LET THERE BE ROCK – ja die gesamte Karriere von AC/DC – ist ohne ›Whole Lotta Rosie‹ gar nicht vorstellbar. Anfangs noch unter dem Titel „Dirty Eyes“ geführt, hatte die Band zunächst Probleme mit dem Stück. Erst nach einer Woche Arbeit funkionierte es. Und ja, besagte Rosie war eine reale Person.
„Sie war ein Mädchen aus Tasmanien“, kichert Evans. „Ein dickes Mädchen. Dicker als wir alle zusammen. Hinter dem St. Kilda-Hotel in Melbourne, wo wir immer wohnten, war ein Bordell, das Rosie leitete. Dann kam eines Tages Pat Pickett, Bons bester Freund und unser Bühnentechniker, aufgeregt reingerannt und sagte: ,Ihr müsst kommen und euch das ansehen! Er hat sie gefickt! Also ging ich in Bons Zimmer, und man konnte diesen riesigen Wal von einer Frau auf dem Bett sehen – und Bon, der wie ein kleiner Arm mit Tattoos darunter herausragte. Pat sagte: ,Schau, er ist irgendwo da drin!‘ Aber sie war echt gut drauf, Rosie, eine echt nette Person. Ich kann weder bestätigen oder widerlegen, ob Rosie ihr echter Name war, aber wir kannten sie als Rosie, weil sie rotes Haar hatte.“
Auf den Pressungen für den australischen, britischen und europäischen Markt fand sich noch ein nettes kleines Stück von Bon, das vom US-Label jedoch abgelehnt wurde: ›Crabsody In Blue‹, ein wundervoll swingender Blues-Song – halb ›Ride On‹, halb ›The Jack‹ –, der wiederum auf Bons persönlicher sexueller Geschichte beruhte. Beispiel: „Well, they move on down and they crawl around.“
35 Jahre später mag der Humor gezwungen, fast schon anachronistisch erscheinen. Aber zu seiner Zeit war ›Crabsody In Blue‹ richtig anarchisch. Den Amerikanern (und letztlich auch der japanischen Plattenfirma) war es zuviel, und sie ersetzten es mit ›Problem Child‹, ironischerweise von DIRTY DEEDS, das sie ebenfalls gerade erst abgelehnt hatten.
AC/DCs viertes und bislang bestes Album LET THERE BE ROCK erschien in Australien im März 1977… und schaffte es gerade so in die Top 20. Die Kritiken waren ebenfalls niederschmetternd. Die Überschrift in der Sydneyer Tageszeitung „Sun“ lautete einfach: „Wie langweilig.“
Ian Jeffery war ein in London ansässiger Schotte und begann in jenem Jahr seine Arbeit als Tourmanager der Band. „Das verletzte sie viel mehr, als dass Amerika ihre Musik nicht verstand“, erinnert er sich daran, wie das Album in Australien aufgenommen wurde. „Die Tatsache, dass ihr eigenes Land sie enttäuscht hatte, schmerzte ungemein.“
Die Kritik tat ihnen so weh, dass die Band sich jahrelang weigerte, in Australien zu touren. Stattdessen kehrten sie nach London zurück, wo das AC/DC-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühl sich nur noch verstärkte.
„In London gingen wir immer alle zusammen aus“, sagt Jeffery. „Unser Pub war das Warrington in Maida Vale. Malcolm brachte manchmal sogar Angus ins Warrington mit. Angus trank dann Limonade oder Orangensaft, aber Malcolm legte immer mit Pints los und hörte mit ein paar großen Whiskys auf. Da wusste man dann, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen.“
Aber selbst in London schien sich plötzlich das Schicksal gegen sie wenden zu wollen. Punk war eingeschlagen – und plötzlich liefen AC/DC Gefahr, mit anderen Rock-„Dinosauriern“ wie Led Zeppeling oder den Rolling Stones unter den Teppich der Rockmedien gekehrt zu werden.
Die Band reagierte darauf mit typischem Trotz. Sie blickten auf die Talente der Punks – „Wenigstens waren die Rolling Stones kompetente Musiker“, ätzte Angus – ebenso herab wie auf ihre angeblich so rebellische Haltung. „Die echten Punks waren die (wahren Blues-)Typen, die von Anfang an kämpfen mussten, um akzeptiert zu werden“, stellte Malcolm fest – und nannte Bon Scott einen wesentlich wilderen Kerl, als Johnny Rotten es jemals sein würde. Die Verachtung der Band für das, was sie als komplett künstliche Szene empfanden, wuchs nur noch mehr durch Vorfälle wie diesen: Als ein australischer Fernsehmoderator Malcolm bei einem Interviewdazu zu bringen versuchte, etwas „Skandalöses“ zu sagen, stürmte Malcolm hinaus. Daraufhin lief ihm der Produzent der Sendung hinterher und bettelte ihn an, ob er nicht zurückkommen könne, damit sie besser filmen könnten, wie er noch mal hinausstürmt.
Als das britische Musikmagazin NME AC/DC dafür kritisierte, dass sie ihr Publikum einfach nur bedienen statt es „herauszufordern“, schlug Bon zurück: „Diese Kids arbeiten in einer beschissenen Fabrik oder sind vielleicht arbeitslos“, sagte er. „Am Wochenende wollen sie dann ausgehen und Spaß haben, sich betrinken und ausflippen. Wir geben ihnen die Gelegenheit dazu.“