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Social Distorsion – Licht und Schatten

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Social Distortion @ Danny Clinch (3)_bear2

Nach siebenjähriger Studiopause verzücken Social Distortion ihre ständig wachsende Anhängerschaft nun endlich mit dem Album Nummer sieben: HARD TIMES AND NURSERY RHYMES. Anlässlich der Veröffentlichung philosophiert Bandgründer Mike Ness mit CLASSIC ROCK über Seelenfrieden, Erfolg, Prioritäten, seine neue Produzentenrolle und den notorischen Zeitmangel.

Eingeflogen von einer immerwährenden US-Konzertreise, sitzt Mike Ness an einem tristen November-Vormittag in einem Berliner Hotel und beantwortet im 20-Minuten-Takt Fragen zum siebten Social Distortion-Album HARD TIMES AND NURSERY RHYMES. „Zu Hause stehe ich in der Regel früh auf“, widerspricht der Jetlag-geplagte Sänger, Gitarrist und Komponist zum Einstieg dem Punk-Klischee eines notorischen Langschläfers. „Doch momentan läuft meine innere Uhr wohl immer noch im Tour-Modus.“ In Hinblick auf ein Leben, in dessen Verlauf der am 4.4.1962 geborene Michael James Ness viele Spitzen erklomm und noch mehr Täler durchschritt, zählt unfreiwilliges Aufwachen um vier Uhr morgens zu den kleinsten Übeln: In Orange County aufgewachsen, setzte ihn sein Vater bereits im Alter von 15 Jahren vor die Tür. Inmitten turbulenter Tage und Nächte, die er auf den Sofas gutmütiger Freunde verbrachte, gab er 1979 Social Distortions Startschuss, tourte in den Achtzigern in einem ausrangierten Schulbus durch Nordamerika, überlebte unzählige Drogenexzesse und einen Entzug, verlor seine erste, krebskranke Tochter Vibiana im Alter von nur vier Jahren und Anfang des Jahrtausends Kindheitsfreund, Social Distortion-Mitbegründer und -Gitarrist Dennis Danell aufgrund eines Gehirn-Aneurysmas.

HARD TIMES AND NURSERY RHYMES prä-sentiert das Arbeiterklasse-Sprachrohr als einen Mann, der seine Fehler ausgiebig analysiert und akzeptiert hat. Die reflektierten Texte jedenfalls lassen die Hoffnung aufkeimen, dass Ness nach etlichen persönlichen Kämpfen heute zur Ruhe gekommen ist. „Zum größten Teil trifft die Einschätzung zu“, bestätigt er und grinst: „Ich arbeite wie ein Reporter: lebe einige Jahre lang vor mich hin und berichte anschließend auf einem Album darüber.“ Ein Paradebeispiel heißt ›Gimme The Sweet And Lowdown‹: Hierin wendet sich Ness an eine „unbestimmte“ Person, welche die gleichen Fehler macht, die er selbst vor langer Zeit beging. „Der Song drückt die Dankbarkeit darüber aus, bereits all das zu wissen, was der Angesprochene eines Tages auch erkennen wird“, kommentiert der Autor. In dem seit Jahren zum Bühnenrepertoire gehörenden ›Diamond In The Rough‹ besingt er wiederum eines der am schwierigsten zu erlangenden Güter menschlichen Seins: Seelenfrieden. „Es geht immer darum, die Balance zwischen allen Dingen des Lebens herzustellen“, beschreibt Ness die Versuche, seine innere Mitte zu finden. „Das Gleichgewicht zwischen Alleinsein, Zeit mit der Familie und der Karriere zu finden, scheint die größte aller Herausforderungen zu sein.“

Angesichts eines mit Evergreens wie ›Nickels And Dimes‹, ›Let It Be Me‹, ›Story Of My Life‹, ›Bad Luck‹ oder ›When The Angels Sing‹ gefüllten Hit-Fundus’ müsste Mike Ness spätestens seit den Neunzigern keine Platten mehr produzieren, sondern könnte bis an sein Lebensende mit einem Standard-Set lukrativ um die Welt tingeln. Viel-leicht ist es dieses Wissen, wahrscheinlicher je- doch sein perfektionistischer Hang, der ihn davon abhält. Er will schreiben, aber nicht um jeden Preis, was regelmäßig für lange Abstände zwischen den Veröffentlichungen sorgt. HARD TI- MES AND NURSERY RHYMES macht da keine Ausnahme: 2006 zum ersten Mal angekündigt, suchten Social Distortion – plus der für die Auf-nahmen angeheuerte Schlagzeug-Guru Josh Freese (A Perfect Circle) – erst im Februar 2010 ein Studio in Burbank auf. Die Warteperiode seit SEX, LOVE AND ROCK’N’ROLL (2004) hatte die Gruppe mit einer Greatest Hits-Sammlung und zahlreichen Auftritten überbrückt, bei denen sie – wie üblich – neue Stücke ausprobierte.

