschreiben sich mit Haut und Haaren einem Sound, der vor Kurzem noch als „zu soft“ oder „völlig aus der Mode“

belächelt worden ist. In England, dem Mutterland des Rock, kommen plötzlich Hunderte von Fans zu Konzerten, bei denen sich vor fünf Jahren gerade mal ein paar Dutzend Hartnäckige vor der Bühne versammelt haben. Und eine Band wie Cinderella wird 2010 nicht nur beim kultigen Traditionalisten-Festival Sweden Rock bejubelt, sondern reißt auch die Fans beim Download-Open Air mit, wo Rage Against The Machine als Headliner spielen. Das Firefest, seit Jahren heiß-geliebtes Event der Melodic-Aficionados und quasi der Bewahrer des AOR-Grals, gewinnt mehr und mehr an Popularität. Frontiers Records, ein auf das Genre spezialisiertes Label aus Italien, nimmt eine Band nach der anderen unter Vertrag: Journey, Survivor, Toto, Styx, Winger, Y&T, Tesla, Nelson, Giant, Great White, Extreme, Mr. Big, Night Ranger, ja sogar Whitesnake – und die Liste wird länger und länger. Journey, Foreigner und Styx werden im Juni gemeinsam auf England-Tour gehen, und unser britisches Muttermagazin CLASSIC ROCK wagt es sogar, ein eigenes Heft auf den Markt zu bringen, in dem sich alles aus-schließlich um AOR bzw. Melodic Rock dreht. Zunächst ist nur ein dreimonatiger Veröffent-lichungsturnus geplant – aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Aus dem Ableger „CLASSIC ROCK presents PROG“ ist inzwischen eine Publikation mit sechswöchigem Erscheinungsrhythmus geworden.

Auch hierzulande treibt das Melodic-Segment neue Blüten. Reunion-Aktivitäten von einstigen Megasellern wie Mr. Big tun das ihre dazu, und im weiteren Verlauf des Jahres stehen neue Studioalben von Journey u.a. auf dem Programm.

Auch auf dem Live-Sektor tut sich einiges: Im Juni feiert eine Tournee Premiere, das mit Superlativen nicht geizt. Unter dem Banner „Rock The Nation“ kommen Foreigner, Journey, Kansas und Saga ins CLASSIC ROCK-Land. Und zwar nicht nur für eine gewöhnliche Konzertreise. Nein, um dieses Ereignis gebührend zu feiern, finden zu Ehren der Melodic Rock-Veteranen zwei Festivals statt, nämlich auf der Loreley und in Ferropolis nahe Dessau. Zwei Tage lang, nämlich am 24./25.6. (Loreley) bzw. 25./26.6. (Ferropolis) können Fans von Riffs mit Harmonien ihren Szene-Veteranen zujubeln. Und wer lieber nur einen Tag Vollgas geben will und zudem wetterunab-hängig rocken möchte, der kann eines der insgesamt vier Indoor-Festivals besuchen, die rund um die Open Airs stattfinden und strategisch günstig auf ganz Deutschland verteilt sind. Am 15. Juni gastieren die Acts in der Berliner Zitadelle Spandau, am 17.6. auf Hannovers Parkbühne, am 18. Juni steht das Esslinger Eisstadion nahe Stuttgart auf dem Tourplan, und quasi als Warm-up für die Freiluft-Gigs kann die Show in der Augsburger Schwabenhalle gelten – sie steigt am 22. Juni.

Diese Auftritte, bei denen insgesamt mehrere Zehntausend Fans erwartet werden, beweist: Es handelt sich hier nicht nur um eine Wiederbelebung ehemals erfolgreicher Gruppen, sondern vielmehr um eine echte Renaissance. Sprich: Die alte Werte haben nach wie vor Gültigkeit, doch die Ausdrucksform ist alles andere als antiquiert. Der Melodic Rock kommt mit denselben Stilmitteln aus, aber sie werden durchaus anders ein-gesetzt, um zeitgemäß zu klingen. Damit erreichen die Bands neue Zielgruppen.

