Der Alkoholismus hatte Jim Morrison eisern im Griff, zeitweise konnte er kaum noch live spielen, zudem stand ihm möglicherweise eine 13-jährige Haftstrafe bevor. In diesem Abwärtsstrudel drohte er den Rest der Doors mit sich in den Abgrund zu reißen. Die Lösung: ins Studio gehen! Entgegen aller Erwartungen gelang ihnen dort eines ihrer besten Alben: MORRISON HOTEL.
Ende der 60er Jahre standen The Doors – eine jener düsteren amerikanischen Gruppen, die den entfesselten Geist dieser bahnbrechenden, aber auch so problematischen Dekade perfekt verkörperten – am Abgrund. Jim Morrison wurde immer mehr zum Opfer seines eigenen Hypes, war die meiste Zeit betrunken jenseits jeglicher Beherrschung – eine Gefahr für sich selbst und andere. Der Rest der Band
begann, sich um die Zukunft Sorgen zu machen. „Die Jungs hassten Jim nicht“, bekräftigt der einstige Doors-Tourmanager Vince Treanor. „Sie mochten ihn. Sie wollten, dass er ein Teil der Gruppe war, aber sie konnten den Ärger, den er verursachte, nicht mehr ertragen. Sie konnten nicht all die aufgrund seines Verhaltens abgesagten Auftritte, ausbleibenden Plattenverkäufe und Radioeinsätze akzeptieren. Die ganze Kritik, die Zeitungsartikel, die Pastoren und selbstgerechten Pfarrer mit ihren geheimen Lovern, die sich hervortaten und sagten, wie schlimm die Doors doch seien und was für ein Perverser Morrison sei. Das ganze Ding. Sie wollten sich nicht mit dieser schlechten, negativen, schrecklichen Aufmerksamkeit abgeben müssen.“
Doch in dem ausgedehnten Nachspiel der Verhaftung des Frontmanns, nachdem er bei einem Konzert in
Miami im April 1969 angeblich seinen Penis herausgeholt hatte, folgte diese „schlechte, negative, schreckliche Publicity“ den Doors wie ein Mückenschwarm. Die Veröffentlichung von THE SOFT PARADE später in jenem Jahr, einer selbstverliebten Mischung aus textlicher Ichbezogenheit und musikalischer Überheblichkeit, war dem schwindenden Ruf der Band auch nicht zuträglich gewesen. Jim Morrison war nur eine bärtige, aufgedunsene Karikatur des brandheißen Bohème-Poeten, als den er sich nach wie vor sah. Keyboarder Ray Manzarek, Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore waren unterdessen nur noch niedergeschlagen und zutiefst verzweifelt über ihre sich rapide verfinsternden
Karriereaussichten. Auf einmal war alles an den Doors anstrengend geworden.
„Je mehr Jim außer Kontrolle geriet – ein Zimmer voller Schießpulver, das nur darauf wartete, dass jemand ein Zündholz ansteckte –, desto mehr entfremdete und isolierte sich Ray von ihm“, so Treanor. „Ray gab Jim zwar nie auf, doch er tat auch nie das, was wir alle hätten tun sollen, nämlich zu sagen: ‚Pass auf, Arschloch, krieg deinen Mist auf die Reihe, du zerstörst alles!‘“ Treanor erinnert sich, wie Morrison einmal zu ihm sagte: „Die Leute wollen mich betrunken auf der Bühne sehen“. Und erwiderte: „Niemand will das sehen. Sie wollen eine Doors-Show sehen, nicht, wie du besoffen über die Bühne torkelst, die Texte vergisst und nur noch Unsinn faselst. Bring eine Doors-Show, singe die Musik der Doors, hör mit dem Schwachsinn auf, denn das wird nur Schaden anrichten!“ Ende 1969 schien tatsächlich die ganze Welt beschädigt zu sein. Amerika führte immer noch Krieg in Südostasien, Großbritannien zerfiel nach wie vor und Europa steckte wie gehabt den Kopf in den Sand. Im Rock gab es diesen Traum, wie er im August von Woodstock verkörpert worden war – ein Ereignis, von dem sich die Doors ganz bewusst fernhielten, denn, wie ihr Manager Bill Siddons heute sagt, „sie spielten ausschließlich als Headliner und wollten nie eine Band unter vielen sein“.
Robby Krieger dagegen erklärte es einmal damit, dass die dachten, es würde „eine zweitklassige Wiederholung des Monterey Pop Festival aus dem Vorjahr“ werden – eine Entscheidung, die sie bereuen sollten. Doch dieser Traum hatte sich in den Alptraum des Gratis-Open-Airs der Rolling Stones auf dem Altamont Racetrack im Dezember verwandelt, wo die 18-jährige Meredith Hunter von Hells Angels zu Tode gestochen und geprügelt wurde. Zur selben Zeit hatten die Morde der Charles Mansons Clique und die folgenden Verhaftungen Los Angeles von einer lebensfrohen und freien Stadt in eine paranoide Metropole verwandelt. Die Leute – vor allem wohlhabende Menschen aus der Musik- und Filmbranche – führten nun Waffen im Auto mit sich. Und als Kokain und Heroin den Platz von Gras und LSD als bevorzugte Drogen einnahmen, ließen diese neuen „harten Angewohnheiten“, die in Amerika
generell und vor allem in L.A. Einzug hielten, Morrisons Benehmen vor und nach Miami plötzlich eigenartig zeitgemäß erscheinen. Wie er einem neuen Song sang, den er geschrieben hatte: „Blood on the streets of fantastic L.A. …“
Vor diesem Hintergrund entstand also das fünfte Doors-Album, ursprünglich HARD ROCK CAFÉ betitelt, bevor man sich für das geheimnisvoller klingende MORRISON HOTEL entschied. Auf der Plattenhülle hieß die erste Seite allerdings immer noch „Hard Rock Café“, die zweite „Morrison Hotel“