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Snowy White im Interview: Gegen den Zerfall | uncut

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Snowy White im Interview: Gegen den Zerfall | uncut

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Ich musste übrigens sehr lachen, als ich las, dass du das Instrumental ›Commercial Suicide‹ getauft hast.

(lacht) Tatsächlich hatte ich mir überlegt, das ganze Album so zu nennen. (lacht) Aber ich war mir nicht sicher und am Ende hatte ich nicht den Mut dazu, denn vielleicht wäre es nur deshalb zum kommerziellen Selbstmord geworden. Der Drummer Thomas hat meine Instrumental-Idee als „Commercial Suicide“ bezeichnet, das hat mir sehr gut gefallen.

Mir gefällt das Instrumental grundsätzlich sehr gut…

Ich mag es auch sehr. Würde ich noch ein Album machen, würde ich wahrscheinlich mehr Tracks in diese Richtung aufnehmen und ein bisschen die Vocals rausnehmen. Ich bin ja kein richtiger Sänger, außerdem habe ich langsam nichts mehr übrig, worüber ich Texte schreiben könnte, außer irgendetwas Besonderes würde sich hervortun. Wenn ein Album, dann also wahrscheinlich in diese Richtung.

Ich werde dich daran erinnern…

Nächstes Jahr wirst du dann sagen: Weißt du noch, als du mir dieses und jenes erzählt hast. Warum singst du die ganze Zeit? (lacht)

Mal zu was ernsterem: Du beendest das Album mit ›One More Traveller‹.

Ich dachte darüber nach, dass ich nicht mehr so gut spielen kann und älter werde und all das. Nüchtern betrachtet habe ich einfach nicht mehr recht lange…

Na, man weiß ja nie…

(lacht) Uhh, man weiß ja nie. Das habe ich doch schon irgendwo gehört heute. Aber du hast Recht, man weiß ja nie, es könnte auch morgen schon so weit sein. Es macht mir wirklich nichts aus. Ich bin froh darüber, damals geboren worden zu sein, die 60er und den Blues Boom mitbekommen zu haben, also dachte ich mir: Wenn ich gehe, bin ich auch nur ein Reisender mehr von Abermilliarden, die vor mir gehen musste. Es ging mir gut, bevor ich geboren wurde, also wird es danach auch so sein, weißt du, was ich meine? (lacht) Es macht keinen Unterschied.

Wie hast du den Lockdown verbracht?

Ich war damit beschäftigt, das Album zu machen. Das war super, weil ich das so oder so gemacht hätte. Mir ging also nichts ab. Aber es war schade, dass ich einige meiner anderen Musiker nicht zu den Aufnahmen einladen konnte. Klar habe ich ein paar Dateien rumgeschickt und meine Kollegen haben so etwas dazugespielt, aber es gab keine wirkliche Interaktion.

Das ist schade. Ich meine, anderen Musikern gefällt diese Art zu arbeiten zwar…

Aber ich mag das nicht. Ich habe die Band gerne um mich. Sie bringen mich zum Lachen, machen mich besser, weil sie mir ihre Meinung sagen. Wenn ich Quatsch spiele, rufen sie „Snowy, das war ein Haufen Mist, den du da fabriziert hast.“ Ich vermisse das. Das fühlt sich einfach viel richtiger an.

Sowas sagen die zu dir?

(lacht) Ja, klar. Und andersrum. Und dann lachen wir. Das ist einfach ein riesen Spaß.

Wie sehen deine Pläne für die nahe Zukunft aus?

Man weiß ja nie. (lacht) Aktuell habe ich keine. Der Winter ist im Anmarsch, ich habe das Gefühl, wir müssen die Türen zulassen und das durchstehen. Vielleicht setze ich mich mit meiner Gitarre hin, vielleicht male ich aber auch. Seit einiger Zeit male ich viel in Öl, das gefällt mir sehr gut. Keine lauten Schlagzeuger hinter mir. Solange ich immer weiter etwas mache, ob das jetzt Musik ist oder ein Bild oder irgendetwas anderes, solange ist alles in Ordnung. Aber wenn ich damit aufhöre, falle ich auseinander.

Das hält dich zusammen…

Ja, braucht nicht jeder etwas, das ihn oder sie zusammenhält?

Definitiv. Aber manche Leute werden dieses eine Dinge, das sie innerlich zusammenhält, trotzdem niemals finden.

