Das Country-Stehaufmännchen zelebriert den Trucker-Sound der 70er
Charley Crockett hat eine erstaunliche Entwicklung genommen. Er war ganz unten, mit allen erdenklichen Zutaten. Er rappelte sich auf und er wuchs und wuchs. Heute bespielt der direkte Nachfahre von Wildwest-Legende Davy Crockett in den USA die größten Bühnen und gilt als einer der angesagtesten Country-Acts überhaupt. Kein Wunder, der schlaksige bärtige Kerl mit dem stechenden Blick ist vermutlich der unkonventionellste und vielleicht authentischste Künstler, den das Genre gerade zu bieten hat. Das zeigt sich auch auf seinem neuen, unter Live-Bedingungen in Austin aufgenommenen Album $10 COWBOY. Crockett erweist sich als genauer Beobachter des heutigen Way of Life, als Chronist des Landes und – das ist längst sein Markenzeichen – als rauchige, stets mit einem Halleffekt unterlegte Stimme der Loser und Abgehängten. Immer wieder geht es bei ihm ums Verlieren (›Hard Luck‹, ›Ain’t Done Losing‹, ›Good At Losing‹), um Einsamkeit (›Midnight Cowboy‹) und generell um die Unbill des irdischen Daseins (›Gettin’ Tired Again‹). Dennoch mag sich beim geneigten Hörer kein Stimmungstief einstellen. Im Gegenteil. Crockett gelingt es, seine roadtaugliche Poesie in melodieverliebte, herrlich nostalgische Country-Töne zu verpacken. Nie klang der Trucker-Country der 70er-Jahre hipper als bei ihm.
9 von 10 Punkten
Charley Crockett $10 COWBOY ON OF DAVY/THIRTY TIGERS/MEMBRAN
Die Vergangenheit ist vorbei, aber sie bietet einen Weg in die Zukunft
Neil Young und seine beständigste, am meisten geschätzte Begleitband Crazy Horse hatten in den 90er-Jahren des letzten Jahrtausends ihre produktivste Phase. Aus dieser Zeit stammt auch das fantastische Studiowerk RAGGED GLORY. Alle Songs besagter Platte [außer ›Mother Earth (Natural Anthem)‹] gibt es nun von der aktuellen Crazy-Horse-Besetzung, 2023 eingespielt, als neue Live-Compilation. Sah es in Zeiten der Pandemie stark danach aus, als würde Young vielleicht nie wieder live spielen, sind Crazy Horse seit 1969 nicht tot zu kriegen. In der Besetzung Young, Billy Talbot (Bass), Ralph Molina (Drums), Nils Lofgren (Gitarre, Klavier) und Micah Nelson (Gitarre, Klavier) findet RAGGED GLORY jetzt zu neuem glorreichen Ruhm. Auch wenn es mit (ARC)WELD und WAY DOWN IN THE RUST BUCKET schon zwei potente Live-Mitschnitte besagter Tour gibt, hat FU##IN’ UP dennoch unbedingt seine eigene Berechtigung. Wie es sich für den innovativen Neil Young gehört, wurden die Lieder auf FU##IN’ UP mit neuen Titeln versehen, sodass sie im Hier und Jetzt zu hören sind. ›Farmer John‹, ein Cover, hat als einziges seinen ursprünglichen Titel behalten – ›Fuckin’ Up‹ heißt jetzt beispielsweise ›Heart Of Steel‹. Gäbe es doch bloß mehr Neil Youngs auf dieser tristen Welt, mehr Innovation.
