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Titelstory: 1979 – Motörheads BOMBER

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Titelstory: 1979 – Motörheads BOMBER

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Lemmy beschrieb BOMBER später korrekt als „Übergangsalbum“. Stücke wie das breitbeinige ›Lawman‹ – Lemmys wütende Hasstirade gegen Belästigungen durch die Polizei (von der Razzia in Toronto, die zu seinem Rausschmiss bei Hawkwind führte, bis zu der Inhaftierung in Helsinki, mit diversen Durchsuchungen bei ihm zuhause und auch im Büro von Motörhead dazwischen) – hatten geniale Texte, doch deuteten musikalisch nur die stahlharte Knackigkeit an, die sie später live annehmen sollten.
Dasselbe galt für andere eindeutig autobiografische Songs, etwa das ominös klingende ›Sweet Revenge‹ oder das kratzende ›Sharp Shooter‹. Beides waren Geschichten aus Lemmys kleinem schwarzen Buch über das, was er denjenigen antun wollte, die ihm Unrecht getan hatten (Hallo, Hawkmänner!). Auf ›Poison‹ ging es um die Wut, die er immer noch darüber empfand, wie sein Vater, „ein schrecklicher, glatzköpfiger kleiner Wichser“, seine Mutter im Stich gelassen hatte, als Lemmy noch ein Kind war. Und ›All The Aces‹ beschrieb, wie man im Musikbusiness ständig von „Leuten ohne Gesicht“ über den Tisch gezogen wird. Die Texte sind dabei richtige Storys, basierend auf echten Erlebnissen. Doch die Melodien und Bumm-bumm-Rhythmen wurden nie entwickelt, nie richtig arrangiert oder produziert. Das Ergebnis ist eine matschige Gleichförmigkeit, die klingt, als würde eine Leiche aus einem Fluss gezogen.

Eddie erinnerte sich nur wenige Monate vor seinem Tod: „Es war unglaublich, wie viel besser Lemmys Texte geworden waren. Verdammt, er wurde ständig besser und besser! Als wir bei OVERKILL diese kleine Formel geknackt hatten, wie wir wirklich zusammenarbeiten mussten, hoben wir richtig ab. Und dann war BOMBER… na ja, ich weiß nicht. Ein paar tolle Tracks, super Texte, ein paar gute Riffs, doch nach OVERKILL kam das Ganze doch etwas flach rüber. Keiner von uns in der Band war wirklich zufrieden damit. Es fühlte sich irgendwie nicht gut an, als wäre es nicht komplett. Das mag seltsam klingen von einer Band, die immer stolz darauf war, wie schnell sie Platten fertigstellen konnte, aber diese eine wurde einfach ZU schnell gemacht. Ich glaube, keiner von uns hatte das Album auch nur ein einziges Mal von Anfang bis Ende angehört, bevor wir die fertigen Pressungen in der Hand hielten.“

Dennoch gab es zwei unumstößliche Motörhead-Klassiker auf BOMBER. ›Stone Dead Forever‹ war eine der besten Nummern, die die ursprünglichen drei Amigos je fabrizierten. Aufgebaut auf demselben verzerrten Ein-Ton-Donnerdröhnen von Lemmys Bass wie die Single ›Overkill‹, ächzte er die Worte, während Eddie alles zum Brodeln brachte mit dem besten, sinnlichsten Gitarrenpart, der ihm je einfallen sollte. Es war riesengroß, eine monumentale Legende von einem Song aus Teilen von Punk, viel Metal und 100 Prozent Harley-Davidson. „Ich meine, ›Stone Dead Forever‹“, sagte Eddie fast 40 Jahre später und schüttelte ungläubig den Kopf. „Fuck, Mann! Habe ich wirklich diese Gitarre gespielt?“

Das Beste hoben sie sich jedoch fürs Ende auf, fast wie eine Belohnung dafür, so lange durchgehalten zu haben. Der Titelsong mit seinem berühmten ABC-Sirenen-Riff, der röhrenden Leadgitarre, den Stakkato-Drums und Lemmy, der wie ein Hund knurrt, der gerade ein Schaf zerfetzt, wurde umgehend neben ›Overkill‹ und ›Ace Of Spades‹ zu einem Teil der unheiligen Dreifaltigkeit von Alltime-Motörhead-Klassikern.

Lemmy hatte sich den Titel zwar von Len Deightons Roman geklaut, doch der Text hatte nichts mit dem Buch zu tun, in dem ein Bombenangriff der Royal Air Force auf Deutschland im Zweiten Weltkrieg schiefgeht. Stattdessen bediente sich Lemmy bei dem Bild des Lancaster-Kampfflugzeugs, das in den Himmel steigt und seine tödliche Fracht ausklinkt, als Aufhänger für eine Metapher über das Leben auf Tour in einer Band aus Rock’n’Roll-Outlaws. „Because you know we do it right, a mission every night/It’s a bomber, it’s a bomber…“

Es folgte totaler Wahnsinn. Vor allem, nachdem die Band auf der anschließenden Tournee ihr neues Bühnenrequisit präsentierte: einen zwölf Meter langen Aluminium-„Bomber“, der im Sturzflug auf das Publikum zuzufliegen schien. Tatsächlich war das eine speziell angefertigte Licht­traverse mit vier „Triebwerken“, die sich vor- und rückwärts sowie seitlich bewegen konnten, während die Kanonen feuerten und das ganze Ding vornüber kippte, als würde es gleich im Zuschauerraum abstürzen.
Eddie sagte immer, das sei seine Idee gewesen. Seiner Erzählung nach saßen sie alle drei eines Tages im Büro der Band ihrem Manager Doug Smith gegenüber „und sprachen darüber, wie man Flugzeugflügel in eine Bühnenkulisse einbauen könnte. Doch das war ein bisschen zu ambitioniert“.

