Wie geht das Leben, wie geht die Liebe, und wie wird man fertig mit der eigenen Vergangenheit? Adam Granduciel grübelt weiter, die Musik dazu ist unwiderstehlich.
Vor dem Album, das The War On Drugs den Durchbruch brachte, stand ein Trauma. Sänger und Songschreiber Adam Granduciel habe eine schmerzhafte Trennung hinter sich, war zu lesen, damals vor drei Jahren. Isolation, Depression und Paranoia flossen auf LOST IN THE DREAM in waidwunde Stücke wie ›Red Eyes‹, ›Burning‹ und ›Suffering‹. Wie kommt man mit der eigenen Vergangenheit zurecht, mit Einsamkeit, Frustration, Angst? Darum ging es.
Und darum geht es, in abgewandelter Form, im Nachfolger A DEEPER UNDERSTANDING. Eine Fortsetzung also? „Ich glaube schon, ja“, sagt ein nachdenklicher, aber gut aufgelegter Granduciel am Telefon. „Viele dieser Themen bleiben ja für lange Zeit Teil deines Lebens, selbst wenn du dich auf gewisse Weise fortbewegt hast.“ Der brennende Schmerz, die roten Augen sind nicht verschwunden, aber doch sind da jetzt auch mehr Melancholie, Hoffnung und, ja, vielleicht auch Einsicht, wie der Titel nahelegt. „Jetzt, wo ich älter werde, durchs Erwachsenenleben gehe, fühlt es sich so an, als hätte ich lange nicht gewusst, wie ich mich mit gewissen Gefühlen über die Vergangenheit arrangieren soll“, erzählt Granduciel. „Selbst als die letzte Platte so erfolgreich war, habe ich mich noch immer verwirrt und isoliert gefühlt, ich war nicht sicher, was wirklich wichtig ist, was mich definiert.“
Viel von dieser Unsicherheit steckt noch in A DEEPER UNDERSTANDING. „Is it cold without my love“, will der Sänger einmal wissen, und singt von „all these changes I don‘t understand“. Im elfminütigen, von Synthesizern getragenen ›Thinking Of A Place‹ vergleicht er die Liebe mit einem Geist, in der Ferne und unerreichbar. „I‘m steppin‘ out into the world/Steppin‘ out into the light“, heißt es dann wiederum in ›Up All Night‹. Wieder ins Licht, wieder in die Welt hinaus gehen, eine Möglichkeit?
Musikalisch unterscheiden sich die neuen Songs nicht grundlegend von denen auf LOST IN THE DREAM. Hatte das Debüt WAGONWHEEL BLUES von 2008, aufgenommen zusammen mit Freund Kurt Vile, der mittlerweile erfolgreich solo unterwegs ist, seine Wurzeln noch deutlich in von Bob Dylan inspirierter, ungeschliffener Rockmusik der 60er, so orientieren sich die neuen Sachen, mit Synthesizern und Keyboard unterlegt, eher an den aufwändiger produzierten 80ern, besonders die schnellen Stücke. ›Nothing To Find‹ etwa klingt mit seinem treibenden Stadionrock-Beat wie ein modernisierter Wiedergänger von Bruce Springsteens BORN IN THE USA-Hit ›No Surrender‹. Daneben stehen langsamere, raffiniert arrangierte Stücke wie ›Strangest Thing‹ oder das wunderbare ›Pain‹, mit unbezwingbar romantischen Zeilen wie: „I‘m here all alone, just beggin‘/Pull me close and lemme hold you in/Give me a deeper understanding of who I am.“ Rau und verletzlich gesungen und eingebettet in diesen melodisch-kraftvollen, retrofuturistisch schillernden Sound ist das schon ziemlich großartig. Zumal Granduciels wehmütiges Gitarrenspiel, jeder hohlen Virtuosität unverdächtig, konstant an Wiedererkennungswert gewinnt.
Der Großteil der Aufnahmen zum Album fand nicht in Philadelphia statt, wo die Band eigentlich daheim ist, sondern im Sonora Recorders Studio in Los Angeles, in das sich der Songschreiber mit seinen fünf Kollegen und mehreren Gastmusikern ein ganzes Jahr lang einmietete. Die neuen Stücke seien deshalb „klanglich ausgereifter und experimentierfreudiger“ als alles, was er bisher gemacht habe, findet Granduciel. „Sie haben mehr Punch – und vielleicht auch mehr Raum“, fügt er an. Vielleicht auch das, ja. Ganz sicher ist: Es dürfte gerade nicht einfach sein, irgendwo anders ähnlich ausgetüftelte und überwältigende Rockmusik zu finden wie bei The War On Drugs.