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John Mayall – Oldenburg, Kulturetage

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KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERAVirtuose Darbietungen mit nobler Geste: John Mayall lässt sich, aber auch seine Mitmusiker glänzen.

John Mayall, Elder Statesman des Blues, hat die innere Ruhe, um wirklich jeden seiner wenigen Songs, die er an einem Donnerstagabend in der Oldenburger „Kulturetage“ präsentiert, in voller Ausdehnung zu zelebrieren. Da gereicht ein simples Mundharmonika-Intro zu einer mehrminütigen Performance, zudem darf jedes Mitglied seiner vierköpfigen Band sein Können den gut 500 Zuschauern in voller Pracht zeigen. Am Ende dann weiß man: Tadellos spielen können alle diese Burschen. Und dass sie sich dennoch komplett den Vorgaben ihres Mentors unterordnen, spricht Bände.

Denn Mayall hat schon mit den größten Stars gespielt, mit Booker T, Steve Cropper, Billy Preston und Otis Rush, mit Billy Gibbons von ZZ Top oder Mick Taylor. Zu seinen persönlichen Freunden gehören Chris Rea, Gary Moore, Jeff Healey, Steve Miller oder Mick Fleetwood. Und natürlich auch Peter Green und Eric Clapton, Weggefährten des Briten und gleichermaßen Förderer wie Nutznießer seiner herausragenden Fähigkeiten. Über Clapton sagen Fachleute, dass er nie wieder so gut gespielt habe wie zu Zeiten der Bluesbreakers, Mayalls legendärer Band Mitte der Sechziger. Clapton selbst sieht das vermutlich ein wenig anders, doch auch er hat zweifelsohne von Mayall profitiert.

Dem Gentleman John Mayall ist das völlig egal, er möchte auch heute noch vermeintlich unbekannten Instrumentalisten ein Podium bieten. Also darf der hervorragende Rocky Athas seine Gitarre öffentlich weinen lassen, darf Keyboarder Tom Canning die flinken Finger über die Tasten flitzen lassen, dürfen Bassist Greg Rzab und Schlagzeuger Jay Davenport all ihre rhythmischen Talente in die Waagschale werfen. Dennoch ist es in dieser Band ganz so wie früher, damals in den Sechzigejrn: Mayall steht zwar im Mittelpunkt des Treibens, aber er kann andere Könner neben sich hell leuchten lassen, ohne dass sein ei-gener Glanz dadurch verblasst.

 

Jeff Beck & Joe Bonamassa: München, Tollwood

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Jeff Beck„J.B.“ versus „J.B.“ – ein klares Unentschieden im Stelldichein der Saitenhexer aus zwei Generationen.

Wenige Tage zuvor sind sie beide noch bei Eric Claptons „Crossroads“-Gitarristenfestival in der Hitze Chicagos aufgetreten, nun finden sich Joe Bonamassa und Jeff Beck bei erneut deftigen Temperaturen im schwülen bayerischen Rekordsommer wieder. Der Himmel über dem Zelt im südlichen Olympiagelände, am Fuß der künstlichen Berge, droht den ganzen Abend über mit Gewitterwolken, die wirklichen Blitze aber zucken schließlich fast drei Stunden lang auf der Bühne: Die Veranstalter sind sich wohl nicht ganz einig, ob sie Bonamassa nun als Opening Act für Beck sehen oder ihn als gleichberechtiges Billing behandeln sollen. Am Ende gibt es einen Kompromiss: Der 32-Jährige, zusammen mit Doyle Bramhall II und Derek Trucks einer der aufstrebenden Stars unter den jungen amerikanischen Blues-Gitarrenhelden, muss sein Set zehn Minuten vor der offiziellen Showtime und mit leicht reduziertem Sound und Licht starten, bekommt aber gleich viel Auftrittszeit zugestanden.