Einige der Live-Favoriten feiern auf HARD TIMES AND NURSERY RHYMES Konserven­premieren: beispielsweise die Gangster-Hymne ›Machine Gun Blues‹, der Stones-verwandte, mit einem ZZ Top-Solo abgeschmeckte Karriere­rückblick ›California (Hustle And Flow)‹ oder die Hank Williams-Interpretation ›Alone And For-saken‹. „Durch die Devise, mich nicht auf einen einzigen Stil festzulegen, fühlte sich die Arbeit stets frisch an. Ich wollte unsere Vielseitigkeit demonstrieren, fiktive und reale Geschichten, Licht- und Schattenmomente gegenüberstellen“, erinnert sich Ness. „Ein anderer Vorsatz lautete, meine Singstimme wieder verstärkt einzusetzen. In der Vergangenheit hatten mich Produzenten oft dazu angehalten, wütend zu klingen. Diese eindimen-sionale Herangehensweise ließ kaum Raum für Dynamik. HARD TIMES AND NURSERY RHY-MES selbst zu produzieren, ermöglichte mir uneingeschränkte und ablenkungsfreie Konzentration auf meine Ziele.“

Aufgewachsen mit Folk, Blues und Rock’n’Roll, entdeckte Ness in den Siebzigern durch die Ramones und Sex Pistols den Punk. Jene Einflüsse sowie seine große Faszination für Johnny Cash, Bob Dylan, Eddie Cochran und (den heutigen Social Distortion-Intimus) Bruce Springsteen be- scherten ihm in 32 Jahren Fans unterschied-lichster Herkunft. Ob Punk-, Rockabilly-, (Hard-)Rock-, Country-, Singer-Songwriter-, Metal- oder Mainstream-Radio-Konsumenten: Orange Coun-tys „Cow-Punker“ bringen jeden Fuß zum Wippen und jeden Kopf dazu, in Erinnerungen an lausige Jobs/Beziehungen, Knastaufenthalte, Karosserie-Fetische, Schlägereien, verlorene Freunde, aufreizende Frauen und weite Landschaften zu schwelgen.

Und das 2011 erfolgreicher als je zuvor: In den USA spielen Social Distortion nicht selten in ein und derselben Stadt bis zu 20 ausverkaufte Konzerte in Folge und verteidigen begehrte Stammplätze in Regalen hipper Teenie-Klamottenläden. Sich weder durch Kompositionen noch Scheitel noch Lippen-Piercings unterscheidende Jüng-linge kommen und gehen täglich – Social Distortion aber ziehen inzwischen Früh-Punks und deren (Enkel-)Kinder an. „Über dieses befremdliche Phänomen denke ich viel nach, da ich eine ähnliche Entwicklung bei noch keiner anderen Band bemerkt habe“, gibt sich der Vorreiter aller einsamen Cowboys verwundert. „Wir sind mit jedem Jahr einen Schritt weiter auf der Erfolgsleiter geklettert. Momentan stehen wir auf einer höheren Sprosse als je zuvor. Die Gründe dafür kenne ich nicht, aber ich weiß: Nichts davon war geplant, denn wir verfolgen keine Marketing-Strategien“, beteuert der Vegetarier und lacht: „Ich erkläre mir die steigende Popularität durch eine Art ,Fehler‘ – mit positiven Auswirkungen für uns.“

Für Bodenhaftung sorgen Gattin Christine Marie sowie die gemeinsamen Söhne Johnny und Julian. „Meine Familie steht an oberster Stelle, erst danach kommt die Karriere“, sagt der 48-Jährige. Reist Ness nicht gerade um die Welt, füllt er sein Haus im schönen Newport Beach, Kalifornien, mit (vorwiegend Vierziger- bis Sechziger-)Memorabilia. Außerdem betreibt er seit 2003 mit Kompagnon Don Nemarnik unter dem Namen Black Kat Kustoms einen Werkstattladen für heiße Reifen und ebensolche Accessoires. „Es wird immer schwieriger, Zeit für Arbeiten an Hot Rods, Kustom Cars, Choppern und T-Shirt-Designs zu finden“, räumt der von Kopf bis Fuß Tätowierte ein und grinst: „Ich kann nach einem Jahr auf Tour schließlich nicht nach Hause kommen und meiner Frau erzählen, ich sei die nächsten Wochen im Geschäft zu erreichen.“

In naher Zukunft wird sich Ness weiterhin nicht über zu viel Freizeit beschweren können: Unter anderem plant er für die Zeit nach einer „mehrjährigen HARD TIMES AND NURSERY RHYMES-Tournee“ ein Social Distortion-Akustik-Album, eine DVD-Dokumentation, einen dritten Country-Alleingang und eine Autobiografie.

Triggerfinger – Der Weg nach Westen

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TriggerfingerIm Grunde bekommen Triggerfinger in ihrer belgischen Heimat schon genug Inspiration aus dem Ausland ab. Doch sie wollten noch mehr – und ließen sich deshalb auf das „Abenteuer L.A.” ein.

Ruben Block fehlt eigentlich nur noch ein Cowboy-Hut, um als Darsteller in einem zeitgenössischen Western durchzugehen. Im Grunde geht der grauhaarige Hüne mit seiner halblangen Haartracht, seinen säuberlich gezogenen Bartlinien und seinen Cowboy-Stiefeln sowieso schon problemlos als europäischer Siedler durch, den es ins Grenzland zieht. Und in gewisser Weise ist der Triggerfinger-Frontmann das auch: ein Immigrant, der sein Heil im Westen der USA sucht. Für die Produktion des dritten Studioalbums machte sich das belgische Trio nach Los Angeles auf, um ihre Verstärker in den Sound City Studios aufzudrehen. Dort wo bereits Acts wie Nirvana, Metallica und Neil Young aufgenommen haben, entstand ALL THIS DANCING AROUND.

