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Meat Loaf: Das Jahr der Fledermaus

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Meat Loaf: Das Jahr der Fledermaus

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Es hielt sich jahrelang in den Charts und wurde zum meistverkauften Debütalbum aller Zeiten. Und es brach dem Sänger fast das Genick. Wir erzählen die Geschichte von BAT OUT OF HELL.

Eine Begegnung mit Jim Steinman, dem Erschaffer von BAT OUT OF HELL, war ein denkwürdiges Erlebnis. Nach jahrelangem Genuss aus der Ferne dieser überlebensgroßen Persönlichkeit mittels seiner kunterbunten Bombastsongs war das Treffen mit dem Leibhaftigen alles andere als enttäuschend. Er reichte zum Gruß eine weiche, mollige Hand mit langen Fingern und gepflegten Nägeln. Er hatte eine lange Mähne aus komplett grauem Haar, einen korpulenten, untrainierten Körper, ein rundes Mondgesicht, das selten Tageslicht zu sehen bekommt, und eine Stimme wie der Zeichentrick-Bösewicht The Hooded Claw. Und er trug eine teure Lederjacke, auf die mehr schlecht als recht ein paar nackte Frauen gemalt worden waren.

Wir befanden uns in den Pinewood Studios, wo er die Videoaufnahmen zu dem Song ›It’s All Coming Back To Me Now‹ beaufsichtigte, der ersten Single seines Projekts Pandora’s Box. Der Regisseur war vielleicht der einzige Mann auf der Welt, der in den Maßstäben seiner kreativen Vision mit Steinman mithalten konnte: Ken Russell. Der war da schon ein erfahrener Mittsechziger mit „Tommy“, „Die Teufel“, „Die Hure“ und einer jahrelangen Zusammenarbeit mit Ollie Ried im Lebenslauf, doch selbst er schien von der unbändigen Energie von Steinmans ganz speziellem Wahnsinn zu zehren. Das spärliche Drehbuch sah vor, dass Sänger in Elaine Caswell von einem großen Python sexuell erregt werden und sich lüstern auf einem Bett winden sollte, das im Takt zur Musik aufleuchtete, umgeben von einer Truppe verwirrter, halbnackter Tänzer*innen auf Tagesausflug von ihrem Job beim Musical „Cats“. Der auf zwei Tage angesetzte Dreh lief übelst aus dem Zeitplan und jede weitere Stunde kostete 35.000 Pfund extra. Steinman bot unbekümmert an, aus eigener Tasche dafür aufzukommen, und Russell nickte zurück und grinste. Sie hatten Spaß und beim Mittagessen planten sie einen Höhepunkt für das Video, der nicht im Skript stand und Virgin Records schockieren würde, die auf dem Papier die Kunden waren.

Steinman verlangte – und Russell stimmte ihm absolut zu –, dass das einzige gebührende Ende für den Clip darin bestünde, einen Mann auf einem Motorrad die Treppen eines örtlichen Kirchenturms hochfahren zu lassen, worauf er dann oben abspringen und schließlich explodieren würde. Nur zwei Menschen – Jim und Ken – waren überrascht, als die Leiter des 500 Jahre alten Gotteshauses ablehnten. Doch das war Jim, perfekt mit diesem Beispiel zusammengefasst: Man fängt an, indem man im großen Maßstab denkt, und sieht dann weiter.

Wir trafen uns in den nächsten Tagen noch zweimal und er erwies sich als faszinierender, komplexer Mensch. Er war besessen von Motorrädern, doch hatte nie den Führerschein gemacht. Die Charaktere in seinen Songs waren Heldenfiguren, schön und dem Untergang geweiht, doch er selbst war ein Junggeselle, der ein einsames Leben führte. Als wir Abendessen gingen, bestellte er alles – wirklich alles – von der Speisekarte und aß ein bisschen von jedem Gericht. Abgesehen von der Musik war seine große Liebe edler Wein. Einer seiner Manager sagte mir, dass wenn er über jeden Wein, den er je probiert hat, auf dieselbe Art und Weise schreiben würde wie seine Songs, „wäre es das genialste Buch über Wein aller Zeiten“.

