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Nick Mason (Pink Floyd)

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NickMasonNick Mason hat ein neues Projekt. Doch der Pink Floyd-Drummer macht diesmal nicht in musikalischer Hinsicht von sich reden, sondern ist – gemeinsam mit Mark Hales – Autor des Buchs „Passion For Speed“.

Darin zollen die beiden ihrer Liebe zu schnellen Autos Tribut – nämlich mit über 400 Hochglanz-Fotos. Doch keine Sorge: Im CLASSIC ROCK-Interview spricht Mason aber nicht nur über Rennen, sondern auch über Rock’n’Roll.

Nick, David Gilmour und Roger Waters haben im Juli bei einer Charity-Veranstaltung wieder gemeinsam auf der Büh-ne gestanden. Wo warst du zu diesem Zeitpunkt?
Bei der Geburtstagsparty von Peter Gabriel. Er wurde 60 und feierte in Italien ein großes Fest. Es traten unter anderem afrikanische Drummer auf, einfach wunderbar! Ich habe mich allerdings zurückgehalten und nicht mitgespielt. Peter übrigens auch nicht. Wir haben es genossen, einfach mal nichts zu tun und das Spektakel als Zuschauer zu genießen. Was den gemeinsamen Auftritt von David und Roger angeht, so kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass ich mich darüber freue. Aber es hätte keinen Sinn ergeben, wenn ich auch noch dabei gewesen wäre. Das ist nicht der richtige Ort für eine Pink Floyd-Reunion, obwohl der Anlass natürlich ehrenwert ist. Aber wenn so etwas passiert, dann in einem anderen Rahmen, nicht vor Anzugträgern, Stars und Sternchen. Mir schwebt da eher so etwas wie damals bei Live8 vor.

Wie sieht es denn aus – ist eine Wiedervereinigung der Band etwas, das du in Erwägung ziehst?
Ich hoffe, dass wir es tun. Zumindest verspüre ich Lust dazu. Und die anderen haben ebenfalls Interesse bekundet. Seit unserem Auftritt bei Live8 ist es auch leichter geworden, denn die Show hat uns und den Fans bewiesen, dass wir es durchziehen können. Im Grunde kommt es nun eigentlich nur darauf an, dass jemand von außen an uns herantritt und ein Angebot macht, das uns alle reizt. Ein US-Präsident zum Beispiel… Dann könnten wir sogar darüber nachdenken, mehr als nur ein Konzert zu geben, sondern eine richtige Tour planen. Natürlich würden alle Shows als Benefiz-Gigs angelegt sein, das ist klar. Aber selbst damit muss man vorsichtig sein: Es gibt inzwischen viele Charity-Konzerte, daher sind die Leute diesbezüglich nicht mehr so leicht zu begeistern. Es gibt erste Ermüdungserscheinungen…

Und trotzdem hast du im Mai 2006 an einem Benefiz-Konzert zu Gunsten der „Countryside Alliance“, einer britischen Pro-Jagd-Organisation, im Highclere Castle teilgenommen.

Das ist richtig. Außer mir waren noch Eric Clapton, Roger Waters, Roger Taylor, Georgie Fame, Bryan Ferry, Gary Brooker, Roger Daltrey und viele mehr dabei. Ich stehe nicht besonders auf dieses ganze Tamtam, das ums Jagen und Fischen gemacht wird, aber das Ganze war für mich eine wunderbare Gelegenheit, mit Eric Clapton zusammenzuspielen. Dafür wäre ich sogar zu einem Event der „National Front“ gefahren. Schließlich hat er bzw. Cream mich 1966 erst auf die Idee gebracht, das Hobby Musik wirklich ernsthaft und zielgerichtet zu betreiben.

In den Sechzigern warst du ein junger Rebell, der sich gegen das Establishment gewehrt hat. Heute bist du selbst ein Teil davon. Wie passt das zusammen?
Nun, es ist in der Tat so, dass ich 2010 völlig anders lebe und denke als früher. Wenn mir meine Eltern damals gesagt hätten: „Nick, als 60-Jähriger wirst du nicht einen, sondern zwei Anzüge besitzen“, hätte ich ihnen geantwortet: „Er-zählt doch nicht so einen Quatsch!“ Die Veränderungen, die man im Lauf seines Leben vollzieht, sind wirklich bemerkenswert. Wenn ich heute auf meine Zeit als Twen zurückblicke, sehe ich einen reinrassigen Sozialisten – was ja an sich keine schlechte Sache ist. Dennoch bin ich wirklich erstaunt darüber, wie wenig Ahnung ich damals von der Welt hatte, in welche Richtung sich mein Leben in den folgenden Jahrzehnten entwickeln würde.

Du hast vor wenigen Tagen PASSION FOR SPEED veröffentlicht – ein Coffeetable-Buch, das sich deiner großen Liebe und Leidenschaft widmet: schnellen Autos. Seit wann bist du Renn-Fan?
Mein Vater Bill hat mich dazu gebracht, er produzierte Dokumentationen über Autorennen. Schon als Kind bekam ich mein erstes Auto geschenkt, einen Austin Chummy. Die Rallye-Liebe hat sich übrigens auch weiter vererbt: Meine Kinder sind ebenfalls Fans, besitzen so-gar alle eine Rennlizenz.

Wie sieht es mit den anderen Floyd-Mitgliedern aus – teilen sie deine Begeisterung?
Nun, sie sind zumindest noch nicht in Le Mans an den Start gegangen! David fährt ab und an, aber er hatte einmal einen schweren Unfall, wäre fast eine Klippe hinabgestürzt. Daraufhin hat er umgesattelt – er fliegt inzwischen lieber. Allerdings ist er vor einiger Zeit mit einer großen Militärmaschine gefährlich ins Trudeln geraten – seither lässt ihn seine Frau in kein Gefährt mehr steigen, mit dem man ein Rennen bestreiten könnte. Roger besitzt einige tolle Autos. Diese Sammelleidenschaft scheint typisch für Rockstars zu sein. Immer wenn jemand einen Scheck von der Plattenfirma bekommt, wird er von den Autohändlern in der Gegend umschwärmt – und zwar so lange, bis er sich ein neues, teures Auto zugelegt hat. Daher ist viel von dem Geld, das wir mit Pink Floyd bedient haben, in ihre Taschen gewandert.

Würdest du die Zeit zurückdrehen wollen, wenn du es könntest?
Wenn es um die Band geht: ja. Und in politischer Hinsicht auch. Heute ist alles so verschwommen, es gibt keine klare Linie mehr. Und für Musiker ist es verdammt schwer geworden, von ihren Songs zu leben. Niemand verdient mehr etwas an einem Album. Die Zeiten, in denen die Label-Leute einem großzügige Deals angeboten haben, sind vorbei. Nur mit Konzerten und Merchandise-Verkäufen lassen sich heute noch Einnahmen erzielen. In der Anfangszeit von Pink Floyd kostete ein Ticket noch 75 Cent – nun aber 100 Euro! Platten waren damals zwar billig, aber man musste sie als Fan kaufen, wohingegen sie nun oft nur noch eine Gratis-Beilage der Sonntagszeitung sind. Als wir mit Floyd unseren ersten Deal unterzeichneten, bekamen wir 5.000 Pfund Vorschuss. Das war damals ein kleines Vermögen! Doch die EMI konnte es sich leisten, eine Band wie uns zu fördern, langsam aufzubauen. Erst einmal ein Single-Release, dann ab-warten, wie die Fans die Musik annehmen. Heute muss ein Label 100 Mal so viel Kohle investieren, um die Band nach vorne zu bringen.