Das Attribut vom „Eric Clapton der neuen Gene-ration“, das man ihm im Festivalprogrammheft an-gepappt hat, passt nicht recht: Der Beau aus Utica im Staate New York ist ein fröhlicher Poser vor dem Herrn – ein extrovertierter Gegentyp zum introver-tierten Clapton. Mit dem hat er zwar – wie in den 75 Minuten seines Münchner Auftritts bestaunt wer-den kann – die Virtuosität gemeinsam, ansonsten aber ist er musikalisch durchaus anders gepolt: Bonamassa spielt Bluesrock mit der Betonung auf „Rock“, mit einem Temperament, das deutlich von seinem Kindheitshelden Stevie Ray Vaughan ge-prägt ist; vom Ton her erinnert er in München oft an Gary Moore. Dass man ein Solo auch durch Pausen gestalten kann, interessiert ihn eher weniger. Doch während es am Anfang eher eine (wenngleich be-reits durch Bonamassa-T-Shirts erkennbare) Min-derheit ist, die mit der Musik des Amerikaners vertraut scheint, hat er spätestens mit seinem Trademark-Song ›Sloe Gin‹ auch die Beck-Fans auf seiner Seite.
Der Altmeister selbst erscheint nach der Umbaupause braungebrannt, bestens gelaunt und mit einem Trio aus den Hochkarätern Jason Rebello (Keys), Narada Michael Walden (Drums) und der feurigen Bass-Amazone Rhonda Smith auf der Bühne. In seinem energetischen – und durch die Vorgaben des Kreisverwaltungsreferats auf 75 Minuten begrenzten – Set präsentiert er sich nicht nur als Mann der 1000 Tricks und Soundeffekte: Er ist musikalisch auch eine Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde, der in den Uptempo-Stücken seine Blueswurzeln und mitunter auch unser bekanntes Harmoniesystem verlässt, um auf seinen weißen Stratocastern in einem Paralleluniversum aus Feedback-Feuerwerken von einem Rockstern zum nächsten Fusionplaneten und wieder zurück zu jagen. Und der in seinen hochmelodiösen Instrumentalfassungen von Klassikern wie ›People Get Ready‹, ›Somewhere Over The Rainbow‹ und ›A Day In The Life‹ dann aber unvermittelt wieder den sensiblen Saitenstreichler gibt. Vor der Bühne drängen sich die lokalen Gitarristenkollegen mit hängenden Unterkiefern – doch weiter hinten im gut gefüllten Zelt rufen die zirkusreifen Darbietungen aber auch die eine oder andere ratlose Verblüffung hervor.

Rock of Ages: mit Foreigner, Axxis, Gotthard, Jane etc.

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Foreigner 1 @ Detlef DenglerFriede, Freude, Hippie-Flair in schwäbischer Provinz – mit betrüblichem Abschluss.

Ein bekanntes Schwaben-Motto lautet: „Wir können alles außer hochdeutsch“. Das ist an diesem Wochenende durchaus richtig: Die Organisation eines Festivals mit hohem Wohlfühlfaktor jedenfalls haben die Macher des Rock Of Ages jedenfalls perfekt drauf. Es gibt saubere Toiletten, ein wunderschönes Gelände, durchweg Top-Sound, eine riesige Bühne, ein abgetrenntes Areal mit Hüpfburg für die Kleinsten, dazu ein Bierzelt, Festbänke unter Sonnen­schirmen plus lange Spielzeiten für die Bands. Kurz: Wer einmal in Seebronn beim Rock Of Ages war, kommt wieder, zumal auch das Programm durch clever durchdachte Ausgewogenheit besticht.