Ein bisschen Zeit mit Jim Steinman zu verbringen, gewährte einem aber vor allem einen Einblick darin, wie jemand eine so einzigartige, verrückte, besondere, durchgeknallte, tumbe und aufgeblasene Platte wie BAT OUT OF HELL schreiben konnte – bis heute das meistverkaufte Debütalbum und drittmeistverkaufte Album überhaupt aller Zeiten. Wie heißt es doch? Es sind die Stillen, die man im Auge behalten sollte. Ein Schulkamerad von Jim Steinman sagte mal: „Jim wusste, was es bedeutet, cool zu sein, und er wusste, dass er es nicht war“. Stattdessen verbrachte der seltsam aussehende Junge einen Großteil seiner Zeit damit, „mir vorzustellen, eine Fledermaus sitze auf meiner Schulter“, und erschuf in seinem Kopf einen Ort für die Art von Mann, von der er wusste, dass er nie zu ihr gehören würde: ein Land für die Heldenhaften. Nun musste er nur noch den Rest der Welt davon überzeugen.

In einer anderen Ecke jenes Landes, genauer: unter dem endlosen Himmel von Texas, durchlebte ein Klassenfettsack, ein richtig großer Junge mit einer großen Persönlichkeit, ebenfalls große Emotionen. In einer Szene, die direkt aus einem Steinman-Song kommen könnte, war er bei der Beerdigung seiner Mutter so verzweifelt, dass er ihre Leiche packte und die Bestatter anschrie: „Ihr könnt sie nicht haben!“

Wenig später versuchte sein Vater, ein Alkoholiker, ihn umzubringen. Das hinterließ natürlich tiefe Spuren bei Marvin Lee Aday, der schon seit der Junior High School den Spitznamen Meat Loaf trug. Er war ein Typ, von dem man Notiz nahm, und sein Weg von Texas nach New York war alles andere als gewöhnlich. Abgesehen von einem Komparsenauftritt bei der Ermordung von JFK und einem Job auf einer Truthahnfarm kam und ging er in diversen Bands und wurde immer von der Bühne angezogen. Seinen ersten Erfolg feierte er mit einer Rolle in dem 60er-Jahre-Hippie-Nudisten-Musical „Hair“.

Auch Jim Steinman sah seine Zukunft auf der Bühne. Was ihn unter Rockautoren so einzigartig machte, war aber die Tatsache, dass sein Songwriting nicht vom Blues oder Jazz beeinflusst war, geschweige denn vom Rock’n’Roll. Nein, seine Wurzeln lagen in klassischen Kompositionen am Klavier statt an der Gitarre. Die einzigen Einflüsse aus der Rockmusik waren das rebellische Element und ihre schiere Größe. Bald verband er diese Werte mit seiner Besessenheit von den Sehnsüchten eines Teenagers und seinem Verlangen, Songs zu schreiben, und erschuf so ein Paralleluniversum, in dem er leben konnte. „Ich betrachtete Klassik und Rock’n’Roll nie wirklich als verschiedene Dinge. Das tue ich immer noch nicht“, sagte er. „Schon als ich aufwuchs, mochte ich Extreme in der Musik – große gotische Texturen. Subtile Sachen sprechen mich nie wirklich an. Die Dire Straits mögen gut sein, aber ich kann einfach nichts mit ihnen anfangen. Ich fühlte mich angezogen von William Blake oder Hieronymus Bosch, und sah keinen Sinn darin, Songs über gewöhnliche Dinge aus dem wahren Leben zu schreiben.“

Er schrieb mehrere lange Bühenstücke: „The Dream Engine“, „More Than You Deserve“ und „Neverland“. Das erste davon wurde fertiggestellt, während Steinman noch auf das exlusive College von Amherst in Bundesstaat New York ging. Seine akademischen Leistungen waren äußerst bescheiden, doch er wurde vom Unternehmer Robert Stigwood entdeckt, der ihn bei RSO unter Vertrag nahm. Steinman schrieb in seinem Auftrag den Song ›Happy Ending‹ für Yvonne Elimann, dann wurde er vom legendären Broadway-Produzenten Joseph Papp entdeckt, der von „The Dream Engine“ so begeistert war, dass er die Rechte an der Show noch während der Pause der Aufführung am College kaufte.

Papp wollte Steinman damit am Broadway lancieren, doch der sexuelle Inhalt stand ihm im Weg. Stattdessen lief das Stück in Washington mit Richard Gere. Interessanterweise sagte Steinman: „Gere hat eine der großen Rock’n’Roll-Stimmen, die er aber nie einsetzt, weil er befürchtet, die Leute würden ihn nicht als Schauspieler ernstnehmen, wenn er singt“. Papp hielt an Steinman fest und engagierte ihn bei einigen Projekten, etwa beim Festival „Shakespeare In The Park“ 1971 im New Yorker Central Park. Steinman hatte da schon mit dem Off-Broadway-Lyriker Michael Weller die Arbeit an „More Than You Deserve“ begonnen. Und durch einen glücklichen Zufall war der große Junge aus Texas zu dem Zeitpunkt auch schon in New York angekommen. Er hatte gerade ein erfolgreiches Engagement in der „Rocky Horror Show“ absolviert und suchte Arbeit.