Denkst du, dass es noch einmal ein neues Pink Floyd-Album geben wird?
Mit Blick auf die immer geringeren Verkaufszahlen ist das eher unwahrscheinlich. Große Bands setzen halt auf Tourneen, dort kann man noch etwas reißen, insbesondere in Verbindung mit massiven Werbekampagnen. Man muss sich doch nur mal ansehen, wie die Stones an die Sache herangehen. Ein neues Album? Brauchen sie nicht. Sie spielen live – und zwar dieselben 20 Songs, die sie auch in den vergangenen 20 Jahren stets in ihrer Setlist hatten.

Und wie wäre es mit einer Single?
Eine Single? Puh, da ist es wahrscheinlicher, dass wir ein neues Album aufnehmen! Doch das wird wohl nicht passieren, denn ich glaube kaum, dass die Verkäufe die Kosten für die Aufnahmen einspielen würden. Noch nicht einmal bei einer Band, die so groß ist wie Pink Floyd. Und um gleich die Antwort auf die Frage vorwegzunehmen, ob wir jemals wieder gemeinsam auf eine Welttournee gehen werden: Nein, werden wir nicht. Das ist zwar eine schöne, nostalgische Idee. Aber mal ehrlich: Wir werden uns nicht ein Jahr lang im Studio einschließen und dann noch eine Tournee durchziehen. Vor allem nicht jetzt, da Rick nicht mehr lebt. Es wäre auch zu gefährlich: Roger und David würden sich irgendwann gegenseitig umbringen – dann wäre ich das einzige verbliebene Pink Floyd-Mitglied. Obwohl, wo ich gerade darüber nachdenke – das ist doch im Grunde ein guter Plan. Dann wäre ich endlich der Chef von Pink Floyd.

Daniel Lanois (Black Dub)

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Black Dub 2010e_bearbEr ist der Produzent von U2, Neil Young, Bob Dylan, Peter Gabriel und vielen anderen. Doch Daniel Lanois macht auch eigene Musik – und die, so zeigt sein neues Projekt Black Dub, ist nicht minder ambitioniert als die seiner renommierten Klientel. CLASSIC ROCK hat den 59-Jährigen in seinem Studio in Toronto besucht und mit ihm über eine ungewöhnliche Karriere und ausgefallene Sounds gesprochen.

Daniel, du giltst als rechte Hand des exzentrischen englischen Klangtüftlers Brian Eno. Darf man fragen, worauf die Arbeitsbeziehung beruht?
Wahrscheinlich sind wir beide gleichermaßen positiv verrückt. (lacht) In dem Sinne, dass wir nichts lieber tun, als stundenlang an irgendwelchen Sounds zu basteln und mit technischem Equipment herumzuspielen. Das gibt uns den größten Kick. Und bevor ich ihn traf, habe ich lange in einem Studio in Hamilton, Ontario, gearbeitet, meine Fähigkeiten verbessert und Hunderte von Alben aufgenommen, die kaum jemand kennt. Es waren Gospel-Platten und wirklich obskure Sachen. Doch dann bekam ich diesen denkwürdigen Anruf von Brian, dem sie scheinbar zu Ohren gekommen sind. Er schlug mir vor, etwas Gemeinsames zu probieren. Was dann so gut funktioniert hat, dass wir uns entschieden, diese Zusammenarbeit auszudehnen. Und gerade in den frühen Achtzigern hatten wir einen unglaublichen kreativen Lauf.

Dabei ist auch THE UNFORGETTABLE FIRE entstanden. Ein Album, das dich zum Haus- und Hofproduzenten von U2 gemacht hat. Was gibst du dieser Band, das sie von einem anderen Produzenten scheinbar nicht bekommt?
Ganz einfach: Zwischen uns herrscht blindes Vertrauen – und eine Art nonverbale Kommunikation. Ich war schon an so vielen U2-Alben beteiligt, dass wir nicht noch groß was durchsprechen müssen, sondern einfach loslegen können. Und U2 sind toll, wenn sie jammen. Sie sind als Live-Band groß geworden und haben schon als Kids eine Menge Shows gespielt. Deshalb haben sie auch kein Problem mit dem Improvisieren. Das ist bis heute ihre große Stärke. Und wenn Eno und ich da aufspringen, verwandelt sich das Ganze zu einem tollen, merkwürdigen Gebräu.

Wobei du ja auch noch mit anderen Künstlern arbeitest. Wer ist für dich interessant – wer weniger?
Wenn es darum geht, einen Job zu übernehmen, ist mein einziges Kriterium: Ich muss spüren, dass jemand an einen faszinierenden Ort gehen und neuen Boden erschließen will. Also rein kompositorisch gesprochen. Und wenn sich jemand gut benimmt, ein solides Management, ein Label und einen seriösen Tour-Veranstalter hinter sich hat, dann weiß ich, dass die Musik, die wir da machen, auch ganz sicher auf die Bühne gelangen wird. Denn natürlich willst du als Produzent Platten machen, die gut auf der Stereoanlage klingen, aber es ist auch nett, wenn sie live unterstützt werden.

Was z.B. für Neil Young gilt, mit dem du LE NOISE aufgenommen hast?
Richtig. Und ich wollte schon immer ein Album mit Neil machen. Doch ich habe aufgehört, darüber nachzudenken, weil er nie angerufen hat. Aber jetzt, da er das getan hat, ist es wie der Beginn einer interessanten Beziehung. Denn er erkennt, dass ich es liebe, neue Wege und Ansätze zu finden. Genau wie er. Denn so sehr Neil ein Traditionalist ist, so hat er auch einen Heißhunger auf neue Techniken und Sounds. Und er mag die Idee, dass wir gemeinsam in unerforschtes Gebiet vorstoßen. LE NOISE ist übrigens der Spitzname, den er mir nach den ersten Sessions verpasst hat. Keine Ahnung, warum. Ich nehme das einfach mal als Kompliment.

Wobei Black Dub, deine neue Band, ja einem ähnlichen Ansatz zu folgen scheint wie die Zusammenarbeit mit Neil Young: Alle Kompositionen beruhen auf konspirativen Live-Jams. Und zwar mit erstklassigen Musikern wie Jazz-Drummer Brian Blade und Sängerin Trixie Whiley. Geht es dir um handgemachte Musik, quasi als Gegenpol zur blutarmen musikalischen Moderne?
Durchaus. Und ich finde, das ist etwas, was nie außer Mode geraten sollte. Wenn das Pendel irgendwann zurückschwingt, ist das Gegenteil von durchgestylter Musik eben solche, die auf einer richtigen Performance beruht. Was der Hörer hoffentlich genauso empfindet. Also, dass man bei elektronischer Musik vielleicht mit Showeffekten und vorproduzierten Sounds arbeiten kann, und das alles ziemlich cool ist. Aber dass es im Grunde nichts Besseres gibt, als jemandem zuzuhören, der volles Risiko eingeht – und alles gibt, was er hat. Egal was auch passiert: Wir als Menschen haben immer Appetit auf etwas, das sich direkt vor unseren Augen entfaltet.

Und woher stammt der Name Black Dub bzw. warum hast du ihn für ein Projekt gewählt, das nur wenig mit Reggae zu tun hat?
Ich habe in den vergangenen 15 Jahren viel Zeit auf Jamaika verbracht. Und ich liebe die Dub-Kultur, die ja aus den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern stammt. Eben von Leuten wie Lee Scratch Perry, die mit ganz wenig Studio-Equipment extrem viel geleistet haben, und vor allem jede Menge Soul besaßen. Danach streben auch wir in unserer Arbeit. Und wenn ich Musik produziere, verwende ich eine ähnliche Technik: Ich nehme einzelne Teile aus einem Song heraus und bearbeite sie so lange auf meinem Operations­tisch, bis sie einen vollkommen neuen Sound besitzen. Sprich: Bis sie ungewöhnlich und cool klingen. Dann füge ich sie wieder in ihren ursprünglichen Kontext ein und sorge somit für eine exotische, frische Note. Für et-was, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Insofern mache ich es wie die Jamaika-Jungs: Ich nutze die Technik, um innovative Ansätze zu finden – aber nie auf Kosten der Seele.