Paradebeispiel dafür: Journey. In den vergangenen Jahren hat die Gruppe um Gitarrist Neal Schon einen enormen Popularitätsschub unter jungen Rockfans erfahren. Ihre Hymne ›Don’t Stop Believing‹ (vom 1981er-Album ESCAPE) zählt zu den meistverkauften Download-Songs aller Zeiten. Zu verdanken haben das die US- Rocker vor allem ihrer Präsenz in diversen Me- dien. So verhalf Journey unter anderem eine Neu-aufnahme des Tracks für die amerikanische TV- Serie „Glee“ zu frischem Ruhm (auf der dazu-gehörigen Compilation befinden sich u.a. auch Queens ›Somebody To Love‹, Neil Diamonds ›Sweet Caroline‹). Und spätestens seit ›Don’t Stop Believing‹ in der Schluss-Szene der „Sopranos“ zu hören war, kennt nicht nur die Generation 35+, sondern auch ein Großteil der nordamerikanischen Bevölkerung unter 30 das Lied.

„Das hat uns wirklich nach vorne gebracht“, bestätigt Schon im Gespräch mit CLASSIC ROCK. „Aber es hilft auch anderen Bands des Genres, weil sie dadurch überhaupt erst auf diese Art von Musik aufmerksam werden. Mir macht es übrigens auch gar nichts aus, wenn die Zuschauer keinen blassen Schimmer davon haben, dass ›Don’t Stop Believing‹ von Journey ist und nicht extra für ,Glee‘ komponiert wurde. Die Hauptsache ist doch, dass den jungen Leuten der Sound gefällt. Dann bin ich glücklich, Punkt.“

Dazu hat der Gitarrist auch allen Grund. Denn dank des zweiten Frühlings von ›Don’t Stop Believing‹ ist es Journey gelungen, den Song zu einem Download-Dauerbrenner zu machen. Insgesamt drei Millionen Mal ist das Stück bereits herunter-geladen worden – legal, wohlgemerkt. „Es ist absoluter Wahnsinn, ich kann es selbst noch gar nicht richtig glauben“, staunt Schon. „›Don’t Stop Believing‹ ist damit im Online-Bereich bislang erfolgreicher als die Songs von Led Zeppelin. Verrückt, nicht wahr?“

Wo so viel Geld zu verdienen ist, da sind die Konkurrenten nicht weit. So liebäugelt auch Foreigner-Gitarrist Mick Jones mit den Verdienstmöglichkeiten, die sich in diesem Geschäftsbereich auftun – und zwar speziell vor dem Hintergrund, dass die „Glee“-Macher sich jüngst dazu entschlossen haben, den REO Speedwagon-Song ›Can’t Fight This Feeling‹ für ihre Sendung zu lizenzieren. „Wenn die Leute mich fragen würden, ob sie einen Titel von Foreigner verwenden dürfen, würde ich mit breitem Grinsen zusagen“, gibt Jones unumwunden zu. „Denn das Musikbusiness hat sich verändert. Es gibt kaum noch Plattenläden, insbesondere in den USA. Das Geschäft ist ein anderes geworden. Ohne die Vermarktung auf breiter Basis, zum Beispiel über das Fernsehen, ist es extrem schwierig, die Käufer zu erreichen. Wenn ,Glee‘ einen Beitrag dazu leistet, dass die Zuschauer auf den Melodic Rock-Sektor aufmerksam werden und sich daraufhin intensiver mit der Musik auseinander setzen, dann kann ich das nur begrüßen.“ Zumindest ein Foreigner-Stück dürfte je- doch aufgrund der Doppeldeutigkeit für den nordamerikanischen Markt ausfallen: Mit ›Feels Like The First Time‹ wird in den prüden USA wohl nichts zu holen sein. Und auch der Terminus „AOR“ (Adult Orientated Rock) würde in dem Zusammenhang ad absurdum geführt. Doch Mick Jones ist das egal – er hat es ohnehin nicht besonders mit Kategorien: „Wir sind im Laufe unserer Karriere schon als alles Mögliche bezeichnet worden. Doch im Grunde ist das Quatsch. Foreigner sind eine Rockband, basta. Aber eben eine, die viele Melodien in ihre Songs einflicht.“