Doch was nützt die beste Vorbereitung, wenn einem das miese Wetter einen Strich durch die Rechnung macht: Am Morgen des ersten Tages öffnet der Himmel seine Schleusen, sodass das Gelände unter Wasser steht. Nur der unermüdlich schuftenden Crew ist es zu verdanken, dass quasi im letzten Augenblick eine Absage abgewendet werden kann. Um 17 Uhr legen TRANCEmission los. Ihre erdige Mischung aus Hard Rock und Metal heizt dem Publikum ein. Die Jungs, die in den frühen Achtzigern vor dem Durchbruch standen, können was. Guru Guru, seit über 40 Jahren bestehendes Kunstprodukt des 70-jährigen Drummers Mani Neumeier und 1976 die erste deutsche Gruppe im WDR-Rockpalast, verwirren die Fans dagegen mit ihrer schwer verdaulichen Mixtur aus Krautrock, Avantgarde und Weltmusik. Festival-Musik geht anders. Zum Beispiel so wie bei D-A-D. Auf Konserve haben die Riff-Rocker ihren Zenit zwar schon längst überschritten, aber live garantieren die Kopenhagener gute Laune. Die vier Rocker wirbeln wild, phasenweise gar punkig über die Bretter. Frenetisch werden auch Golden Earring begrüßt. Die Holländer, die sich ein Jahr vor den Rolling Stones formierten, präsentieren sich vital und spielfreudig und wirken alles andere als altbacken. Mit Hymnen wie ›Back Home‹, ›Eight Miles High‹, ›Twilight Zone‹ oder dem echten Jahrhundertklassiker ›Radar Love‹ begeistern George Kooymans, Barry Hay & Co. ohne Abstriche. Darauf folgt ein abrupter Stilwechsel mit den Eidgenossen Gotthard, die sich in den vergangenen Jahren über einen enormen Popularitätsschub freuen durften. Der Eröffnungsdreier ›Unspoken Words‹, ›Gone Too Far‹ sowie ›Need To Believe‹ bildet die Basis für zwei Stunden feine Hardrock-Power. Kein spektakulärer, aber ein kraftvoller Auftritt einer blendend aufgelegten Truppe.

Am nächsten Morgen jubeln alle: Veranstalter, Bands und Publikum, denn die Temperaturen steigen. Viele Besucher legen sich auf Decken und lassen sich genüsslich die Sonne auf den Pelz brennen. Mittags geht es auch musikalisch richtig los: Pump, die Truppe um den früheren Brainstorm-Sänger Marcus Jürgens, entpuppt sich mit ihrem harten, eingängigen Rock als prädestinierter Wachmacher. Wer danach immer noch nicht fit ist, dem verpasst die AC/DC-Coverkapelle Hole Full Of Love einen Arschtritt. Die Kultrocker Nektar hingegen haben keinen leichten Stand – und sie machen es sich durch eine unglückliche Songauswahl auch nicht einfacher. Ein entbehrlicher Auftritt. Jane, die ihre Karriere zu Ehren ihres 2007 verstorbenen Gründers Peter Panka fortsetzen, kommen mit ihrem zugänglicheren Rockmaterial bedeutend besser an. Axxis graben schließlich mit ›Kingdom Of The Night‹ eine Uralt-Nummer als Eröffnungsstück aus. Musikalisch bietet die Band zwar heute nichts Besonderes und kommt in der Mitte des Sets auch etwas zu samtig daher – doch Sänger Bernhard Weiß sammelt mit flotten Sprüchen und seinem kommunikativen Auftreten kräftig Sympathiepunkte. Fragezeichen erntet hingegen Russ Ballard. Viele scheinen ihn nicht zu kennen. Dabei feierte der 65-Jährige große Erfolge als Komponist für Kiss, Rainbow, Hot Chocolate oder America. Neben ›God Gave Rock And Roll To You‹, ›Since You’ve Been Gone‹ oder ›I Know There’s Something Going On‹ sorgen heute auch unter seinem Namen veröffentlichte Lieder wie ›Voices‹ oder ›The Fire Still Burns‹ für Aha-Erlebnisse. Jugenderinnerungen kommen schließlich auf, als Suzi Quatro die Bühne erklimmt und die Siebziger mit ›If You Can’t Give Me Love‹, ›Can The Can‹ oder ›Sumblin’ In‹ hochleben lässt. Einen Monat nach ihrem 60. Geburtstag zeigt sich Suzi Q. fit, wobei die Performance etwas zu viele Bläser-Parts enthält. Einen zweiten Frühling erleben die Fans schließlich bei Foreigner. Dank unsterblicher Hardrock-Gourmethappen wie ›Feels Like The First Time‹, ›Double Vision‹, ›Cold As Ice‹, ›Head Games‹, ›Dirty White Boy‹, dem jammigen ›Urgent‹ und dem furios dargebotenen ›Juke Box Hero‹ kann natürlich nichts mehr schief laufen. Doch auch die Band versprüht so viel Freude wie noch nie in ihrer Karriere. Das ist nicht nur Boss Mick Jones zu verdanken, sondern auch dem grandiosen Sänger Ken Hansen und Bass-Derwisch Jeff Pilson. Unter all den Klassikern ragt kurioserweise der unbekannteste Song heraus: das Dynamik-Monster ›Starrider‹, bei dem Jones ein endloses, furioses Gitarrensolo abreißt. Un­­glaublich! Foreigner rocken unter all den etab­lierten Rockern am druckvollsten, und so freuen sich alle schon jetzt auf die DVD dieses Seebronn-Konzerts, die schon Ende 2010 erscheinen soll.