Um ein Haar wäre Black Dub aber auch dein letztes musikalisches Unterfangen gewesen. Schließlich hattest du im Juni einen schlimmen Motorradunfall und musstest mehrere Wochen auf der Intensivstation verbringen. Geht es dir mittlerweile besser?
Die Knochen sind so gut wie verheilt. Und ich stehe auch schon wieder auf der Bühne bzw. arbeite an neuer Musik für eine Installation. Aber der Unfall war wirklich heftig. Es waren das Nierenbecken, sechs Rippen, das Schlüsselbein, und ich hatte Blutungen rund um die Lunge. Also innere Verletzungen von den gebrochenen Rippen. Dabei war das mein allererster Unfall. Und das erste Mal, dass ich überhaupt im Krankenhaus war. Deswegen ist das Motorrad auch vorerst eingelagert – bis nächstes Jahr. Denn wenn wir im Frühjahr nach Europa kommen, würde ich gerne ein paar Runden drehen. Sofern man mich lässt. (lacht)

David Feinstein

David FeinsteinFür den amerikanischen Gitarristen David Feinstein, der sich gerne mit dem Begriff „Rock“ zwischen Vor- und Nachnamen schmückt, ist der Tod des unvergleichlichen Sängers Ronnie James Dio im Mai 2010 auch eine private Tragödie.

Dio und Feinstein sind Cousins und spielten einige Jahre sogar in der gleichen Band: The Electric Elves, die später in Elf umbenannt und unmittelbar nach Feinsteins Ausstieg im Jahr 1973 vom Deep Purple-Abtrünnigen Ritchie Blackmore quasi annektiert wurden. Während sich aus Elf fast übergangslos die Erstbesetzung von Ritchie Blackmore‘s Rainbow entwickelte (lediglich Gitarrist Steve Edwards bekam kein Engagement) und Dio dank legendärer Alben wie RAINBOW RISING (’76) und LONG LIVE ROCK‘N‘ ROLL (’78) zu Weltruhm gelangte, konnte Feinstein mit den von ihm formierten The Rods nur mittelmäßige Erfolge verbuchen.

Die Wege der beiden Verwandten sollten sich im Laufe der Jahre zwar dann und wann kreuzen, doch künstlerisch zueinander fanden sie nur noch ein einziges Mal: im Herbst 2008. „Wir hatten so oft über eine Zusammenarbeit gesprochen, sogar über eine Reunion von Elf“, erklärt Feinstein, „aber wir lebten fast 5.000 Kilometer voneinander entfernt, außerdem hatte Ronnie einen vollgepackten Terminkalender. Doch vor zwei Jahren war er für ein paar Wochen zu Hause, rief mich an und sagte: ‚Wenn du willst, kann ich auf einem oder zwei deiner Songs singen!‘“

Feinstein war natürlich total aus dem Häuschen und komponierte umgehend geeignetes Material. Am Tag vor den geplanten Aufnahmen hatte er den perfekten Track geschrieben: ›Metal Will Never Die‹. Ein maßgeschneiderter Song für Dio, der aus der Nummer eine Hymne machte. „Als ich das Lied schrieb, wusste ich sofort, dass der Song perfekt für ihn sein würde. Ronnie lieferte eine Weltklasse-Performance ab und gab dem Stück genau das, was es brauchte.“

Zu hören ist ›Metal Will Never Die‹ auf BITTEN BY THE BEAST, Feinsteins neuem Soloalbum. Der erfindet auf dem Album das Rock-Rad zwar nicht neu, unterhält den Hörer aber mit einigen kurzweiligen Tracks. Stilistisch sind die neun Stücke in den Achtzigern verwurzelt, und wer weiß: Vielleicht verhilft die posthume Dio-Veröffentlichung der Scheibe ja zu größerer Bedeutung.

Übrigens wurde bei erwähnter Studiosession noch ein weiterer Track von Dio eingesungen. Doch den hält Feinstein vorsorglich zurück, genau wissend, dass man einen solchen Trumpf nicht mit einem einzigen Schuss verpulvern darf. Also wird man auf das kommende Werk der reformierten The Rods warten müssen, bis auch das zweite Geheimnis gelüftet wird. „Rods-Produktionen sind immer sehr zeitraubend, weshalb mein Soloalbum ja auch vorgezogen wurde. Aber alle Fans können sich schon jetzt freuen: Dank des zweiten Tracks mit Ronnie ist unsere Motivation natürlich größer denn je.“

Loreena McKennitt – Verstand & Gefühl

Loreena McKennitt 2010 (5)Mit ihrem neuen Album THE WIND THAT SHAKES THE BARLEY geht die Hohepriesterin des Celtic Folk zurück an die Wurzeln einer lebenslangen Faszination.

Sie ist in hohem Maße für eine der bedeutendsten popmusikalischen Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte mitverantwortlich – nur dass so-wohl diese Entwicklungen als auch McKennitts entscheidende Anstöße dazu nie hinreichend in den großen Publikumsmedien thematisiert wurden: In den Folk-, den New-Age- und auch in den Pop-Abteilungen von Plattenläden und Online-Stores finden sich heute unzählige Releases, die auf die eine oder andere Weise das reiche Erbe der keltischen Folklore musikalisch nutzen – und die Kanadierin McKennitt hat diesen Boom mit den Platten, die sie seit 1985 auf ihrem eigenen Label „Quinlan Road“ veröffentlicht, und mit gefeierten Tourneen maßgeblich mit ausgelöst.

Von ungefähr kommt das alles nicht – wer sich mit McKennitts Alben beschäftigt und mit ihr spricht, dem fällt schnell auf, dass die Sängerin, Harfenistin und Komponistin ein tiefes und umfangreiches Wissen über die keltische Kultur in ihre Arbeit investiert. Wie viel von einer Gelehrten steckt eigentlich in ihr? „Ich verfüge, von ein paar Semestern Tiermedizin mal abgesehen, über keinen klassischen akademischen Hintergrund, etwa im Sinne eines Musik- oder Geschichtsstudiums. Als Teenager habe ich schlicht eine große Faszination für die keltische Musik und damit bald auch die keltische Geschichte und Kultur entwickelt – und meine persönliche Neugier trieb mich dann immer weiter. Aber das geht alles auf eher informellen Wegen vor sich.“
Seit ihre Karriere ins Rollen kam, kann McKennitt auf privilegierte Weise ihrer Faszination frönen. „So in etwa seit 1994 habe ich durch meine Musik die Möglichkeit, zu all diesen Orten zu reisen, die mit der keltischen Geschichte irgendwie verbunden sind, und da nun vieles aus erster Hand zu erfahren, vieles unmittelbar zu erleben, was mich interessiert – und das sind oft ganz andere Dinge als die, nach denen Historiker oder Archäologen suchen würden: etwa wie das Licht an einem bestimmten Ort ist, wie die Winde dort gehen, die Luft dort riecht, was für eine Esskultur die Menschen dort haben. Für mich als Künstlerin sind diese sinnlichen Aspekte ganz wichtige Informationen, die mir helfen, mich in ein altes Lied hineinzufühlen, ein persönliches Verhältnis dazu zu entwickeln, eine spannende Emotion in meiner Performance aufzubauen.“ Ganz ohne akademische Unterstützung muss die Neugierige aber doch nicht auskommen: „Ich stehe in regem Austausch mit einem Archäologen der Universität von Arizona, der mir immer wieder wertvolle Hinweise gibt.“

Was aber hat seinerzeit diese Faszination in der jungen Loreena ausgelöst, die immerhin so stark war, dass sie ein Leben lang angehalten hat? „Na ja, ich bin rotblond, mein Vater ist ein Viehhändler mit schottischen Vorfahren, die Familie meiner Mutter kommt aus Irland – irgendwann während der Schulzeit wird man eben neugierig, beginnt sich Fragen nach den eigenen Wurzeln zu stellen. Und als ich schließlich mit den ersten alten irischen Liedern in Berührung kam, gab es kein Halten mehr…“

Seitdem befindet sich Loreena McKennitt auf einem künstlerischen Trip, der auch geografisch an Orte führt, die weniger Informierte zunächst nicht mit dem keltischen Erbe in Verbindung bringen würden: Reisen durch die Mongolei und die Türkei resultierten in dem fernöstlich geprägten Werk AN ANCIENT MUSE (2006). Für die Alben NIGHTS FROM THE ALHAMBRA (2007) und A MEDITERRANEAN ODYSSEY (2009) machte sie sich mit den keltischen Spuren im Mittelmeerraum vertraut.