In dieser Hinsicht unterscheiden sich Journey, Foreigner und Co. nicht von ihren Kollegen, die in weniger privilegierten Rock-Regionen unterwegs sind. Doch das Schöne am Comeback des Melodic Rock ist: Nicht nur die Giganten, sondern auch die weniger erfolgreichen Acts haben etwas davon. So reformierten sich vor wenigen Monaten die britischen Acts FM und Skin. Allerdings setzten beide Bands nicht mehr alles auf eine Karte. Der Traum vom Profimusiker-Dasein ist ausgeträumt, zumindest sieht das Skins Myke Gray so: „Wir wollen weitermachen, neue Songs aufnehmen und sie veröffentlichen. Aber die Kosten müssen im Rahmen gehalten werden, denn das sind wir den Fans schuldig“, betont der Gitarrist. „Denn heute ist keiner von uns mehr so naiv, alles hinzuwerfen für die Musik. Wir haben Familien und arbeiten in Festanstellungen. Daher lautete unsere Entscheidung: Wir gehen raus, rocken wieder, komponieren Stücke – aber wir verlassen uns nicht darauf, dass Zehntausende unsere Platte kaufen. Wenn wir 2.000 Exemplare unter die Leute bringen, dann geht die Rechnung auf und alle Kosten sind gedeckt. Wenn nicht, haben wir unseren Spaß gehabt – und die Welt geht auch nicht unter.“

Klingt vielleicht emotionslos, ist aber vernünftig. Und es mindert keineswegs die Leidenschaft für die Sache, im Gegenteil. Durch die finanzielle Unabhängigkeit fällt eine große Last von den Beteiligten ab. So erging’s auch Laurie Mansworth, der zuletzt bei Roadstar aktiv war (aus denen schließlich nach einigen internen Turbulenzen Heaven’s Basement hervorgingen). Der Gitarrist, der gleichzeitig auch als Manager arbeitet, ist nun wieder mit Airrace am Start. Die Band ruinierte sich im Zuge des 25-jährigen Jubiläums ihres 1984er-Debütalbums SHAFT OF LIGHT – das zugleich auch das bislang einzige Werk der Rocker bleiben sollte. Nach einer umjubelten Show beim 2009er-Firefest traten Airrace u.a. mit Tesla, Thunder und Winger auf.

Im Moment arbeitet die Band an Songs für ihr zweites Album. „Die Reaktionen auf unseren Gig beim Firefest waren so euphorisch, dass wir es selbst kaum fassen konnten“, berichtet Mansworth. „Die Leute kamen ja nicht nur aus England, sondern aus der ganzen Welt. Einige hatten sogar die Original-LPs von SHAFT OF LIGHT dabei, um sie sich signieren zu lassen. Da habe ich erst gemerkt, wie sehr mir das alles in den letzten Jahren gefehlt hat.“
Ein Gefühl, das auch sein Kollege Steve Overland kennt. Der Sänger der britischen Rocker FM hat einer Reunion seiner Band nur zugestimmt, weil er wieder auf der Bühne stehen wollte. „Es ist toll, Songs aufzunehmen und diese dann auf einer Platte zu veröffentlichen. Aber es gibt nichts Cooleres, als in einem Club zu stehen und die Stücke zu performen, die man zwar allein zu Hause in seinem Wohnzimmer komponiert hat, die aber inzwischen so bekannt geworden sind, dass es Menschen gibt, die jedes Wort verinnerlicht haben. Und so lange es noch Leute gibt, die FM sehen und hören wollen, werde ich weitermachen.“