Klanglich haben Sänger und Gitarrist Ruben Block, Bassist Paul Van Bruystegem (aka Monsieur Paul) und Drummer Mario Goossens kein Neuland erschlossen – aber wieso auch? Der Triggerfinger-Sound ist immer noch eine Hommage an Wüsten- und Stoner Rock-Kapellen wie Fu Manchu, Kyuss, Queens Of The Stone Age sowie an Blues-Giganten wie Howlin’ Wolf, Jimi Hendrix und Cream. Allerdings haben die Antwerpener ihren Sound in Kalifornien perfektioniert, wenngleich die Grundlage dafür in der Heimat gelegt wurde. „Bei den vorherigen Platten haben wir immer mal wieder über ein Jahr hinweg aufgenommen und am Ende die guten Sachen herausgefiltert, um daraus ein Album zu machen“, erklärt Ruben. „Nun haben wir im Januar angefangen, richtig intensiv zu proben und Demos einzuspielen. Das war fast wie ein normaler ‚9 To 5‘ -Job, bei dem wir ins Büro gegangen sind, um Songs zu schreiben. Das war sehr produktiv, da wir in den Geisteszustand einer ‚kreativen Konzentration‘ eingetreten sind.“

Los Angeles selbst hatte natürlich auch seinen Einfluss: Einquartiert in einem Hotel mit Swimming Pool, waren Triggerfinger einen Monat lang von den lästigen Pflichten des Alltags befreit. „Wir mussten uns einzig und allein darum kümmern, eine gute Platte zu machen“, erinnert sich Ruben. Als Reiseleiter im Arbeitsurlaub der Belgier fungierte Greg Gordon, der bereits mit einer ganzen Latte hochkarätiger Bands zusammengearbeitet hat, darunter Wolfmother, Slayer, Jet, The Dandy Warhols und System Of A Down. Dazu Ruben: „Er ist ein erfahrener Aufnahmetechniker. Was er macht, gefällt uns klanglich richtig gut.“

Einstöpseln und sorgenfrei losrocken – Herz, was willst du mehr? Nichts. Triggerfinger waren dank der Vorarbeit in Antwerpen so gut vorbereitet, dass sie ALL THIS DANCING AROUND fast vollständig live einspielen konnten. Mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Rubens Gesang entstand ein „dermaßen guter Vibe“, dass auf dem Werk nur wenige Overdubs zu hören sind. Zwei Tracks (›All Night Long‹ und ›My Baby’s Got A Gun‹) gingen Ruben, Paul und Mario gar so leicht von der Hand, dass sie die Songs genau-so stehen ließen – ohne zusätzliche Instrumentenspur.

Seinen Status in Belgien und den Niederlanden dürfte der Dreier mit ALL THIS DANCING AROUND weiter festigen. Es spricht für den Musikgeschmack in Benelux, dass eine Band wie Triggerfinger im dortigen Fernsehen immer wieder ihr neues Album vorstellen darf. Hierzulande ist ein solches Szenario – sagen wir: Pothead oder Smoke Blow live bei „TV Total“ – tendenziell undenkbar. Belgien aber bringt in steter Regelmäßigkeit (im po-sitiven Sinn) krude Bands hervor. Der Erfolg von Soulwax, Goose, Das Pop, Stromae und allen voran dEUS belegt: Flamen und Wallonen ticken anders, was Musik angeht. „Bei uns passiert immer ein interessanter Mix“, erläutert Ruben. „Vielleicht liegt es an der Lage unseres Landes. Es gibt die Einflüsse vom Festland, von Frankreich und Deutschland. Zudem kam dank der Nähe zu England in den Sechzigern eine Menge amerikanische Musik ins Land.“ Der Weg in den Westen war für Triggerfinger also gar nicht so weit.

Drive-By Truckers – Groove des Südens

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Drive By Trucker @ DannyClinch (2)

Halb Amerika liegt ihrem Southern-Alternative-Rock schon zu Füßen, Deutschland wird auch langsam rollig – Zeit, mit einem souligen R’n’B-Album gegenzusteuern, findet Chef Patterson Hood…

Okay, das neue Album GO-GO BOOTS ist keine Absage des Welteroberungsplans der Band – aber: „Es wäre schon toll, wenn man die ganze Welt betouren könnte und dennoch jeden Abend zu Hause im Bett liegen könnte“, findet Patterson, der gerade wegen einer Erkältung ebenjenes hütet, aber dennoch vom heimatlichen Athens in Georgia die neue Truckers-Botschaft predigt. Denn GO-GO BOOTS zeigt nicht nur die gewachsene Experimentierfreude seiner Band, sondern auch seine gewachsene Emanzipation vom Vater: David Hood machte sich als Bassist der Muscle Shoals Rhythm Section einen Namen, die für Künstler wie Wilson Pickett oder Aretha Franklin den Groove niederlegte; in dem von den alten Herren gegründeten Muscle Sounds Sound Studio nahmen unter anderem auch die Rolling Stones auf. „Na ja, er ist auch so stolz auf das, was ich mache – mittlerweile“, lacht Patterson. „Und es ist auch nicht so, als dass er keinen Bezug zu moderner Rockmusik hätte, schließlich hat er z.B. mit Frank Black von den Pixies gearbeitet. Aber diese neuen Songs gehen viel direkter auf das ein, was ich als Kind in mich aufgesogen habe – insofern bin ich es, der stolz sein kann.“

Ausschlaggebend für den Mut zu weniger offensichtlich rockenden Tönen, so Patterson, sei die Chance gewesen, mit den Drive-By Truckers 2009 als Backing-Band für das POTATO HOLE-Album der R’n’B-Legende Booker T. Jones aktiv zu werden. „Das war eine tolle Erfahrung“, schwärmt Patterson. „Und vor allem gab es uns den Mut, so etwas wie dieses neue Album überhaupt anzufassen.“