8 von 10 Punkten
Neil Young & Crazy Horse FU##IN’ UP REPRISE/WARNER
Zu den großen Säulenheiligen von Wolfgang Niedecken gehörten neben diversen Musikern auch immer Heinrich Böll und Joseph Beuys. „Böll ist immer der einfache Junge aus der Kölner Südstadt geblieben“, sagte Niedecken mal in einem Interview – und vermutlich möchte er auch so wahrgenommen werden. 1981 nahmen BAP beim Album FÜR USSZESCHNIGGE den Song ›Südstadt, verzäll nix‹ auf – und dieses Lied behandelt das Thema Gentrifizierung in einer Art Protoversion. Der Geruch sei hier eine Mischung aus Asphalt und Schweiß und das Viertel hatte selbst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs noch Würde, als es in Trümmern lag. Mit der Stimme eines Märchenonkels trägt Niedecken dieses Stück vor – und natürlich die großen BAP-Hits wie ›Verdamp lang her‹, ›Müsli Man‹ oder ›Kristallnaach‹. Als kölsche Version von Bob Dylan wird Niedecken in seiner Heimatstadt so gefeiert, wie es sich gehört: mit lauten Applaussalven und aufrichtiger Begeisterung. In Summe bietet dieser Live-Mitschnitt mit seinen 30 (!) Liedern die elektrisierende Essenz, die an vier Abenden in den Sartory-Sälen aufgenommen wurde – und mit ›Helfen kann dir keiner‹ endet. Eine sehr würdevolle Angelegenheit!
8 von 10 Punkten
Niedeckens BAP ZEITREISE – LIVE IM SARTORY VERTIGO BERLIN/UNIVERSAL
Ab November gehen The New Roses auf große „Attracted To Danger“-Tour durch Deutschland. Als Support mit dabei haben die international erfolgreichen Hard Rocker aus Wiesbaden die finnische Band Moon Shot. Auf Social Media kündigten The New Roses bereits an, dass noch weitere Tourdates folgen werden.
… oder wie Don Henley einen Song von Tom Pettys Ausschuss-Stapel in eine generationenübergreifende Hymne über verlorene Unschuld verwandelte
Die frühen 80er-Jahre waren für Don Henley eine Zeit der Ungewissheit. „Ich spürte enormen Druck. Nicht unbedingt, den Erfolg der Eagles zu wiederholen sondern einfach, ohne sie zu schreiben und aufzunehmen“, sagt er im exklusiven Interview mit CLASSIC ROCK. „Ich hatte nie in Betracht gezogen, eine Solokarriere zu haben, also fühlte ich mich orientierungslos, wie in der Schwebe.“ Nach der Auflösung der Eagles 1980 hatten alle Mitglieder Soloprojekte in Angriff genommen. Henleys Debüt I CAN’T STAND STILL von 1982 schien ein vielversprechender, wenn auch zaghafter erster Schritt. „Ich denke, es war ein passabler erster Versuch“, sagt er. „Rückblickend betrachtet sind ein paar der Lieder nicht gut gealtert, aber das trifft auf alle meine Alben zu.“ Um die Zeit, als Henley 1983 Material für den Nachfolger zu sammeln begann, fing die Drum-Maschine langsam an, den Klang der Musik neu zu definieren. „Ich hatte gemischte Gefühle gegenüber den neuen elektronischen Instrumenten“, gibt er zu, „aber Danny [Kortchmar, sein Post- Eagles-Kreativpartner] kannte sich mit all diesem modernen Equipment aus und wollte es unbedingt in unseren Schreib- und Aufnahmeprozess einbeziehen.“ Henley konnte da noch nicht ahnen, dass ein LinnDrum-Gerät, das sich Mike Campbell, der Gitarrist von Tom Petty & The Heartbreakers, zugelegt hatte, seine Solokarriere in neue Höhen führen würde. Auf seinem YouTube-Kanal erinnerte sich Campbell daran, wie seine ersten Experimente damit den Track ›Boys Of Summer‹ inspirierten. „Ich blieb die ganze Nacht wach und tippte Tamburine, Claps und Snares ein. So setzte ich einen kleinen Rhythmus zusammen, und dann ersann ich diese Melodielinie auf dem Keyboard.