Doch es sind nicht nur die etablierten Acts, die ihr Melodic-Feuer neu entfacht haben. Auch etliche Nachwuchs-Talente machen nachdrücklich auf sich aufmerksam. Ganz vorne mit da- bei: Die Schweden H.E.A.T., die jüngst ihr zweites Album FREEDOM ROCK veröffentlicht haben und nun mit Erik Grönwal auch einen neuen Frontmann verpflichten konnten. Der Sechser aus dem Stockholmer Vorort Upplands Väsby hat es geschafft, bereits den dritten Firefest-Slot zu ergattern. „Das Genre war schon beinahe tot – doch damals habe ich gerade erst Lesen und Schreiben gelernt“, berichtet Bassist Jimmy Jay lachend und verrät, dass das Durchschnittsalter der H.E.A.T.-Besetzung bei zarten 24 Jahren liegt. „Das ist ein Vorteil für uns. Denn so gehen wir ganz ohne Hintergedanken an die Musik heran. Wir wollen damit nicht reich und berühmt werden. Melodic Rock liegt uns einfach im Blut, so einfach ist das.“ Und wenn man sich vor Augen führt, dass z.B. Bon Jovi im vergangenen Jahr zwölf ausverkaufte Shows hintereinander in der Londoner O2- Arena (Kapazität: 20.000+) absolviert haben, dann wird klar: Für Bands wie H.E.A.T. gibt es ein Publikum.

Das einzige Problem: Wie werden die Fans auf solche Acts überhaupt aufmerksam? „Die-se Frage hat mir schon so manche schlaflose Nacht bereitet“, gibt Jay zu. „Ich würde alles da- für tun, damit es uns mit H.E.A.T. gelingt, eine ähnlich gigantische Fan-Basis aufzubauen, wie es Bon Jovi geschafft haben. Aber das ist heutzutage praktisch unmöglich. In den Achtzigern sind sowohl Pop- als auch Rock-Fans zu den Konzerten gekommen. Das passiert heute nicht mehr, es gibt viel mehr Unterteilungen in einzelne Genres.“

Hinzu kommt, dass es weitaus mehr Bands gibt und dank digitaler Aufnahmetechnik geringere Produktionskosten anfallen. Fast jeder, der es gerne möchte, kann heutzutage ein Album veröffentlichen. Aufgrund der Masse der Releases binden sich Fans häufig nicht mehr so stark an einzelne Künstler, da es ständig etwas Neues zu entdecken gibt.

Diese Entwicklung gibt auch Steve Overland von FM zu denken. „Loyalität einer bestimmten Band gegenüber ist heutzutage höchst selten geworden. Das war in meiner Generation noch anders. Viele junge Leute wissen oft nicht ein-mal, von wem der Song ist, den sie sich da gerade heruntergeladen haben. Ich bekomme das oft hautnah mit, denn meine Kinder sind genauso. Neulich fragte mich mein Sohn: ,Dad, ich habe einen total coolen Song gehört. Ich weiß zwar nicht, von wem der ist, aber das Lied heißt ›The Boys Are Back In Town‹!‘ Das ist ein ziemlich typisches Beispiel, wie Jugendliche heutzutage an Musik herangehen. Sie haben alle nur erdenklichen Möglichkeiten, können sich über diverse Kanäle Platten besorgen. Es ist nicht mehr so wie früher, als man sich mit den jeweils aktuellen Top40 begnügen musste, die im Radio ständig rauf- und runtergedudelt wurden.“
Um Erfolg zu haben, muss eine Band also vor allem drei Dinge tun: a) Promotion für sich und ihre Sache betreiben und b) Herzblut beweisen und c) hart arbeiten und das Ego klein halten. Ein Ratschlag, der vor allem für die Etablierten nicht einfach zu befolgen sein wird. Denn natürlich haben sie noch die glorreichen Zeiten erlebt, in denen Geld keine Rolle spielte – Hauptsache, die Haare lagen richtig. „Vergesst, wie viele Platten ihr früher in Japan oder den USA verkauft habt. Teilt euch einen Bus. Und strengt euch an!“ – diese Ratschläge gibt Steve Strange, britischer Booker von FM und Foreigner, seinen Künstlern mit auf den Weg. Und sie tun gut daran, sie zu befolgen.

