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Robert Plant – Rückblick ohne Rückschritt

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Robert Plant 2010 @ Gregg DelmanAm 10. September veröffentlicht Robert Plant sein neues Soloalbum: Es trägt den Titel BAND OF JOY. Damit beschreitet der ehemalige Led Zeppelin-Frontmann nicht nur neue musikalische Wege, sondern erinnert auch an seinen verstorbenen Freund John Bonham, dessen Todestag sich am 25. September zum 30. Mal jährt. Im CLASSIC ROCK-Interview verrät Plant daher nicht nur Details zur aktuellen Platte, sondern gibt auch preis, warum er sich dazu entschlossen hat, mit BAND OF JOY den Namen seines Prä-Zeppelin-Projekts mit Bonham wiederaufleben zu lassen. Denn, so viel sei schon jetzt verraten, in Sachen Attitüde schließt sich hier der Kreis…

Robert, du bringst dieser Tage dein Soloalbum BAND OF JOY auf den Markt und gehst auch auf Tour – leider nur in Großbritannien. Dennoch sind wir neugierig: Was erwartet die Fans dort?
Für mich hat das Ganze viel von Lep Zeppelin während der III-Ära. Damals konnten wir zwischen Akustikstücken und richtig harten Songs hin- und herspringen und haben dennoch nie den Faden verloren. Das ist heute wieder so. Ich will keine Mittelalter-Aufführung machen, sondern eine Show, die von einem düsteren Flair lebt und zudem ein gewisses Maß an Härte beinhaltet. Sie soll mysteriös, gigantisch und tiefgründig zugleich sein – eine Aufführung, die bei den Menschen Gänsehaut hervorruft.

Titelstory: Led Zeppelin – Geerbte Freude

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Led Zeppelin (3)Auch drei Jahrzehnte nach dem Tod von John Bonham und der anschließenden Auflösung der Band sind Led Zeppelin einer der bedeutendsten Rock-Acts der Welt. Die 2007er-Reunion mit Jason Bonham an den Drums ist als eines der glanzvollsten Riff-Ereignisse in die Geschichte eingegangen, und die Gerüchte um eine etwaige Welttournee haben für euphorische Aufruhr in den Musikforen gesorgt. Doch die drei verbliebenen Musiker lassen, vor allem auf Betreiben von Sänger Robert Plant, das Ganze nun doch auf sich beruhen, um das Erbe von John Bonham nicht zu beschädigen. Eine weise Entscheidung, die davon zeugt, wie viel Respekt sie vor ihrem verstorbenen Freund haben und wie sehr sie sein Talent noch heute schätzen. Einen Tribut der besonderen Art gibt es aber dennoch: Robert Plant hat seinem aktuellen Soloalbum den Titel BAND OF JOY gegeben – und erinnert damit an das gemeinsame Prä-Zep-Projekt mit John Bonham, das denselben Namen trug. Welche Neuigkeiten es sonst noch aus dem Led Zeppelin-Camp gibt, was Bonham an seinen letzten Tagen getan hat und wieso Plant das Erbe des Drummers auf seiner neuen Platte wiederaufleben lässt, lest ihr auf den folgenden Seiten.

Vor 30 Jahren haben wir eine der größten Rockbands aller Zeiten an den Alkohol verloren. In den frühen Morgen­stunden des 25. September 1980 erstickt John Bonham nach einer durchzechten Wodka-Nacht an seinem Erbrochenen. Der tragische Tod des britischen Drummers bedeutet zugleich auch das Aus für Led Zeppelin.

Doch Bonhams Erbe wirkt bis heute nach. Noch immer ist John Bonham das große Idol zahlloser Schlagzeuger – selbst wenn diese viel zu jung sind, um die Led Zep-Ikone noch live in Aktion bewundert haben zu können. Und auch in der eigenen Familie wird der Verstorbene geehrt: Insbesondere Jason Bonham wird nicht müde, wenn es darum geht, das Werk sein Vaters ins Hier und Jetzt zu retten. Ähnlich wie Dweezil Zappa, der jüngst mit Papas Songs auf Tour gegangen ist, will auch Bonham Junior mit einer Tribute-Truppe um die Welt reisen. Und er betont immerfort, wie wichtig und ergreifend es für ihn war, mit den verbliebenen Band-Mitgliedern Jimmy Page, John Paul Jones und Robert Plant die Bühne und die Songs seines Vaters teilen zu dürfen.

Umso härter muss ihn die Absage von Robert Plant getroffen haben, der sich – gefeierte Reunion hin oder her – standhaft dagegen wehrt, mit Led Zeppelin auf ausgedehnte Welttournee zu gehen. „Das wäre doch nichts Neues mehr“, so Plant in einem Interview mit dem britischen Magazin „Mojo“. „Wir haben das ein Mal durchgezogen. Und ja: Es war der beste Led Zeppelin-Gig seit 1975. Aber natürlich standen da nicht Led Zeppelin auf der Bühne. Das sollte man nicht vergessen.“ Daher konzentriert sich Plant nun lieber auf seine Solokarriere und reaktiviert mit dem Album BAND OF JOY sein gleichnamiges Prä-Zep-Projekt. Mitte September erscheint das Album (siehe auch Rezension auf Seite 84), parallel dazu tourt er – gerade war Plant für ein Dutzend Gigs im Süden der USA unterwegs, im Oktober wird er einige Shows in Großbritannien geben.

Und während Robert Plant damit auf seine ureigene Weise seinem ­Freund und Weggefährten John Bonham gedenkt – schließlich war der damals als Drummer von Band Of Joy aktiv -, versucht Jason Bonham nach wie vor, die Led Zeppelin-Maschine am Laufen zu halten. Vor wenigen Wochen hat er in einem Interview verkündet, dass er, Jimmy Page und John Paul Jones „sehr nahe dran waren, ohne Plant weiterzumachen und auf Tour zu gehen“. Die gemeinsamen Proben hätten das Trio eng zusammengeschweißt, so der 44-Jährige weiter. „Sogar noch mehr, als das jetzt bei Black Country Communion der Fall ist.“ Eine Aussage, die Page und Jones ehrt, seinen Supergroup-Kollegen Glenn Hughes, Joe Bonamassa und Derek Sherinian aber gar nicht schmecken dürfte.

Fakt ist aber, dass – zumindest im Moment – wohl ohnehin niemand von der Originalbesetzung Zeit für eine Reunion hätte. Plant plant Live-Soloaktivitäten, Jones rockt mit Them Crooked Vultures, und Page muss die Schlappe vor Gericht verdauen, wo er jüngst einen Streit um die Rechte an ›Dazed And Confused‹ verloren hat.

