Werkschau: Lynyrd Skynyrd

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Werkschau: Lynyrd Skynyrd

Lynyrd Skynyrd 1977Mehr als nur einmal standen Lynyrd Skynyrd im Lauf ihrer über 40-jährigen Karriere an der Grenze zwischen ewigen Jagdgründen und musikalischer Unvergänglichkeit. „Das legendäre Flair von Lynyrd Skynyrd wird auch noch zu spüren sein, wenn ihre Mitglieder bereits nicht mehr leben“, erklärte ihr Bassist Leon Wilkeson. Inzwischen weilt auch Wilkeson nicht mehr unter uns, seine Prognose aber scheint wahr zu werden: Diese Band ist eine Legende.

Unverzichtbar

Nuthin’ Fancy (1975)


Selbst wenn das Album keinen Hit à la ›Freebird‹ oder ›Sweet Home Alabama‹ enthält, streifen Lynyrd Skynyrd hier die künstlerische Vollkommenheit. NUTHIN‘ FANCY bietet sowohl handfeste Rocknummern (›Satur­­day Night Special‹ oder ›Whiskey Rock’n’ Roller‹) als auch saftige Blues’n’Country-Nummern, in denen ihr Fronter Ronnie Van Zant mit urwüchsigem Humor und rauem Stimmkolorit Geschich­­ten von Freiheit und Abenteuern erzählt. Als ihm das Fell besonders stark juckt, lobpreist er den deftigen Umgang mit Frauen. Ein Auszug aus ›On The Hunt‹: „In those two things you must take pride, that‘s a horse and a woman, yeah, well, both of them you ride.“

One More From The Road (1976)

Lynyrd Skynyrd One More From The Road
Gitarrist Ed King verlässt die Gruppe nach NUTHIN’ FANCY, für ihn spielt auf dem Live-Opus ONE MORE FROM THE ROAD der nicht minder versierte Steve Gaines. Die Presse attestiert der Band und ihrem im Juli 1976 im „Fabulous Fox Theatre“ in Atlanta aufgenommenen Album eine „beachtliche Technik und Rock-Qualität“ und lobt die ungeheure Vitalität, mit der Lynyrd Skynyrd in ihren Konzerten das Publikum faszinieren. Das grandiose Bühnendokument avanciert zum meistverkauften Album der Südstaatenrocker und erreicht Platin-Status. Lynyrd Skynyrds Motto: keine Gimmicks, dafür aber 100 Prozent Rock’n’Roll.

Wunderbar

Pronounced Leh-nerd Skin-erd (1973)


Lynyrd Skynyrd erweisen sich für ihre Plattenfirma als Glücksgriff. Mit dem von Al Kooper produzierten Erstwerk PRONOUNCED LEH-NERD SKIN-ERD, für das die Band nur 9.000 US-Dollar Vor­­schuss bekommt, landen sie ein Top-30-Album (inkl. Gold-Aus­zeichnung). Darauf enthalten: der fast zehnminütige Klassiker ›Free­­bird‹. Die Hommage für den im Oktober 1971 bei einem Motor­­radunfall tödlich verunglückten Duane Allman wird Skynyrds erster Hit. Speziell dieser Song offenbart mit seinem bluesigen Gesang und der furiosen (Lead-)Arbeit der drei Gitarristen gleich alle Stärken der Band.

Second Helping (1974)


Mit SECOND HELPING, dem zweiten Studioalbum, gelingt Lynyrd Skynyrd der Durchbruch, die Single ›Sweet Home Ala­bama‹ avanciert zur Südstaaten-Hymne. Mit den berühmten Textzeilen „Well, I heard Mr. Young sing about her, I heard ole Neil put her down, well, I hope Neil Young will remember, a southern man don’t need him around anyhow“ beantwortet Sänger Ronnie Van Zant auf bissige Weise Youngs ›Southern Man‹, in dem dieser es wagt, den amerikanischen Süden zu kritisieren. Die Single erreicht Platz acht der US-Charts, das Album Rang zwölf (und erreicht in der Folge erneut Goldstatus).

Twenty (1997)


Im Herbst 1997 veröffentlichen Lynyrd Skynyrd mit TWENTY ein in vielerlei Hinsicht programmatisches Album, auf dem sie musikalisch und thematisch den im Herbst 1977 beim Flug­zeugab­sturz ums Leben gekommenen Bandkollegen und Freun­den Respekt zollen. TWENTY bietet Südstaaten-Rock in seiner ursprünglichsten Form und kann mit dem magischen ›Voodoo Lake‹, der Road-Hymne ›Home Is Where The Heart Is‹ und dem selbstbewussten Opener ›We Ain’t Much Different‹ zwei Höhe­punkte ausweisen. Zudem beinhaltet ›Travelin’ Man‹ neben Vocals von Johnny Van Zant auch alte Aufnahmen von Ronnie.

