Band-Chef Michael Amott hat es mit seinen extremen Metal-Bands zu Ruhm in der Szene gebracht. Doch eigentlich ist er im Herzen ein Classic-Rocker. Daher hat er nun seine Band Spiritual Beggars reaktiviert, mit der er ausgiebig den Siebzigern huldigt.
Alles so schön bunt hier: Psychedelische Farben, ein gediegener Vintage-Schriftzug – die Spiritual Beggars sind zurück! Fünf Jahre nach ihrer letzten Studio-CD haben die Stoner-Allstars Michael Amott (Arch Enemy, Carcass), Ludwig Witt (Firebird), Per Wiberg (Opeth) und Sharlee D’Angelo (Arch Enemy, Witchery) sich endlich die Converse von den Füßen gekickt und eine neue Runde musikalischer Dehnübungen eingeleitet – mit neuem Mann am Mikro: Apollo Papathanasio. Das Comeback heißt RETURN TO ZERO und ist eine Rückkehr zu den Anfängen. Sagt jedenfalls Michael Amott, der CLASSIC ROCK während einer Arch Enemy-Konzertreise auf die Malediven zugeschaltet ist…
Michael, du bist gerade mit Arch Enemy auf den Malediven. Eine Frage: Seit wann gibt’s da denn Schirmchendrinks mit Metall?
Wir sind tatsächlich die erste internationale Metal-Band, die in Male auftritt! Sie haben hier erst seit 18 Monaten so was wie Rede- und Meinungsfreiheit; Musik wird aber immer noch ziemlich kritisch beäugt… Also ist dieser Gig eine Riesensache, für uns und die Fans.
Neue Territorien für Arch Enemy, die Carcass-Reunion – du bist eigentlich gut beschäftigt. Wann hat dein Beggars-Nerv denn wieder angefangen zu zwicken?
Beggars-Material schreibe ich fortwährend, die Jungs habe ich aber erst zusammengetrommelt, als ich wirklich genug beisammen hatte. Im Musikbusiness sind fünf Jahre zwar eine Ewigkeit, aber vielleicht kommen wir gerade recht, um den Leuten damit in ihre Facebooks zu hauen!
Erste Gerüchte, dass Sänger Janne »JB« Chri-stoffersson sich auf Grand Magus beschränken wolle, gab es schon 2005. Jetzt war es so weit. Wann rückte er damit raus?
Als es mit der neuen Platte ernst wurde und ich das Studio buchen wollte, Ende 2009. Wir sind weiter weltbeste Freunde, es gab keine Zwistigkeiten oder so. Es war einfach schlechtes Timing, weil JB mit Grand Magus tatsächlich beschäftigter ist denn je. Er blieb lange unentschlossen, aber wir mussten schließlich Nägel mit Köpfen machen.
Der Neue ist Apollo Papathanasio, Sänger der griechischen Power Metal-Band Firewind. Wie kam er ins Rennen?
Als JB nicht mit ins Studio konnte, dachte ich kurzzeitig: „Das war’s – vielleicht ist das ein Zei-chen, dass wir Spiritual Beggars zu den Akten legen sollten.“ Dann erwähnte Ludwig (Witt, Schlagzeuger der Beggars, Anm.d.A.) Apollo, mit dem er seit Jahren in einer Kneipen-Band spielt. Ich kannte Apollo nur als Metalsänger, aber Ludwig schwor, dass er bei ihren Deep Purple- und Whitesnake-Covers auch tolle Bluesrock-Vibes hinkriegt – und es stimmt!
Dazu wohnt er nur 20 Minuten entfernt, und wir haben wieder das Gefühl, eine Band zu sein, die zusammen arbeiten und proben kann. Mir ist wichtig, dass jeder seinen Senf dazugibt und wir am Ende zwei Wochen in einem stinkigen Raum aufeinander hocken und jammen – so klingt es am besten. Doppeltes Glück war, dass ein Freund gerade ein Studio in einem alten Bauernhof ganz in der Nähe eröffnet hatte, das „Sweetspot“ bei Halmstad, und dort ist die Platte entstanden.
RETURN TO ZERO feiert Themen wie Wiedergeburt, Freiheit, Unabhängigkeit, neue Horizonte – heißt das: keine DEMONS mehr für Spiritual Beggars?
Stimmt, klingt alles ziemlich positiv! (lacht) Und es entspricht der Wahrheit: Ich bin gut drauf, die Musik macht Spaß, alles hat sich bestens entwickelt. Als ich mich damit abgefunden hatte, dass JB nicht auf dem Album sein würde, war es tatsächlich ein Neuanfang, daher der helle Grundton. Nimm ›We Are Free‹ – das handelt vom live spielen, vom Bandfeeling, dem Kontakt zwischen Publikum und Musikern, der Energie, die zwischen ihnen fließt. Ja, das ist schon alles sehr „up“ (lacht lauthals).