Ein steiniger Weg für manchen, aber doch ein lohnenswerter, wie Kip Winger berichten kann. „Die Europa-Tournee, die wir im vergangenen Frühjahr gespielt haben, war die beste Winger-Tour überhaupt. Es dauerte zwar über ein halbes Jahr, bis wir alle Daten gebucht und bestätigt hatten und die Werbung für die Gigs anlief. Doch dann ging alles Schlag auf Schlag – die Clubs waren zwar nicht riesig, aber stets gut gefüllt.“

Eine perfekte Beschreibung für den aktuellen Zustand des Melodic Rock-Genres: Es geht deutlich aufwärts, die Begeisterung der alten Fans hält an, und an neuen Gesichtern vor und auf der Bühne mangelt es nicht. Und selbst wenn die goldene Ära definitiv nicht wieder-kehren wird: Tot ist der Melodic Rock keines-wegs. „Sowohl Foreigner als auch Journey gehören zu den zehn meistgespielten Bands im US-Radio. Das ist schon ein ziemlich exklusiver Club“, betont Mick Jones. „Und das bedeutet für uns, dass wir es geschafft haben, eine neue Generation von Fans zu begeistern. Manchmal kommen sogar Zehnjährige nach der Show zu uns und wollen ein Autogramm. Aber nicht für ihre Eltern, sondern für sich selbst. Weil sie ›Cold As Ice‹ mögen. Songs wie diese sind unabhängig von jeglichen Trends, die gerade die Musikwelt beherrschen. Sie sind einfach zeitlose Klassiker.“

Dave Ling

Die Stammhalter: Diese Melodic-Rocker wollen in die Fußstapfen der ganz Großen treten.

H.E.A.T.
Bei ihrem ersten Firefest-Auftritt im Jahr 2008 hatten die Skandinavier Coversongs von Europe, Bon Jovi, Journey und Whitesnake in ihr Set integriert. Nicht nur eine gute Wahl, sondern auch stilistisch überaus passend – der Sound der Schweden klingt nämlich wie ein perfekter Mix aus den vier ge- nannten Acts.
Anspieltipp: ›We’re Gonna Make It‹ (2010)

EDEN´S CURSE
Wer es etwas härter vertragen kann, dem sei diese multinationale Truppe um Frontmann Michael Eden empfohlen. Eden’s Curse verbinden leichtfüßig melodische Momente mit stählernen Riffs. Gerade ist ihr jüngstes Album TRINITY fertig geworden, im November kam die DVD CREATION OF EDEN auf den Markt.
Anspieltipp: ›Masquerade Ball‹ (2008)

WORK OF ART
Wessen Herz bei Toto, Journey und Giant schneller schlägt, wird sich auch für die Stockholmer Work Of Art begeistern. Die haben nämlich völlig zu Recht ordentlich Kritikerlob für ihr Debüt ARTWORK einheimst – was vielleicht auch daran liegt, dass sie sich mit der Fertigstellung mehrere Jahre Zeit gelassen haben, wodurch das Material hörbar reifen konnte.
Anspieltipp: ›Why Do I?‹ (2008)

ECLIPSE
Eine weitere Gruppe aus Stockholm, die ihren Melodic Rock jedoch nicht nur klassisch mag, sondern ihm eine durchaus moderne, zeitgemäße Note verleiht. Ihr aktuelles Album ARE YOU READY TO ROCK? ist durch einen Line-up-Wechsel etwas kantiger ausgefallen als die ersten Werke, doch das steht den Skandinaviern bestens zu Gesicht.
Anspieltipp: ›Breaking My Heart Again‹ (2008)