Dann hatte der Lichttechniker Peter Barnes die zündende Idee, wie Eddie erklärte. „Er sagte: ‚Wieso montieren wir die Lichter nicht auf ein fucking Flugzeugskelett? Dann lassen wir es an Ketten auf und ab fahren‘. Ich dachte: Mach mal fucking halblang! Aber wir versuchten es und es funktionierte. Es funktionierte wirklich! Dieser ‚Bomber‘ war definitiv eine neue Dimension.“

In der heutigen Zeit, wo computergesteuerte Bühenproduktionen mit Tänzern und Videoleinwänden oft mehr Unterhaltung erzeugen als die Künstler mit der Musik selbst, kann man sich kaum die Aufregung und das Erstaunen vorstellen, mit der diese relativ simple neue „Bomber“-Kulisse aufgenommen wurde. Es war mehr wie ein altmodischer Zirkus als ein modernes CGI-Spektakel, doch die Bilder, die nun in Musikmagazinen in aller Welt auftauchten, und die vielen Artikel, die darüber geschrieben wurden, verbreiteten die Nachricht, dass Motörhead und ihre BOMBER-Konzerte die üblichen Punk-Metal-Knüppeleien weit hinter sich gelassen hatten. Was sie nun boten, war auf einem völlig anderen Niveau. Immer noch von der Straße, doch mit dem Blick aus der Gosse in den Himmel gerichtet. Es hatte Klasse auf eine auffällig klassenlose Art. „Wenn es mal nicht so gut lief auf der Bühne“, so Eddie, „dachte man: Zum Glück kommt bei der nächste Nummer der Bomber. Man wusste, dass das Ding alle zum Schweigen bringen würde!“

Zum ersten Mal live dargeboten wurde Material von BOMBER, als Motörhead am ersten Abend des Reading Festivals in jenem August an dritter Stelle im Line-up standen. Allerdings spielten sie da nur ›Step Down‹. Als dann die offizielle UK-Tour zu BOMBER im November begann, bestand die Setlist fast nur aus Songs von der Platte. ›All The Aces‹, ›Dead Men Tell No Tales‹, ›Stone Dead Forever‹, ›Lawman‹, ›Poison‹ und als krönender Abschluss das krawallige Titelstück selbst.
Ich weiß noch, wie ich den Bomber im Hammersmith Odeon zum ersten Mal abheben sah und so überwältigt davon war, dass ich fast mein Bier verschüttet hätte. Die Band war in räudiger Topform – dies war die 17. von 21 Shows in Folge – und es war klar wie Crystal Meth, dass in die Entstehung dieses apokalyptischen Events keinerlei Schlaf geflossen war.

Nach der Show war die Szene ebenso kampfbereit. Es gab Zeiten, als diverse Hells Angels der Band treu ergeben folgten. „Das war ein Teil von Lemmys Hawkwind-Erbe“, wie es Doug Smith beschrieb. Das sorgte für eine gewisse Atmosphäre im Raum, doch die Stimmung war immer positiv, unterstützend, wenn auch etwas nervös. Später sollte sich Lemmy von öffentlichen Bekenntnissen über seine Verbindungen zu den stolzen Bikern distanzieren. Doch 1979 war er ganz offen stolz darauf. „Das ist eigentlich ein Vollzeitjob“, zuckte er mit den Schultern. „Für einen jungen Mann kann das eine sehr gewaltreiche Karriere sein.“ Nicht, dass Lemmy sich davon abhalten ließ. „Ich verstehe mich mit ihnen allen“, erzählte er.

Das Stammpublikum war damals ein ungewöhnlicher Mix aus eingefleischten Metalfans, Punkfrisuren, Hippie-Überresten und anderen Außenseitern. In Reading hatte man Motörhead in jenem Jahr an dem als „New Wave Night“ bezeichneten Freitag nach The Cure und Wilko Johnson auf die von Flaschen übersäte Bühne geschickt. The Tourists – die damalige Band der aschfahlen Annie Lennox – hatten die fragwürdige Ehre, nach ihnen aufzutreten, während The Police die Headliner waren. Zwischen den verschiedenen Stämmen, die sich zwischen den Zelten und all den leeren Bierdosen versammelt hatten, kam es zu Prügeleien. Doch an diesem Abend im Hammersmith Odeon und den anderen der Headliner-Tour im November sah die Sache anders aus. Alle Anwesenden waren Lemmys Leute, komme, was wolle.

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