Ihr spart auf dieser Platte an Doom-Boogie und basslastigem Twang – dafür dominiert der Dialog von ultra-melodischer Leadgitarre und Gesang. Das Tempo bleibt mittel. Dafür fallen die Refrains ganz schön groß aus…
Wahrscheinlich habe ich in letzter Zeit zu viel Scorpions gehört! (lacht wieder) Der reine Stoner-Groove ist mir einfach zu monoton geworden. Stattdessen faszinieren mich Melodieläufe, und mit einem Sänger wie Apollo ist mehr in der Richtung möglich. Er hat die nötige Bandbreite, mit Klangfarben von Coverdale bis Dio ist sein Stil supermelodisch.
Schau kurz zurück: Sind Spiritual Beggars als „elder statesmen“ der Stoner-Szene im neuen Jahrtausend eigentlich angemessen gewürdigt worden?
Vor zehn Jahren lagen wir kommerziell gut im Rennen, da haben wir mehr verkauft als Fu Manchu. Wir haben uns aber auch extrem ins Zeug gelegt, viel getourt, mit Monster Magnet, Fu Manchu, Iron Maiden, Clutch, Queens Of The Stone Age… Seit Arch Enemy und Opeth so
gewachsen sind und wir heftigere Tourneen am Bein haben, sehen wir Spiritual Beggars wieder mehr als Freizeitbeschäftigung. Es ist eine richtige Band, aber eine Nebenlinie, vergleichbar mit Down. Hier können wir uns zurücklehnen und das spielen, was wir lieben. Ob uns die Fans überhaupt noch kennen? Keine Ahnung.
Welchen Honig kann man aus Classic Rock saugen, wenn man wie du vom extremen Me- tal kommt?
Ich weiß noch, dass ich erst bei Carcass damit anfing, meine Hausaufgaben zu machen, Black Sabbath und so. Die emotionale Bandbreite und das Können im Siebziger-Hard Rock waren eine Offenbarung für mich, und als ich das erste Mal Michael Schenkers Soli hörte, war mir klar: So viel Gefühl möchte ich auch! Bei Carcass und Arch Enemy hab ich’s ihnen dann einfach untergejubelt.
Bei welchem Sechziger- und Siebziger-Moment wärst du gern dabei gewesen?
Ich habe zuletzt viel Jimi Hendrix gehört – seine Band of Gypys gab nur drei Konzerte, und die hätte ich alle gern gesehen. Die Jimi Hendrix Experience aber auch!
In Japan spielt ihr im Herbst wieder in gigantischen Arenen – warum sind sie dort so versessen auf Vintage Sound?
Weiß nicht. (lacht) Es hat auch mit Arch Enemy zu tun, vermute ich. Generell waren die Japaner immer gut zu mir. Ich bin weder der schnellste noch der beste Gitarrist, aber mein Stil kommt dort an. Eine ganze Nation, die auf die selben Gitarristen steht wie ich – und das seit den Neunzigern, als Soli nicht gerade populär waren! Japaner hören sehr konzentriert; sie knien sich rein, sind ungemein aufmerksam, und unsere Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Vor den Japan-Gigs spielen wir noch zwei Shows in Griechenland, dann sollte Deutschland dran sein – ist ja schließlich eines unserer Standbeine.
Als Bonus der RETURN TO ZERO-Erstauflage gibt’s ein Cover von Uriah Heeps ›Time To Live‹. Was verbindest du mit dem Song?
Uriah Heep zu entdecken, war wie einen Schatz zu heben, und SALISBURY wurde ganz schnell eine meiner Lieblingsplatten. ›Time To Live‹ ist kein sonderlich komplizierter Song, aber er hat was Animalisches. Hits wie ›Easy Livin’‹ zu covern wäre bescheuert – das ist, als verginge man sich an ›Paranoid‹. Nein: Wenn schon, dann etwas Unbekannteres, das man sich dann wirklich zu Eigen machen kann.
Wann hast du das letzte Mal die Faust in die Luft gereckt und wie ein Irrer geheadbangt?
Als ich das letzte Mal betrunken war, schätze ich… Nein, ich weiß es wieder! Im Mai auf einem Festival in der Schweiz: Wir sind einen Tag länger geblieben, um die Scorpions zu sehen. Wir rockten wie blöde, und ich konnte ein Foto von Rudolf Schenker und mir mit nach Hause nehmen. Dar-auf sehen wir aus, als wären wir die allerdicksten Kumpels!