GO-GO BOOTS ist so etwas wie der ungewollte Zwilling des 2010 erschienenen Album THE BIG TO-DO. „Wir hatten eine großartige Zeit, als wir an all diesen Songs arbeiteten“, erinnert sich Patterson. „Die Studiosession war sehr entspannt, weil wir viel Material hatten, mit dem wir nach Lust und Laune rumspielen konnten.“ Patterson geht nicht so weit, THE BIG TO-DO als Pflichterfüllung an die Fans abzutun, aber: „Die GO-GO BOOTS-Songs waren schon aufregender. Aber es hätte das eine nicht ohne das andere Album gegegeben, weil wir wohl trotz Booker T. wohl nie den Mut gehabt hätten, unsere R’n’B-Ader so auszuleben, ohne gleichzeitig an rockigem Material zu arbeiten.“ Sein einziges Grauen: „Zwei Alben in so kurzer Zeit – wir werden uns zu Tode touren“, stöhnt er melodramatisch. Siehe oben: Auf der Bühne zu stehen ist für den Mann großartig, über Monate von seiner Familie, vor allem von seinen zwei kleinen Kids getrennt zu sein, nicht ganz so: „Ich will einfach nicht verpassen, wie sie größer werden – es geht so verdammt schnell“, gesteht er.

Eins wird mit GO-GO BOOTS offensichtlich: Die Drive-By Truckers nehmen ihre Southern-Wurzeln ernst – und zwar in einer viel umfassenderen Art, als ihr großer Durchbruch 2001 mit der SOUTHERN ROCK OPERA über Lynyrd Skynyrd suggeriert: „Ich hatte damals diese Theorie, dass Lynyrd eine vorweggenommene Südstaaten-Version von Punk Rock waren: Street Kids, die zusammen aufgewachsen waren, am Anfang keinen geraden Ton spielen konnten und dennoch die Welt erobern wollten. Im Nachhinein hat es uns bedrohlich dicht an diese ganze Konföderierten-Rebellen-Redneck-Nummer geführt – was absurd ist, wenn man wie ich in einem der wenigen liberalen Haushalte in Alabama aufgewachsen ist. Ich bin stolz auf die Südstaaten, weil sie ihre ganz spezielle Kultur und ihre ganz speziellen Leute hervorgebracht haben – und davon handeln die finsteren Balladen von GO-GO BOOTS –, aber natürlich ist die ganze Thematik der Bürgerrechte für Afro-Amerikaner ein dunkles Kapitel, das immer über uns schweben wird.“

Pearl Jam – Die doppelte Zehn

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Pearl Jam Bild 4 2009  - CMS SourceVor 20 Jahren läuteten Pearl Jam mit ihrem Debüt TEN neben Bands wie Nirvana und Alice In Chains die Hochphase des Grunge ein und legten den Grundstein für ihre grandiose Karriere. Ihr Jubiläum feiert die Band nun mit dem Live-Album LIVE ON TEN LEGS, das neben zahlreichen Hits auch einige Raritäten bietet.

Als im Sommer 1991 ihr erstes Album TEN erschien, glaubte zuerst niemand an einen großen Hit. Der Verkauf der Platte lief anfangs schleppend. Doch nachdem Nirvana NEVERMIND veröffentlicht hatten und weltweit für Aufruhr sorgten, suchte die Grunge-Menge nach weiterem Stoff – und fand schließlich TEN. Bis heute gingen mehr als zehn Millionen Exemplare über den Ladentisch. Ein Mega-Karrierebooster.

Um dies gebührend zu feiern, stellte die Band jetzt das Live-Album LIVE ON TEN LEGS zusammen. Ein Vorgehen, das der Band zwar Spaß, aber auch ein paar Sorgen bereitete. „Wir haben uns zunächst unser Album LIVE ON TWO LEGS aus dem Jahr 1998 noch einmal angesehen, um zu vermeiden, wieder genau dieselben Songs zu verwenden“, schildert Bassist und Gründungsmitglied Jeff Ament die Vorbereitungsphase. „Das schränkte uns zwar ein bisschen ein, aber letztendlich haben wir es weitgehend geschafft.“ Bei aller Liebe zur Abwechslung: Große Hits wie ›Alive‹, ›The Fixer‹ und ›Jeremy‹ durften aber auf LIVE ON TEN LEGS natürlich nicht fehlen. Die Musiker haben allerdings versucht, kleine Besonderheiten in die Songs mit einzubauen. „Wir haben eine Aufnahme von ›Jeremy‹ gefunden, auf der unser Schlagzeuger Matt Cameron nicht nur großartig spielt“, erzählt Jeff, „sondern außerdem die Zweitstimme singt, was er zuvor live noch nie getan hatte.“

Da LIVE ON TEN LEGS aber kein Komplettmitschnitt eines einzigen Konzerts ist, sondern aus Aufnahmen verschiedener Auftritte besteht, gab es weitere Schwierigkeiten. „Die Platte enthält viele Songs, die wir gewöhnlich als Zugaben spielen. Bei der Zusammenstellung mussten wir daher besonders darauf achten, dass das Albums im Fluss bleibt und keine unangenehmen Pausen zwischen den Songs entstehen.“

Besonders interessant für die Fans dürften die Live-Raritäten des Albums sein, so z.B. ›Nothing As It Seems‹. „Wir spielen diesen Song eher selten, weil er ein kleiner Stimmungskiller ist“, erzählt Jeff. „Er hat einen sehr düsteren Rhythmus und klingt merkwürdig, wenn wir ihn zu schnell spielen. Doch durch ein langsames Stück wie dieses gerät wiederum das Set ins Stocken, was nicht gut ist. Wenn ›Nothing As It Seems‹ nur ein bisschen schneller wäre, würde der Song besser hineinpassen, und wir könnten ihn öfter mal performen. So bleibt er die Ausnahme: Doch wenn wir ihn spielen, macht es einfach nur Spaß!“