Fakt ist jedoch auch, dass die Frage, ob die Band wieder zusammenkommen wird, noch immer die Gemüter bewegt – und das, obwohl in den vergangenen 30 Jahren nur wenig Neues passiert ist. Das macht deutlich, wie hoch die Leistung von Led Zeppelin einzuschätzen ist. Dies ist vor allem John Bonham zu verdanken. So werden seine Band- und Musikerkollegen bis heute nicht müde, die Qualitäten des verstorbenen Trommlers zu prei­sen. Jimmy Page ist der Ansicht, dass „es seit Johns Tod keinen einflussreicheren Drummer mehr gab.“ Bonhams Bruder Mick betont, dass John nur ein Ziel hatte, nämlich „die anderen Schlagzeuger schnellstmöglich von der Bühne zu fegen!“ Für jüngere Musiker, die den Led Zep-Kesselpeitscher nie selbst live sehen konnten, ist es vor allem der spezielle Sound, den Bonham prägte, der sie nachhaltig beeindruckt und beeinflusst hat. „Es ist sehr wichtig, dynamisch zu spielen“, betont beispielsweise Foo Fighter Dave Grohl. „John Bonham hat das perfektioniert. Er ist niemand gewesen, der ständig auf sein Kit eingeprügeln musste. Doch wenn er richtig loslegte, dann brach das Inferno los. Genau darum geht es: Man muss den richtigen Moment abpassen, in denen sich das Gasgeben lohnt. Wer das berücksichtigt, hat es viel leichter, denn dann gibt es genug Raum für Variation.“

Eine Einschätzung, die auch Grohls aktueller Them Crooked Vultures-Partner John Paul Jones teilt. Und mehr noch: Er betont auch, dass Bonham diese Fähigkeit nicht erst im Laufe der Zeppelin-Jahre entwickelt hat, sondern bereits besaß, als er ihn zum ersten Mal traf. Bei der Debütprobe zeigte Bonham laut Jones schon „das Talent, selbstbewusst aufzutreten, zugleich aber nie überheblich zu sein. Er wusste stets, was er tat – und er konnte sich auf den Punkt konzentrieren. Außerdem hörte er auf die Texte. Das ist etwas, das jeder gute Drummer tut.“

Was besonders Robert Plant gefreut haben dürfte, der in Bonham den perfekten Partner für seine musikalischen (und natürlich auch alle anderen) Schandtaten gefunden hatte. Das war bei Led Zeppelin der Fall, aber auch schon in der Zeit davor. Die beiden wussten intuitiv, dass sie eine gemeinsame Vision teilten – und wollten diese auch unbedingt in die Tat umsetzen. Geld und Ruhm spielten dabei eine untergeordnete Rolle, wie Plant heute betont: „John und ich waren die treibende Kraft hinter Band Of Joy, aber wir wurden von Musikern unterstützt, denen es ähnlich wichtig war wie uns, unabhängig zu sein und kompromisslos unser Ding durchzuziehen. Niemand von uns hatte Interesse daran, US-Bands wie den Tremeloes oder den Dreamers nachzueifern. Wir hatten nichts zu verlieren – oder zumindest dachte ich, dass das so wäre. Daher nahmen wir uns andere Vorbilder als die anderen Acts, die damals anfingen. Wir wollten so klingen wie die britischen Psychedelic-Bands, nicht wie die damals angesagten amerikanischen Gruppen.“

Eine Einstellung, die Bonham und Plant weit gebracht hat. Denn in Kombination mit der gefühlvollen Kraft von John Paul Jones und dem kompositorischen Genie von Jimmy Page ist es den Musikern gelungen, mit Led Zeppelin zu Weltruhm zu gelangen. Dabei wollten sie im Grunde nur eines: sich nicht einschränken lassen, sondern ihren eigenen Weg verfolgen.

Und das ist etwas, das sich alle verbliebenen Bandmitglieder bis heute erhalten haben. John Paul Jones geht mit Them Crooked Vultures jugendliche Wege, und Robert Plant versucht mit Band Of Joy, den Geist der Anfangstage wieder aufleben zu lassen. Dass dies gerade jetzt passiert, da sich der Todestag seines Freunds John zum 30. Mal jährt, ist sicherlich kein Zufall. Und so spricht Plant im Interview auf den folgenden Seiten auch nicht nur über sein aktuelles Werk und dessen Wurzeln, sondern auch über den Einfluss von John Bonham auf sein heutiges Schaffen.

 

Frankie Miller

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Frankie Miller Promo 1978_bwKaum zu glauben: 16 Jahre, nachdem Frankie Miller aufgrund einer Hirnblutung ins für mehrere Monate in Koma gefallen ist, startet er nochmals durch. Und zwar dank Facebook.

Er ist allseits beliebt. Bob Seger, Joe Walsh und Rod Stewart preisen seine Stimme – und Ray Charles, Roy Orbison, Bonnie Tyler oder die Eagles haben seine Songs gecovert. 1994 jedoch schlug das Schicksal zu: Frankie Miller erlitt eine Hirnblutung und lag mehrere Monate im Koma. Seine Karriere? In diesem Moment weit, weit weg. Doch nun ist Miller zurück – die Facebook-Gemeinde hat ihm einen zweiten Frühling beschert. Doch der Reihe nach. Startschuss für die Rock-Reanimation war nämlich nicht etwa eine exzessive Online-Aktivität von Miller, sondern Frankies Treffen mit seinem alten Freund und Kollegen Bill Rankin, dem ehemaligen Gitarristen von Nazareth. Die beiden wühlten sich durch einen Stapel Tapes, auf denen etliche unveröffentlichte Miller-Songs enthalten waren. „Wir hörten den Kram durch. Plötzlich kam ›Bottle Of Whisky‹. Ich war hin und weg, und selbst Frankie blickte nur zu mir rüber und grinste. Da wusste ich, dass dieser Song ein echter Hit sein könnte“, erinnert sich Rankin an besagten Tag.

Als Rankin Monate später einen Job als DJ beim Sender „Rock Radio“ antrat, entschloss er sich, ›Bottle Of Whisky‹ eine Chance zu geben. Er spielte den Track in seiner Show. An einem Sonntagnachmittag. „Ich dachte, dass da sowieso niemand zuhört“, so Rankin. „Doch ich irrte mich gewaltig.“ Da die Hörerreaktion so enthusiastisch ausfielen, nahm Bill Rankin den Song auch in die Playlist seiner Morgenshow auf.

Dass aus dem Radio-Hit auch eine Erfolgssingle wurde, ist schließlich Rage Against The Machine zu verdanken. In Großbritannien wurde die Band nach einer Facebook-Aktion gegen einen Castingshow-Gewinner auf Platz eins der Charts gehievt. Das wiederum inspirierte die Miller-Fans Jim McNee und Danny Chesnut dazu, eine eigene Facebook-Gruppe zu Frankies Song ins Leben zu rufen. Das fanden derart viele Leute gut, dass das Stück nun via Townsend Records offiziell als Single in den Handel gekommen ist.

