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Sweet: Die Band mit den drei Gesichtern

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Sweet: Die Band mit den drei Gesichtern

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Lustig, bei Slade gab es eine ähnliche Situation. Dave Hill verschwand aus der Umkleide und kehrte dann auf die Bühne in seinem „Metal Nun“ Outfit zurück. Daran erinnere ich mich! Wahrscheinlich mussten Slade genauso viel lachen wie wir. Bis zu unserer zweiten Tour in den Staaten war unsere Band wirklich total eng miteinander. Das Glam-Ding zogen wir von 1972 bis 1973 durch, Anfang 1974 hatten wir das ja schon wieder abgelegt. Erst danach bekam unsere Beziehung Risse, weil Brians Auftritte nicht mehr immer einwandfrei waren. Außerdem verschwand er an den freien Tage einfach, wir wussten nicht, wo er war. Irgendwann meinte dann jemand: ‘Hört mal Leute, wir haben ein Problem, Brian ist ein Alkoholiker.’ Und statt unsere PR-Abteilung zu nutzen, machte er viel im Alleingang, das uns nicht gefiel. Bravo zum Beispiel brachte ihn dazu, echt blöde Fotos von sich machen zu lassen und das, als wir gerade versuchten, etwas ernster genommen zu werden. Irgendwann drehte sich Steve in einem Bandmeeting zu Brian und meinte: ‘Es reicht jetzt mit Ruby & The Romantics, alles klar?’ Und wir wussten genau, was er meinte. Er sollte aufhören damit, alles ohne uns zu machen. Es war nicht so, dass er unser Frontmann war und wir bloß die dumme Backing-Band. Wir waren ein Team. Zur Zeit, als wir nach Amerika kamen, sangen Steve und ich etwas mehr mit. Ich weiß nicht, ob es damit zusammenhängt, aber ab da, etwa ab 1976, manifestierten sich Brians Probleme langsam. Ich denke wirklich, dass man sich auf Tour irgendwie beschäftigen muss. Wir waren vier oder sechs Monate in den Staaten, wenn du dich an den freien Tagen nur mit der Hotelbar beschäftigst, dann ist das nicht gesund. Ich beispielsweise kann gut alleine sein, ich leiste mir selbst gute Gesellschaft, aber viele Menschen können das nicht. Brian und Mick konnten das nicht.

Die anderen sahen in mir irgendwann einen zweiten Phil Wainman, also den Typen, der die Peitsche knallen ließ.“ (Andy Scott)

Bis zu dieser zweiten Amerika-Tour wart ihr Freunde? Absolut, wir waren beste Freunde. Wir konnten uns alles sagen, ohne dass einer beleidigt war. Später war ich ja der Haupt-Songwriter und dann auch Haupt-Produzent im Studio, deswegen hatte ich das Gefühl, die anderen sahen in mir irgendwann einen zweiten Phil Wainman, also den Typen, der die Peitsche knallen ließ. Ich konnte mir ständig Dinge anhören wie ‘Du bist nicht unser Chef’ und so Zeug. Ich stellte halt die Anforderung, dass niemand völlig zerstört ins Studio kommen sollte. Besauf’ dich nicht vorher. Lass uns doch erst aufnehmen und dann in eine Bar gehen.