Zum Ende des Festivals gibt es jedoch noch eine traurige Nachricht: Veranstalter Horst Franz kündigt sichtlich mitgenommen an, dass das Rock Of Ages 2011 eventuell nicht stattfinden wird. Bleibt zu hoffen, dass das nicht passiert, sondern eines der hochwertigsten Rock-Events Europas überlebt. Falls nicht: Danke für fünf unvergessliche Jahre.

 

Graspop Metal Meeting: mit Aerosmith, Kiss, Motörhead, Stone Temple Pilots, Airbourne, Slash uvm.

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Aerosmith 2Im belgischen Dessel gibt sich an drei heißen Open Air-Tagen die Rock-Chefetage die Backstage-Containerklinken in die Hand. CLASSIC ROCK ist live dabei.

Es fängt langsam an. Zu langsam. Das passt nicht zu einem Song wie ›Love In An Elevator‹. Wer will schon in einem Fahrstuhlschacht stecken bleiben, während es doch eigentlich um heiße, ungezügelte Liebe geht. Doch Aerosmith machen bei ihrem Headliner-Auftritt im belgischen Dessel zunächst keine besonders agile Figur. Hüftsteif legen sie los, und auch ›Back In The Saddle‹ und ›Falling In Love (In Hard On The Knees)‹ kommt nicht so recht aus dem Quark. Dementsprechend ruhig ist auch das Publikum. Sicher: Aerosmith sind die letzte Band, der erste Tag beim Graspop Metal Meeting war drückend heiß, lang und mit etlichen anderen Höhepunkten gespickt. Doch ein bisschen mehr Euphorie hätten sich Steven Tyler und seine Crew wohl schon erwartet. Anfangs ist also auf beiden Seiten eher vorsichtiges Beschnuppern denn enthemmtes Rocken angesagt.

Damit geben sich Aerosmith aber nicht zufrieden. Gerade als man denkt, dass es heute wohl nichts mehr werden würde mit Hochspannungs-Riffs oder doch zumindest einem gepflegten Bluesrock, dreht die Truppe auf. Tyler lässt seine Glitzerumhänge und Mikroumwallungen hinter sich und legt aus tiefster Seele und vollster Kehle los (Höhepunkt: ›I Don’t Wanna Miss A Thing‹). Angepeitscht wird er von Joe Perry, der nicht mehr nur standardmäßig seine Hits runterzockt, sondern anfängt zu improvisieren. Hier ist sie, die alte (und hohe) Schule der Bühnenkunst – und Aerosmith sind in ihrem Element, ganz so, als hätte es die Streitigkeiten und Ausstiegsgerüchte Anfang des Jahres nicht gegeben. Und es sind ausgerechnet die Coversongs, ›Stop Messin‘ Around‹ und ›Baby Please Don’t Go‹, die den US-Veteranen neue Energie verleiben, und die weitet sich wie ein Feuer auf die eigenen Stücke aus. Bei ›Sweet Emotion‹ zeigen sich erste Anzeichen eines Flächenbrands, und spätestens beim Zugabenblock, der erwartungsgemäß aus ›Dream On‹, ›Walk This Way‹ und ›Toys In The Attic‹ besteht, brennt auch das belgische Publikum lichterloh..