Mit ihrem neuen Album THE WIND THAT SHAKES THE BARLEY geht Loreena jetzt stilistisch zurück an die irischen Wurzeln ihrer lebenslangen Passion: Man hört darauf bekannte Klassiker des Irish Folk wie ›Down By The Sally Gardens‹, ›The Star Of The Country Down‹ und ›The Parting Glass‹, aber auch weniger bekannte traditionelle Lieder wie ›The Death Of Queen Jane‹ und ›As I Roved Out‹. Zwei Instrumentalstücke sind ebenfalls auf dem Album enthalten, eines davon ist ein Loreena-McKennitt-Original namens ›The Emigration Tunes‹. Dieses Stück bezieht sich auf die irisch-kanadische Geschichte während der Hungersnot 1840. Die Weltmusik-Tendenzen der Vorgängeralben schränkte die Künstlerin diesmal zu Gunsten eines wieder stärker auf den Folk konzentrierten Sounds ein. „Seit einigen Jahren haben mich immer wieder Leute danach gefragt, wann ich denn mal wieder etwas im Stil meiner ersten, musikalisch traditionelleren Alben aufnehmen würde. Ich hab das einige Zeit vor mir her geschoben, aber im vergangenen Jahr hatte ich dann plötzlich das Gefühl, dass die Umstände passten und die Zeit dafür gekommen war. Und dann ging alles sehr schnell, innerhalb von wenigen Tagen, nachdem ich mich endlich zu dem Projekt durchgerungen hatte, begannen wir auch schon mit den Sessions.“

Für die Aufnahmen suchte sich die Hohepriesterin des Keltenfolk einen ganz besonderen Ort aus: den Sharon Temple, ein handwerkliches Holzgebäude nördlich von Toronto, aus dem Jahr 1832. Mit vollem Namen heißt das Gebäude „The Temple Of The Children Of Peace“, und es ist das Herzstück eines historischen Kulturerbes von insgesamt neun alten Gebäuden, die in einem Park liegen. „Ich kannte den Tempel schon von einigen Sommerkonzerten her, seine Größe, Form und das Licht dort sind einfach wundervoll…“ Allerdings dürfe man nun nicht annehmen, dass sie den Tempel etwa ausgesucht habe, um sich für die traditionellen Songs „in Stimmung“ zu bringen – das nämlich geht die Wissbegierige dann doch wieder gelehrsamer an: „Um einen Song wie etwa das Titelstück ›The Wind That Shakes The Barley‹ richtig zu interpretieren, muss man seinen Zeithintergrund verstehen. Das Lied stammt aus dem 19. Jahrhundert, erzählt aber vom Aufstand der United Irishmen gegen die britische Krone im Jahr 1798, also einer politisch ziemlich unruhigen Epoche. Darüber habe ich mich vor den Aufnahmen schlau gemacht.“

Bei allem Interesse für geschichtliche Hintergründe – gänzlich traditionell wollte McKennitt die Songs dann doch nicht interpretieren: „Ich wollte ihnen gerecht werden, den Absichten der Komponisten treu bleiben – aber deswegen sollte trotzdem nicht alles total konventionell klingen, auch wenn wir traditionelle Instrumente verwenden. Ich habe schon den Ehrgeiz, immer etwas Eigenes in meine Darbietungen einzubringen.“

Magnum – Alte Gewohnheiten

Magnum 2010bNach knapp 40 Jahren im Geschäft kann die britische Rock-Institution auf einige bewährte Schemata im Arbeitsprozess zurückgreifen. Dennoch lassen Magnum auf dem neuen Album THE VISITATION auch ihr Herz sprechen.

Das Wort „Pause“ kennt Tony Clarkin vermutlich nur vom Hörensagen. Leben ist für den umtriebigen Gitarristen der britischen Rockgruppe Magnum gleichbedeutend mit Arbeit. Und davon hat der Mann weit mehr als genug: Er schreibt nicht nur sämtliche Stücke der Band im Alleingang, er betreut die Scheiben auch als Toningenieur und kümmert sich um sämtliche Studio-Belange, die im Laufe einer Produktion anfallen. „Angefangen habe ich mit den neuen Songs bereits unmittelbar nach unserer letzten Veröffentlichung vor zwei Jahren“, erklärt er die An-fänge von THE VISITATION, dem aktuellen Werk seiner Band. „Im Grunde genommen komponiere ich ununterbrochen. Kaum ist ein Album fertig, starte ich auch schon mit dem Sammeln neuer Ideen. So arbeite ich bereits seit den frühen Siebzigern. Für mich ist das die beste Methode, das Optimum aus mir herauszuholen.“

Clarkins tadelloser Arbeitsethos in Verbindung mit der signifikanten Stimme von Sänger Bob Catley machten aus Magnum in den Achtzigern eine der beliebtesten und erfolgreichsten Artrock-Bands Englands. Einige Jahre lang durfte die Gruppe sogar die Höhenluft von Superstars schnuppern. Vor allem mit dem Opus A STORYTELLER’S NIGHT schuf die Gruppe 1985 einen Klassiker und landete mit dem nur ein Jahr später folgenden VIGILANTE einen weiteren Topseller. „VIGILANTE war wirklich ein fabelhaftes Album, sicherlich der Höhepunkt unserer Karriere“, findet Clarkin noch heute.

Dem Höhenflug folgte eine Phase, die Magnum wieder ins Reich der Normalsterblichen zurückholte. Die Verkaufszahlen ihrer nachfolgenden Veröffentlichungen relativierten sich auf ein branchenübliches Maß, der Boom der goldenen Jahre war vorüber. Nach einem auch als solches proklamierten Abschiedsalbum und einer aufwändigen Farewell-Tournee, bei der die Livescheibe THE LAST DANCE aufgezeichnet wurde, war Mitte 1997 vorüber-gehend Schluss.

Schluss? Nun ja, so ganz konnten und wollten Clarkin und Catley nicht auf ihre künstlerischen Visionen verzichten. Im Sommer 1997 erschien unter dem Projektnamen Hard Rain ein Debütalbum, das die stilistischen Direktiven Magnums fortführte, allerdings bei weitem nicht so griffig wie das Original klang und bei den Fans eher zwiespältige Reaktionen hervorrief. Speziell der Projektcharakter des Ganzen und der fehlende Biss der Produktion schmälerten den Hörgenuss – ein Manko, das auch dem anschließenden Zweitwerk WHEN THE GOOD TIMES COME (1999) anhaftete.