Die Rocker spielen nicht nur ihre eigenen Stücke gern, sondern sind auch große Fans anderer Interpreten, was sie auf LIVE ON TEN LEGS u.a. durch zwei Coverversionen zeigen. Die erste ist ›Arms Aloft‹ von Joe Strummer. „Eddie Vedder hat damals vorgeschlagen, den Songs zu spielen“, schildert der Bassist die Entscheidung. „Das war zu einer Zeit, in der wir oft über Joe gesprochen haben, denn wir sollten 2003 mit ihm auf Tour gehen. Er starb jedoch einen Monat vor Tourbeginn.“ Das zweite Cover ist ›Public Image‹ der Band PiL (Public Image Ltd.). „Eddie und ich sahen einen Auftritt der Band, der einfach großartig war“, erinnert sich Jeff. „Das lag vor allem daran, dass sie fast nur Songs der ersten beiden Alben gespielt haben. Sie sind eine meiner Lieblings-Punk-Acts, und ich war Feuer und Flamme, als Ed vorschlug, doch mal ›Public Image‹ zu spielen.“ Auch live kam der Song gut an. „Spätestens in der Mitte des Stücks kapierten die Leute, welcher Song das ist und stiegen voll ein“, lacht Ament.

The New Black – Gebündelte Energie

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The New BlackIn den vergangenen beiden Jahren hat sich einiges getan im Lager von The New Black. Nach der Veröffentlichung ihres 2009er-Debüts konnten die deutschen Heavy-Rocker für etliche internationale Riff-Ikonen eröffnen – und haben sich dadurch zu einem der vielbeachtetsten Newcomer im CLASSIC ROCK-Land entwickelt.

Umtriebigkeit zahlt sich aus – jedenfalls im Fall von The New Black. Die deutschen Rocker haben in den beiden Jahren, die seit der Veröffentlichung ihres gleichnamigen Premierenalbums vergangen sind, mit Fleiß und Spaß an der Sache etliche eindrucksvolle Show-Angebote an Land gezogen. So schafften es die Fünf unter anderem ins Vorprogramm von Volbeat, AC/DC oder Black Stone Cherry und baten zu-dem auch auf Mega-Festivals wie Rock am Ring oder dem Wacken:Open:Air zum Riff-Tanz. Kürzlich war die Band außerdem als Support von Alter Bridge unterwegs, wo sie ihr Publikum bereits mit einigen neuen Songs beglücken konnte, unter anderem der Single ›The King I Was‹.

Nun drängt das zweite Album auf den Markt – es trägt den Titel II: BETTER IN BLACK und ist zwar nicht schwärzer, aber doch in der Tat besser als das Erstwerk. Einer der Gründe dafür: Obwohl sich The New Black ihr Markenzeichen, die stilistische Offenheit – mit Einflüssen, die vom melodischen Thrash über Alternative Rock und Grunge bis hin zum klassischen Rock reichen –, bewahrt haben, klingt die neue Scheibe deutlich homogener. Will heißen: Die Konzert­erfahrungen haben die Band zusammengeschweißt, was dazu führte, dass sich ein eigener, prägnanter Stil entwickeln konnte. Eine Einschätzung, die auch Sänger Markus Hammer, Spitzname: Fludid, bestätigt: „Ich denke auch, dass wir durch die Shows enger zusammengerückt sind und besser wissen, was uns als Band ausmacht. Das schlägt sich natürlich auch in den Songs nieder. Außerdem haben wir beim Debüt einige Songs verwendet, die schon vor der Gründung von The New Black existierten – die neuen Stücke dagegen sind weitgehend von den Erfahrungen der vergangenen beiden Jahren geprägt. Das macht natürlich auch einen Unterschied.“

Überhaupt scheinen The New Black eine Band zu sein, die stark von den Erlebnissen auf Tour zehrt. Was unter anderem daran liegt, dass die Musiker weit voneinander entfernt leben und keine wöchentlichen Proberaum-Sessions im klassischen Sinn stattfinden können. Das Songwriting findet also größtenteils zu Hause statt, die moderne Technik macht’s möglich. Der Großteil des Materials stammt von den beiden Chef-Komponisten, den Gitarristen Fabian Schwarz und Christof Leim. Aber auch Fludid konnte sich diesmal stärker einbringen als sonst. Besonders am Herzen liegt ihm der Track ›Into Modesty‹, in dem seine Tochter die zentrale Rolle spielt. „Ich weiß, dass es etwas klischeehaft erscheinen mag, wenn die Familie als Inspirationsquelle in einem Song auftaucht“, so der Frontmann, „aber andererseits ist das natürlich etwas, das mich bewegt und emotional beschäftigt. Daher ist der Song sicherlich das Persönlichste, das je von mir veröffentlicht wurde.“

Es ist dieser Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und einem augenzwinkernden Humor, der The New Black definiert. Bestes Beispiel dafür: Für den nächsten Videodreh hat sich die Band den Song ›Happy Zombies‹ ausgesucht. Der Track überrascht nicht nur durch seinen Namen, sondern auch durch seinen markanten Refrain – das Lied dürfte sich zu einem neuen Live-Favoriten entwickeln. Insbesondere, wenn die für den Clip geplanten Ideen so realisiert werden können, wie Markus sich das wünscht. „Ich arbeite im Hauptjob als freiberuflicher Kameramann und Cutter. Daher habe ich ein Konzept ausgedacht und mir auch gleich das Drehbuch unter den Nagel gerissen. Und jetzt hoffe ich, dass alles auch genauso umgesetzt werden kann, wie ich mir das vorstelle!“

In Extremo

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In Extremo 2010Bei der Band-Gründung vor 15 Jahren hätte wohl niemand geglaubt, dass sich In Extremo mit ihrem Mix aus Mittelalter-Sounds und harten Riffs zu einem der erfolgreichsten deutschen Acts entwickeln würden. Nun beweisen die Berliner um Fronter Micha Rhein, dass die Reise für sie noch nicht vorbei ist – sie haben mit STERNENEISEN ein frisches Album im Gepäck und mit Florian „Specki“ Speckardt einen neuen Drum-Mann.