Stone Temple PilotsDie Stone Temple Pilots passen nicht so recht ins Billing des Graspop Metal Meeting – und daher verwundert es auch nicht, dass es recht leer vor der Hauptbühne ist, als Scott Weiland und seine Crew antreten. Schade, denn die Festivalgänger verpassen einen der beeindruckendsten Gigs des Festivals. Obwohl Weiland alles andere als nüchtern ist, wie seine Ansagen und seine auf Großbildleinwand übertragenen Gesichtszüge deutlich machen, kann er stimmlich zu 100 Prozent überzeugen und sorgt während des 45-Minuten-Sets für mehr als nur einen Gänsehaut-Moment. Auch optisch, die Band spielt vor einem riesigen, roten Backdrop, auf dem das aktuelle Albumcover prangt, geht hier einiges. Man fragt sich am Ende eigentlich nur eines: Wie gut wäre Weiland eigentlich erst, wenn er komplett von den Drogen runter wäre?

Während Lemmy Kilmister vor einigen Wochen noch in be-sorgniserregender Form war und auf der Bühne kaum ein klares Wort formulieren konnte, ist er diesmal wieder besser drauf: Die motörhead-Show stimmt, ›Iron Fist‹, ›Bomber‹, ›One Night Stand‹ und ›Ace Of Spades‹ sowieso – kein Wunder, dass sich am Ende beim Co-Headliner fast genauso viele Menschen vor der Bühne versammeln wie beim Haupt-Act Aerosmith.

RANDNOTIZEN

Die CLASSIC ROCK-Ehrennadel in Platin für einen gigantischen Graspop-Auftritt geht an Saxon. Hits pur, Stimmung top, genau die richtige Spielzeit und -länge. Kein Wunder, dass die Zeltbühne fast auseinander platzt.
Die deutsche Fraktion schlägt sich ebenfalls wacker: Doro Pesch sorgt mit einpeitschenden Hymnen wie ›All We Are‹ oder dem harten ›Burning The Witches‹ für Furore, ihr Landsmann Udo Dirkschneider mit ›Man And Machine‹ und ›Metal Heart‹.

Während Billy Talent trotz viel Energie und Bühnenaction beim belgischen Publikum gar nichts reißen können und um 14 Uhr in der brennenden Sonne verglühen, hat Slash es diesmal besser als bei Rock am Ring. Die Fans kennen auch die Songs seines Soloalbums und den Velvet Revolver-Kram, so dass nicht nur alle auf Guns N’Roses-Songs warten. Die kommen aber dann doch am besten an. Klar.

Airbourne schaffen es, mit ihrem Hochdruck-Rock gegen die parallel zockenden Schwarzmetaller Immortal anzubrettern, während am nächsten Morgen düsterer, progressiver Metal auf dem Programm steht: Evergrey schaffen es, auf der Hauptbühne schon für ihre Schwelgorgien zu sorgen, während Katatonia im randvollen Zelt ebenfalls die ersten Fan-Kehlen für den restlichen Tag aufwärmen.

Toto: CH-Locarno, Piazza Grande

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steve_lukather_2009_a4Beschwingte Hymnen für laue Nächte.

