In den 80ern genossen sie Weltruhm, doch dann schubsten aufgeblasene Egos, ein intrigantes Management und ein Faible für ein bestimmtes weißes Pulver sie aus der Überholspur. Nach 45 Jahren stellen Krokus den Tourbus nun zum letzten Mal ab.
Es ist schwer, den Gipfel zu erreichen, aber glaub’s mir, dort zu bleiben ist noch viel, viel schwerer“, sagt Chris von Rohr. Als Mitbegründer von Krokus, einer Band, die es aus der Rock’n’Roll-Provinz namens Schweiz in den 80ern zu internationalem Platinsellerstatus brachte, weiß von Rohr mehr als die meisten Menschen über Entschlossenheit und Durchhaltevermögen. Krokus schafften es entgegen allen Erwartungen, einige der besten Hardrock-Platten jener Dekade zu veröffentlichen, und genossen einen sehr kurzen Aufenthalt an der Spitze dieses Genres, bevor Größenwahn, überambitionierte Manager, Exzesse und kreativer Burnout sie wieder auf den absteigenden Ast schoben. Noch weniger war jedoch damit zu rechnen, dass die Bandmitglieder, älter und weiser, ihre Differenzen beigelegen und sich sowohl auf musikalischer als auch auf persönlicher Ebene wieder zusammentun würden. Nach einer Wiedergeburt im Herbst ihrer Karriere schreiben Krokus nun die letzten Kapitel ihrer außergewöhnlichen Geschichte mit einem würdevollen, zufriedenstellenden Abschied.
„Wenn Fernando [von Arb] undich uns an diese Zeiten erinnern, fragen wir uns: ‚Was zum Teufel ist da passiert? Waren wir wirklich so durchgeknallt?‘“, sagt von Rohr und lacht. „Es gab Phasen, da konnte ich über dieses Kindergarten-Benehmen nur noch den Kopf schütteln“, fügt von Arb hinzu. „Die Kombination aus Erfolg und dem weißen Pulver war nicht gut – Schneesturm-Alarm!“
Krokus entstanden 1975 in Solothurn, zum Bandnamen inspiriert, nachdem von Rohr an einem Feld dieser bunten Blumen vorbeigefahren war, die passenderweise das Wort „rok“ enthalten. Die britische Musikpresse machte sich jahrelang einen Spaß daraus, geografische und botanische Kalauer darüber zu reißen, mit Überschriften wie „heavy petal“ oder „Alp is at hand“.
„Niemand wartete auf einen Haufen Rock’n’Roller aus dem Land des Käses, der Uhren und Banken, doch die Musik ist eine Universalsprache und wir folgten einfach unserem Traum“, so von Rohr.
Die Anfangsjahre der Band verliefen ziemlich planlos. Auf den drei Alben zwischen 1976 und 1978 – KROKUS, TO YOU ALL und PAIN KILLER – ließ sich noch keine eindeutige Richtung feststellen. „Wir hatten als ziemlich Prog-orientierte, experimentelle Band angefangen“, erklärt von Rohr, der zunächst Schlagzeuger der Gruppe war, bevor er auf TO YOU ALL – zugleich der Einstand für Gitarrist von Arb – ans Mikro wechselte. „Schrittweise tauchten wir aus der Ursuppe auf und fingen an, etwas aufzubauen, das besser zu uns passte.“
Doch die Unsicherheit blieb. In manchen Ländern wurde PAIN KILLER unter dem Titel PAY IT IN METAL verkauft, außerdem gab es je nach Markt fünf verschiedene Albumcover. Die Zeit war reif für ein wenig mehr Klarheit und eine definierte Stoßrichtung. „Die Scorpions hatten uns gezeigt, dass die Musik nicht so kompliziert sein musste. Schlichtheit ohne Banalität war der Schlüssel.“ Auch wenn von Rohr ein fähiger Frontmann gewesen sein mag, war er doch nicht der Sänger, den Krokus brauchten. Während die Suche nach einem neuen Mann am Mikro begann, machten sich von Rohr und von Arb an die Arbeit, um die Songs zu schreiben, die ihren Traum entweder Wahrheit werden lassen oder endgültig begraben würden. Jeder wurde aufwendig als Demo aufgenommen, feingeschliffen und, falls nötig, auseinandergenommen und neu konfiguriert, bevor der neue Sänger Henry Fries schließlich seine Vocals dazu beisteuern durfte. Doch dann schlug das Schicksal zu: Gerade als das Album bereit zur Veröffentlichung war, ließ Fries die Bombe platzen, dass er die Schweiz verlassen und ein neues Leben in Italien beginnen würde.
Einen Ersatz suchend, klopften Krokus bei dem gebürtigen Malteser Marc Storace an, den sie bei der Konkurrenz, der Schweizer Band Tea, gesehen hatten. Nach seinem Ausstieg bei Tea war Storace nach London gezogen, um eine Band namens Eazy Money zu gründen. Deren Song ›Telephone Man‹ war auf dem zweiten Teil des NWOBHM-Samplers METAL FOR MUTHAS zu hören. Tagsüber arbeitete Storace am Flughafen Gatwick und machte die Durchsagen für die Flüge.
„Tea hatten eigenartige Musik gemacht, aber Marcs Stimme war genial“, schwärmt von Rohr. „Wir wollten jemanden, der diese dritte Oktave treffen konnte, der hoch singen konnte, ohne dass es gezwungen klang. Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, damit er zurück in die Schweiz zog, und bereit war, unsere Musik zu singen. Zumindest anfangs war es eine schwierige Beziehung zu ihm und es gab viel Streit.“
„Eazy Money standen kurz davor, einen Vertrag bei Chrysalis Records zu unterschreiben, und sie wollten uns nach Amerika schicken, um dort mit Genesis auf Tour zu gehen. Bei Krokus einzusteigen, bedeutete also, zweieinhalb Jahre Arbeit aufzugeben“, erklärt Storace heute und nennt die Fingerfertigkeit von Krokus-Gitarrist Tommy Keifer als entscheidenden Faktor. „Er spielte wie ein Gott“, sagt er. „Was Tommy da auf ›Fire‹ und ›Tokyo Nights‹ ablieferte, sind zwei der besten Gitarrensoli aller Zeiten. Ich weiß noch, wie ich zu meiner Frau sagte, dass dies eine Band war, bei der ich die nächsten zehn Jahre garantiert Arbeit haben würde. Und ohne angeben zu wollen, denke ich, dass mein Gesang seinen Teil dazu beigetragen hat, die Dinge auf ein neues Level zu heben.“
…..leider lässt die verdammte Corona-Pandemie zur Zeit keine Shows zu. Vielleicht klappt es ja noch dieses Jahr im Herbst.
Krokus ist wie bei uns die Scorpions, eine klasse Hard-Rock-Band. Die Zeit bleibt bei keinem stehen. Goodbye, eure Musik bleibt uns erhalten, wenn auch leider nur als Konserve………