Im Herbst 2001 verdichteten sich deshalb Gerüchte, dass mit dem Ge-spann Clarkin/Catley und ihrem Original-Keyboarder Mark Stanway der Nukleus von Magnum an einer Comeback-Scheibe arbeiten wolle. Das Ergebnis, BREATH OF LIFE (2002), veranlasste Clarkin damals zu einer stili-stischen Bestandsaufnahme von Vergangenheit und Gegenwart. „Hard Rain war sicherlich poppiger, nicht ganz so tiefschürfend wie Magnum“, äußerte er sich selbstkritisch. „Die Songs auf BREATH OF LIFE dagegen sind heavier und intensiver, zudem fühle ich mich deutlich mehr in sie eingebunden.“

Mittlerweile sind weitere acht Jahre ins Land gegangen, die Erde hat sich unaufhörlich gedreht, und der Zeitgeist fordert heute andere Themen, andere Sounds, andere Botschaften. Magnum tragen dem auf THE VISITATION gebührend Rechnung: „Wenn man sich die gesamte Karriere meiner Band anschaut, dann gab es in den meisten Fällen Texte, die sich mit zeitgemäßen Themen und aktuellen Problemen beschäftigten“, konstatiert Clarkin, „nur dass die Dramatik der Vorfälle zugenommen hat und damit auch die Erfordernis, diese schonungslos anzusprechen.“
Der Gitarrist spricht von einem Song wie ›Mother’s Nature Final Dance‹, das sich um Umweltsünden, um die verhängnisvolle Mischung aus Verantwortungslosigkeit, Geldgier und gewissenloser Risikobereitschaft dreht. „Schau doch nur, was da vor kurzem in Ungarn passiert ist, dieser stinkend-rote Giftschlamm, der eine gesamte Ortschaft verseucht hat“, schimpft er, „oder aber die Ölpest im Golf von Mexiko. Man darf über die langfristigen Folgen besser nicht nachdenken, denn sonst wird man vollkommen irre.“

Eine Botschaft, eine Moral oder gar eine politisch-motivierte Kritik haben die Texte allerdings nicht, erklärt Clarkin. „so etwas maßen wir uns nicht an, wir beschreiben nur Zustände und überlassen die daraus resultierenden Konsequenzen der Meinung unserer Zuhörer.“

Dabei: Vielleicht wäre es ja durchaus wünschenswert, wenn Magnum noch klarer Position beziehen und musikalisch wie textlich mehr Reibungspunkte liefern würde. Doch streiten mag die Band ebenso wenig wie polarisieren. Ihre Musik hat etwas Friedfertiges, Versöhnliches, sie zeichnet sich durch Wohlklang aus und dadurch, dass sie den Zuhörer einlädt. Deshalb also der neue Albumtitel THE VISITATION, der übersetzt sowohl Besuch als auch Erscheinung bedeuten kann. „Ich finde es absolut positiv, wenn einem im Schlaf Menschen heimsuchen, die von uns gegangen sind, denn es bedeutet, dass sie trotz ihres Todes noch immer in Kontakt zu unserer Seele stehen“, übt sich Clarkin als Traumdeuter. „Manche sprechen dann von Geistern und fürchten sich vor ihnen. Ich aber finde, dass Erscheinungen im Traum die betreffenden Menschen in unserer Erinnerung lebendig halten, und das wünschen wir uns doch alle nach unserem Tod, oder etwa nicht?“

Genau dieses Anliegen verfolgt der Magnum-Boss auch mit seiner Musik: Sie soll kurzlebige Trends und Moden überdauern, soll auch dann noch frisch und vital klingen, wenn die niveaulosen Lieder hipper „Wellenreiter“ bereits lange verblüht sind. „Wir machen keine Musik für eine bestimmte Phase der Rockgeschichte, wir kreieren voller Stolz Magnum-Songs, die keinem konkreten Kalkül entsprungen sind, sondern einfach unsere Fans glücklich machen sollen.“

THE VISITATION wird dieses Kriterium erfüllen, da können sich Clarkin und seine Bandmitglieder sicher sein. Vielleicht sind ihre Kompositionen nicht mehr ganz so verträumt wie vor 25 Jahren, und vielleicht orientieren sich Magnum doch ein klein wenig stärker an heutigen Hörgewohnheiten, als es die Macher selbst wahrhaben wollen. Fakt bleibt jedoch: THE VISITATION ist so typisch Magnum, wie es ein Album nur sein kann. Und man entdeckt darauf jene kompositorischen Widerhaken, die Clarkin seinen Songs bewusst implantiert hat. „Glücklich bin ich dann, wenn Fans auch nach mehrmaligem Hören immer noch fasziniert sind. Denn in dem Fall weiß ich, dass unsere Musik unter die Haut geht.“

Neil Diamond – Torschlusspanik

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Neil Diamond 2008a @ Jesse Diamond_BEARBDie amerikanische Singer/Songwriter-Legende hört die Lebensuhr ticken: Kurz vor seinem 70. Geburtstag ist Neil Diamond so ehrgeizig wie nie. Aber auch extrem schrullig, wie CLASSIC ROCK im Interview herausfindet.

Wer 128 Millionen Alben verkauft hat und seit fünf Dekaden im Geschäft ist, kann sich einiges erlauben. Etwa CLASSIC ROCK nach LA fliegen zu lassen, obwohl er am nächsten Morgen nach London aufbricht. Oder den Ort für dieses Gespräch mehrfach zu verlegen – von Santa Monica via Malibu nach Hollywood. Dort besitzt er seit 35 Jahren die „Archangel Studios“ mit Sitz in einem zweistöckigen Gebäude an der Third Street, das einem Museum gleicht und Memorabilia aus allen Schaffensphasen vereint: Cordhosen und wallendes Haar bis Glitzeranzug und lichter Scheitel.

Dort taucht er an einem frühen Dienstagmorgen im Jogginganzug und mit Baseballkappe auf, knabbert Sonnenblumenkerne zu Mineralwasser von den Fidschi-Inseln und gibt sich ungewohnt wortkarg. Fast so, als hätte er Schwierigkeiten, das zu beschreiben, was er da gerade als DREAMS vorlegt. Das 28. Album seiner Karriere besteht nämlich aus 14 Coverversionen von so unterschiedlichen Künstlern wie Bill Withers, Leon Russell, Gilbert O’Sullivan, The Beatles, den Eagles, Leonard Cohen, Harry Nilsson oder Randy Newman. „Meine Lieblingsstücke aus den Sechzigern und Siebzigern – der Zeit, in der ich groß geworden bin. Und ich wollte ihnen etwas Neues abgewinnen, indem ich sie anders arrangiere habe und auf meine Weise sin-ge“, so der hölzerne Rechtfertigungsversuch für Neuinterpretationen von ›Hallelujah‹ (Cohen), ›Blackbird‹ oder ›Yesterday‹, die eigentlich gar keiner Überarbeitung bedürfen, weil sie „Klassiker“ der Musikgeschichte sind. Aber die Diamond so spartanisch und sphärisch rü-berbringt, dass sie neidlose Anerkennung verdienen. Einfach, weil er es schafft, ihnen seinen ureigenen Stempel aufzudrücken. Was gerade im Falle der Beatles (›Blackbird‹ in einer Cajun-Version) eine echte Meisterleistung ist – und auf tiefem Respekt basiert. „Ohne die Beatles hätte ich es nie so weit gebracht. Sie waren es, die dafür sorgten, dass ein Songwriter auch seine eigenen Stücke singen kann – und nicht nur Zulieferer für andere ist. Was aus heutiger Sicht banal klingt, aber damals hat es das gesamte Musikgeschäft auf den Kopf gestellt. Es war eine Revolution – und ich war ein Teil davon.“

Weshalb er 50 Jahre später, frisch nominiert für die Rock’n’Roll Hall Of Fame, schon mal nostalgisch sein darf. Nur, dass es bei ihm nichts Schwelgerisches hat, sondern auf akuter Torschlusspanik basiert: „Ich höre die Uhr ticken. Deshalb versuche ich jetzt, möglichst viele neue Sachen auszuprobieren. Und solche, die ich mir schon immer vorgenommen habe.“ Wozu ein Strandhaus in Malibu, aber auch DREAMS und weitere Kollaborationen mit Star-Produzent Rick Rubin (12 SONGS, HOME BEFORE DARK) zählen. „Wir haben uns schon getroffen, um darüber zu reden. Aber: Vorher gönne ich ihm und mir erst mal eine Pause. Denn dieser Seelenstriptease, das tief-in-der-eigenen-Psyche-Kramen, ist unglaublich anstrengend und macht keinen Spaß. Deshalb bin ich auf DREAMS auch nur der Sänger – was ich sehr genieße.“

Zumal das auch viel gesünder ist als die anderen Dinge, die er bis vor kurzem zum Selbstamüsement unternommen hat: Harley fahren, Zigarre rauchen, Florett fechten und Whiskey trinken. Mit fast 70 und bei so viel spätem Ehrgeiz natürlich absolutes „No-Go“. Aber: „Die Leute meinen immer, ich wäre ein Softie – dabei habe ich mehr Rock’n’Roll in mir als manch anderer“, so der Mann, der ›Red Red Wine‹ und ›Girl You’ll Be A Woman Soon‹ geschrieben hat. Und der zum Ende des Interviews noch ganz mutig von Wasser zu schwarzem Kaffee wechselt beziehungsweise sich als Palin-Supporter und US-Patriot outet. Kleine Schwächen eines großen Musikers.