Gimme Back My Bullets (1976)


Skynyrd schaffen das vierte Gold-Album in Folge und sind auf dem Zenit ihres kommerziellen Erfolges. Obwohl auf dem Album mit ›Searching‹ und ›Cry For The Bad Man‹ zwei weitere Hymnen zu finden sind, kann auch der erfahrene Pro­duzent Tom Dowd erste Ermü­dungs­erschei­nungen nicht vollends ausbügeln. Sänger Ronnie Van Zandt erklärt zudem: „Die Haifische des Showbusiness’ sind hinter uns her. Aber wir verstecken uns in den Sümpfen und warten ab, bis wir noch besser sind.“ Dass ausgerechnet die Sümpfe Lynyrd Skynyrd drei Jahre später zum Verhängnis werden, ist bittere Ironie des Schicksals.

Anhörbar

Street Survivors (1977)


Die Versuchungen des Rockstar-Lebens haben Lynyrd Skynyrd im Griff: Die Musiker erinnern sich heute kaum mehr an die schwierige Produktion von STREET SURVIVORS, das unmittelbar vor dem Flugzeugabsturz veröffentlicht wird. Bassist Leon Wilkeson: „Wir tranken Whisky, prügelten uns des Öfteren und flogen hochkant aus den Hotels.“ Nach einem dieser Exzesse trägt Drummer Artimus Pyle einen Gipsverband am rechten Arm und kann seinen Part zu ›I Never Dreamed‹ nicht mehr alleine einspielen. Also teilen die Musiker in der Strophe die Schlagzeug-Pas­­sagen auf: Pyle spielt Congas, Steve Gaines über­­nimmt die Becken und Billy Powell die Hi-Hat.

Edge Of Forever (1999)


Kurz vor dem Jahrtausendwechsel setzen Lynyrd Skynyrd ihre Karriere laut und kraftvoll fort. War der Vorgänger noch eine unverkennbare Reminiszenz an vergangene Tage, verortet EDGE OF FOREVER die Band unmissverständlich im Hier und Jetzt. Einmal mehr frönen Lynyrd Skynyrd ihrem Faible für Country Rock und setzen stärker als zu­­letzt auch auf Grassroots-Ein­flüsse. Die aktuelle Bandbesetzung inklusive ihrer beiden talentierten Neuzugänge an den Gitarren, nämlich Rickey Med­locke (Ex- Blackfoot) und Hughie Tho­masson (Ex-Outlaws), profitiert vor allem in den Vereinigten Staaten von der damaligen Renaissance der Rockmusik.

God & Guns (2009)


Obwohl von Lynyrd Skynyrds Ur­­besetzung nur noch Gitarrist Gary Rossington dabei ist – allein 2009 hat die Band gleich zwei Mitglieder verloren –, verändert sich der Sound nicht gravierend. Das liegt zum einem an Sänger Johnny Van Zant, dessen raue Stimme die Tradition der Gruppe perfekt repräsentiert. Zudem lassen sich Lynyrd Skynyrd auch auf dem neuen Album keinen Deut von ihrem urwüchsigen Songwriting abbringen. Zwischen Slide-Gitarre, Trucker-Anek­doten und rauem Charme schimmert die Südstaaten-Romantik, die man in dieser Konsequenz nur noch bei den Allman Brothers vorfindet, nicht nur leicht durch, sondern dominiert die neuen Songs.

Sonderbar

Christmas Time Again (2000)


Anstatt weiter an der Southernrock-Historie zu feilen, irritieren Lynyrd Skynyrd im Winter 2000 mit einer halbgaren Sammlung vermeintlich stimmungsvoller Weih­nachtslied-meets-Rock-Schmonzetten. Zudem kommt es zur Ko­­operation mit 38 Special (›Halle­­lujah, It’s Christ­mas Time‹) und der Charlie Daniels Band (›Santa Claus Is Coming Home‹). Auch nicht viel besser. Genauso peinlich: Das Artwork inkl. Weih­nachts­mann, der einen Geschenke-Pickup steuert. Zwar überbrückt das Album den Zeitraum EDGE OF FOREVER (1999) und VICIOUS CYCLE (2003), doch eine richtige Pause wäre sinnvoller gewesen.

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