W.E.T.
Diese Band besteht aus Mitgliedern von (W)ork Of Art, (E)clipse und (T)alisman, daher auch der gewöhnungsbedürftige Name. Alles andere als gewöhnungsbedürftig ist jedoch die Musik, was nicht allein den Songwritern, sondern insbesondere Ausnahmesänger Jeff Scott Soto zu verdanken ist. Wer AOR in Reinkultur sucht, wird hier fündig.
Anspieltipp: ›If I Fall‹ (2009)


Die HEIMKEHRER: Diese Acts haben kürzlich eine zweite Melodic Rock-Runde eingelegt.

FM
Es war eine Anfrage der Firefest-Organisatoren, die Steve Overland, Merv Goldsworthy und Pete Jupp dazu bewogen hatte, es noch einmal zusammen zu versuchen. Die zwölfjährige Pause merkte ihnen bei ihrem 2007er-Reunionauftritt jedoch niemand an – und so be­­­­schlossen sie (plus Keyboarder Jem Davis und Gitarrist Jim Kirkpatrick) einfach weiterzumachen.
Anspieltipp: ›Hollow‹ (2010)

SKIN
Es ist selten, dass bei einer Reunion alle Gründungsmitglieder mitziehen. Skin ist es gelungen. Nach elf-jähriger Pause haben sich die vier Briten (und Keyboarder Colin McLeod) für das 2009er-Download-Festival zusammengetan. Nun ist ihr ein neues Album da: BREAKING THE SILENCE. Von Dauer wird die Wiedervereinigung jedoch nicht sein, gerade gab’s Abschieds-Gigs.
Anspieltipp: ›Stronger‹ (2010)

ROMEO´S DAUGHTER
In den Achtzigern war Olga Lange die Managerin der Briten. Praktisch, denn als die damalige Ehefrau von „Mutt“ Lange (Def Leppard) hatte sie gleich einen Produzenten für das Debüt der Truppe zur Hand. 2009 reformierte sich die Truppe um Leih Matt, und wenn alles so läuft wie geplant, stehen neue Songs und auch weitere Live-Gigs an.
Anspieltipp: ›Heaven In The Back Seat‹ (1988)

NELSON
Die Zwillinge sind wieder da. Die blonden Wallemähnen haben die Nelson-Brüder Gunnar und Matthew zwar inzwischen abgeschnitten, musikalisch hat sich aber we- nig geändert. Gerade ist ihr Album LIGHTNING STRIKES TWICE sowie die Demo-Sammlung BEFORE THE RAIN erschienen, und auch Konzerte sind in Planung.
Anspieltipp: ›(Can’t Live Without Your) Love and Affection‹ (1990)

STRANGEWAYS
Auch diese Reunion haben wir den Firefest-Veranstaltern zu verdanken: Denn nach dem Gig hatte die schottisch-amerikanische Allianz Feuer gefangen. Ihr neues Album PERFECT WORLD ist seit einigen Wochen erhältlich. Wem das etwas zu ruhig ist, der kann sich ja immer noch an NATIVE SONS (1987) und WALK IN THE FIRE (1989) erfreuen.
Anspieltipp: ›Dance With Some­body‹ (1987)

Brian Robertson

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Brian Robertson & FriendsDer Gitarrist Brian Robertson veröffentlicht am 25. März sein erstes Soloalbum
DIAMONDS AND DIRT – und huldigt darauf u.a. seiner früheren Band Thin Lizzy.

Abstinent lebt Robbo weiß Gott nicht: Bereits nachmittags um vier schenkt sich der ehemalige Gitarrist von Thin Lizzy und Motörhead ein Glas randvoll mit Hochprozentigem ein, nimmt einen mächtigen Schluck und lehnt sich entspannt zurück: „Mein kleiner Muntermacher“, grinst er und kippt gleich noch mal nach.