Motörhead – Eisernes Stehvermögen

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Motörhead 2010_Lemmy @ Robert John (7)Dass Lemmy Kilmister 65 Jahre alt werden würde, damit hätte wohl niemand gerechnet – am wenigsten er selbst. Doch am Weihnachtstag ist es tatsächlich so weit. Und kurz vor seinem Geburtstag hält der Motörhead-Boss noch eine weitere Überraschung bereit: Das 20. Album seiner bewegten Riff-Karriere bietet tiefe Einblicke in eine Welt, die längst nicht nur aus Sex, Drugs & Rock’n’Roll besteht, sondern in der auch Platz für Gesellschaftskritik und gesteigerten Kulturpessimismus ist.

Lemmy, dein neues Album trägt den Titel THE WORLD IS YOURS. Das klingt reichtlich kämpferisch, findest du nicht?
(zufriedenes Grunzen) Ich mag die Formulierung. Sie stammt aus „Scarface“, einem meiner Lieblingsfilme. Und zunächst habe ich mich gefragt, ob das nicht ein bisschen zu auffällig ist. Aber dann dachte ich mir: „Wird schon okay sein, der ist schließlich nicht erst gestern erschienen!“ Also: Wer weiß, ob das überhaupt jemand merkt.

Wobei es in den Songs einmal mehr um deine favorisierten Themen geht: Politik und Religion bzw. deren negative Auswirkungen auf die Menschheit…
Das sind nicht meine favorisierten Themen, sondern die, bei denen ich mich dazu berufen fühlte, über sie zu reden – weil sie so abgefuckt sind. Religion ist ja nichts anderes als Politik: nämlich völlige Gedankenkontrolle. Sprich: Der Versuch, dich am Denken zu hindern, damit du nur tust, was das Establishment von dir verlangt. Und das funktioniert immer noch. Selbst im 21. Jahrhundert und in einer Welt, die ja angeblich so fortschrittlich sein soll. Nimm nur diesen verfluchten George Bush – was für ein Arschloch! Er hat die Attentate vom 11. September dazu benutzt, um die Hälfte der amerikanischen Grundrechte auszuhebeln. Also kein ›Habeas Corpus‹ mehr (ein Grundsatz, der besagt, dass freiheitsentziehende Maßnahmen ohne richterliche Anordnung unzulässig sind – Anm.d.Red.). Sie können dich einfach so in den Knast sperren und den Schlüssel wegwerfen. Dazu müssen sie nur als Begründung sagen: „Es ist zum Schutz vor dem internationalen Terrorismus!“ Und die Leute wehren sich nicht einmal dagegen. Früher hat man rebelliert! Aus genau diesem Grund sage ich: Es gibt zu viel Kontrolle.

Wie denkst du über die aktuelle Tea Party-Bewegung – entspricht das nicht dem Widerstand, den du dir wünschst?
Oh nein! Das sind nur ein paar Verrückte! Aber die hat es in Amerika schon immer gegeben, denn das Land ist nun mal extrem – im Grunde sogar der durchgeknallteste und konservativste Ort auf Erden. Was schon ziemlich bizarr ist…

Und Kalifornien ist demnach so etwas wie eine liberale Enklave oder Blase?
Ich würde Kalifornien eher als Würfel bezeichnen. (kichert) Es ist gerade in seiner kubistischen Phase. Aber ansonsten gilt da genau dasselbe. In einigen Gegenden ist es ultrakonservativ, in anderen gibt es nur Freaks. Diese Dichotomie existiert überall in den USA.

Und trotzdem fühlst du dich dort noch immer wohl?
Nun, ich mag Freaks. Und wo wären wir, wenn wir niemanden hätten, über den wir uns aufregen könnten. (grinst) Oder? Stimmt doch.

Dabei hattest du vor kurzem die Möglichkeit, selbst in die Politik einzusteigen, was scheinbar nicht so recht geklappt hat…
Die konservative Partei in Wales hatte mich eingeladen, vor der Nationalversammlung aufzutreten, also dem Parlament, und über Drogen zu reden. Sie hatten gelesen, dass ich Heroin hasse. Und das tue ich auch. Doch sie dachten, dass ich mehr Polizeikräfte und strengere Gesetze fordern würde. Das tat ich aber nicht. Sondern meine Aussage war: „Ihr solltet es legalisieren, dann würde es seinen Reiz verlieren.“ Was ihnen natürlich nicht gefallen hat – auch, wenn es stimmt. Aber sie hätten mir ohnehin kein Amt übertragen, niemals. Ganz abgesehen davon, dass ich auch schon genug Mist um die Ohren habe – ohne mich um Politiker kümmern zu müssen.

Das Ende deiner politischen Karriere?
Mehr oder weniger. Aber hey: So kann ich mich wenigstens auf die Musik konzentrieren. (nimmt einen großen Schluck Whiskey-Cola)

Wobei du auf dem neuen Album zwar harten, lauten, aber auch ziemlich altmodischen Rock ’n’Roll servierst. Also das, was man gemeinhin als „Classic Rock“ bezeichnen würde…
Kein Wunder: Wir sind eine Rock’n’Roll-Band – das waren wir schon immer und werden es auch immer sein. Wir spielen keinen Heavy Metal. Ich finde es lustig, dass wir als Metaller bezeichnet werden. Dabei sind wir nur in dieser Schublade gelandet, weil wir ähnliche Frisuren tragen. Doch passen wir nirgendwo rein, denn wir machen Motörhead-Musik, das ist alles. Genau wie Slayer eben Slayer-Musik machen. Das ist es, wonach du bewertet werden solltest, statt in irgendein verfluchtes Genre gesteckt zu werden.

Was du ja jeden Abend auf der Bühne betonst.
Schon. Nur: Vielleicht sage ich das auch zu oft – und es nimmt keiner mehr ernst. Dabei liegen meine Wurzeln definitiv bei Künstlern wie Chuck Berry. Das ist es, wo ich musikalisch herkomme – Chuck und der Blues. Aber auch Little Richard.

Hast du Little Richard eigentlich als Jugend­licher live erlebt, also in seiner Blütephase?
Nein, erst vor kurzem. Und er ist heute richtig Scheiße. Er spielt vier Takte von ›Good Golly Miss Molly‹ und fängt dann an, Bibeln zu verteilen und über seine Kindheit zu reden. Mann, das ist wirklich das Letzte, was ich von ihm brauche. Da lese ich lieber seine Biografie ›The Quasar Of Rock‹. Die ist nämlich richtig gut. Ich kann sie wirklich empfehlen, auch wenn sie schwer zu finden ist.

War das damals eine bessere Zeit?
Das war ein anderer Planet! Einfach, weil man noch nicht so mit Informationen bombardiert und zugemüllt wurde. Alles beruhte auf Mundpropaganda, dadurch hatte es etwas Geheimnisvolles. Das finde ich viel spannender als diesen völligen Informations-Overkill, der heute herrscht. Deshalb würde ich auch sagen: Das Internet ist ein Fluch. Die meisten Leute haben es nur noch nicht begriffen.

