Wir werfen einen Blick auf die genialsten Bluesrock-Stücke. Einige davon sind bestens bekannt, doch keine Angst: Für Überraschungen ist gesorgt!
›Baby Did A Bad Bad Thing‹
CHRIS ISAAK, 1996
Mit einem pulsierenden Echo-Lick, das an ZZ Tops ›La Grange‹ erinnert, und Isaaks goldenem Crooning tief im Dreck, war ›Baby Did A Bad Bad Thing‹ ein Ein-Akkord-Groove, dem maximale Atmosphäre entlockt wurde. Schon bevor das erotische Video auf MTV alle Zweifel ausräumte (und ein Remix des Songs von Stanley Kubrick als Begleitmusik für eine Sexszene in seinem Film „Eyes Wide Shut“ von 1999 ausgewählt wurde), strotzte das Stück des Kaliforniers nur so vor feuchtem Voyeurismus. „Es geht um jemanden, der böse, verkorkst und schlecht ist, aber den man trotzdem begehrt“, erklärte Isaak.
›Stop Breaking Down‹
THE WHITE STRIPES, 1999
Ganz der Purist wie man ihn kennt, wusste Jack White nicht mal etwas vom Stones-Cover dieser Nummer und bediente sich für das Debüt der White Stripes 1999 direkt beim Original („Wir coverten Robert Johnson – ich wusste gar nicht, dass das auch auf EXILE war“). Das Duo aus Detroit zögerte dabei nicht, diesen Standard von 1937 quer durch das Studio zu prügeln, und zwar mit einem primitiven Beat, einem kaum gestimmten Slide-Break und Vocals, die scheinbar in ein kaputtes Mikrofon geplärrt worden waren. Wer das damals hörte, wusste, dass die White Stripes riesig werden würden.
›Road Runner‹
AEROSMITH, 2004
Aerosmith waren nicht die ersten, die sich dieses Songs annahmen: Jeder, von den Beatles bis zu The Clash, hatte sich schon einmal an Bo Diddleys unkaputtbarem 12-Takt-Stampfer von 1960 versucht. Doch wo die meisten ihn mit Samthandschuhen anfassten, war diese Neuinterpretation vom 2004er Blues-Covers-Album HONKIN’ ON BOBO grandios überdreht, von Steven Tylers Zeremonienmeister-Heulen („Ladies and gentlemen, step right up!“) bis hin zu Joe Perrys Hair-Metal-Gitarre. Der ultimative Soundtrack wenn man vorhat, eine Frau zu verlassen.
›Electric Worry‹
CLUTCH, 2007
Clutch stehen augenscheinlich eher für „DC-Hardcore-Punk und Stoner-Grooves“ als für „Oldschool-Blues“. Doch Neil Fallons Grollen und seine Darbietung im Stil eines sich in Rage redenden Predigers war ebenso von Howlin’ Wolf und Robert Johnson beeinflusst wie von ihren näherliegenden, zeitgenössischen Idolen. Die frühen Stimmen der tiefsten Südstaaten ziehen sich durch den gesamten Backkatalog von Clutch, doch so direkt wie auf diesem aufgebluesten Live-Favoriten waren jene Einflüsse nie zuvor erkennbar gewesen. Und jetzt alle zusammen: „Bang bang bang bang!“, na-na-na-nana, „vamonos vamonos…“
›Peace Machine‹
PHILIP SAYCE, 2009
„Who the fuck is this guitar player?“, fragte Jon Bon Jovi einnmal das Publikum, als seine Vorgruppe von der Bühne ging – und das Titelstück auf Sayces Solodebüt von 2009 war alles, was wir als Erklärung brauchten. Losgetreten von einem Hendrix’schen Schauern, kocht die Nummer zu einer Instrumental-Tour-de-Force über, die elf Minuten lang alle möglichen Grenzen auslotet, ohne jemals eine Idee zu wiederholen. ›Peace Machine‹ erreicht Sphären, in die sich nicht mal Joe Bonamassa trauen würde.