Micha, Specki, wie habt ihr zueinander gefunden?
Micha: Unsere Trennung von Reiner Morgenroth hatte sich quasi per Buschfunk in der Szene rumgesprochen. Wir sind damit gar nicht hausieren gegangen und hatten trotzdem viele Bewerber auf den Job. Während unserer Akustik-Tour rief mich Specki an. Wir haben ein bisschen geredet, schnell gemerkt, dass das ganz gut passt und beschlossen, uns mal zu treffen.

Specki: Dann ging alles sehr schnell. Ich kannte In Extremo, und sie kannten Letzte Instanz, die Band, bei der ich früher gespielt habe. Ihnen war vor allem wichtig, ob ich vom Typ her in die Band passe. Also sind wir zum Saufen gegangen und haben den Deal sozusagen am Tresen gemacht. Am 6. April 2010 habe ich den Anruf bekommen, dass ich der neue Schlagzeuger bin. Mein erstes Konzert hatte ich dann am 30. Juni: Rock im Park, Hauptbühne. Das ist natürlich ein guter Auftakt, das erste Konzert vor 70.000 Leuten zu spielen. Das werde ich nie vergessen. Du kannst mich in 40 Jahren um 4 Uhr früh wecken und fragen: „Was war am 30.6.2010?“ Dann werde ich sagen: „Rock im Park!“

Das letzte In Extremo-Album SÄNGERKRIEG belegte Platz eins der deutschen Charts. Hat sich dieser enorme Erfolg beim Schreiben von STERNENEISEN bemerkbar gemacht?
Micha: Der Druck ist natürlich da. Den macht man sich auch selber. Aber was kommt, das kommt. Es ist auch immer eine Glücksfrage, welche anderen Künstler parallel zu einem ein Album herausbringen – denn das spielt bei der Chartsplatzierung natürlich eine Rolle. Obwohl, bei SÄNGERKRIEG war es Madonna. Daher hat damals keiner damit gerechnet, dass wir sie überholen.

Wann habt ihr angefangen, an STERNENEISEN zu arbeiten?
Micha: Ab April vergangenen Jahres. Im September ging es dann intensiv weiter, und im Oktober haben wir uns schließlich eine Woche mit der Vorproduktion beschäftigt. Ab da ging es dann richtig los.

Specki: Die Vorproduktion war wichtig, um alle wachzurütteln – sowohl die Produzenten als auch die Band. Mitte November sind wir dann vier Wochen für die Aufnahmen ins Principal-Studio nach Münster gefahren. Wir wussten, dass dort noch sehr viel passieren würde, was die Song-Details angeht. In Ex-tremo sind keine Band, die komplett vorbereitet in die Aufnahmephase geht. Wir lassen uns noch Raum für Spielereien offen, für Spontaneität. Der Song ›Zauberspruch No. II‹ ist zum Beispiel komplett im Studio entstanden.

Micha: Das macht auch die Vielseitigkeit unserer Platten aus. Wir haben zwar natürlich einen Plan und gehen nicht völlig verpeilt ins Studio. Aber vieles entwickelt sich einfach besser, wenn es nicht durchgeplant ist.

Der Titel STERNENEISEN ist dagegen nicht spontan gewählt, sondern mit Bedacht. Der Begriff steht für Metall aus dem Weltraum, das man z.B. in Meteoriten findet und dem auch magische Eigenschaften zugeschrieben werden – so soll das Schwert „Excalibur“ aus diesem Metall geschmiedet worden sein. Wie kamt ihr auf den Albumtitel?
Micha: Ich glaube, Dr. Pymonte hat den Namen damals auf den Tisch ge-bracht. Wir fanden, dass der Begriff gut klingt und wollten wissen, was dahintersteckt.

Specki: Es ist ein Wort, mit dem die meisten erst einmal nichts anfangen können, das aber dennoch sofort im Gedächtnis bleibt. Zudem hat jeder seine eigene Vorstellung davon, was „Sterneneisen“ bedeuten könnte.

Wenn man STERNENEISEN mit dem Vorgänger SÄNGERKRIEG vergleicht, fällt auf, dass ihr jetzt düsterer und wuchtiger zu Werke geht. Wieso dieser Stimmungswechsel?
Micha: Die Songs basieren eben auf Texten, die eine andere Ausrichtung haben. Aber ich finde schon, dass auch STERNENEISEN ein sehr positives Album geworden ist – so handeln die Lyrics unter anderem von Sternen und Romantik. Aber es ist natürlich auch gut, ein paar düsterere Songs dabeizuhaben. Und dass die Scheibe streckenweise etwas härter geworden ist, lag ein bisschen an Speckis Trommeln. Er hat des Öfteren fette Vorlagen geliefert, auf die man richtig was draufsetzen konnte.