Du hast es ja schon angesprochen: Irgendwann habt ihr euch von Chinn, Chapman und Wainman getrennt. Kannst du skizzieren, wie sich eure Beziehung verändert hat? Als ich mich bei Sweet bewarb und vorspielte, dachte ich, Mike Chapman wäre der Sänger. Weil ich ihn zwei Jahre vorher schon getroffen hatte, da sang er in einer Band namens Tangerine Peel. Bei meiner Audition war Mike der Boss, der die Entscheidungen traf. Als ich dann einige Songs von ihm und Nicky hörte, dachte ich mir: ‘Wow, das ist ganz schön kommerziell, das sind eindeutig Hits.’ Bei Mike hatte ich das Gefühl, dass er mich verstand, mit Nicky war das anders. Es war lustig: Zu meinem 70. Geburtstag organisierte ein Freund von mir viele Leute, darunter Steve Lukather und Joe Elliott, die mir eine Videobotschaft schickten. Phil Wainman war auch mit von der Partie und er sagte: ‘Für The Sweet suchten wir nach einem hübschen Gitarristen mit Pop-Appeal und was wir bekamen war Jimi Hendrix.’ Das hatte er mir vorher noch nie so gesagt. Mike war eigentlich immer auf der Seite der Band, er und ich kamen gut aus. Ich glaube, er war irgendwann auch genervt, weil er die meisten Songs alleine schrieb, aber alles mit Nicky teilen musste. Mir war also klar, dass diese Partnerschaft nicht ewig halten würde. Nicky war ja auch mal unser Manager, wollte aber dann jemand anderen für diesen Job finden, jemanden, der „das Unbezwingbare bezwingen konnte.“ (lacht) Das hat uns alle zum Lachen gebracht, aber bis zu einem gewissen Grad hatte er Recht.

Warum habt ihr euch letzten Endes dazu entschieden, die Kollaboration mit Chinn und Chapman zu beenden? Mit Phil haben wir SWEET FANNY ADAMS aufgenommen, eine tolle Platte. Und als Mike Chapman das Album hörte, wollte er sofort ein Neues machen. Er hatte ein paar Songs und er wollte, dass die Band auch ein paar Tracks beisteuerte. Die europäische Version von DESOLATION BOULEVARD war gut, wirklich in Ordnung. Aber ich würde nicht sagen, dass es bezüglich der Produktion mit SWEET FANNY ADAMS mithalten konnte. Sofort nachdem das Album im Kasten war, flogen Chinn und Chapman für einige Monate nach Amerika und unser Plattenlabel war ratlos, weil die meisten Songs von der BBC verbannt worden waren. Lieder wie ›Turn It Down‹ wurden nicht im Radio gespielt. Unser Label meinte dann, dass ein Song noch Hit-Potential hatte, aber die Produktion von ›Fox On The Run‹ gefiel ihnen nicht. Also gingen wir 1974 nochmal ins Studio, nahmen ›Fox On The Run‹ neu auf, so dass es 1975 veröffentlicht werden konnte. Nach dem Release schickten sie ein Memo an Nicky und Mike in Amerika, in dem sie ihnen erklärten, dass ›Fox On The Run‹ die nächste Leadsingle sein würde. Die beiden kamen zurück und marschierten ins Büro der Plattenfirma, um sich zu beschweren. Mich rief Mike an und meinte nur: ‘Jetzt habt ihr es also endlich geschafft.’ Ich nur so: ‘Was meinst du?’ Und er darauf: ‘Das wird ein Abräumer.’ Und dann fügte er noch hinzu: ‘Das ändert nichts daran, dass ich weiterhin euer Produzent sein möchte. Ich weiß aber nicht, wie lange Nicky und ich noch zusammenarbeiten werden.’ Also setzten wir uns mit Mike zusammen und uns wurde klar, dass wir uns auseinander entwickelt hatten. Auch Phil Wainman wollte nochmal mit uns ins Studio gehen. Aber irgendwie wurde uns klar, dass wir gerade einen unserer besten Songs selbst gemacht hatten, einen Welthit. Es war keine einfache Entscheidung, aber wir wollten alleine weiterarbeiten und auch ein größeres Stück vom Kuchen abbekommen. Das ging dann eine Weile gut, aber irgendwie… Letztens habe ich eine interessante Doku über Cream gesehen. Was diese drei Typen betraf, musste man ja schon froh sein, dass es drei Jahre gehalten hat. Ein wenig verstehe ich das, bei Sweet war es ähnlich. Irgendwann hat man alles entdeckt, von dem man schon immer geträumt hat. Als Steve dann in Amerika leben wollte, wäre es schwer für die Band geworden. Ich war enttäuscht, aber irgendwie auch wieder nicht. Das ist echt schwer zu erklären. Folgendes ist passiert: Es gab uns die Möglichkeit, ein paar Jahre abseits von Sweet zu wandeln und zu schauen, was uns sonst offenstand. Als wir dann 1984 wieder zueinander fanden, waren wir mental und emotional besser aufgestellt. Es ist eine Schande, dass Steve der Band damals nicht wieder folgen wollte.