Viele Daten gab’s nicht – und die wenigen Shows, bei denen es Toto noch einmal wissen wollten, fanden auch nicht in den üblichen Konzerthallen beziehungsweise Show-Metropolen statt. David Paich, Steve Lukather und Steve Porcaro sowie Schlagzeuger Simon Phillips, Bassist Nathan East und Sänger Joseph Williams wollten eine Tournee der besonderen Art durchziehen – so wie auch der Grund der Konzertreise ein besonderer ist. Der Erlös der Gigs kommt dem an ALS erkrankten ehemaligen Bassisten Mike Porcano zu Gute. Ein trauriger, wenngleich ehrenwerter Anlass, um die eigentlich längst aufgelöste Band noch einmal zu sehen.

Auch das Ambiente am heutigen Abend stimmt – ebenso wie das Vorprogramm. In Locarno am Lago Maggiore lässt es sich gut aushalten, das Wetter lädt auch zum Draußen-Rocken ein: Kein Wunder also, dass Toto hier Station machen wollten. Das Konzert findet im Rahmen des „Moon & Stars“-Festivals statt, bei dem zehn Tage lang jeden Abend andere Acts auf dem von wunderbaren klassischen Altbauten eingerahmten Piazza Grande auftreten. Von Stevie Wonder über Massive Attack oder Jamiroquai bis hin zu Pink reicht das Spektrum – am Toto-Abend – mit Earth, Wind & Fire als Vorprogramm – geht es sehr entspannt und familiär zu.

Warmer Applaus empfängt die Band, die sich auch ins Zeug legt, um den Erwartungen gerecht zu werden. Als Opener wählen Toto das kraftvolle ›Child’s Anthem‹, tauchen dann geschickt in ›Till The End‹ ein und schließen ›Afraid Of Love‹ an. Die Chemie zwischen den Musikern stimmt, man merkt ihnen zu jeder Sekunde an, dass sie die Zusammenkunft genießen und sich gerne auf das gemeinsame Abenteuer einlassen. Und sie beziehen auch ihre Kollegen und das Publikum mit ein: ›Georgy Porgy‹ wird zum Tribut an Earth, Wind & Fire – und damit auch zum zusätzlichen Anheizer für die Fans, die das natürlich jubelnd zur Kenntnis nehmen. Auch die Musiker kommen mehr und mehr in Schwung: Sie spielen sich frei, grooven sich tiefer und tiefer in die Songs ein (mit ›Pamela‹ als einen der Höhepunkte). Bei ›Africa‹ und ›Rosanna‹ drehen die Fans erwartungsgemäß durch, doch selbst aus etablier-ten Klassikern holen Toto noch Neues heraus: So bleibt ab und an sogar etwas Raum für zarte Improvisation, und am Ende (nach ›Home Of The Brave‹) geben Steve Lukather & Co. in ›Hold The Line‹ noch einmal zusätzlich Gas, um dem Locarno-Publikum (inkl. der Zaungäste an den Fenstern und Balkonen der umliegenden Häuser) einen fulminanten Konzertabschluss zu bescheren.

 

Willie Nelson: München, Circus Krone

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Willie_Nelson_2009Neue Frisur, neue Energie: Nelson rockt.

Was manche mit Mitte 20 tun, zieht Willie Nelson erst mit knapp 80 durch: Er säbelt seine Haare ab. Nicht vollständig, aber zumindest so weit, dass seine Mega-Zöpfe nun dahin sind. Jeder wird wohl mal erwachsen… Doch dem hohen Qualitätsniveau seiner Musik tut das selbstverständlich keinen Abbruch. Die Country-Legende ist, Haarbüschel hin oder her, in bester Verfassung. Er absolviert eine Tour nach der anderen, und auch wenn er in den Staaten deutlich mehr Fans zieht als in Europa, lässt er das CLASSIC ROCK-Territorium bei seinen Reisen dennoch nicht aus. Löblich, löblich. Abgesehen von seinem unermüdlichen Live-Fleiß hat Nelson jedoch inzwischen einen Gang zurückgeschaltet. Er ist nicht mehr der unbezähmbare Rebell früherer Tage, sondern besinnt sich verstärkt auf die ruhigeren Momente, so auch heute im Circus Krone-Bau. Den Fans ist das nur recht, denn sie sind mit ihm in die Jahre gekommen. Zudem: Eine Hymne bleibt eine Hymne. So büßen ›You Were Always On My Mind‹, ›On The Road Again‹ oder ›Beer For My Horses‹ heute nichts an ihrer Größe ein. Zumal Nelsons Markenzeichen, sein nasaler Gesang, die Stücke immer noch unverwechselbar macht.