Das ist wahr. Weißt du, ich denke mir das immer, wenn ich daran zurückdenke, wie ich den Blues und die Gitarre entdeckt habe. Wie viel Glück ich doch hatte, dass ich diesen Weg für mich entdeckt habe und ihm stets folgen konnte. Ich habe eine Freundin, die als Frisörin arbeitet. Sie erzählt gerne davon, wie sie schon immer, seit Kindesbeinen an, Haare schneiden wollte. Das ist genau dasselbe, man kann sich so glücklich schätzen, wenn man überhaupt entdeckt, was einen zufrieden macht. Wolltest du schon immer eine Journalistin werden, Jacqueline?

Ja, schon immer. Das war mein großer Traum. Ich dachte mir nur immer: Naja, das wäre ich gerne, aber wer wird das heutzutage schon noch? Deswegen bin ich mehr als froh, dass ich heute in diesem Beruf arbeiten kann.

Ich gratuliere dir dazu. Du bist also eine von denen, die Glück gehabt haben. (lacht)

Danke. Wir beide zählen anscheinend zu dieser Sorte Mensch.

Ja, sieht so aus. Ich denke manchmal zurück, an die ganzen Höhen und Tiefen, an die vielen falschen Entscheidungen, aber im Großen und Ganzen kann ich mich wirklich nicht beschweren. Ich hatte viel Glück und die meisten meiner Probleme basierten auf Entscheidungen, die ich getroffen habe. Das war also meine Schuld. Meistens hatte ich die Kontrolle über mein Leben. Und weißt du, das entspricht jetzt natürlich ganz dem Klischee, aber je älter ich werde, desto mehr weiß ich alles zu schätzen, das mir passiert. Sogar ganz alltägliche Dinge, wie dass man einfach die Leitung aufdrehen kann und es kommt Trinkwasser heraus, weißt du was ich meine? Das wäre doch ein Wunder für Millionen von Menschen. Wenn du krank bist, kommt der Krankenwagen oder ein Doktor, völlig Fremde, die sich bemühen, dich gesund oder am Leben zu halten. Wir haben einfach alle so viel Glück. Die Leute beschweren sich die ganze Zeit über so viele Dinge, die überhaupt nicht wichtig sind. (seufzt) Egal, ich klinge wirklich wie ein alter Kerl, ich höre jetzt lieber auf. (lacht)

Nein, tust du überhaupt nicht. Ich denke ja, dass man gerade in solchen Zeiten, wo es uns gemessen an unserem eigenen Lebensstandard vielleicht nicht so gut geht, merkt, wie unglaublich gut es uns immer noch geht. Verglichen mit dem Rest der Welt.

Ja, wir leben eben in reichen Ländern.

Wir sind ja nur so reich, weil es die anderen nicht sind. Dieser Gedanke bringt mich manchmal um den Verstand.

Absolut, das verstehe ich. Aber so funktioniert die Welt nun mal. Und am Ende lebe ich trotzdem lieber auf der reicheren als auf der ärmeren Seite, so schlimm sich das auch anhört.

Ach, Mr. White. Ich spreche so gerne mit dir. Als ich sah, dass du ein neues Album rausbringst, hab ich mich sofort gemeldet für dieses Gespräch.

(lacht) Das ist sehr nett von dir. Solange der Interviewer angenehm ist – und es gibt auch einige, zu denen ich irgendwie gar keine Verbindung spüre – bin ich einfach ganz natürlich, wie wenn ich zu einem Freund sprechen würde. Und dann können sie schreiben was sie wollen.

Das ist sehr schön. Viele wollen oder müssen ihrem Image gerecht werden…

Ja, so etwas gibt es bei mir nicht. Das meinte ich beispielsweise schon vorher. Als ich noch jünger war, machte ich mir um solche Themen wirklich Gedanken, aber am Ende gibt es überhaupt nichts, worüber man sich Gedanken machen muss.

Darin liegt ja irgendwie auch die Schönheit des Alterns begraben, oder? Dass man dann doch ein bisschen weiser wird.

Es gibt ein paar Vorteile. Es gibt aber auch viele Nachteile. (lacht) Aber solange die Lebenssituation im Alter einigermaßen okay ist, also man sich nicht sehr um Geld oder die Wohnsituation sorgen muss, dann wird man zufriedener. Zumindest bei mir ist das so. Ich muss nichts mehr beweisen, ich bin einfach nur glücklich darüber, die paar Sachen machen zu dürfen, die mir Freude bereiten. Und das ist es. Und in diesen Zeiten vielleicht noch mehr. Ich hatte ein Haus in Frankreich, das ich vor dem Brexit verkauft habe… Ich habe es immer genossen, dort hinzufahren, aber ich bin auch froh darüber, es jetzt nicht mehr zu haben.