Warum wollte er das nicht? Ich denke, er war dann schon zu stark in Amerika verwurzelt. Außerdem sagte er mal zu mir: ‘Ich habe das Touren schon in der ersten Runde nicht gemocht, warum sollte es jetzt anders sein?“ Ich erwiderte darauf nur: ‘Schau Steve, ohne dich wird es nicht dasselbe sein, aber Mick und ich tun es trotzdem.’

Hast du dich in deiner Zeit bei Sweet oft mehr wie ein Produkt statt wie ein Künstler gefühlt? Quasi bis zu dem Moment, als ›Fox On The Run‹ einschlug. Erst da konnten wir unser eigenes Ding durchziehen. Das nächste Album GIVE US A WINK nahmen wir in München auf, weil wir weit weg von allen anderen sein sollten. Dazu war Deutschland ein wichtiger Markt für uns und obendrauf arbeiteten wir mit Reinhold Mack zusammen, der schon mit Purple und den Stones aufgenommen hatte. Es war auch eine bewusste Entscheidung von uns, ein Heavy-Rock-Album aufzunehmen. ›Action‹ hatten wir bereits im UK fertig gestellt und dort als Single veröffentlicht. Dann fertigte Mack einen Remix davon an, der dieses Synthesizer-Intro hat, das dem Original fehlt. Als ich diese Editierung hörte, fand ich es fantastisch. Die Plattenfirma stieg auch sofort ein, also hauten wir in Europa diese Version von ›Action‹ raus.

Wenige Monate später veröffentlichten Queen ›Bohemian Rhapsody‹. Was hast du über ›Action‹ und ›Bohemian Rhapsody‹ zu sagen? In Amerika hat einer unserer Manager mal Brian May und mich im Rainbow in L.A. an einen Tisch gesetzt, brachte ein paar Drinks und nur gesagt: ‘Hier Jungs, ihr habt wahrscheinlich ein bisschen was zu besprechen.“ (lacht) Ich sagte dann zu Brian: ‘Schön, dass ihr die Tür für lange Singles geöffnet habt.’ Und mein Manager ergänzte nur: ‘Ja und das Ende erinnert einen doch an irgendwas, oder?’ und ging weg.

Wie reagierte Brian May darauf? Naja, wir lachten, ich war leicht peinlich berührt und Brian May sagte nur: ‘Ich liebte ›Action‹’. Das war alles. Und ich finde, mehr musste er dazu auch nicht sagen. Wir Musiker sind nun mal so, wir hören etwas, das uns gefällt und kommen gar nicht umhin, uns davon beeinflussen zu lassen. Bei Sweet kann man eine Menge kurzer Jeff-Beck-Licks heraushören, das fällt aber wahrscheinlich den wenigsten auf. Ich meine, so eine Gitarre produziert nur begrenzt Töne, trotzdem bemüht man sich, etwas Besonderes daraus zu machen.

Wir springen nochmal kurz zurück zu den Pop-Singles mit den rockigen B-Seiten. Hattet ihr auch eine gespaltene Fanbasis? Wie sahen eure Konzerte aus? Teenie-Girls auf der einen Seite, Hardrocker auf der anderen? Es gibt dazu tatsächlich einige lustige Geschichte von Typen, die aus Versehen die Pop-Singles ihrer kleinen Schwester auf dem Plattenspieler umdrehten und plötzlich Tracks wie ›Burn On The Flame‹ hörten. Danach begleiteten sie ihre Schwestern zu einem Sweet-Konzert. Ich glaube, die Deutschen haben es viel eher verstanden als alle anderen. Wir spielten an Orten wie der Deutschlandhalle, wo bis zu 6000 Leute reinpassten. Heute klingt das ganz normal, aber damals spielten in diesen Venues Bands wie Zeppelin und Purple. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Black Sabbath diese Hallen ausfverkaufen konnten. Aber wir taten es. Ich komme nochmal zu dieser Doku über Cream zurück: Die spielten damals in Amerika in richtig großen Locations und zurück im UK mussten sie wieder in kleinen Clubs vor 600 Menschen spielen und genauso war das bei uns auch. Im UK konnten wir vielleicht 1000 Tickets in sogenannten Mecca Ballrooms verkaufen. Das waren keine Rock-Clubs, das waren Tanzveranstaltungen. Damit musste man zurecht kommen und man machte sich Gedanken darüber, ob man so weiter machen wollte. Uns wurde diese Entscheidung abgenommen, als wir von den Mecca Ballrooms verbannt wurden, weil wir zu laut, zu rüde und zu sexuell aufgeladen waren. Eigentlich hätten wir in diesen Ballrooms zwölf Shows spielen sollen, aber nach zwei Konzerten strich uns der Besitzer einfach.