Insgesamt vier Alben hat Robertson zwischen 1974 und 1978 mit der irischen Rocklegende Thin Lizzy aufgenommen. Es war die Blütezeit seiner Karriere – und eine Ära, auf die er noch heute stolz ist: „Lizzy waren eine Musikerband“, erzählt er und liefert sofort die Erklärung dieser Aussage: „Wir waren, ähnlich wie später Little Feat, allesamt erstklassige Instrumentalisten mit Songs, die nicht nur den normalen Zuhörern gefielen, sondern auch Kollegen und Kritikern. Wenn man sich heute umschaut, entdeckt man viele Gruppen, die sich di-rekt auf Thin Lizzy beziehen, beispielsweise Bon Jovi.“

Dass Robertson diesen Ball nun mit seinem ersten Soloalbum DIAMONDS AND DIRT quasi zurückwirft und einen – zugegeben: Blueslastigen – Mainstream zelebriert, wie er auch bei eben jenen Bon Jovi zu finden ist, überrascht ein wenig. Zu-mal Robbo nach seiner Lizzy-Phase kurzfristig bei Motörhead („die reinste Chaostruppe, viel zu viele Drinks, viel zu viele Drogen, viel zu wenig Schlaf – ich musste da wirklich schleunigst wieder weg“) handfesten Kraftrock spielte und mit seinem Freund Frankie Miller dem britischen Blues Rock frönte. Doch DIAMONDS AND DIRT ist eben auch spürbar beeinflusst von den musikalischen Vorstellungen seines Freundes (und Managers) Søren Lindberg, dem Initiator der Scheibe.

Lindberg durchforstete auf einer seiner vielen Fahrten von Schottland in seine schwedische Heimat eine Tüte mit verstaubten Kassetten, auf denen Robertson über Jahre Ideen gesammelt hatte. Typisch schlampiges Genie: Robbo selbst verspürte keinerlei Lust, die Kollektion auf eine mögliche Verwertbarkeit zu prüfen, Lindberg dagegen hatte bereits einen konkreten Plan im Hinter­kopf: Er verpflichtete einige namhafte schwedische Rockinstrumen­­talisten (darunter Ian Haugland von Europe) und kümmerte sich um Logistik bzw. Finanzierung der Studioproduktion.

Das Ergebnis ist eine Mischung aus Robertson-Nummern, Stücken von Thin Lizzy und Frankie Miller sowie einer bislang unveröffent­lichten Co-Komposition zwischen Robbo und dem 1986 verstorbenen Lizzy-Chef Phil Lynott. „Phil wäre stolz auf das, was ich aus seinen Songs gemacht habe“, ist Robertson überzeugt.

An der aktuellen x-ten Thin Lizzy-Comeback-Tour unter Leitung von Scott Gorham möchte der eigenwillige Musiker („Ich bin Schotte und deshalb schwierig“) indes auf keinen Fall teil­nehmen: „Scott rief mich an und fragte, ob ich Lust hätte. Aber ich sagte: ,Hör mal, Scotty, Lizzy waren immer eine vierköpfige Band – zwei Gitarristen, Bass und Schlagzeug –, du aber willst mit sechs Musikern inklusive Keyboards und zusätzlichem Sänger losziehen. Das hat doch nichts mit Thin Lizzy zu tun!’ Nein danke, so etwas ist nicht mein Ding.“

Amplifier

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Alleine ist besser. Denn dann stellt keiner Fragen. Außer wir natürlich – und dazu geben die britischen, immer progressiver werdenden Alternative-Helden Amplifier auch jede Menge Anlass.

