Da hat jemand den Lockdown aber prouktiv genutzt

Vor zwei Jahren überraschte er die Welt mit dem gelungenen EGYPT STATION, mit MCCARTNEY III knüpft er nun – gerade noch rechtzeitig zum 50. Jubiläum seiner Post-Beatles-Karriere – zumindest numerisch an sein namenloses Debüt und das 1980 erschienene MCCARTNEY II an. Mit der Aufnahme im Heimstudio und der Tatsache, dass Macca fast alle Instrumente selbst spielt, haben die Werke dieser Solo-Trilogie zwei Dinge gemein. Neu: Von EGYPT STATION wurde der stilistisch offene, teils gar experimentelle Charakter übernommen. ›Deep Deep Feeling‹ etwa oszilliert zwischen minimalistischen Pianoakkorden, fragmentarischem Schlagzeug und einem nahezu avantgardistischen Mittelteil, erinnert dabei einerseits an den komplexen, freigeistigen R’n’B von Prince, andererseits an die repetitive textliche Simplizität von Kollege Lennons ›I Want You (She’s So Heavy)‹. Für herzhaften Pub-Rock ist die ›Lavatory Lil‹ zuständig, ›Slidin’‹ flirtet mit psychedelischem Glam-Rock, während ›The Kiss Of Venus‹ wie ein leicht hysterischer,
aber bei Stromausfall dargebotener Song der Sparks klingt – bevor ein Cembalo Kammerpop-Flair verbreitet. Folk spielt auf MCCARTNEY III eine tragende Rolle. Nicht zwangsläufig in akustischer Reinform, aber als Basis für Songwriter-Pop wie ›Find My Way‹, das kunstvoll arrangierte Eröffnungsstück ›Long Tailed Winter Bird‹ oder dessen Music-Hall-Gegenstück ›Winter Bird‹, mit dem das Album endet. Fehlt noch was? Genau: Eine zugängliche Britpop-Hymne wie ›Seize The Day‹, mit der McCartney die Herzen aller Beatles-Fans erobern kann. Die gute Nachricht: Er wagt weiterhin Neues. Die noch Bessere: Es funktioniert tadellos.

8 von 10 Punkten

Paul McCartney, MCCARTNEY III, CAPITOL/UNIVERSAL

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