Damit ist Frankie Miller endgültig zurück im Musikgeschäft – gut 40 Jahre nach seinem Karrierebeginn. In den späten Sechzigern hat der Sänger die Glasgower Szene aufgemischt, zunächst mit The Stoics, bei denen auch Hugh McKenna aktiv war, der später mit The Sensational Alex Harvey Band für Furore sorgen sollte. 1971 zog Miller schließlich nach London und rockte gemeinsam mit Robin Trower (Procul Harum), Jimmy Dewar (Stone The Crows) und Clive Bunker (Jethro Tull) bei Jude. Doch schon ein Jahr später war er auf Solopfaden unterwegs. Mit den Countryrockern Brinsley Schwarz als musikalisches Rückgrat nahm er sein Debüt ONCE IN A BLUE MOON auf und veröffentlichte es auf Chrysalis. Es wurde ein Erfolg – ebenso wie die Nachfolgewerke, das von Allen Toussaint produzierte HIGHLIFE (1974), THE ROCK (1975), FULL HOUSE (1977), DOUBLE TROUBLE (1978) oder FALLING IN LOVE (1979). Hinzu kommen etliche Single-Hits wie ›Be Good To Yourself‹, ›When I’m Away From You‹ oder ›Darlin’‹.

Auch abseits der Studios und Konzerthallen erarbeitete sich Frankie einen Ruf: Er galt unter Fans und Freunden als Partytier und ließ kein Fest aus, was auch Ray Minhinnit, dem Gitarristen von Full House, nachhaltig in Erinnerung geblieben ist: „Ich bin ständig bei ihm zu Hause in Maida Vale abgehangen“, so Manhinnit. „Im Grunde war ich mehr dort als in meiner eigenen Wohnung. Daher haben wir uns oft gemeinsam einen genehmigt. Frankie kochte sein berühmtes Coq Au Vin – das wir dann prompt mit et-lichen Flaschen Blue Nun-Wein runtergespült haben… Ich erinnere mich auch noch daran, dass er mich eines Tages fragte, warum wir nicht ins Kino gehen und ,Taxi Driver‘ schauen sollten. Eigentlich wollten wir nachmittags gehen, aber es gab nur noch Karten für die Abendvorstellung. Die Zeit reichte nicht, um vorher noch mal nach Hause zu fahren – also setzten wir uns ins Pub ,The Ship‘ in der Wardour Street und hauten uns so derbe die Birne weg, dass wir schon vor der Vorstellung total voll waren.“

Und wie es bei solchen Spontan-Aktion oft der Fall ist – es blieb nicht bei ein paar harmlosen Drinks, das Ganze zog weitere Kreise. „Der Film war großartig, so dass wir noch aufgedrehter waren als zuvor. Also sind wir raus auf die Straße und haben alle Leute in den Wahnsinn getrieben. Jeden, der uns über den Weg lief, bedrohten wir mit unseren .57er-Magnums, die natürlich nichts weiter waren als ,Finger-Revolver‘. Dazu haben wir natürlich rumgebrüllt wie Wilde – das ging den ganzen Weg vom Westend bis nach Maida Vale so. Wir fühlten und benahmen uns wie Zehnjährige…“

Doch trotz zahlreicher weiterer Aktion diesen Kalibers hat sich Frankie Miller nie von seinem musikalischen Weg abbringen lassen. Er legte Wert darauf, als Sänger und Songwriter immer top vorbereitet und auf der Höhe der Zeit zu sein – durch und durch Profi eben. Doch selbst er war nicht auf alles gefasst: Eines Tages, Miller hatte gerade in San Francisco gespielt, kam eine ältere Frau hinter die Bühne, umarmte den überraschten Künstler und sagte: „Ich kenne keinen Weißen, der eine schwärzere Stimme hat. Mein Mann hätte deine Musik auch geliebt.“ Ihr Mann war, wie sich kurz darauf herausstellte, kein Geringerer als Otis Redding, einer von Frankies großen Idolen.

Mitte der Neunziger, Miller war inzwischen längst international etabliert, tat er sich mit Joe Walsh, Ian Wallace (King Crimson), Nicky Hopkins und Chrissy Stewart zusammen und gründete Fire And Brimstone. Doch obwohl alles vielversprechend aussah, starb das Projekt noch vor seiner eigentlichen Geburt: Walshs Priorität galt den Eagles, womit keine Zeit für ein weiteres Engagement blieb. Böse war Miller deswegen nicht. Er freute sich für Walsh – und besuchte diesen am 25. August 1994, als die Eagles in New York Station machten. Nach dem Ende der Show zog sich Frankie Miller auf sein Hotelzimmer zurück. Dort passierte es: Er erlitt eine Hirnblutung und fiel daraufhin ins Koma. Erst nach fünf Monaten erwachte Miller wieder. Die Ärzte hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben: Die Überlebenschancen des Musikers schätzen sie extrem gering ein – sie lagen bei nur zwei Prozent. Und selbst im unwahrscheinlichen Genesungsfall, so die Mediziner, würde Frankie wohl nie wieder sprechen oder laufen können.

Zudem starben in diesem Zeitraum weitere Freunde des Künstlers. Doch der gab nicht einfach so auf. Nachdem er wieder ansprechbar war, kämpfte sich Miller Stück für Stück zurück ins Leben. Mit schottischer Sturheit, wie seine Angehörigen heute schmunzelnd sagen. Es war ein langer und beschwerlicher Weg mit vielen Rückschlägen und Schmerzen. Doch Frankie hat ihn stoisch weiterverfolgt – und kann heute wieder sprechen und auch ohne Hilfsmittel gehen. Zudem ist er in Lage, Songs zu komponieren – seine große Leidenschaft ist ihm also erhalten geblieben.

Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Annette hat Frankie viel Zeit in „The Drake Music Project“ investiert, eine gemeinnützige Stiftung, die Behinderte unterstützt. Um Frankies Engagement zu honorieren und ihrem alten Freund zu helfen, haben auch Millers Weggefährten ihren Teil dazu beigetragen: 2002 spielten Joe Walsh, The Sensational Alex Harvey Band und Nazareth sechs Konzerte in Glasgow, deren Erlös in das „Drake Music Project“ floss.

Auch heute ist Frankie noch aktiv – die Musik ist und bleibt der Motor seines Lebens. Oft sitzt er auf der Couch und betrachtet seine Plattensammlung. THE ROCK, FALLING IN LOVE und FULL HOUSE sind seiner Ansicht nach die besten Werke seiner eigenen Karriere – doch er selbst hört sich am liebsten Alben anderer Künstler an. Einer steht dabei ganz weit oben in Frankies Hit-Liste: Ray Charles. Die LP-Regale brechen fast durch unter der Last der vielen Charles-Veröffentlichungen, die Frankie Miller im Laufe der Jahrzehnte angehäuft hat. Auch während Millers Reha-Phase war die Jazz-Legende eine wichtige Kraftquelle für den Schotten. Er bekniete damals seine Annette, ihn aus der Klinik zu schleusen und mit ihm das Ray Charles-Konzert im Wembley Stadion zu besuchen.

