Auch wenn die Iren ihren Ultra-Bestseller THE JOSHUA TREE von 1987 zum ersten Mal in voller Länge spielen, bestehen sie darauf, dass es sich bei dieser Megatournee um keinen selbstverliebten Nostalgietrip handelt, sondern um eine Neubewertung dieser USA-zentrischen Klassiker im Kontext der Ära Trump. Darüber kann man sich zwar streiten, über die unverminderte Kraft dieser Songs jedoch nicht. ›Where The Streets Have No Name‹, ›I Still Haven‘t Found What I‘m Looking For‹, ›With Or Without You‹ und mehr klingen aufregend frisch, treibend, strahlend und lebendig, selbst in einem regendurchtränkten Berliner Stadion.
Im Vergleich zu den Hightech-Overkills der jüngeren Tourneen der Band ist diese Produktion bemerkenswert spartanisch und agil.
Anton Corbijns neu gefilmte Panoramen von majestätischen Wüstenszenerien und Nahaufnahmen von Gesichtern, die uns von einem hochauflösenden Mega-Bildschirm beglücken, sind schlicht und doch kraftvoll. Viele der Songs klingen ebenso erfrischt. ›Red Hill Mining Town‹ erlebt hier sein äußerst spätes Live-Debüt und erinnert mit seinem neuen, dynamischen Bläser-Arrangement angenehm an den frühen David Bowie. Auch textlich streut Bono immer wieder Referenzen an den großen Künstler ein, etwa die deutsche Fassung von ›Heroes‹.
Nach Ende der JOSHUA TREE-Songs kommt die Zugabe nicht so richtig in Gang, auch wenn adrenalinbetankte Riffmonster wie ›Elevation‹ und ›Vertigo‹ zeitweise für Moshpit-Hysterie im gesamten Stadion sorgen. Und auch wenn man Bonos unermüdlichem Aktivismus positiv geneigt ist, fühlen sich seine Statements zu Feminismus und Ungleichheit hier etwas vage und abgedroschen an. Doch ob man sie nun liebt oder hasst – auch dieses Konzert bestätigt die Position von U2 als beste Breitwandspektakel-Band ihrer Generation.