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Titelstory: Aerosmith – Tanz auf dem Vulkan

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Titelstory: Aerosmith – Tanz auf dem Vulkan

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Lenny oder Sammy

Genau wie – das gibt das Trio unumwunden zu – der Ansatz von 2010, einfach mit einem anderen Sänger als Steven Tyler weiterzumachen, dessen permanenten Betriebsunfälle, kombiniert mit zahlreichen Nebenaktivitäten wie der Veröffentlichung einer Autobiographie, Gastauftritten in TV-Serien wie „Two And A Half Man“ oder der Vorstellung einer eigenen Motorrad-Kollektion seine Bandkollegen an den Rand des Wahnsinns und der (beinahe) folgenschweren Fehlentscheidungen führten.

„Nimm es so: Wir wollten ins Studio und endlich etwas Neues machen, und wir wollten damit auf die Bühne. Denn das ist unser Job, wir sind Musiker, und nichts anderes“, setzt Joey an. „Doch weil das nicht zu klappen schien, haben wir uns halt mit Leuten wie Sammy Hagar unterhalten – der auch sofort mitgemacht hätte. Einfach, weil wir schon ewig Freunde sind, und er das Material in- und auswendig kennt. Dagegen war Lenny Kravitz ein Vorschlag, der von außen kam, und mit dem weder er noch wir besonders glücklich waren. Und ich muss sagen: Im Nachhinein wünschte ich, wir hätten das alles nicht gemacht, sondern uns mit Steven ausgesprochen. Nur: Wir hatten keinen Draht zu ihm. Er war in einer anderen Welt, in der es ihm offensichtlich auch ganz gut gefallen hat. Aber die halt nichts mit uns zu tun hat.“

American Idol

Eine offenkundige Anspielung auf Tylers Engagement als Jury-Mitglied in der Castingshow American Idol, die ihm eine Gage von geschätzten 40 Millionen Dollar sowie einen Platz an der Seite von Jennifer Lopez bescherte. Gleichzeitig aber auch jede Menge wütende Proteste aus Fankreisen, die dem Sänger den ideologischen Ausverkauf vorwarfen, nur um dann doch – gegen alle Erwartungen – Publikumsliebling zu werden und Aerosmith ein ganz neues Publikum diesseits der 40, 50 zu bescheren. Also junge Kids, die die Hits von gestern und einen der zweifellos besten Frontmänner der Rockgeschichte für sich entdecken – und der Band einen neuen Popularitätsschub geben. „Das ist uns im Nachhinein auch klar geworden“, lacht Tom Hamilton trocken. „Eben, dass es eigentlich gar nicht so schlimm ist, wie zunächst befürchtet. Ich meine, keine Ahnung, ob sich das spürbar in Ticketumsätzen niederschlägt. Aber es hat die Welt definitiv daran erinnert, dass es da draußen eine Band namens Aerosmith gibt, die vielleicht gerade kein neues Album am Start hat, aber immer noch existiert – und kräftig Popo tritt, wenn sie auf der Bühne steht. Dafür müssen wir ihm dankbar sein.“ – „Auch, wenn wir es zunächst nicht glauben konnten, dass er sich darauf einlässt“, setzt Joey fort. „Aber wahrscheinlich waren wir einfach nur sauer, dass er uns nicht selbst informiert hat. Wir haben es aus der Zeitung erfahren – wie jeder andere auch.“ Was kein gutes Licht auf die interne Kommunikation einer Gruppe wirft, die sich damit schmückt, die letzte amerikanische Rockband der 70er zu sein, die noch in Originalbesetzung agiert. Was auch fast stimmt – die Jungs von ZZ-Top mögen es ihnen nachsehen.

Musik aus einer anderen Dimension

Gerade und vor allem angesichts eines Comeback-Albums wie MUSIC FROM ANOTHER DIMENSION, der 15. Longplayer im 42. Jahr – und zugleich einer ihrer besten. Einfach, weil er rein qualitativ auf einer Ebene mit Meilensteinen wie TOYS IN ATTIC, ROCKS und PUMP rangiert, nicht weniger als 15 Stücke (18 in der Deluxe-Edition) enthält und wieder den ureigenen Brückenschlag zwischen butterweichen, voll orchestrierten Power-Balladen sowie richtig heftigen, erdigen Rockern, gewürzt mit einer kräftigen Prise Blues bietet. Eben genau das, was man von der Band-Institution aus Boston erwartet. Und was sie diesmal – mit Ausnahme von je einem Song aus der Feder von Diane Warren, Desmond Child, Jim Vallance und Marti Frederiksen – auch im Alleingang zu verantworten haben. Also ohne Hilfe von sündhaft teuren Songwriter-Gurus, auf die man sich in den späten 80ern/frühen 90ern nur zu gerne verlassen und anschließend über die hohen Tantiemen geärgert hat.

„Das Album zeigt, was wir über die Jahre alles gelernt und vor allem gemacht haben“, so Brad. „Du kannst darauf Sachen aus jeder einzelnen Phase unserer Geschichte hören. Wobei es gleichzeitig aber auch zu unseren Anfängen zurückgeht. Was nicht zuletzt daran liegt, dass wir mit einem Produzenten gearbeitet haben, der unsere Arbeitsweise und unseren Sound entschieden mitgeprägt hat. Was das betrifft, verdanken wir Jack Douglas wirklich eine Menge. Und ich denke, er hat das Beste aus dem herausgeholt, was wir hatten. Also wir haben uns ganz bewusst nicht auf zu viel externen Kram verlassen, weil man uns das in der Vergangenheit ja auch oft zum Vorwurf gemacht hat. Wahrscheinlich sogar zu Recht. Deshalb haben wir diesmal hauptsächlich das verwendet, was wir hatten. Und das waren halt 20 Songs, die wir – in welcher Form auch immer – allesamt aufgenommen haben.

Eben für unterschiedliche Formate der CD. Was aber auch bedeutet, dass wir jetzt blank sind. Also dass da wirklich nichts mehr ist, worauf wir in naher Zukunft zurückgreifen könnten. Und da wir nun wirklich nicht die schnellsten sind, was das Schreiben von Songs betrifft, könnte es das durchaus gewesen sein. Was nicht heißt, dass ich die Hoffnung aufgebe, aber ich bin einfach Realist. Ich fürchte, dass wir das mit Ende 60/Anfang 70 nicht noch einmal hinkriegen. Obwohl: Diese ganzen alten Blues-Jungs haben es ja auch geschafft.“

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