Sie tat es – und brachte ihn sogar backstage. Dort hätte er die Gelegenheit gehabt, seinen Helden persönlich anzusprechen, denn der stand nur zwei Meter entfernt. Doch er schaffte es nicht, war wie paralysiert. „Im Nachhinein“, so kommentiert Annette das Ganze grinsend, „finde ich das nicht tragisch. Denn man stelle sich mal diese absurde Situation vor: Auf der einen Seite Ray Charles, der nichts sehen kann – und auf der anderen Frankie, der gerade dabei war, das Sprechen wieder zu lernen. Das wäre ein ziemlicher Albtraum geworden…“

 

Tony McPhee

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Tony McPheeTony McPhee hat mit den Groundhogs Rockgeschichte geschrieben und gilt als einer der Urväter des Grunge. Jetzt ist er nach zahlreichen Schicksalsschlägen zurück.

Der 16. Juni 2009 ist ein warmer Sommertag, der Himmel leuchtet in strahlendem Blau. Tony McPhee kniet in seinem Garten und rupft das Unkraut aus dem Beet. Die Rock’n’Roll-Welt? Lichtjahre entfernt.

Doch McPhee hat sie maßgeblich geprägt. Mit den Groundhogs, die in den frühen Sechzigern John Lee Hooker als Backing Band unterstützt haben, bevor sie in den Siebzigern mit Alben wie THANK CHRIST FOR THE BOMB, SPLIT oder WHO WILL SAVE THE WORLD? THE MIGHTY GROUNDHOGS selbst zu Ruhm und Ehren gekommen sind. Zu ihren Fans zählen illustre Rocker, so zum Beispiel der Produzent Jack Endino, der u.a. Soundgarden und Nirvana zu Platinauszeichnungen verholfen hat: „Platten wie THANK CHRIST FOR THE BOMB oder SPLIT waren die Basis für die Entwicklung des Grunge“, so Endino. Und Julian Cope setzt noch einen obendrauf: „Die Art und Weise, in der die Groundhogs den Blues weiterentwickelt haben, war ähnlich revolutionär wie das Schaffen von MC5, den Stooges oder das der Krautrock-Bewegung.“

Doch das ist Tony McPhee egal. Ihn interessiert nicht, was Mark Lanegan über ihn denkt oder welche Huldigungen Mark Arm von Mudhoney über ihn verfasst – er beschäftigt sich lieber mit seiner Harke. Als er sein Tagwerk geschafft hat, geht er zurück zum Haus. Gerade als er durch die Tür geschlurft ist, durchfährt ihn plötzlich er ein brennender Schmerz, der so stark ist, dass er sofort an Ort und Stelle zusammenbricht. Er will seiner Lebensgefährtin Joanna Deacon zurufen, dass sie Hilfe holen soll. Doch er schafft es nicht, seine Gesichtsmuskeln sind wie gelähmt.

„Anfangs dachte ich noch, dass sich Tony einen bösen Scherz mit mir erlaubt“, erinnert sich Deacon. „Denn er wälzte sich auf dem Boden herum und gab dabei nur unkoordinierte Grunzlaute von sich.“ Doch rasch wird ihr klar, dass McPhee einen Schlaganfall erlitten hat und im Zuge dessen auch sein Sprachzentrum gestört ist.
So schockierend dies in diesem Moment auch ist – für Tony McPhee ist die Situation nicht neu. Bereits im Jahr 1993 erleidet er seinen ersten (und schlimmsten) Infarkt – lange Zeit kann er nicht mehr Gitarre spielen, was ihn mental stark belastet. 2001 kommt eine erneute Attacke, bei der vor allem eine Körperhälfte in Mitleidenschaft gezogen wird, Lähmungserscheinungen sind die Folge. Eine Reihe weiterer Krisen folgen, doch sie sind nicht mehr so heftig wie die beiden ersten.

Der Anfall im Sommer 2009 ist der bis dato letzte – und er kommt zu einer besonders ungünstigen Zeit. Denn die Groundhogs sind gerade im Studio. Unter der Ägide von Über-Fan Endino nehmen sie eine neue Platte auf, denn McPhee ist gesundheitlich so weit auf der Höhe, dass er die Songs mit seinem düsteren, markanten Vibrato veredeln kann.

Der Infarkt wirft das Projekt zurück – doch McPhee ist stark. Er schafft es, sich erneut zu berappeln. Nicht binnen Tagen oder Wochen, aber doch mit einer steten Tendenz nach oben. „Der Sprachverlust war zum Glück nicht permanent“, kann McPhee ein Jahr später stolz verkünden, und seine Partnerin Joanne ergänzt: „Der Genesungsprozess verläuft nicht geradlinig – es geht mal bergauf, dann aber auch wieder etwas bergab. Eine bizarre Sache, die viel Geduld erfordert.“

Geduld, die sich auszahlt. Denn McPhee kann wieder auf der Bühne setzen und seinen wilden, ungezügelten Blues spielen. Er liebt es sichtlich – selbst wenn das Ganze nicht ohne Einschränkungen möglich ist, wie Joanne berichtet: „Erstaunlicherweise kann er sich seither besser konzentrieren. Doch auf einem Auge ist er nun blind – und zwar ausgerechnet auf demjenigen, mit dem er immer das Griffbrett beobachtet hat. Daher muss er den Kopf nun mehr zur Seite drehen.“

Doch das funktioniert inzwischen so gut, dass McPhee auf Tour gehen kann. Joanna übernimmt dann den Großteil der Gesangsparts, so dass das Paar immer zusammen ist. Während der freien Tage übt sich Tony im Sprechen – und arbeitet weiter an den Songs.

„Das Album ist stilistisch ziemlich vielschichtig“, berichtet Joanna für ihren Lebensgefährten. „Einige Stücke erinnern an die alten, erfolgreichen Groundhogs-Platten und nehmen dieses Flair wieder auf. Aber es gibt auch Songs, die komplett anderes klingen. Ich werde etliche Vocals beisteuern. Und live würden wir im Duett singen.“
Durchweg Neuigkeiten also, die optimistisch stimmen. Die Kraft, die viele Rückschläge wegzustecken, bezieht Tony McPhee nach eigener Aussage aus zwei Quellen: „Freunde und Fans“. Und Joanna ergänzt: „Wir haben viele Freunde. Tony wird also quasi zur Kommunikation gezwungen, da er mit ihnen reden und sich austauschen möchte. Außerdem ist Musik für ihn ein wichtiger Therapie-Eckpfeiler. Bei uns im Ort gibt es so genannten ,open mic‘-Abende, bei denen Musiker zum Jammen zusammenkommen. Einen Tag, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, wollte Tony schon wieder dorthin, um live zu spielen. Das Erlebnis, auf einer Bühne zu stehen und zu performen, ist für ihn das Wichtigste im Leben.“

 

Johnny Winter

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Johnny WinterEr ist der Prototyp des Stehaufmännchens: Seit seiner Kindheit muss sich der Albino aus Texas mit Vorurteilen und Anfeindungen herumschlagen. Nun hat Johnny Winter seine Erinnerungen in einem Buch zusammengefasst.