Und die Musik ist dadurch auch nicht besser geworden, oder?
Garantiert nicht. Es gibt keinen Konkurrenzkampf mehr, weil letztlich alles gleich klingt. Was auch daran liegt, dass die Plattenfirmen nur noch Kopien von dem wollen, was gerade erfolgreich ist. Nur: Die sind sowieso bald weg vom Fenster. Ich schwöre dir: In den nächsten fünf Jahren werden sie so gut wie verschwunden sein, weil sie mit diesen Downloads gar nicht überleben können. 99 Cents für einen verfluchten Track – wer kann davon leben? Und die meisten Leute kaufen auch keine Alben mehr, weil da ohnehin nur zwei gute Stücke drauf sind. Was eine Schande ist. Ich höre nach wie vor Alben, meistens auf CD. Am schönsten finde ich aber nach wie vor Vinyl. Ein tolles Format. Da kannst du we-nigstens noch lesen, was auf dem Cover steht – heute brauchst du dafür eine verdammte Lupe.

Sammelst du noch Vinyl?
Ich hatte mal über 1.000 Singles, aber die sind mir gestohlen worden. Und die Platten, die nicht von den Dieben mitgenommen wurden, haben dabei Kratzer abbekommen. Ich konnte sie also nicht mehr abspielen, und seitdem hab ich mit dem Sammeln aufgehört. Vinyl gibt es ja kaum noch. Deshalb besitze ich auch keinen Plattenspieler mehr. Ganz abgesehen davon, dass ich zu faul zum Um-drehen bin. Das ist dieses Couch-Potato-Ding.

Das klingt verdammt nach gesteigertem Kulturpessimismus.
Aus gutem Grund: Früher war wirklich alles besser. In den Sechzigern und Siebzigern gab es weniger Regeln – heute bekommst du ständig gesagt, dass du dies oder das nicht machen darfst.

Würdest du wieder eine Rockband gründen, wenn du heute jung wärst?
Ja, denn der Kern einer Band ist immer noch dieselbe wie damals. Du willst raus auf die Bühne. Dafür tust du alles – du würdest sogar töten, wenn’s nötig wäre. Denn du bist geil auf den Applaus, die Anerkennung und die Mädchen. Es geht nicht um hochtrabende Botschaften. Du willst einfach nur flachgelegt werden.

Was ist mit all den Künstlern, die sich für Weltfrieden, Umweltschutz und Menschenrechte einsetzen?
Oh ja, dieses ganze blöde Blabla. Alles Mist. Jeder, der anfängt Musik zu machen, will damit Mädchen rumkriegen. Natürlich kann es passieren, dass du irgendwann die Lust daran verlierst. Oder dass du eines von diesen Mädchen heiratest – wodurch du dann wirklich den Spaß an der Sache verlierst. (lacht)

Weil Beziehungen das Ende der Liebe sind, wie du es formulierst?
Nichts tötet eine Beziehung mehr als enge Verbundenheit. (lacht) Das stimmt. Sobald du bei ihnen einziehst, war’s das. Dann gibt es keine Blowjobs mehr, sondern nur noch Missionarsstellung – einmal die Woche. Wenn du Glück hast.

Sagt der Mann, der angeblich 2.000 Frauen hatte?
Nein, es waren nur 1.000.

Womit du deinen eigenen Mythos zerstörst.
Ich habe immer gesagt, dass es 1.000 waren – die Zeitungen haben daraus 2000 gemacht. Obwohl: Wenn du ein bisschen darüber nachdenkst, ist das eigentlich gar keine so unnatürliche Zahl. Ich habe im Alter von 17 mit dem Rumvögeln angefangen, und ich war ja auch nie verheiratet. Wenn man die 1.000 Frauen auf all die Jahre umlegt, kommt man auf rund eine pro Woche. Also keine absurde Zahl.

Darf man fragen, warum du nie geheiratet hast?
Weil ich nie das Mädchen gefunden habe, das dafür sorgt, dass ich aufhöre, den anderen hinterherzuschauen…

Richie Sambora
(Bon Jovi)

„Er ist ein cooler Typ. Nur schade, dass er und die ge-samte Band nie die Auf-merksamkeit bekommen, die sie verdienen. Dabei haben sie ein gesamtes Genre kreiert – und zwar völlig alleine. Denn seien wir ehrlich: Was wäre der Speed Metal ohne Motörhead? Ich war völlig von der Rolle, als ich sie das erste Mal gehört habe. Und dann traf ich Lemmy, diesen ruhigen Typen, der Shakespeare liest. Das ist so ein Widerspruch, einfach unglaublich. Wenn du mit ihm abhängst, ist er ganz still. Aber sobald er auf die Bühne geht, dreht er voll auf.“

Ozzy
Osbourne

„Lemmy schickt mir immer beste Grüße zum Geburtstag. Eben ein wirklich netter Typ. Er ist sehr bodenständig – und ein wirklich guter Freund von mir. Aber: Keine Ahnung, warum er überhaupt noch atmet. Ich habe ihm schon ein paar Mal gesagt: ,Du solltest deinen Körper der Wissenschaft spenden!’ Und ich erinnere mich, dass ich ihn in seinem Apartment in Los Angeles besucht habe, in dem er all diese Flaggen, Nazi-Devotionalien und Militärsachen aufbewahrt. Da sieht es aus wie in einem gottverdammten Museum! Und als ich das erste Mal da war, standen vielleicht drei oder vier leere Bourbon-Flaschen auf dem Fensterbrett. Beim nächsten Mal waren es schon zehn. Und danach immer mehr. Also meinte ich zu ihm: ,Lemmy, entschuldige bitte die Frage, aber sammelst du vielleicht leere Bourbon-Flaschen?’ Und er: ,Ich habe irgendwo gelesen, dass es in Amerika 133 verschiedene Sorten gibt. Also dachte ich mir: Probiere ich sie einfach mal aus!’“

Dave Grohl
(Foo Fighters)

„Du kannst kein echter Rock ’n’Roll-Fan sein, wenn du nicht auf Motörhead stehst. Das ist zumindest meine Meinung. Ich hatte die Gelegenheit, ein paar Mal mit ihm abzuhängen und einige Songs mit ihm aufzunehmen. Insofern kann ich mit Stolz sagen: Wenn ich einen Helden habe, dann Lemmy. Eine Menge Leute halten Keith Richards für den ultimativen Rock’n’Roller. Doch da bin ich mir nicht so sicher. Wenn du ein paar Tage mit Lemmy verbringst, erkennst du: Der lebt, was er tut. Da ist alles echt. Er ist die Nummer eins – die überzeugendste Rock’n’Roll-Persönlichkeit, die ich je getroffen habe. Mann, ich liebe Lemmy!“

Bruce Dickinson
(Iron Maiden)

„Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt! Und er ist ein viel besserer Bassist, als die Leute glauben. Sie scheinen oft zu vergessen, was für ein guter Musiker er ist. Wobei er natürlich immer im Schatten seiner größten Performance als Sänger stehen wird – nämlich der von Hawkwinds ›Silver Machine‹.“

Jack White
(The White Stripes)

„Ich mag seine Gesangstechnik: eben von unten nach oben, wobei das Mikro in fast unerreichbarer Höhe hängt. Ich glaube nicht, dass das vor ihm schon mal jemand gemacht hat. Und ich finde das wirklich originell.”