“ Campbell fügte Gitarre und Bass hinzu, dann spielte er eine Woche später Tom Petty und dem Produzenten Jimmy Iovine sein Demo vor. Die lehnten es aber als möglichen Heartbreakers-Song ab, weil es „zu jazzig“ war. Campbell stellte das Band zunächst ins Regal. Henley und Campbell sind sich nicht einig darüber, wie sie sich zum erstenmal begegneten, doch Campbell erinnert sich daran, eine Kassette des Tracks zu Henley nach Hause mitgebracht zu haben. „Wir saßen an gegenüberliegenden Enden eines langen Tisches und er legte das Tape ein. Er wippte weder mit dem Fuß noch bewegte er seinen Kopf. Er saß einfach nur da, mit verschränkten Armen, und hörte sich das ganze Stück an. Ich dachte, er hasst es. Dann sagte er: ‚Okay, ich werde sehen, was ich damit machen kann.‘ Und ich ging wieder.“
Henley erzählt: „Die Leute, mit denen ich arbeite, werden dir sagen, dass ich nicht sehr kommunikativ bin, zumindest bis die meisten Teile an Ort und Stelle sind. Ich mochte die Percussion, die Mike mit den Maschinen geschaffe hatte. Ich mochte die Gitarrensounds und die Synthesizer-Linien. Alle Schichten verschmolzen zu einer Textur, die wirklich eindrucksvoll war. Es brauchte nur ein wenig Arrangement. Sobald ich herausgefunden hatte, was wohin gehörte, begannen Melodie und Text ziemlich schnell zu fließen.“ ›The Boys Of Summer‹ ist der Titel eines Bestseller-Buchs von Roger Kahn von 1972 über Baseball. Doch Henleys Titel bezog sich auf etwas, das viel weiter zurücklag. „Obwohl ich ein Baseballfan bin, hatte ich nie von diesem Buch gehört. Meine Inspiration kam aus dem Gedicht von Dylan Thomas, das so beginnt: ‚I see the boys of summer in their ruin.‘“ Henleys Text sehnte sich mit ähnlichem Schmerz nach verlorener Unschuld und Jugend. Hat er ihn für eine bestimmte Person geschrieben? „Bei einigen meiner Lieder ist das so, aber nicht bei diesem. Unabhängig von der Inspiration oder der Muse versuche ich, die Themen universell zu halten. Es ist am besten, wenn Songs ein gewisse Uneindeutigkeit haben.“ In der letzten Strophe brachte die denkwürdige Zeile „Out on the road today I saw a Deadhead sticker on a Cadillac“ eine ganze Generation auf den Punkt – und die Art und Weise, wie sie ihre hoffnungsvolle Vision vergeudete. „Es war ein Geschenk“, sagt Henley. „Es kam von diesem mysteriösen Ort, von dem manchmal Texte kommen. Ich hatte Probleme mit dem Brückenteil, konnte die Worte nicht finden, die Melodie. An einem Nachmittag fuhr ich auf der Interstate 405 dahin, irgendwo südlich des Sunset Boulevard, und der Track lief laut in der Anlage. Ich schaute nach links und da war er: ein Cadillac Seville von 1979 mit einem Deadhead-Aufkleber am Heck. Es erschien mir einfach ironisch, paradox, mit einem Hauch von Nostalgie. Und die Zeile passte perfekt in den Song.“
Bei der Arbeit im Record One Studio in Los Angeles stellte Henley eine Gruppe von erstklassigen Musikern zusammen, darunter Kortchmar, Steve Porcaro und Campbell an der Gitarre. Künstler haben öfter mal Schwierigkeiten damit, sich von Demos zu lösen (man bezeichnet das als „Demo-itis“), und auch Henley war zunächst entschlossen, Campbells Track mit all seinem eigenwilligen, beiläufigen Charme zu reproduzieren. „Mike ist einer dieser Typen, die nicht gerne dasselbe zweimal machen“, sagt Henley. „Und ich bin das Gegenteil davon. Wann immer mich ein Musikstück berührt und dazu inspiriert, Text und Melodie zu schreiben, will ich, dass jede Neuinterpretation dieses Stücks ein Klon dessen ist, was mich beim ersten Mal bewegte.