Es ist ein kalter Montagabend in Southampton. Johnny Winter lässt sich davon aber nicht beeindrucken. Er spielt trotzdem. Die heutige Show ist nur eine von vielen. Die Tour führt ihn vom Süden Englands bis ins sonnige Sao Paulo. Die Art und Weise, wie Winter sich auf der Bühne bewegt, ähnelt der verdienter Bluesrock-Veteranen. Mit dem Unterschied, dass Johnny quasi der Negativabzug zu den farbigen Musikern ist.

Doch sein Aussehen, das ihm in seiner Kindheit viel schmerzhaften Spott (und mehr) eingebracht hat, ist im Laufe der Zeit zu seinem Markenzeichen und auch seinem Kapital geworden. Er hat es weit gebracht: vom Kleinstadt-Kid zum Rockstar, der eine Liaison mit Janis hatte und mit Jimi jammen durfte. Reich geworden ist der dadurch zwar nicht, aber er hat sich den Respekt seines Publikums erspielt. Mit harter Arbeit, unzähligen Auftritten und viel, viel Leidenschaft für die Sache.

Dabei musste er stets kämpfen. Wegen seines genetischen Defekt, der ihn zum Albino und damit zum Außenseiter machte. Und natürlich auch mit den typischen Rockstar-Hürden: Alkohol- und Drogensucht, private Tragödien, geldgierige Manager – das volle Programm. Doch er hat überlebt.

Und sein Leben jetzt in einem Buch öffentlich gemacht. Mit Hilfe der Songwriterin und Radioproduzentin Mary Lou Sullivan hat Winter RAISIN’ CAIN geschrieben, eine Biografie der besonderen Art – sie ist kein Schnellschuss, sondern ein Produkt reiflicher Überlegung.

„Ich habe Johnny 1984 kennen gelernt“, erinnert sich Sullivan an ihre erste Begegnung mit dem Musiker. „Damals schrieb ich für die Wochenzeitung ,Hartford Avenue‘ über Musikthemen. Wir führten ein Interview, und ich war begeistert von seiner Ehrlichkeit und seiner Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Außerdem verfügt er über einen herrlichen Humor und wird regelrecht philosophisch, wenn er über sein Leben berichtet.“ Und auch die lustige Art von Winter ist der Journalistin im Gedächtnis geblieben. So hat sich der Musiker ein Kissen vor den Mund gehalten und reingeschrien, um zu demonstrieren, wie sein Teenie-Gesangstraining aussah. Sullivan war sofort fasziniert von Winter und seiner Karriere mit all ihren unerwarteten Irrungen und Wirrungen. „Seine Geschichte ist genau der Stoff, aus dem wirklich große Literatur entsteht. Daher fragte ich ihn sofort, ob ich ihm beim Schreiben einer Biografie helfen könne. Doch er und sein Manager haben sich erst im vergangenen für ein Ja entschieden. Also über zwei Jahrzehnte später.“

Es dauerte ein weiteres Jahr, bevor Sullivan sich gut genug vorbereitet fühlte für ein Interview mit dem Gitarristen. Sie hatte in unzähligen Ge-sprächen mit Winters Mutter, seinem Bruder, zahlreichen Freunden und Musikerkollegen Fragen zusammengetragen. Insgesamt 400 Stück. Jeden Samstagabend trafen sich die beiden zum Interview, und Winter bewies, dass er sich in all den Jahren keinen Deut geändert hatte – noch immer sprach er frei von der Leber weg und sparte kein Thema aus – selbst die heiklen nicht. Auf Basis dieser Mitschnitte konnte Mary Lou Sullivan ein Buch schreiben, das die Geschichte eines echten Rockers so detailliert nachzeichnet wie kaum ein anderes. RAISIN’ CAIN entführt den Leser in die verrauchten texanischen Bars, hängt einem einen Woodstock-Backstagepass um und gibt uns schließlich Zugang zum hippen New Yorker Club „The Scene“. Und Winter? Er schluckt und wirft ein, er wütet und wird bepöbelt. Wo ein Exzess ums Eck lugt, ist er ganz sicher dabei – dabei wandelt er stets auf dem schmalen Grat zwischen Rockgott und Total-Freak.

Über die Emotionalität der Biografie ist Winter selbst überrascht – obwohl er als Hauptdarsteller doch eigentlich am besten wissen müsste, wie stark Gefühle sein Leben beeinflusst haben. „Die herausragenden Erlebnisse noch einmal wiederaufleben zu lassen war großartig“, freut er sich. „Doch die schrecklichen Dinge ein zweites Mal zu erleben, war grausam für mich. Doch egal wie schmerzhaft diese Dinge mir selbst auch vorkommen mögen – ich bin froh, dass Mary Lou sie aufgeschrieben hat. Ich bin nun mal nicht der Typ Mensch, der sein Leben im Nachhinein schönfärbt. Wen man nicht ehrlich zu sich selbst ist, bekommen die Leser ein falsches, verzerrtes Bild von einem. Und das ist nicht der Sinn einer Biografie.“

Zudem hat RAISIN’ CAIN auf für Winter selbst einige positive Nebeneffekte mit sich gebracht. Er kann darin nämlich eine Begegnungen rekapitulieren, an die er sich so gar nicht mehr erinnert hätte, wie er selbst sagt: „Ich habe zum Beispiel komplett vergessen, dass mir Salvador Dali ein Mikro in den Arsch stecken wollte. Was für eine lächerliche Aktion!“

Johnny kam 1944 in Beaumont, Texas, zur Welt. Sein vollständiger Name lautet John Dawson Winter III. Sein Vater, ein Weißer, dient damals beim Militär und befehligt ein Battalion farbiger Männer. Bis zu seiner Rückkehr aus dem Krieg weiß er nicht, dass sein Sohn ein Albino ist. 1946 schließt er Johnny das erste Mal in seine Arme – der Junge ist damals zwei Jahre alt. Auch der jüngere Bruder Edgar, der 1946 zur Welt kommt, ist von der genetischen Mutation betroffen – die beiden sind die ersten im Familienstammbaum, bei denen Albinismus auftritt. Das Gen ist rezessiv, was bedeutet, dass es im Fall einer Elternschaft der Geschwister mit einer 25-prozentigen Wahrscheinlichkeit an die nächste Generation weitergegeben wird.