Gitarrist und Sänger Sel Balamir tun die Finger weh. Nicht etwa, weil er sie im Proberaum blutig gespielt hätte: „Ich hab in den letzten Tagen etwa 600 Exemplare unseres neuen Albums unterschrieben“, stöhnt er. Wenn man so will, eine Vielen-Dank-Aktion ihrer Plattenfirma, um die Fans über das vierjährige Warten nach dem letzen Album INSIDER zu trösten – nur dass die Plattenfirma Ampcorp heißt und der Band selbst gehört, lediglich den Vertrieb übernehmen Amplifier nicht in Eigenregie. „Es ist leider nicht so, dass wir tonnenweise Alben verkaufen“, versucht sich Sel an einer Erklärung für den Weg in die Selbstbestimmung. „Zumindest nicht so viele, dass wir davon leben könnten, wenn eine externe Plattenfirma was vom Kuchen ab­haben möchte. Wir haben etliche Plattenverträge hinter uns. Erst sind die Leute immer über­schwäng­lich begeistert und am Ende voller Bedauern und Enttäuschung. Was daran liegt, dass wir nicht die kommerziellste Musik der Welt machen – aber auch nie behauptet haben, es zu tun.“

amplifier 2010Sich mal eben vier Jahre Zeit zu lassen, um dann eine Doppel-CD zu veröffentlichen, ist sicher auch kein Plan, der bei externen Geldgebern auf übertriebene Begeisterung gestoßen wäre… „Natürlich nicht“, lacht Sel. „Aber in dem Moment, wo wir niemandem mehr Rechenschaft schuldig waren, entdeckten wir wieder, wie sehr wir die Musik lieben, um die es doch letztlich geht. THE OCTOPUS ist ein Monster geworden, ich bin der Letzte, der das bestreitet – und muss gestehen, dass es mit schwerfällt, alles am Stück durchzuhören. Aber die Dynamik dahinter ließ nichts anderes zu, das war schon sehr früh im Kompositionspro­zess absehbar.“ Und auch eine Reaktion auf den Druck, den sie zuvor zu spüren bekommen hatten. „Wir haben eine Seite in uns, die große Panoramen, grandiose Spannungsbögen liebt – und die konnten und haben wir hemmungslos ausgelebt!“

Herausgekommen ist nicht nur ein für die Band befreiender auraler Exzess, sondern –„und das ist ganz klar Zufall und Glück in einem“, so Sel – ein wunderbar in die aufblühende Landschaft des Alternative-Neo-Prog passendes Album. „Für uns ging es darum, unserem internen musikalischen Dialog freie Bahn zu lassen. So gut wie alle Songs auf THE OCTOPUS sind aus Jamsessions geboren. Wir nahmen tonnenweise Material live auf, der Rest war ein Destillationsprozess, in dem wir die essenziellen Momente extrahiert und zu Songs arrangiert haben. Wobei das diesmal kein rigoroser Prozess war: 11-Minuten-Songs schulden ihre Länge vor allem unserer Begeisterung für die Magie des Augenblicks.“

Bei aller „Lass es fließen“-Mentalität ist aber doch eine Menge Gehirnschmalz in THE OCTOPUS geflossen – und zwar lyrisch: „Ob es ein Konzeptalbum ist?“, lacht Sel. „Aber sowas von! Das Konzept dahinter ist der Oktopus, ein mysteriöser Code unserer Existenz“, erläutert er hinreichend schwammig. Es handelt sich um eine elaborierte, auf verschiedenen Ebenen verschlüsselte Kunst-Theorie über – ja, letzten Endes – den Sinn des Lebens. „Es ist keine Story, es gibt keine Hauptfigur. Es ist ein Konzept, teils Philosophie, teils kreatives Schreiben, teils Logik. Es ist ein Buch, an dem ich seit zehn Jahren schreibe und das ich jetzt zweckentfremdet habe, über das, was… ist.“ So sei es, und so ist es: Worte ver­sagen, wo die Musik die zusätzliche Dimension des Verstehens schafft.

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