Jonathan Davis (Korn)

„Ich finde, Lemmy ist der Wahnsinn! Ich habe unglaublichen Respekt vor ihm. Er macht das schon so lange – und immer auf seine Weise. Was soll man dazu sagen? Es ist einfach toll. Motörhead sind die Größten!“

Serj Tankian

„Er sieht keinen Tag älter aus als 65 Jahre! (lacht) Und ich finde: Er ist toll! Eben ein einmaliger Typ, der immer noch diesen Lebenswandel führt und diese Art von Musik spielt. Das macht ihm so schnell keiner nach. Das letzte Mal, dass ich ihn getroffen habe, war Ende 2007 bei den MTV Music Awards in Las Vegas. Wir hatten einen Drink – oder zwei. Ich könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann mal einen Song mit ihm aufzunehmen.“

Paul Smith
(Maximo Park)

„Lemmy war schon immer ein Charakter-Kopf. Das lässt sich nicht anders sagen. Und jedes Mal, wenn ›Ace Of Spades‹ in irgendeinem Club läuft, muss man darauf einfach reagieren. Außerdem war Lemmy ja Mitglied von Hawkwind. Insofern hat er der Rock-Musik durchaus einen wichtigen Dienst erwiesen. Aber er hat auch einen merkwürdigen Militär-Tick, was sehr beängstigend ist. Egal: Ich wünsche ihm alles Gute! Kaum zu glauben, dass er es soweit geschafft hat – das ist wirklich eine handfeste Überraschung!“

The Who: Leben für die Bühne – die legende LIVE AT LEEDS

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who leedsDieser Tage wird ein Album neu aufgelegt, das nicht nur der Karriere der daran beteiligten Musiker einen enormen Schub verpasst hat, sondern die gesamte Welt der harten Riffs veränderte. LIVE AT LEEDS von The Who zählt zweifellos zu den besten Konzertmitschnitten, die je auf Platte veröffentlicht worden sind. Und es ist ein Manifest jener aufregenden Ära, in der Rock’n’Roll sich aus dem Untergrund, aus den dreckigen, engen Clubs verabschiedete und ins Rampenlicht der großen Arenen trat. Eine Entwicklung, die sich nicht mehr rückgängig machen ließ – umso bedeutsamer sind heute die Zeit-Dokumente, die diesen Umbruch noch einmal hautnah erfahrbar machen.

Der Aufstieg begann da, wo alle gute Bands anfangen: in kleinen Läden. The Who (beziehungsweise The High Numbers, wie sie sich vormals kurzzeitig nannten) starteten im Goldhawk Club im Londoner Stadtteil Shepherd’s Bush, bis sie schließlich ins Herz der Stadt weiterzogen – in den Marquee Club, Wardour Street 90, mitten im brodelnden Amüsierviertel Soho. Jeden Dienstag gaben sie dort alles, zunächst vor einigen wenigen Interessierten, nach wenigen Wochen jedoch schlängelte sich eine lange Reihen von Wartenden vor dem Einlass. The Who entpuppten sich als die Inkarnation der jungen Wilden: Sie bombardierten die Ohren ihrer Fans mit Feedback, ließen ihr Equipment ohne mit der Wimper zu zucken in Einzelteile zerlegen und sahen dabei stets so aus, als ob sie jederzeit bereit wären, sich selbst furchtlos in die Menge zu stürzen. Das nötigte selbst den Londonern, die nun wahrlich einiges gewohnt waren, Respekt ab. Und schon damals galt – wie auch heute noch: Mund-zu-Mund-Propaganda ist einfach unbezahlbar.

Das erkannten auch die beiden Manager der Band, Kit Lambert und Chris Stamp, und versuchten daher, sich dies zu Nutze zu machen. Sie setzten dabei auf ein ähnliches Konzept wie die früheren Berater der Musiker, Peter Meaden und Helmut Gorden, allerdings mit mehr Konsequenz: Ihr Ziel war es, The Who zum Sprachrohr, zum Aushängeschild der Mod-Bewegung zu formen. Das gelang – obwohl die Band selbst sich nicht als integraler Bestandteil der Szene betrachtete. „Ich war ein typischer Kunststudent“, erinnert sich Pete Townshend heute im Gespräch mit den britischen CLASSIC ROCK-Kollegen zurück, „und Roger Daltrey bezeichnete sich in diesen Tagen stets als Rocker. Keith Moon sah zwar damals wirklich so aus wie ein Mod, aber John Entwistle nicht – er hatte einen spießigen Kleidungsstil. Wir waren insgesamt betrachtet also keine typischen Mods – zumindest hinsichtlich unseres Looks. Aber unsere Fangemeinde speiste sich weitgehend aus Leuten, die Teil der Bewegung waren und sich auch so kleidete.“

Eine Diskrepanz zwischen den Musikern und den Anhängern gab es dennoch nicht. Denn The Who waren sich stets bewusst, was ihr Publikum von ihnen erwartete. Und sie handelten auch danach. Im Gegenzug bekamen sie von den Menschen etwas zurück, was ihnen bis heute im Gedächtnis geblieben ist: bedingungslose Loyalität. „Es herrschte ein unglaubliches Zusammengehörigkeitsgefühl“, so Townshend. „Und ich erlebte zum ersten Mal, was es bedeutet, als Musiker eine Art Spiegel der Gesellschaft zu sein. Die Aura, die unsere Fans versprühten, all ihren Zorn, ihre aufgestauten Aggressionen, übertrug sich auf uns. Und wir durchlebten sie – und gaben sie schließlich durch unsere Musik und die Performance wieder an sie zurück.“

Der nächste logische Schritt wäre gewesen, den Versuch zu unternehmen, diese unbändige Energie einzufangen und auf Platte zu bannen. Doch das war zur damaligen Zeit nicht Usus. In den frühen Sechzigern waren Live-Mitschnitte im Jazz üblich, nicht aber im Rock; LIVE AT THE FLAMINGO von Georgie Fame & The Blue Flames ist eine der wenigen Ausnahmen. Erst mit den 1966er-Bootlegs der Gigs von Bob Dylan & The Hawks in der Royal Albert Hall kam allmählich Bewegung in die Sache. Auch The Who wollten sich in diesem Bereich einen Namen machen. So gaben sie die Einwilligung zur Aufzeichnung ihrer Marquee-Shows. Rein technisch kein Problem, denn der Club verfügte über ein direkt angeschlossenes Studio. „Einige Aufnahmen existieren heute noch“, verrät Pete Townshend. „Allerdings nur als Filmspur, nicht als eigenständiger Mitschnitt. Diese Tapes sind im Laufe der Zeit verloren gegangen – es gab nämlich zwischen dem Tontechniker und der National Jazz Federation, der das Marquee gehörte, Streit um die Rechte an den Masters.“ Daher dauerte es noch weitere vier Jahre, bevor die Fans endlich in den Genuss einer Live-Veröffentlichung von The Who kamen – im Mai 1970 war es schließlich so weit: LIVE AT LEEDS kam in die Läden.

Die Platte überraschte viele, aus mehreren Gründen. Sie klang rau, bildete damit quasi das Gegenstück zu TOMMY. Auch die Verpackung der Scheibe war einzigartig, sie enthielt allerlei Faksimiles aus den Anfangstagen der Band, eine Kopie des Ablehnungsbescheids der Firma EMI, der Woodstock-Vertrag, Townshends Text zu ›My Generation‹ und so weiter. Auf der LP selbst waren drei Coverversionen enthalten, nämlich ›Shakin’ All Over‹ (Johnny Kidd), ›Summertime Blues‹ (Eddie Cochran) und ›Young Man Blues‹ (Mose Allison), hinzu kamen lediglich drei eigene Stücke: ›Substitute‹, ›My Generation‹ und ›Magic Bus‹. Klingt wenig, doch The Who führten ›My Generation‹ nicht in seiner Originalversion auf, sondern in Form eines 16-Minuten-Medleys, das Passagen von ›See Me, Feel Me‹ ›Listening To You‹, ›Underture‹, ›Naked Eye‹ und ›The Seeker‹ in sich vereinte. Und auch das furiose ›Magic Bus‹ hatte mit 7:30 Minuten deutliche Überlänge.

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