Während Johnnys und Edgars Eltern zu ihren Kindern stehen, besonders der Vater fördert die beiden durch intensiven Musikunterricht, haben sie in ihrer Jugend nur wenige Freunde. In der Schule werden sie gehänselt, und auch die Lehrer tun nichts, um die Brüder zu integrieren. Daher ziehen sie sich, so gut es geht, aus der Öffentlichkeit zurück und konzentrieren sich auf die Musik.

Johnny liebt Merle Travis, Chet Atkins und Blues-Ikonen wie Howlin’ Wolf, Muddy Waters, Elmore James, Little Water und Jimmy Reed. Er sammelt all seine Energie, um ihnen nachzueifern. Die unzähligen Stunden, in denen er das Griffbrett seiner Gitarre hinauf- und herunterjagt, zahlen sich schließlich aus: Er nimmt an Nachwuchswettbewerben teil – und siegt.

In Sullivans Biografie erinnert sich Winter an einen seiner ersten Auftritte vor Publikum. Bei einer Schulveranstaltung soll er ›Johnny B. Goode‹ aufführen. Als er die Bühne betritt, reagieren die Menschen mit Spott, denn speziell ganz im Süden der USA gibt es zum damaligen Zeitpunkt so gut wie keine Albinos – die Winters erregen überall Aufsehen. Johnny ist selbstverständlich tief verletzt durch die Reaktionen der Leute. Doch er denkt sich: „Was soll’s? Ich werde ihnen jetzt einfach beweisen, dass ich es trotzdem drauf habe.“ Und genau das tut er dann auch: Winter legt los und überzeugt sein Publikum durch sein Talent. „Am Ende haben alle bereut, dass sie mich ausgelacht haben.“
Da Winter nicht nur optisch auffällt, sondern aufgrund der fehlenden Pigmente auch sehr schlecht sehen kann, sind seine Möglichkeiten, in einer texanischen Kleinstadt Karriere zu machen, nur sehr begrenzt. Selbst nachdem er es 1959 geschafft hat, mit der Single ›School Day Blues‹ auf Platz acht der lokalen Charts zu landen, weigert sich Produzent Bill Hall, ein Album mit Winter aufzunehmen, weil er nicht daran glaubt, dass eine Band mit einem Albino als Frontmann Erfolg haben könnte.

Dabei ist gerade die Tatsache, dass Johnny Winter ein Albino ist, maßgeblich für sein Talent als Blueser. Denn durch seinen Außenseiterstatus kann er nachvollziehen, welch immense Rolle jene Musik für das Selbstbewusstsein der von den Weißen unterdrückten Farbigen spielt. Dennoch er-fährt er auch in dieser Szene zunächst keinen Zuspruch – im Gegenteil: Puristische Kritiker werfen ihm vor, dass er als Weißer kein Recht habe, Blues zu spielen. Winter, der aufgrund der emotionalen Verletzungen in seiner Kindheit extrem sensibel für Vorwürfe ist, nimmt sich die Angriffe sehr zu Herzen. Doch statt sich zurückzuziehen, wandelt er die negative Energie in positive um und übt noch intensiver, um sein Spiel zu perfektionieren.

Das zahlt sich aus. 1968 bezeichnet Mike Bloomfield Johnny im Magazin „Rolling Stone“ als „den besten weißen Blues-Gitarristen, den er je gehört habe“. Im Zuge dessen kann Winter einen hoch dotierten Plattenvertrag an Land ziehen. Doch er hat mit denselben Problemen zu kämpfen wie viele andere Musiker: Mit dem Erfolg kommen die Neider und die geldgierigen Haie. Ehemalige Manager und Produzenten machen ihre Ansprüche geltend, es werden alte Aufnahmen auf den Markt geworfen, um möglichst schnell möglichst viel Reibach mit dem „weißen Wundergitarristen“ zu machen. So erscheint fast zeitgleich mit seinem Debütalbum eine Platte namens THE PROGRESSIVE BLUES EXPERIMENT, auf der frühe Mitschnitte zusammengefasst sind – etliche Fans sind verwirrt und kaufen diese Scheibe und nicht wie eigentlich geplant das offizielle Erstwerk Winters.

Obwohl er auf der Höhe seines Erfolgs ist, kann Winter sein Glück nicht genießen. Denn niemand kümmert sich um das, was ihn als Person ausmacht und bewegt. Er wird entweder als „Gott“ verehrt oder als „Versager“ abgestempelt. Sein langjähriger Weggefährte, der verstorbene Drummer Uncle John Turner, erinnert sich in RAISIN’ CAIN, dass „Johnny immer irgendwie unbeteiligt war. Er betrachtete eine Situation stets von außen, nie von innen. Er wirkte isoliert. Daher stammten auch all seine wirklichen Freunde aus Texas. Sie kannten ihn von früher und wussten, wie er wirklich war. Sie schätzten ihn als Person und nicht allein sein Talent.“
Doch trotz diese Unnahbarkeit, die aus seiner Verletzlichkeit resultiert, ist Johnny Winter in seinen ruhmreichen Jahren alles anderes als ein Unschuldslamm. Er nutzt die Gelegenheiten, die sich ihm bieten. Wie seine legendären Bluesvorbilder nimmt er mit, was geht. Das geht nicht immer ohne Reibereien vonstatten. So jagt ihn einmal ein gehörnter Ehemann durchs halbe Land, stellt ihn schließlich und hält ihm eine Knarre an die Stirn – doch er drückt nicht ab, sondern bricht unter Tränen zusammen und tritt daraufhin geknickt den Rückzug an. Winter dreht daraufhin noch mehr auf: Zu den Weibergeschichten gesellen sich Drogenexzesse. LSD, Mescalin, Pilze, Heroin – der Speiseplan des Gitarristen ist abwechslungsreich…

Die Menschen, mit denen er sich umgibt, leben ebenfalls auf der Überholspur. Und nicht alle halten das hohe Tempo so durch wie Winter. Die Straße ist gepflastert mit Schildern, auf denen die Worte „Selbstmord“, „Überdosis“ oder „Zusammenbruch“ prangen. Zudem bereichern sich jede Menge Leute auf Winters Kosten: Johnnys früherer Manager Roy Ames beispielsweise dealt mit Kinderpornos und lebt zudem von der Veröffentlichung alter Bootlegs. Sein Nachfolger Terry Slatus verabreicht seinem Schützling über Jahre einen derart starken Medikamentencocktail, dass der Musiker gar nicht die Chance hat zu erkennen, um welche immensen Summen er von seinem gierigen Manager gerade betrogen wird.