 

Bon Jovi & Kid Rock: London, O2 Arena

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bon jovi04 live o2 - CMS SourceZwölf Abende à 20.000 Zuschauer à 85 Pfund: London wird zu Las Vegas.

Wie ist das wohl, ein Dutzend Abende lang in derselben Arena zu spielen und – welch Graus – womöglich sogar noch im selben Hotel, in derselben (Präsidenten-)Suite zu nächtigen und den ganzen Tag zur freien Verfügung zu haben? Klare Sache: Ein bisschen wie in Vegas, nur nicht so heiß und mit einem Hauch mehr Kultur. Insofern hat dieser UK-Abstecher während der laufenden Welttournee, den sie zwischen amerikanischen Footballstadien und asiatischen Giga-Hallen einschieben, etwas von einem Testlauf für die Glücksspielmetropole, wo sie in ein paar Jahren Barry Manilow und Engelbert ablösen könnten. Aber: Bis es soweit ist – und das muss man ihnen zu Gute halten – versuchen Jon Bon und seine Jungs das Beste aus der ungewohnten „inhouse band“-Situation zu machen. Mit einer Show, die bis ins letzte Detail durchkonzipiert ist, auf starke visuelle Effekte, eine grandiose Lichtshow, eine weite, offene Bühne sowie viel Kommunikation mit dem Publikum setzt. Zudem gibt es Masse zur Klasse:

Erschlagende 150 Minuten lang zelebrieren der Berufsjugendliche mit den schneeweißen Beißerchen, die selbst im Dunkeln glänzen, sein doppelbekinnter Co-Showmaster an der Gitarre sowie die übrigen Statisten (Keyboards, Drums, Backing-Vocals, Bass) die sitzende Masse mit den Highlights aus 24 Jahren Jersey-Power. Darunter Gassenhauer wie ›You Give Love A Bad Name‹, ›Blaze Of Glory‹, ›Bed Of Roses‹, ›Keep The Faith‹ und natürlich – zum großen Finale – ›Livin‘ On A Prayer‹. Songs, die wirklich jede Frisöse mitsingen kann, und das leider auch tut.

Wobei wir bei den drei elementaren Problemen des Abends wären: ein Publikum, das zwischen Fa-milienausflug und Fregattenball pendelt und somit perfekt in die Wüste von Nevada passen würde. Aber eben auch eine Band, die sich diesem Niveau ganz ungeniert anpasst. Die viel weichspült, sich zu filmreifen Posen und peinlichen Ansprachen hinreißen lässt und einfach viel zu viel Material von den letzten Alben THE CIRCLE, LOST HIGHWAY, CRUSH & Co. serviert. Das lässt sich dann wirklich nur mit Bier und Hot Dogs ertragen – aber wahrscheinlich sind Bon Jovi auch daran finanziell beteiligt. Klarer Sieger des Abends ist indessen Kid Rock, der eine tolle, fast einstündige Support-Show hinlegt, sich an sämtlichen Instrumenten vom Schlagzeug bis zum DJ-Pult versucht und so agil ist, dass ihm glatt die Jeans reißt – am Allerwertesten. Dass er keine Unterwäsche trägt, kriegt Jon Bon beim späteren Duett ›Bad Medicine‹ zwar nicht mit, aber Tico Torres dürfte seinen Spaß gehabt haben. Wie immer.

