Neben der Einzigartigkeit ihrer Erfolgsalben FRAGILE, CLOSE TO THE EDGE (beide 1972), TALES FROM TOPOGRAPHIC OCEANS (1973) oder 90125 (1983) gelten Yes auch als Pioniere spektakulärer Bühnenshows. Sie setzten erstmals Laserkanonen ein, verwendeten aufwändige, von Fantasy-Art inspirierte Bühnenaufbauten und platzierten diese mitten in der Halle. Blicken wir zurück auf einige der gelungensten und doch eher weniger gelungenen Werke der Prog-Giganten.
Unverzichtbar
FRAGILE (Atlantic, 1971)
Mit dem Wechsel von Tony Kaye zu Rick Wakeman explodiert die Kreativität der Band. Schon bei den ersten Proben komponieren Yes mit ›Roundabout‹ und ›Heart Of The Sunrise‹ zwei ihrer größten Hits und legen das Fundament für FRAGILE, bei dem das Cover-Konzept und die fortan charakteristische Schreibweise des Namenszugs von Roger Dean mit der farbenfrohen Musik der Band perfekt harmoniert. Yes gelingt es, komplexe, anspruchsvolle Ideen so raffiniert zu arrangieren, dass die starken Melodien und griffigen Hooks jederzeit präsent blieben, sozusagen der perfekte Spagat zwischen Intellektualität, Musikalität und kommerzieller Eingängigkeit.
CLOSE TO THE EDGE (Atlantic, 1972)
Anstatt ihr Erfolgskonzept nur stupide zu kopieren, entwickeln Yes ihren Sound einen Schritt weiter und veröffentlichen mit dem genialen CLOSE TO THE EDGE ein Album, das zwar nur aus drei Stücken besteht, dafür aber die gesamte Komplexität des Yes-Sounds reflektiert. Höhepunkte: der 18-minütige Titeltrack mit Sonatencharakter sowie die Halbballade ›And You And I‹, die mit ihrer verspielten Akustikgitarre die nachdenkliche, intime Seite der Band widerspiegelt. Dennoch gesteht Schlagzeuger Bill Bruford: „Es war ein langsamer und mühsamer Prozess – wie das Besteigen des Mount Everest.“
Wunderbar
THE YES ALBUM (Atlantic, 1971)
Bei THE YES ALBUM ersetzt Steve Howe Peter Banks, der das Orchesterkonzept vom Vorgänger TIME AND A WORD missbilligt und sich in seiner künstlerischen Freiheit beschnitten fühlt. Howe erweist sich als noch vielseitigerer Gitarrist, der neben E-Gitarren auch Dobro- und 12- saitige Modelle einführt und den Sound der Gruppe damit enorm bereichert. Das Album beginnt mit dem Paukenschlag ›Yours Is No Disgrace‹ und glänzt mit zwei weiteren Höhepunkten: das dreiteilige ›Starship Trooper‹ und ›I‘ve Seen All Good People‹. Aretha Franklin nennt es die „beste Pop-Platte der letzten Zeit.“
TALES FROM TOPOGRAPHIC OCEANS (Atlantic, 1973)
Ursprünglich will Anderson das Album TALES FROM TOBOGRA-PHIC OCEANS nennen, basierend auf der Theorie des britischen Astronomen Sir Fred Hoyles über die röhrenförmige Ausdehnung des Weltalls, entscheidet sich dann jedoch für einen topografischen Ozean. Die Produktion verläuft turbulent: „Wir ließen Heuballen und Holzzäune anliefern, dazu eine elektrische Kuh mit Eutern“, amüsiert sich Wakeman. Das Album kann zwar den hohen Standard des Vorgängers nicht ganz halten, ist aber dennoch nicht nur in optischer Hinsicht ein weiterer Höhepunkt.