Im Grunde ist es nur Johnny Winters Zähigkeit und seinem in frühester Kindheit erworbenen Durchhaltevermögen zu verdanken, dass er heute noch am Leben ist. Das sieht auch Biografin Sullivan so: „Die Unterstützung durch seine Familie, seine bedingungslose Liebe zur Musik, sein Wunsch, als Musiker auf der Bühne zu stehen, sein Glaube an seine eigenen Fähigkeiten und an eine höhere Macht, mit deren Hilfe er jedes noch so tiefe Tal durchschreiten könne – das sind die Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass uns Johnny Winter erhalten geblieben ist. Am wichtigsten war jedoch seine Entscheidung, die großen Stadien und damit auch den ausufernden Lebensstil hinter sich zu lassen und sich stattdessen wieder auf das zu konzentrieren, was ihm von Anfang an am meisten am Herzen lag: die Musik. Sie ist und bleibt Johnnys Rettungsanker.“

 

Das letzte Wort: Rob Halford

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34266-8FR7Rob Halford, Sänger der britischen Heavy Metal-Legende Judas Priest, philosphiert mit CLASSIC ROCK über das Leben, den Tod und seine Homosexualität.

Für viele Fans ist Rob Halfords einzigartige Stimme – und insbesondere sein markantes, hohes Kreischen – der Prototyp des klassischen Heavy Metal-Organs. Der Frontmann von Judas Priest ist ein Pionier: Mit seiner Band hat er herausragende Alben wie BRITISH STEEL oder SCREAMING FOR VENGEANCE herausgebracht – ohne diese Scheiben würde harte Musik heute wohl anders klingen. Auch optisch hat Rob Halford eine Vorreiterrolle eingenommen: Sein Outfit, das im Grunde nur aus viiiiiel Leder und noch viel mehr Nieten besteht, gilt seit Jahrzehn-t­en als Kult. Zudem ist Halford nicht nur ein talentierter, sondern auch ein mutiger Mann. Er gehört zu den wenigen Heavy Metal-Musikern, die sich of-fen zu ihrer Homosexualität bekannt haben. Das ist in einer Szene, die in dieser Hinsicht noch immer als notorisch intolerant gilt, ein erhebliches Wagnis für die Karriere.

Doch Halford schert sich nicht um Konventionen. So hat er nach seinem (vorübergehenden) Ausstieg bei Priest im Jahr 1991 viel Zeit damit verbracht, neue musikalische Terrains zu erkun-den, unter anderem mit Fight, Two und seiner Solo-Band Halford. Doch nach diesen Experimenten ist er wieder in den Schoß von Priest zurückgekehrt – und bis heute überaus glücklich mit dieser Entscheidung.

Rob, in diesem Jahr hast du nach langen Jahren endlich einen Grammy mit Judas Priest gewonnen. Hat die Auszeichnung für dich eine besondere Bedeutung?
Ja, denn Anerkennung, sei es nun von den Fans, den Medienpartner oder den eigenen Kumpels, ist etwas, das man nicht für selbst-verständlich nehmen sollte. Und speziell für eine Band wie Judas Priest, die ja in einem Genre aktiv ist, in dem es nicht leicht ist, auch die Massen zu erreichen, bedeutet ein Grammy sehr viel. Schließlich ist der Award ja gleichbedeutend mit einer Oscar-Auszeichnung. Es gibt zwar immer wieder Leute, die nur deshalb zu solch einer Show gehen, um sich hemmungslos zuzuschütten, aber ich gehöre ganz sicher nicht zu dieser Spezies. Ich finde, man sollte der Jury mit Respekt begegnen.

Seit deinem Coming Out bei MTV sind inzwischen über zwölf Jahre vergangen. Was hat sich seitdem für dich verändert?
Ich bin wesentlich entspannter als früher. Früher habe ich mich ständig beobachtet gefühlt und wollte mich vor neugierigen Blicken verstecken. Das ist nicht mehr so, denn ich bin viel stärker geworden. Das hat auch damit zu tun, dass meine Homosexualität von den Fans nicht abgelehnt worden ist. Sie haben mir vielmehr Kraft gegeben. Und ich weiß auch, dass ich nicht der einzige Schwule in der Metal-Szene bin. Etliche Leute, die diesen Artikel lesen, sind ebenfalls homosexuell, da gibt es gar keinen Zweifel.

K.K. Downing hat einmal in einem Interview gesagt, dass er bereits seit 1971 wusste, dass du schwul bist. Wie schwierig war es für dich, das über so lange Zeit geheim zu halten?
Nun, in der Band wusste jeder Bescheid. Meine Familie und mein Freundeskreis ebenfalls. Doch damals war die Zeit noch nicht reif, das Ganze öffentlich zu machen. In den Siebzigern und Achtzigern gab es in der Bevölkerung kein Bewusstsein für solche Dinge. Zum Glück hat sich das inzwischen geändert.

Glaubst du an Gott – oder zumindest an eine höhere Macht?
Je älter man wird, desto mehr religiöse Theorien ergeben plötzlich Sinn. Ein gutes Beispiel dafür ist die Welle der Hilfsbe-reitschaft, die über die Menschen von Haiti hereingeschwappt ist, nachdem sie durch das Erdbeben alles verloren hatten. Oder auch das Mitgefühl, mit dem die Welt Amerika nach dem 11. September begegnet ist. Ich bin der Meinung, dass das nicht nur etwas mit Menschlichkeit zu tun hat, sondern auch eine tiefere Bedeutung dahintersteht. In welcher Form die Leute das ausdrücken, also ob sie nun einen Baum umarmen oder die Bibel lesen, ist dabei völlig egal. Wichtig ist nur, dass sie dem Anderen, dem Fremden offen gegen-über stehen.

Und wie sieht’s mit Reinkarnation aus?
Klar. Ich komme als Ratte im Laufrad zurück. Das wäre wirklich eine seeeeeeehr metallische Aktion…

Empfindest du die frühen Neunziger, als du mit Fight und Two relativ erfolglos mit anderen Stilrichtungen experimentiert hast, heute als eine schlimme Phase in deinem Leben?
Nein, eigentlich nicht. Jeder Musiker komponiert im Laufe der Zeit etwas, das die Leute lieben, aber eben auch Songs, die niemand mag. Das gehört dazu. Außerdem bin ich nicht der Meinung, dass Stücke, die kaum ein Fan hört, per se schlechter sind als welche, die zu Mainstream-Hits werden. Und für mich persönlich kann ich nur sagen: Es war wichtig, diese Erfahrung zu machen. Ich bin jedenfalls froh, dass es diese Zeit in meinem Leben gab.

 

Mark Knopfler: Köln, Lanxess Arena

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Mark KnpflerAuch eine Verletzung kann den Meister nicht vom Spielen abhalten.