Ihr habt auch zwei Gäste auf dem Album: Mille von Kreator bei ›Unsichtbar‹ und den Graf von Unheilig bei ›Hol die Sterne‹. Wie kamt ihr auf die beiden?
Micha: Als ›Unsichtbar‹ fertig komponiert war, hatten wir das Gefühl, dass dem Stück ein Gastsänger gut zu Gesicht stehen würde. Wir haben dann überlegt, wen wir fragen sollen, und da kam uns Mille in den Sinn. Wir haben ihn dann angerufen, und er wollte sofort mitmachen. Als er schließlich ins Studio kam, haben wir erst einmal zwei Stunden zusammen Kaffee getrunken. Dann ist er ans Mikro gegangen, bekam den Text, und er hat vier oder fünf Varianten ausprobiert. Das war’s dann auch schon.

Specki: (reißt den Arm nach vorne, kreischt und lacht dann) Er stand in der typischen Thrash Metal-Pose da, super! Aber der Grund, warum wir uns eigentlich für diese Musiker entschieden haben, ist der: Beide sind wahre Spielmänner! Sie machen das, bis sie irgendwann ins Grab gehen!

Diese Konstanz ist auch etwas, das In Extremo auszeichnet. So treten bei ›Zauberspruch No. VII‹ eure Wurzeln wieder deutlich zu Tage…
Micha: Wir sind eine moderne Rockband, die mittelalterliche Instrumente benutzt. Und wir werden unsere Wurzeln nie verleugnen. Wenn heute einige Leute behaupten, dass wir keine Mittelalter-Rocker mehr wären, dann sage ich darauf: „Natürlich sind wir das!“ Für uns hat alles auf Mittelaltermärkten angefangen. Ohne die gäbe es die Band gar nicht.

Bedeutet das auch, dass wir euch in den nächsten Monaten wieder live sehen werden?
Specki: Ja. Erst stehen ein paar Deutschland-Shows und Festival-Gigs im Sommer an, und dann wollen wir wieder ins Ausland. Heißt: Wir werden viel von der Welt sehen und uns bestimmt die ein oder andere Bockwurst an der Raststätte genehmigen.

Earth – Zeit unter der Lupe

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Earth 2010b_swEarth 2010_swIn nur zwei Monaten spannen die US-Drone-Pioniere EARTH einen Bogen, der 20 Jahre umfasst: erst die Wiederveröffentlichung ihrer allerersten Aufnahmen, dann ein neues Album, das vor allem eins tut – in die Zukunft schauen.

Dylan Carlson ist kein Mensch, der nostalgisch in die Vergangenheit blickt. Es gibt auch nicht so wahnsinnig viel, was bei ihm nostalgische Gefühle auslösen könnte. Eine gewisse notorische Berühmtheit erlangte der 42-Jährige, weil er einst der beste Kumpel von Kurt Cobain war, der 1989 auch mal bei Earth mithalf: beim Song ›Divine And Bright‹, der auf der A BUREAUCRATIC DESIRE FOR EXTRA CAPSULAR EXTRACTION betitelten Wiederveröffentlichung der ersten Gehversuche von Earth enthalten ist. Dylan brachte Cobain damals erst an die Nadel und gab ihm auch die Schrotflinte, mit der er sich das Leben nahm. Ein Kapitel, über das er nicht spricht, weil, so betont er, „alles längst gesagt ist. Ich hatte meine Lebenskrise, als ich jung war. Deswegen lasse ich die Midlife-Crisis hoffentlich aus und muss mir diese Dinge nicht schönreden.“

Dennoch ist die Vergangenheit natürlich Teil seines Lebens: Die Nachfrage nach den Pionieraufnahmen der Band reißt nicht ab. „Auf unserer Tour 2009 sprachen uns am Merch-Stand viele junge Fans an, die die Band erst mit HEX ken­nen­gelernt hatten, und fragten nach dem alten Material. Und da das Lizenzabkommen mit unserer früheren Plattenfirma Sub Pop auslief, stand es mir frei, diese Songs so herauszubringen, wie wir es stets vorhatten: als Album, nicht in Form einer EP und eines Haufen Bootlegs.“

Doch Dylan spielt seine Pionier-Rolle – trotz gelegentlicher Kollaborationen mit Drone-Größen wie Sunn O))) – gern herunter. „Ich schäme mich dieser Songs nicht“, betont er. „Aber ich war damals ein anderer Mensch, hatte andere Motive für das, was ich tat. Natürlich gibt es eine oberflächliche Kontinuität bei Earth: Die Songs sind immer noch langsam und eher lang. Aber alles andere hat sich gewandelt. Ich sehe jedes Album als eine Chance, Neues auszuprobieren.“ Die aktuelle „Phase“ von Earth begann 2005 mit dem schon erwähnten Album HEX, einer Art multiinstrumentaler Inszenierung von Neil Youngs Soundtrack zu „Dead Man“. „Das Thema der letzten drei Alben, von HEX über THE BEES MADE HONEY IN THE LION’S SKULL bis zum neuen, ist eine Reise in die Vergangenheit“, erläutert Dylan. „Nicht meine eigene, wohlgemerkt! Aber ich sehe einfach, dass meine Einflüsse immer älter werden. 1990 begannen wir mit Rock und Heavy Metal, dann ging die Reise über Blues, Country & Western und Jazz zu britischem Folk Rock.“

