Heart: Las Vegas, House of Blues (14.08.15)

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Heart: Las Vegas, House of Blues (14.08.15)

ROC215.live_Heart.SC1_0878_v2Herzinfarkt vom Feinsten.

Seit ihrem honorigen Auftritt für Led Zeppelin bei den Kennedy Center Honors 2012 schwimmen Heart erfolgreich auf der 70s-Nostalgiewelle und haben sich viel von der Glaubwürdigkeit zurückerobert, die sie nach ihrem durch kommerzielle Balladen befeuerten zweiten Frühling in der MTV-Ära der 80er verloren zu haben schienen. 2013 fand sich – für nur einen Abend – das legendäre Line-up von einst zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten wieder ein, als die Band in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen wurde. Letztes Jahr landeten sie mit FANATIC LIVE FROM CAESARS COLOSSEUM in den Top 20 der Billboard-Hardrock-Alben. Eine Dynamik, die es natürlich zu nutzen gilt, und so beginnt heute die Nordamerika-Tournee mit einer (relativ) intimen Show im House Of Blues zu Las Vegas.
Die Rocklegenden aus Seattle entern eine schwach beleuchtete Bühne und lassen nichts anbrennen: Es geht los mit einem gewagt dreckigen ›Magic Man‹, und die elektrisierende Fingerfertigkeit von Nancy Wilson und Craig Bartock an den Gitarren lässt das gesamte Publikum von den Stühlen aufspringen. Hymne um Hymne wie ›Heartless‹, ›What About Love‹, ›Straight On‹ und das donnernde ›Kick It Out‹ zeigen die Band in Bestform.
Ann Wilson wird gebührenderweise als eine der besten Sängerinnen ihrer Generation angesehen – Nancy wiederum darf bei ›There‘s The Girl‹ zeigen, dass sie ihrer Schwester diesbezüglich in nichts nachsteht. Dann kehrt Ann mit Gitarre in der Hand zurück, begrüßt die Heart Mongers – eine besonders lautstarke Legion des offiziellen Fanclubs – und beginnt den balladenreichen zweiten Akt des Konzerts.
Mit einer Darbietung von ›Mona Lisas And Mad Hatters‹ ehren sie Texter Bernie Taupin und demons­trieren einmal mehr ihre unterschätzte Gabe, starke Pop-Hooklines durch ein bluesiges Rock-Prisma zu brechen. Bei einem vor Hits strotzenden Repertoire wie dem von Heart fühlt sich diese Coverversion allerdings etwas verfrüht an. Es folgt ›These Dreams‹, eine weitere Powerballade von Taupin (Martin Page fungierte als Co-Autor), die das 80er-Comeback zementierte und ihnen zu ihrer ersten Nr. 1 in den US-Charts verhalf. Mit ›Alone‹, ebenfalls ein Cover, ge­­lang ihnen das Kunststück 1987 ein zweites Mal. Das Lied, das vermutlich eine ganze Reihe von Swimmingpools, Privatjets und Fünf-Sterne-Urlauben finanziert hat, wird zwar von manchen als Paradebeispiel für die Saccharin-Exzesse des damaligen Produktionsstils genannt, doch von solcher Kritik ist heute nichts zu spüren: Schon die ersten Töne des unverkennbaren Keyboard-Intros ernten laute Begeisterungsstürme wie sonst nur spielentscheidende Tore in der Nachspielzeit.
Mit zwei ihrer größten Erfolge, ›Crazy On You‹ und ›Barracuda‹, geht es dem Ende zu. Nancy rennt über die Bühne, hyperaktiv in einem Rausch von Mörder-Riffs und Karate-Kicks. Danach folgt die Band der altehrwürdigen Tradition, für einen Moment zu verschwinden, nur um dann für eine Zugabe zurückzukehren, die in diesem Fall komplett aus Led-Zeppelin-Stücken besteht: ›The Immigrant Song‹, ›No Quarter‹ und eine bemerkenswerte Fassung von ›Misty Mountain Hop‹.
Nach ihren Danksagungen verlassen sie die Bühne wieder, und für einen Augenblick herrscht Unsicherheit darüber, ob es das nun war oder nicht. Vielleicht liegt es an der schieren Größe ihres Katalogs, der straffen Inszenierung der Show oder der Tatsache, dass glatt ein Drittel des Sets aus Fremdkompositionen bestand, aber diese 17 Songs fühlten sich ein bisschen geizig an. Als ob sie unsere Gedanken lesen würde, schreit eine Frau „zu kurz!“, als die Lichter angehen.

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