 

Harvestman: München, Kranhalle

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Steve-Von-Till-Foto2Erdig, aber dennoch betörend: Steve Von Till.

Nachdem im Januar bereits sein Neurosis-Bandkollege Scott Kelly in Deutschland auf Tour war, beehrt uns nun Steve Von Till mit seinem Einmann-Projekt Harvestman. Während Von Till mit seiner Hauptband immer darauf bedacht ist, in außergewöhnlichen Locations zu spielen, muss er sich heute mit der doch eher kargen Ausstattung der Kranhalle begnügen. Genügsam ist auch die Art des Künstlers zu reisen. Kein Hauch von Pomp, sondern er und sein Tourbegleiter, der nebenbei noch Merch verkauft, aufbaut und die Wäsche wäscht, reisen in einem PKW durchs Land, der bis zum Dach mit Equipment vollgestopft ist. Bevor er aber als Harvestman auf die Bühne geht, wärmen die Münchener Gordon’s Tsunami Week die Halle schon mal ein wenig vor. Ihr Postrock passt perfekt zum heutigen Programm, die sechsköpfige Band webt schöne, rein instrumentale Flächen zusammen und lässt ab und an auch mal eine Violine zum Einsatz kommen. Sehen auch die wenigen Zuschauer so, die mehr als nur Anstandsbeifall spenden.

Bei Steve von Till aka Harvestman sind nicht mehr so viele Personen, dafür umso mehr Effektgeräte auf der Bühne zu sehen, wovon eines beim Soundcheck den Geist aufgegeben hat: das Wah Wah-Pedal. Das stimmt den Künstler zwar nicht gerade glücklich, aber den gut 60 Fans wird das nicht auffallen. Seine klangliche Reise beginnt Harvestman stimmungvoll, getragen, betörend. Das Publikum hält inne, man kann die Atemzüge des Künstlers hören – so an-dächtig und still ist es. Die Stimmung wirkt konzentriert, leicht angespannt – aber genau das braucht Harvestman, um zur Höchstform aufzulaufen. Seine sehr tiefe, erdige, Cash-mäßige Stimme zieht die Be-sucher in den Bann, und seine Virtuosität an der Gitarre bzw. den Effektgeräten lassen den ein oder anderen Mund offen stehen. Erster Höhepunkt des Sets ist die Townes Van Zandt-Coverversion ›The Spider Song‹, die Von Till mit Märchenerzähler-Stimme vorträgt. Im Verlauf des Konzerts wechselt Steve Von Till fortwährend die Effekte auf seinen Boards, bringt neue Samples aus seinen Loopern hervor – und zwischendurch setzt der Neurosis-Frontmann auch einen E-Bow ein, den er lässig an einer Kette hängend am Gitarrengurt befestigt hat. Seine Konzentration unterbricht er nur für Sekunden, wenn er einen Schluck aus seiner Tasse nimmt. Er wirbelt seine traumhaft hübsche, hölzerne Telecaster-Gitarre in alle Richtungen und entlockt ihr die unglaublichsten Sounds – von dissonanten Noisewänden bis hin zu harmonischen Melodiefolgen; der Meister kombiniert am heutigen Abend alles. Klangcollagen der unterschiedlichsten Färbungen stehen im Einklang mit Songs wie ›Breathe‹, ›Amongst The Heather‹ oder auch dem tollen ›Night Of The Moon‹.

Nach einer eruptiven Phase, die fast schon an Throbbing Gristle erinnert und auf das nahende Konzertende hindeutet, zieht Steve Von Till aka Harvestman nach 90 Minuten wirklich den Stecker. Das Publikum braucht eine Sekunde, doch dann entlädt sich die Begeisterung. Dass das Wah Wah-Pedal nicht zum Einsatz gekommen ist, ist niemandem aufgefallen – außer vielleicht dem Künstler selbst.

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