„Meat war das Fesselndste, was ich je erlebt habe“, erinnerte sich Steinman. „Er war korpulenter als heute, richtig fucking riesig, und nachdem ich mit Wagner aufgewachsen war, waren all meine Helden überlebensgroß. Seine Augen drehten sich in seinen Schädel zurück, als sei er besessen. Bei der Audition sang er ‚You gotta give your heart to Jesus‘ … Ich kann als arrogant erscheinen, weil ich mir mancher Sachen absolut sicher bin, und bei ihm war ich mir auch absolut sicher.“

Meat Loaf: „Als ich Jim kennenlernte, wohnte er mit weiß Gott wie vielen anderen Leuten in einem Apartment an der 102nd Street. Sein Bett war in der Küche, das Kopfende am Kühlschrank. Ich sagte: ‚Was ist, wenn jemand etwas aus dem Kühlschrank holen will?‘ Und er antwortete: ‚Glaub mir, das will niemand‘.“ „More Than You Deserve“ war mäßig erfolgreich, doch es ist bedeutend als Startpunkt des Klassikers ›Tonight Is What It Means To Be Young‹ und das großartige Titelstück, das auf Meat Loads Album DEAD RINGER von 1981 erschien. Für sein nächstes Projekt, „Neverland“, griff Steinman 1975 dann wieder ein weiteres seiner textlichen Steckenpferde auf: Peter Pan. Davor waren er und Meat schon mit der „National Lampoon“-Show auf Tour gewesen, in der sie Dan Aykroyd und John Belushi ersetzt hatten. Die beiden fanden drei der Songs aus „Neverland“ – ›Bat Out Of Hell‹, ›Heaven Can Wait‹ und ›Formation Of The Pack (All Revved Up With No Place To Go)‹ – außerordentlich gut und Steinman begann, sie als Teil eines Werks aus sieben Songs zu entwickeln, die sie als ein Album aufnehmen wollten.

„Ich hatte nie beabsichtigt, Musik zu machen, weil ich mich als Musiker nicht für gut genug hielt. Film und Theater waren mein Ziel, aber dann dachte ich: ‚Das macht Spaß, lass es uns tun‘“, sagte Steinman. „Ich wollte nicht, dass es einfach nur ein Haufen Songs wird, sondern dass es das Gefühl vermittelt, man würde in ein komplettes Film- oder Theateruniversum eintreten. Niemand konnte damit umgehen. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie es klingen würde, wenn es fertiggestellt war.“ Während er in diesen Erinnerungen schwelgte, bewegte sich Steinmans Gesichtsausdruck irgendwo zwischen erstaunt und amüsiert. Er fand es fast unmöglich, das wahre Leben zu verstehen. „Ich dachte bei diesen Songs nie an mein eigenes Leben … Aber sie waren definitiv besessen“, gestand er. „Sie drehten sich komplett um meine Obsessionen. Keiner von ihnen findet für mich in einer normalen Welt statt. Sie finden in sehr extremen Welten statt, wiederum sehr operatisch. Der Schlüsselbegriff ist wohl ‚erhöht‘.“ Die Bildsprache war wie schon bei „The Dream Engine“ aufgedreht und testosteronschwanger. Songs wie ›Paradise By The Dashboard Light‹, ›Two Out Of Three Ain’t Bad‹ und ›For Crying Out Loud‹ zeigten die typische Teenagersicht auf Sex und das Leben: unstillbare körperliche Verlangen und unrealistisches romantisches Begehren, geschrieben von einem Mann, der nie dafür angenörgelt wurde, den Klositz nicht runterzuklappen.

„Ich war ein Teenager genau zu der Zeit, als Sex von total unterdrückt in den frühen 60ern in komplett frei in den 70ern überging, und das war sehr verwirrend“, gab er zu. „Ich weiß noch, dass ich zitterte wie Espenlaub, als ich das erste Mal Sex hatte. Panisch, dass ich alles falsch machen würde, und auch ein bisschen entsetzt.“ Doch die grundlegende Unschuld seiner Vision wurde zu seiner Rettung. „Gott sei Dank wussten wir nichts darüber, wie man Alben macht, sonst wäre es nie passiert. Ich wollte ein Album machen, das wie ein Film klang.“

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