Sich ins Schicksal zu ergeben war noch nie Mark Knopflers Art. Daher pfeift er auch da-rauf, was ihm die Ärzte sagen. Nachdem er sich am Rücken verletzt hatte, sollte es nach Aussage der Mediziner nämlich fortan für den Sänger und Gitarristen vorbei sein mit Springen, Hüpfen und Rocken. Zwei Monate ist das jetzt her. Und obwohl Knopfler noch sichtlich gehandicappt ist – so verbringt er weite Teile des Sets in sitzender Position auf einem Hocker –, lässt er es sich nicht nehmen, die zweite Showhälfte im Stehen runterzureißen.

Damit beweist der Dire Straits-Kopf, dass er keine Lust hat, sich einschränken zu lassen – von nichts und niemandem. Die Musik, seine große Liebe, treibt ihn an und verleiht ihm Kraft, das merkt je-der, der heute in die Lanxess Arena gekommen ist. Zwar ist nicht von jedem Platz aus alles genau zu beobachten, denn riesige Video-Leinwände, wie sie bei anderen Shows schon Standard sind, fehlen heute. Detailstudien von Knopflers Saitenakrobatik sind daher nur bedingt möglich – nämlich nur dann, als einige Minuten lang eine am Kopf der Strat befestigte Griffbrett-Kamera eingeschaltet wird.

Nichtsdestotrotz ist der Abend ein Genuss für alle Rockfans. Denn Mark Knopfler versteht es, die richtige Mischung zu finden. Er bezieht seine Band mit ein, gibt allen Raum, um ihre Fähigkeiten zu demonstrieren, fährt diverse Instrumente von der Ukulele bis hin zum Dudelsack auf, lässt das Publikum teilhaben – und weiß auch, wie er die Balance zwischen den Dire Straits-Klassikern und dem neuen GET LUCKY-Material halten kann. Er startet und beschließt seinen Auftritt mit frischem Material (›Border Reiver‹ und ›Piper To The End‹), dazwischen positioniert er, gefühlvoll aufeinander abgestimmt, ›Sultans Of Swing‹, ›The Fish & The Bird‹, das aufbäumende ›Speedway At Nazareth‹ und natürlich ›Brothers In Arms‹.

Und wer all das noch einmal zu Hause nacherleben möchte, der kann sich zudem am Ende der Show (oder auch später online) einen Mitschnitt des Gigs kaufen – nicht mehr klassisch auf CD, dafür auf einem USB-Stick. Praktisch – und klangtechnisch hervorragend, selbst wenn 25 Euro ein stolzer Preis sind.

 

Eric Clapton & Steve Winwood: München, Königsplatz

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Eric Clapton & Steve WinwoodZwei große Sixties-Survivors holen nun nach, was sie in früheren Zeiten nicht richtig ausleben konnten.

Die Sonne hatte den Tag über genauso schön gestrahlt wie 41 Jahre zuvor, als die beiden erstmals an einem Juni-Sonntag zusammen vor großer Kulisse spielten. Der 1969er-Auftritt mit Blind Faith vor 150.000 im Hyde Park mag der rockhistorisch bedeutsamere gewesen sein, aber was die 14.000 nun auf dem Münchner Königsplatz geboten bekommen, so viel ist bereits nach den ersten Takten des Openers ›Had To Cry Today‹ klar, spielt sich soundtechnisch und musikantisch auf einem ganz anderen Niveau ab. Clapton hatte in früheren Interviews immer wieder betont, dass die frisch formierte Supergroup Blind Faith mit ihm und Winwood, sowie dem Bassisten Rick Grech und Cream-Drummer Ginger Baker, seinerzeit weder hinlänglich eingespielt war – noch genug Material hatte für einen Gig in diesen Publikumsdimensionen. Und wer das Video des historischen Konzerts kennt, der weiß, dass man mit der Anlage von damals bestenfalls ein Clubkonzert adäquat hätte beschallen können.

Das Repertoire aus dem Blind Faith-Album bildet auch die Grundausstattung für die Setlist des Münch-ner Abends: Nach ›Had To Cry Today‹ kommen auch eine inbrünstige Version von ›Presence Of The Lord‹, ›Well Allright‹ und ›Can’t Find My Way Home‹ zum Einsatz. Auf die übliche Clapton-Hitbedienung muss das Publikum an diesem lauen Sommerabend im Übrigen zum Teil verzichten – die beiden Altstars haben sich bei der Auswahl der Stücke (ähnlich wie bei ihrer 2009er-US-Tour) eher an gemeinsamen Interessen orientiert.

Der Spiellaune tut das sichtlich gut: Nach einem rasanten ›After Midnight‹ ist die Band mit Willie Weeks (Bass), Chris Stainton (Keyboards) und Ste-ve Gadd (Drums) und den Backing-Ladies Michelle John und Sharon White endgültig auf Betriebstemperatur, beim Traffic-Instrumental ›Glad‹ sprühen nur so die Funken, wenn der immer noch verblüf-fend jugendlich wirkende Winwood in die Pianotasten haut und Clapton die Finger über das Griffbrett seiner babyblauen Strat züngeln lässt. Der semi-akustische Konzert-Mittelteil gerät ruhiger, sein Gänsehautfaktor aber nicht weniger hoch: Winwood lässt im Ray-Charles-Klassiker ›Georgia‹ seine Hammondorgel siedende Soundlava aus-spucken, Clapton im Bluesstandard ›Driftin’‹ seine Akustische wunderbar warme, verblüffend volltö-nende Licks in den Abendhimmel singen.

Durchhänger gibt es kaum: Schlagzeuger Gadd, eigentlich ein unter Seinesgleichen verehrter Groo-ve-Gott, bekommt das alte Cream-Schlachtross ›Crossroads‹ diesmal nicht so rund zum Laufen, und Winwoods Achtziger-Synthiepop-Hit ›While You See A Chance‹ bleibt trotz Claptons Gitarren-infusionen zu leichtgewichtig für dieses Programm. Aber das ist eh alles vergessen, als sie um kurz vor 22 Uhr Jimi Hendrix‘ ›Voodoo Chile‹ auspacken: Da raunt Claptons Bluesstimme, und Winwoods kehliges Soulorgan jubiliert, Clapton lässt die Strat heulen, kreischen, wimmern, Winwood seine Orgel grollen, dass es eine Pracht ist. 20 atemberaubende Minuten lang – eine der grandiosesten Darbietungen, die man in diesem Sommer auf deutschen Rockbühnen erleben durfte. Danach noch Claptons verlässlicher Crowd-Pleaser ›Cocaine‹ und ›Dear Mr. Fantasy‹ aus Winwoods Traffic-Zeiten – und nach über zwei Stunden Spielzeit schreiten die Altmeister entspannt von der Bühne.

 

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