RELAYER (Atlantic, 1974)
Mit Keyboarder Patrick Moraz erhält der Yes-Sound ein stärkeres Faible für Jazzrock. RELAYER vereint neue Einflüsse mit den aufs Wesentliche komprimierten Direktiven von TALES OF TOPO-GRAPHIC OCEANS. Drei Meisterwerke veredeln die Scheibe: die Suite ›The Gates Of Delirium‹, ›Sound Chaser‹ und ›To Be Over‹ mit ihrem geradezu aggressiven Grundtenor. „Mit der ersten LP ohne Wakeman ist die Band endlich und vielleicht noch recht-zeitig vom direkten Pfad zu den Festspielen in Bayreuth und nach Oberammergau abgewichen“, schreibt „Sounds“ und lobt den „körperlich stimulierenden rhythmischen Untergrund.“
90125 (Atlantic, 1983)
90125 ist das erfolgreichste Yes-Album. Sein Welthit ›Owner Of A Lonely Heart‹ entsteht durch Zufall: „Wir brauchten einen kurzen Song. Ich fuhr zu Rabin und hörte mit ihm Kassetten mit Yes-Ideen an“, so Produzent Trevor Horn. „Was ich hörte, gefiel mir nicht, aber als er auf die Toilette musste, entdeckte ich die Pas-sage, die später das Intro von ›Owner Of A Lonely Heart‹ wurde. Ich sagte zu ihm: ,Das ist ein Nummer 1-Hit.’ Er antwortete: ,Das geht nicht, das Stück habe ich für jemand anderen geschrieben.’“ Zum Glück lässt sich Horn von seiner Idee nicht abbringen und überzeugt Gitarrist Rabin, den Song für Yes freizugeben.
Anhörbar
TIME AND A WORD (Atlantic, 1970)
Das zweite Album TIME AND A WORD zeigt äußerlich durchaus Ähnlichkeiten zum Debüt, ist kompositorisch jedoch ein anderes Kaliber. Die Arrangements klingen selbstbewusster, die Handschrift der Band ist nun deutlich profilierter. Außerdem holen Yes ein Orchester ins Studio. Die Single ›Sweet Dreams‹ wurde zwar ohne Orchester eingespielt und hat auch nur wenig textlichen Tiefgang, doch in ›The Prophet‹ fordert Anderson dazu auf, an Denkmälern zu rütteln. „Ich versuche den Leuten klar-zumachen, dass sie Propheten wie Bob Dylan oder den Beatles nicht blind wie Schafe folgen sollen“, erklärt er der Presse.
DRAMA (Atlantic, 1980)
Der Ausstieg von Anderson und Wakeman scheint das Ende von Yes zu sein. Doch die verbliebenen Mitglieder Squire, Howe und White sowie ihr Manager Brian Lane wollen ihren Dukatenesel nicht sterben lassen. Auf Anraten von Brian Lane werden Trevor Horn und Geoff Downes von den Buggles (›Video Killed The Radio Star‹) verpflichtet. Horns helle, an Anderson erinnernde Stimme löst das personelle Dilemma ebenso wie Downes‘ Keyboardsounds. In dieser Konstellation wird 1980 das eigenwillige DRAMA veröffentlicht, das in punkto Innovation sicherlich kein sonderlich großer Schlag ist, aber für seine musikalische Vielfalt geliebt wird.
FLY FROM HERE (Frontiers, 2011)
Ein gelungenes Comeback. Yes vergehen sich weder am eigenen Erbe ruhmreicher Tage – noch versuchen sie mit Anderson-Ersatzmann Benoît David der eigenen Tradition abzuschwören. Das Ergebnis einer Besetzung, die erst wie eine Notlösung schien, ist ein Album mit tollem Sound und verträumter Schönheit, die viele anfangs kritische Fans positiv überrascht. Alle wichtigen Parameter des feingliedrigen Yes-Sounds sind zu finden: mehrstimmige Gesänge, epische Arrangements und ein Titelsong, der ein unveröffentlichtes Überbleibsel aus der DRAMA-Ära (1980) ist.
Sonderbar
UNION (Arista, 1991)
1988 driftet die Band erneut auseinander. Sänger Jon Anderson formiert mit seinen früheren Yes-Kollegen Bill Bruford, Rick Wakeman und Steve Howe die Formation ABWH, während sich Trevor Rabin, Tony Kaye, Alan White und Chris Squire in der so genannten YesWest-Besetzung zusammenfinden. Für UNION verabreden die Managements eine Zusammenarbeit beider Lager. Ein in geschäftlicher Hinsicht genialer Schachzug, künstlerisch dagegen ein unausgegorenes Unterfangen mit einem inhaltlich halbherzigen Kompromiss, der nicht funktioniert. „Diese LP ist ein übles, überproduziertes, zusammenhangloses Werk“, schimpft Bill Bruford.