Steve Harris über den Kampf von Bruce Dickinson mit dem Krebs, ein gewichtiges neues Album und was die Zukunft für Iron Maiden bereit hält – wenn es denn eine für die Band gibt…
Es sind noch vier Wochen, bevor Iron Maiden ihre Welttournee 2016 (und 2017) ankündigen werden, als Steve Harris mit CLASSIC ROCK spricht. Es ist ein warmer Abend in Bristol und Harris ist in einem Schuppen, der tatsächlich den deutschen Namen „Bierkeller“ trägt. Einer dieser kleinen Läden der Stadt, bei dem man unter Entertainment vor allem Cover- oder Tanzbands versteht, und in denen ein Aroma von abgestandenem Bier hängt. „Schön hier, nicht wahr?“, sagt er. Für den Bassisten ist das ein Platz, der Erinnerungen an die frühen Tourneen der Band in den späten 70ern zurückbringt. Heute hat ihn jedoch ein Auftritt mit British Lion hierhin geführt, seiner anderen Band, wenn Iron Maiden pausieren.
Im Laufe der nächsten acht Tage stellen sich alle sechs Mitglieder von Iron Maiden einem eigenen Interview: Bruce Dickinson in London, die anderen rufen aus ihrer jeweiligen Heimat an, aus Großbritannien, Florida und Hawaii. Steve Harris entscheidet sich für eine stille Ecke, um sich zu unterhalten, abseits vom Lärm im „Bierkeller“. Der Tourbus, in dem British Lion unterwegs sind, bietet einen Grad von Luxus, der in scharfem Kontrast zu den Clubs steht, in denen British Lion gemeinhin auftreten. Ein Luxus, den sich Harris allerdings auch locker erlauben kann. Doch obwohl er ein Rockstar und Multimillionär ist, macht er darum kein Aufheben. Er trägt T-Shirt und kurze Hosen. Sein East-End-Akzent hat sich nicht abgeschliffen, auch nicht die gerade und direkte Art und Weise, in der er spricht.
Es gibt nur einen erkennbaren Unterschied zwischen dem heutigen Steve Harris und dem von früheren Interviews. Für einen Mann, für den es nie einfach war, über sein persönliches Leben und seine Gefühle zu sprechen, ist er nun offener und weniger vorsichtig. Das kommt, teilweise zumindest, von den Erfahrungen im vergangenen Jahr: Es ist nicht nur die Angst, dass Bruce es möglicherweise nicht schaffen könnte, sondern auch die Erkenntnis, dass ihm die Zukunft seiner Band größtenteils aus den Händen genommen wurde.
Kannst du den Moment beschreiben, als du erfahren hast, dass Bruce Krebs hat?
Das war natürlich ein riesiger Schock, für ihn und für jeden anderen.
Du hattest nicht nur Angst um Bruce, sondern auch um die Zukunft der Band. Dachtest du, das könnte vielleicht das Ende sein?
Mir wurde klar, dass es das sein könnte. Das war extrem deprimierend.
Wann hast du dich mit Bruce in Verbindung gesetzt?
Ich habe ihn für eine Weile allein gelassen, ihm nur ein paar SMS geschickt und alles Gute gewünscht, aber ich habe gewartet, bis er mit mir sprechen wollte. Er hatte damals recht schnell mit der Behandlung angefangen, deswegen wollte ich ihn nicht fragen, wie es um ihn steht. Mir war klar, dass er sowieso nicht in der Lage sei, zu reden. Deswegen schickte ich ihm eine SMS, in der nur stand: „Ruf mich an, wenn du dazu bereit bist.“ Und irgendwann hat er das dann auch getan.
War das eine schwierige Unterhaltung?
Natürlich. Überraschenderweise klang seine Stimme wie immer. Er wirkte nicht angeschlagen. Aber er sagte mir, dass sie ihn bei der Behandlung durch die Mangel gedreht hätten. Es war schwer für ihn, darüber zu sprechen.
Und nun, nachdem sich die Behandlung als erfolgreich herausgestellt hat, was passiert jetzt?
Hoffentlich sage ich das jetzt nicht zur falschen Zeit, aber das größte Problem ist nun, dass seine Schleimhäute völlig ausgetrocknet sind. Ich habe gelesen, dass der alte Zustand nicht zu einhundert Prozent zurückkehren wird. Aber so, wie ich Bruce kenne, ist bei ihm alles möglich.
Wann hat er wieder angefangen, zu singen?
Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, sagte er mir, er hätte noch nicht gesungen. Aber ich wusste, dass er log. Jemand hatte mir erzählt, dass er es schon versucht hätte und dass es okay geklungen habe. Wir wollen aber nicht, dass er rennt, bevor er gehen kann. Und Bruce ist nun einmal sehr ungeduldig bei dem Versuch, seine alte Stärke zurückzuerhalten. Aber er ist kein Idiot. Deswegen touren wir auch nicht in diesem Jahr. Er braucht Zeit, um sich zu erholen und zu genesen.
Ein Interview von 2016 ist ziemlich überflüssig und kalter Kaffee