Das ist also der ›Man From Mecca‹? Ganz genau. Damit landete er auf den Titelseiten vieler Zeitungen und das war die beste PR, die wir umsonst bekommen konnten. Unsere nächste Single war ein Nummer-1-Hit.

In dem Kontext erinnert man sich dann auch gerne an Textzeilen wie „If we don’t fuck you somebody else will.“ Ja, das spielten wir gerne. Ein Song, von dem du nicht willst, dass ihn deine Mutter hört.

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5 Kommentare

  1. Ein sehr guter Artikel und ein sehr authentisches Interview das mich als Sweet Fan der ersten Stunde (Ich besitze fast alle LPs und fast alle Singles) sehr berührt hat. Da ich selbst Musiker bin kann ich vieles sehr gut nachempfinden was Andy so fühlt. Ich hatte mit 14 meine erste Schulband und Heute bin ich 60 vorbei. Nach diesem Interview dachte ich auch über den Tod nach. Er gehört nun mal zum Leben, das ist so. Es stimmt mich nur traurig das es dann mit der Musik vorbei ist. Musik war und ist mein Leben. Ich hab eine ausreichende Pension und spiele mit über 60 sicher nicht für die paar Hundert Euro im Monat. Es ist einfach Leidenschaft und Sucht. Wir gehen Alle einmal aber…Rock n’Roll will never die.

  2. Danke Andy fr diese offenen und ehrlichen Worte.
    Auch daß Du dabei fair Deinen Freunden gegenüber bleibst.
    Es erfüllt mich weiterhin mit Stolz seit 1971 ein Sweetfan aus tiefem Herzen zu sein.
    Allen Fans und der Band alles Gute und weiterhin viel Power „Sweetpower“
    Euer Jürgen aus Stutensee bei Karlsruhe

  3. Ein wundervolles Interview, was mich sehr berührt hat. Seit früher Jugend bin ich Fan von Sweet. Hier stimmt mich diese Geschichte der Band schon etwas traurig, das es so ein Ende nahm. Trotzdem höre ich mit Freude die Platten. In den 90ern hab ich einmal Brian live erlebt und war sehr erschrocken, das es nicht mehr so klingt wie früher.
    Was bleibt, ist die Erinnerung. Die Musik lebt ewig. Danke dafür ❤️

  4. Ich mochte die Sweet nie wegen deren ständigen Stilwechsels.
    Das Interview war trotzdem gut, weil es ehrlich war.
    Hier spricht ein Mensch und keine Fragebeantwortungsmaschine vom Typ Scorpions.

  5. Danke,
    ich war von 73 bis 81 extremer Fan und habe natürlich immer noch ALLE Platten (auch Bootlegs).

    Leider hat das was Andy seit 30 Jahren macht, nicht mehr mit SWEET zu tun.
    Ständig wechselnde Sänger, unzureichende Instrumentierung und ein begrenzter Drummer.
    Dazu noch eine Setlist, mit Bubblegum-Hits, die schon Mitte der 70 er nicht mehr gespielt wurden.
    Warum dann heute?
    O.K., beim Fußballverein oder Bierzelt mag das noch Bedingung sein. Aber in einem Rockclub, Wacken oder Swedenrock? NO!

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