Dass das neue Album ANGELS OF DARKNESS, DEMONS OF LIGHT 1 eine kleine „1“ am Ende trägt, ist kein Zufall. „Wir nahmen zwei Alben während dieser Session auf“, erklärt Dylan. „Der zweite Teil wird wohl Anfang 2012 erscheinen. Er schließt an den letzten Song der aktuellen CD an. Den haben wir, genau wie das gesamte Material für den zweiten Teil, frei improvisiert.“ Genau genommen war nur ein Song fertig, bevor Earth das Studio buchten: ›Old Black‹, der Opener. „Den Rest arbeiteten wir auf einer zweiwöchigen Tour aus, live auf der Bühne“, erklärt Dylan – eine Arbeitsweise, die für ihn vor 20 Jahren undenkbar gewesen wäre. „Damals war ich ein totaler Kontroll-Freak. Heute sind Earth eher ein Kollektiv. Ich habe gelernt, dass es am Ende besser klingt, wenn ich die Leute das tun lasse, was sie lieben.“

Und vor allem hat er gelernt, selbst zu lieben: Nachdem aufgrund von Problemen mit der US-Drogenfahndung jahrelang Misstrauen Dylans Leben beherrschte, hat er bei Earth jetzt, angefangen mit seiner Freundin Adrienne Davies, Menschen um sich geschart, denen er bedingungslos vertraut.

Crowbars – Eiserner Wille

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©2010 M.Trombly / M.Prophet Photography

 

Crowbars neuntes Album SEVER THE WICKED HAND zeigt: Die Welt mag hart und ungerecht sein, doch Kapi­tulation kommt für die Doom-/Sludge-Vorreiter aus New Orleans partout nicht in Frage. Denn Chef Kirk Wind­stein braucht kein Ziel­was­ser mehr, um ins Schwar­ze zu treffen.

Exakt sechs Jahre nach LIFESBLOOD FOR THE DOWNTRODDEN gleicht SEVER THE WICKED HAND einer Rundreise durch seine acht Vorgänger: Aus tiefer gestimmten Gitarrenwänden, langsam brodelnden Rhythmen, pfeilschnellen Hardcore-Ausbrüchen, zwischen Leiden und Aufbruchstimmung pendelndem Wechselgesang und betörenden (Südstaaten-)Melodien errichten Crowbar tonnenschwere Groove-Doom-Fundamente. Wie in der Geschichte der 1989 entstandenen Formation üblich, reflektiert SEVER THE WICKED HAND Kirk Windsteins derzeitige Perspektiven: So rechnet der Komponist, Sänger, Gitarrist und Produzent in dem aggressiv eröffnenden ›Isolation (Desperation)‹ mit falschen Vertrauten und eigenen Fehlern ab, bestreitet in ›Cleanse Me, Heal Me‹ Brüllduette mit sich selbst („I’m all alone…“) oder zitiert in ›The Cemetery Angels‹ aus einem Buch der Anonymen Alkoholiker („You gave me wings and took the sky away…“). „Ich bin kein Verfechter solcher Programme“, betont der Mann, der seine Karriere 1987 als Gitarrist der Judas Priest-/Iron Maiden-Cover-Band Victorian Blitz begann. „Doch die Zeile drückt exakt aus, was Alkohol für mein Leben bedeutete: Er gab mir Flügel und raubte mir anschließend den Himmel. Mit Hilfe von Alkohol kann man sich gut fühlen, aber ebenso schnell verloren sein.“

Diese Erkenntnis führte im Sommer 2010 zu einem radikalen Lebenswandel: Kurz vor den SEVER THE WICKED HAND-Aufnahmen zog sich Windstein für einige Wochen in die Einsamkeit zurück und besiegte seine Dämonen. „Der Veränderungswille hatte mich schon lange Zeit beschäftigt“, erinnert sich der zum Interview-Zeitpunkt vier Monate trockene Musiker. „Dieser Weg führte letztlich zu der Entscheidung, Drogen und Alkohol aus meinem Alltag zu streichen, um eine neue Sicht auf die Dinge zu erlangen, die das Leben bereithält.“

Mit Erfolg: Der auch bei Down und Kingdom Of Sorrow aktive Kraftklotz bewies Kämpferwillen, kam von der Flasche los – und spielte das erste Album mit klarem Kopf ein. „SEVER THE WICKED HAND zu schreiben und aufzunehmen, war die beste aller denkbaren Therapieformen“, glaubt Windstein und gibt zu: „Ich hatte meine Gitarrenspuren schon immer nüchtern aufgenommen, mich während des Singens aber meist ziemlich volllaufen lassen. Gesangsaufnahmen markieren die emotionalste Phase einer Produktion. In dieser Hinsicht unterschied sich die Entstehung der neuen Scheibe deutlich von vorherigen. Und zwar im positiven Sinn: Es war eine sehr gute Erfahrung, die Songs nüchtern einzusingen.“

Im Vordergrund des Faszinosums Crowbar steht 2011 einmal mehr Windsteins eiserner Wille, den Schattenseiten des Lebens selbst aus tiefsten Seelenlöchern heraus provokant entgegenzulachen – angefangen bei dem zwischen Raserei und Schwere schwingenden SEVER THE WICKED HAND-Titelstück („Never let it drag you down, stay strong to the bitter end…“) bis hin zum Walzfinale ›Symbiosis‹ („I’ve never lost my will… I stand behind myself”). „Meine Beziehung zu Gott hat mir stets Hoffnung gegeben“, verrät der 45-Jährige sein persönliches Durchhalterezept. „Ich glaube aber nicht an Religion oder Prediger, sondern pflege eine eigene Beziehungsform zu meiner höheren Kraft. Sie hat mich in ihrer Rolle als Stärkespenderin noch nie im Stich gelassen.“

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