Irgendwie kannst du wohl gut loslassen… Ist ja auch eine Kunst für sich.

Wahrscheinlich ist es eher eine Lebenshaltung. Manche Menschen sind Sammler, die haben 60 Gitarren zuhause und ich denke mir einfach nur: Wofür? Das bin ich einfach nicht, aber natürlich ist das jedem selbst überlassen.

Als Sammler trägt man viel Gewicht mit sich…

Das ist genau richtig. Ich denke, das ist die andere Perspektive beim Altern, man möchte das eigenen Leben etwas vereinfachen. Um deines eigenen mentalen Raumes Willen…

Wenn man etwas endlich loslassen kann, fühlt man sich danach ja auch sehr erleichtert.

Definitiv. Du wirkst, als würdest du einen alten Kopf auf jungen Schultern tragen. (lacht)

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6 Kommentare

  1. DAS ist die Art von Interview die ich gerne viel öfters lesen möchte. Nicht ein distanziertes Runterreissen der ewigen gleichen Fragen, sondern ein interessantes Gespräch zweier Menschen, das natürlich noch interessanter ist wenns zwischen jung und alt stattfindet. Geht natürlich nicht mit jedem Musiker, klar, geht auch nicht mit jedem Journalisten. Aber genau so wie hier finde ich es mit Abstand am lesenswertesten, weil man den Menschen hinter dem Musiker und dem Journalisten spürt. Danke Jacqueline, wirklich klasse!

    • Habe ihn mindestens 1 Dutzend x gesehen inklusive Pink Floyd Geschichten und wieder ihn gerne nochmals live sehen, aber nach dem ehrlichen Interview habe ich für seine Einstellung und Entscheidung volles Verständnis.

  2. Eines wie ich meine besten Interviews dass ich gelesen habe. Bei beiden Protagonisten war der verbindende Spirit vorhanden.
    Es berührt mich positiv was beide an Gedanken formuliert und miteinander ausgetauscht haben.
    Mr. White und Frau Floßmann sind trotz ihres Altersunterschiedes Seelenverwandte.
    Das Interview ist berührend und für mich als älterer Zeitgenosse ( *1951 ) wohltuend, denn ich selbst spiele oder spielte
    selbst Gitarre, in früheren Zeiten auch in Bands, finde mich bei den Aussagen von Mr. White was das zunehmend schwerer werdende Spiel auf meiner geliebten Gitarre angeht wieder.
    Die wiedergegeben Lebens-Erfahrungen von Mr. White und die Fragestellungen von Frau Floßmann wieder spiegeln eine Symbiose des gegenseitigen Verstehens. Das findet man in dieser Form nicht oft.
    Danke für dieses wunderbare Interview mit einem Musiker der meiner Meinung nach ohne Star-Allüren zu den meiner Meinung nach besten Gitarristen zählt die im besten Zeitraum der Blues-Rock-Musik zu Gange waren und noch immer sind.
    Das neueste Album von Mr. White ist ein Beleg dafür, ich liebe es……….

  3. Hallo Rolf, hallo Jürgen. Vielen Danke für die netten Worte, es freut mich sehr, dass ihr das Interview ähnlich positiv empfindet wie ich selbst. Nach diesem Gespräch war ich mehrere Wochen später immer noch berührt von den 45 Minuten mit Snowy White und musste viel über seine Worte nachdenken. Einer der ganz (stillen) Großen mit so viel Gefühl und einem Gitarrenspiel, das seinesgleichen sucht. LG, Jacqueline

  4. Hallo Jacqueline,

    wie ich gelesen habe, wohnst du bei München. Ich in selbigem. Da kam mir ein Gedanke, kennst du einen Rock-Stammtisch oder hättest Interesse sowas versuchen zu begründen? Mir fehlt oft Gesellschaft für einen derartigen Austausch, außer eben virtuell. Da fände ich es schön, wenn sowas mal wieder in echt und physisch möglich wäre. Leute für sowas sollte es hier eigentlich genug geben, aber kennen müsste man sie, drum mein Gedanke. Da wir ja alle noch unfreiweillig viel Zeit haben bis sowas wieder organisierbar ist…vielleicht magst dir das ja mal durch den Kopf gehen lassen.

    Dir und der gesamten Redaktion jedenfalls ein rockiges FROHES WEIHNACHTSFEST. Gerade jetzt und trotzdem!
    Jürgen

  5. ……wünsche Ihnen ( Dir) Jacqueline und allen Classic- Rock – User(innen) ein paar schöne Feiertage bei guter Musik und
    dem ein oder anderen guten Tropfen………

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