“ Während sie den Track überarbeiteten, traten technische Probleme auf – eine Störung im Speicher der LinnDrum, eine Fehlfunktion des analogen Bandes, die sorgfältiges Kleben und Einfügen erforderte –, doch letztlich bekamen sie es hin. Dann entschied sich Henley, die Tonart zu ändern. „Danny hat mich immer dazu gedrängt, jedes Lied in einer möglichst hohen Tonlage zu singen“, verrät er. „Er glaubte, dass auf diese Weise mehr Emotionen übermittelt werden, dass es wirkungsvoller ist.“ Also gingen sie zurück ins Studio, um wieder die „Magie des ersten Durchlaufs“ einzufangen. „Mike schien davon nicht begeistert, aber er machte seine Sache sehr gut“, so Henley. ›The Boys Of Summer‹ erschien im Oktober 1984 als erste Single seines zweitem Albums BUILDING THE PERFECT BEAST und ging sofort durch die Decke: Platz fünf in den USA, Platz zwölf in Großbritannien und Platz 18 in Deutschland. Das düstere Schwarz-Weiß-Video von Jean-Baptiste Mondino half dabei nicht unwesentlich. „Er ist der einzige Videoregisseur, mit dem ich je zusammengearbeitet habe, der sich Zeit nahm, um mit mir über das Lied zu sprechen.“ Der Clip landete weltweit in der Heavy Rotation und räumte bei den MTV Video Music Awards 1985 ab. Für Henley bleibt sein bekanntestes Stück „eines der besten, die ich mitgeschrieben habe“. „Der Song ist jetzt fast 40 Jahre alt. Eine weitere Erinnerung daran, dass das Leben kurz ist, aber sehr breit.“ (Aus CLASSIC ROCK #128)
Um kurz vor Release ihres neuen Albums nochmal ein bisschen Staub aufzuwirbeln, veröffentlichen Accept heute ihre brandneue Single ›Frankenstein‹. Begleitet wird der Track von einem animierten Lyrik-Video, passend zum Titel. Die zugehörige Platte heißt HUMANOID und erscheint kommenden Freitag, den 26. April.
In der brandneuen Ausgabe von CLASSIC ROCK lest ihr unser aktuelles Interview mit Accept. Außerdem im Heft: Unsere Van-Halen-Titelstory, Features über Grand Funk Railroad, die Scorpions, Led Zeppelin, Pat Travers, Canned Heat und viele mehr.
Nachdem Deep Purple mit einem kryptischen Teaser die Gerüchteküche zum Kochen gebracht haben, lüftet die Band nun das Geheimnis um ihre mathematisch angehauchte Ankündigung. Am 19. Juli erscheint das neue Purple-Album, das den Namen „=1“ trägt, in verschiedenen Formaten. Der Titel symbolisiert die Vorstellung, dass sich in einer immer komplexer werdenden Welt letztendlich alles auf eine einzige, vereinheitlichte Essenz reduzieren lässt. Alles summiert sich zu eins. So steht es in der Pressemitteilung zum Album geschrieben.
Die Platte ist die erste mit Simon McBride an der Gitarre und wurde von Bob Ezrin produziert. Eine erste Single erscheint am 30. April um Punkt Mitternacht. Ab Juni touren Deep Purple unter dem Banner „=1 MORE TIME“ durch Deutschland.
Jet haben ihren Fans mitgeteilt, dass sie an ein neues Album in der Pipeline haben. Die Platte, die 2025 erscheinen soll, ist das erste neue Album der australischen Band in 16 Jahren. Jet war 2001 von den Brüdern Nic und Chris Chester sowie Cameron Muncey gegründet worden. Ein Jahr später wurden sie durch ihren Bassisten Mark Wilson komplettiert.
In diesem Line-Up veröffentlichte die Band drei Platten: GET BORN (2003), SHINE ON (2006) und SHAKA ROCK (2009). Seinen größten Hit landete das Rock’n’Roll-Quartett mit Power-Pop-Einschlag im Jahr 2003 mit ›Are You Gonna Be My Girl‹. 2012 hatte sich die Gruppe aufgelöst, um dann 2016 wieder zueinander zu finden. Seitdem ist lediglich eine Kollaborationssingle mit The Bloody Beetroots unter dem Titel ›My Name Is Thunder‹ erschienen. Als erster Vorgeschmack soll am 9. Mai die Single ›Hurry Hurry‹ erscheinen, so kündigt die Band es heute auf ihren Social-Media-Seiten an.