›Hand Me Down Blues‹
VINTAGE TROUBLE, 2011
Kein Studio konnte bis dato auch nur annähernd den Thrill von Frontmann Ty Taylor einfangen, wie er sich live durch diesen euphorischen Knaller wirbelt. Ein gutes Beispiel für seine Qualitäten als Showman sieht man in einem Auftritt auf „Later TV“. Doch diese Fassung vom Debüt THE BOMB SHELTER SESSIONS von 2011 – mit messerscharfem Gesang, schneidenden Gitarren und Tribal-Schlagzeug – zeigt genug von dieser Energie, die den Kaliforniern dazu verhalf, dass sie ins Rampenlicht gerückt wurden. Ein entscheidender Faktor für ihre Ernennung zur „Best New Band“ bei der Classic Rock Roll Of Honour in jenem Jahr.
›Howlin’ For You‹
THE BLACK KEYS, 2011
Man kann nicht über Bluesrock im 21. Jahrhundert sprechen, ohne die Black Keys zu erwähnen. Das Duo aus Ohio machte gewissermaßen dort weiter, wo die White Stripes aufgehört hatten, und waren eine zugängliche, hookreiche Alternative, mit der sich der Mainstream sofort anfreunden konnte. Und wie: Die Black Keys wurden in rasantem Tempo von Radio, Fernsehen und sonstigen kommerziellen Medien ins Herz geschlossen. ›Howlin’ For You‹ war nicht nur einer ihrer erfolgreichsten, sondern auch einer ihrer besten Songs. Er wurde zur Inspiration für zahllose weitere Bluesrocker und machte die Black Keys zu einer der ganz wenigen Rockbands, die im vergangenen Jahrzehnt tatsächlich auf nennenswerte Art Einzug in die Popkultur hielten.
›Keep On Swingin’‹
RIVAL SONS, 2012
Die meisten sehen sie schlicht als „moderne Classic-Rock-Band“, doch im Kern der Musik der Rival Sons steckt der Blues – von Scott Holidays Zeppelinbefeuerter Gitarre bis zu Jay Buchanans erdiger Mischung aus altem Soul und dem Heulen im Stil der Südstaaten-Prediger. Auf diesem Highlight vom grandiosen Album HEAD DOWN von 2012 kam all das so präzise und packend wie nie auf den Punkt. Kein Wunder, dass bis heute dieser Song häufig in der Setlist der Rival Sons auftaucht.
›Ain’t Messin’ Around‹
GARY CLARK JR., 2012
Nicht ohne Hintergedanken entschied sich Clark für die sen Song als Opener seines Major-Debüts BLAK AND BLU von 2012. Soulgetränkt, mit einem Fuzz-Pedal-Lick in der Strophe und dem umgehend zum Klassiker aufsteigenden Falsett-Hook im Refrain, war dies Blues, zu dem man tanzen konnte – und eine Botschaft an die neuen Zahlmeister bei Warner, dass er, Clark, keine Berührungsängste mit Geld hatte. Glücklicherweise ging die Kommerzialität hier aber nicht zu Lasten der Glaubwürdigkeit. Der Leadgitarren-Break war zweifelsfrei das Werk eines jungen Meisters.
›Made Up Mind‹
TEDESCHI TRUCKS BAND, 2013
Der anstürmende Büffel auf dem Artwork zum zweiten Album des Soul-Blues-Kollektivs fand seine klangliche Entsprechung in diesem übellaunigen Opener – ein Moment der reinen Angriffslust von einer Band, die oft fälschlicherweise als schöngeistig dargestellt wird. Das knackig-fiese Lick im Intro bereitet den Boden mit der richtigen Stimme, und Susan Tedeschis Gesang gewinnt zusätzliche Gravitas durch die Erkrankung in der Familie, die über dieser Session hing. Derek Trucks mag in seiner Karriere schon technisch versiertere Soli gespielt haben, doch so beherzt zugestochen wie hier hat der Slide-Gott nie zuvor. Unsere Aufmerksamkeit war geweckt.
Text: Henry Yates/Polly Glass