Es ist schon eine kleine Sensation! Für sein neues Album SANTANA IV trommelte Carlos Santana (fast) alle Schlüsselfiguren zusammen, die 1971 gemeinsam den Meilenstein SANTANA III gestemmt hatten. Und damit den unwiderstehlichen Afro-Latin-Rock-Hybridsound des inzwischen 68-jährigen Ausnahmegitarristen ein für alle Mal unsterblich machten.
Die Geschichte von Santana reicht genau 50 Jahre zurück in das Jahr 1966. In San Francisco hatten die Hippies gerade das Kommando übernommen, der Summer of Love stand vor der Tür. Die Stadt in Nordkalifornien war ein Mekka der bewusstseinserweiternden Drogen und der dazu passenden psychedelisch umspülten Musik. Die Interessen des jungen Gitarristen Carlos Santana lagen allerdings woanders. Der damals 19-jährige Spross einer Musikerfamilie war in dem mexikanischen Dorf Autlán de Navarro aufgewachsen und über Tijuana 1961 mit seinen Eltern nach Kalifornien gekommen. Seine Liebe galt dem Blues von Muddy Waters und John Lee Hooker.
Nachdem er sich eines Abends bei einer Jam-Session von Michael Bloomfield im Fillmore Auditorium auf die Bühne gemogelt und alle Anwesenden einigermaßen beeindruckt hatte, lernte er den ebenfalls gerade 19-jährigen Keyboarder und Sänger Gregg Rolie kennen. „Mein erster Eindruck von Carlos war, dass wir viel gemeinsam hatten. Er wollte genau wie ich seine eigene Musik machen, nicht nur die Songs anderer nachspielen“, sagte Rolie Jahre später. Von Anfang an ging es den Musikern weniger um die Songs als vielmehr um das Gefühl, das sie transportierten, die Emotionen, die sie bei Band und Publikum gleichermaßen auslösten. Schnell machten die zwei gemeinsame Sache: Die Santana Blues Band war geboren.
Anfangs war die neue Gruppe allerdings klanglich kaum von all den anderen Bluescombos zu unterscheiden, die damals in der San Francisco Bay Area ihr Glück versuchten. Erst als der Conga-Spieler Michael Carabello dazustieß, begann sich die Band musikalisch abzusetzen. Der Grundstein für den ureigenen Santana-Sound war gelegt. Anstatt ihre Stücke in wabernde Psychedelia zu tauchen, setzte die Santana Blues Band anno 1967 auf tanzbare Rhythmik und einen Klang, der simpel, rau, aber ungemein leidenschaftlich war. „Damals haben wir für wirklich jeden die Vorgruppe gemacht: Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival, Sly Stone, Procol Harum“, erinnerte sich Carlos später. „Wenn wir spielten, sind die Leute aufgesprungen und haben angefangen zu tanzen – vor allem die Frauen! Da wurde uns bewusst, dass wir klangen wie sonst keine andere Band.“
In gewisser Weise waren Santana, wie die Gruppe sich schon bald darauf verkürzt nannte, eine der ersten Weltmusik-Bands, die nicht nur des Exoten-Bonus wegen mit fremdländischen Instrumenten hantierten, wie es etwa die Beatles oder die Rolling Stones zeitweise taten. Die Musiker waren sich der globalen Tragweite ihres Sounds vollends bewusst. Doch nicht nur das zahlende Publikum spitzte schon bald die Ohren. In Promoterlegende Bill Graham fanden Santana einen großen Fan und engen Verbündeten, der den Jungspunden in den kommenden Jahren viele Türen öffnen sollte. Er sorgte nicht nur dafür, dass die Band in und um San Francisco herum genug Auftrittsmöglichkeiten bekam, er hielt auch nach einem Plattenvertrag für seine Protegés Ausschau. Doch selbst im Jahr eins nach dem Summer of Love war es alles andere als einfach, ein Label für eine Band zu finden, deren ethnischer Background genauso breit gefächert war wie der Sound ihrer ellenlangen Improvisationen.
Schließlich konnte Graham Clive Davis von CBS/Columbia überzeugen, sich die Band in San Francisco anzuschauen. „Sie haben mich komplett umgehauen“, erzählte der mit allen Wassern gewaschene Labelboss Jahre später. „Ich habe sie sofort unter Vertrag genommen. Die ganze Band war unglaublich stark, und Carlos war damals schon der Virtuose, der er heute ist: feurig, aber auch spirituell.“