Die meisten Männer kompensieren ihre Midlife Crisis mit Sportwagen, Golfen und jungen Gespielinnen. Nicht so Carlos Santana: Der 63-jährige Althippie flirtet lieber mit den Mona Lisas der Rockgeschichte, macht in gehobener Gastronomie und fachsimpelt mit der Drummerin von Lenny Kravitz.
Auch mit Mitte 60 will es Carlos Santana noch einmal wissen. Er hat Ende September ein neues Album auf den Markt gebracht: GUITAR HEAVEN: THE GREATEST GUITAR CLASSICS OF ALL TIME. Damit meldet sich die Gitarristen-Ikone eindrucksvoll zurück – fünf Jahre nach dem letzten Album ALL THAT I AM. Nun stehen jedoch keine Eigenkompositionen auf dem Programm des Rockers, sondern Coverversionen. Das Konzept, neben seinem langjährigen Sparringspartner Clive Davis auch zahlreiche Musikerkollegen als Gäste ins Studio zu bitten, hat er jedoch beibehalten.
Carlos, GUITAR HEAVEN: THE GREATEST GUITAR CLASSICS OF ALL TIME klingt verdächtig nach „The Greatest Guitar Songs Of All Time“, einer Sonderausgabe des amerikanischen Rolling Stone.
Ich vermute, dass diese Auswahl an Songs, die nach Meinung des Rolling Stone von den besten Gitarristen der Welt eingespielt wurden, die Auswahl von Clive Davis beflügelt hat (lacht). Und du musst schon sehr selbstbewusst sein, um sie anzugehen. Denn viele Leute würden sagen: „Die rühre ich nicht an!“
Weil sie so etwas wie die „Mona Lisas der Rockmusik“ sind?
Genau! Das sind die größten musikalischen Kunstwerke unserer Zeit. Nur: Es geht hier nicht um einen sportlichen Vergleich, wer der Beste ist. Denn all diese Songs sind wie Ladies. Ich hoffe, dass ich sie auf ein spannendes Date einladen kann, damit sie auch in Zukunft mit mir ausgehen. Von daher dreht sich bei den Coverversionen alles darum, ob wir es schaffen, dass meine Brüder Jeff, Eric und Jimi über die Songs sagen: „Verdammt, die sind ja gut!“
Coversongs sind toll, aber eben anders als eigene Stücke. Hast du kein Verlangen, wieder selbst als Komponist in Erscheinung zu treten?
Nein, ich überlasse die Dinge Clive Davis. Es ist wichtig, andere zu schätzen, statt immer zu glauben, man müsse alles selbst machen.
Angeblich warst du auf diese Songs zunächst nicht wirklich scharf. Stimmt das?
Ja, ich habe gedacht: „Um Gottes Willen – wie kann man nur?“ Aber dann wurde mir klar, dass ›Black Magic Woman‹ von Peter Green ist, ›Oye Como Va‹ von Tito Puente, ›Gypsy Queen‹ von Gabor Szabo und ›She’s Not There‹ von den Zombies. Also: Wo liegt das Problem? Der einzige Unterschied ist, dass ich mich voll auf die Gitarre konzentriere. Deshalb kam ich auch auf die Idee, das Ganze GUITAR HEAVEN zu nennen.
Wie gehst du mit der Kritik um, das Ganze wäre SUPERNATURAL IV – und du würdest den Ansatz des Kollaborierens nun auch noch aufs Covern ausdehnen?
Es stimmt! Ich habe mit Michael Bloomfield, Jerry Garcia und Tito Puente angefangen. Neben mir existieren nun mal auch noch andere Menschen auf diesem Planeten. Also muss ich nicht ständig sagen: „Schaut mal, wie toll ich bin!“ Das tue ich nicht. Und ich höre auch nicht auf Kritiker. Zu denen sage ich: „Hier ist meine Gitarre! Wenn ihr es besser hinkriegt, dann los. Ansonsten: Haltet gefälligst die Klappe!“ (lacht)
Harte Worte für den selbsternannten „Missionar der Liebe“…
Schon, aber bei mir dreht sich alles darum, Frauen glücklich zu machen. Und dieser ganze Blues-Kram ist doch Jungs-Musik. Genau wie Heavy Metal. Die Doors waren ein bisschen anders, weil sie diese Orgel hatten und alleine deshalb mehr Frauen anlockten. Genau wie die Rolling Stones – da kamen die Damen wegen Mick Jagger. Aber selbst die Stones mussten sich irgendwann vom Blues verabschieden. Denn der besitzt eine männliche Energie. Wir haben diesen Sound daher mit Rhythmen, mit Timbales, Congas und afrikanischen Einflüssen durchbrochen und verändert. Deshalb sage ich: Die Melodie ist weiblich, der Rhythmus männlich. Und Frauen lieben das Männliche. Sie lieben es, angefeuert und umgarnt zu werden. Und bei uns fingen sie sofort an zu tanzen. Dabei musste ich lediglich wie ein Sänger im Sinne von Marvin Gaye oder Miles denken – nur eben als Gitarrist. Doch ganz ehrlich: Frauen sind wie das Wetter – du kannst nie vorhersagen, was passieren wird.
Trotzdem bist du frisch verliebt?
Hals über Kopf – in jemanden, der richtig spielen kann. Cindy Blackman zählt zu den besten Schlagzeugerinnen der Welt und könnte selbst mit Jazzern wie Herbie Hancock oder Wayne Shorter spielen. Die Tatsache, dass sie mit Lenny Kravitz gearbeitet hat, bedeutet nämlich nicht, dass sie in irgendeiner Form limitiert wäre. Doch er hat ihr Handschellen angelegt und sie in einen regelrechten Käfig gesperrt. Was die Frage aufwirft: „Warum holst du dir nicht einfach einen gottverdammten Drumcomputer?“ Denn Cindy ist eine Koryphäe.
Steigt sie fest in deine Band ein?
Sie hilft nur aus. Denn ich habe gelernt, Privates und Berufliches zu trennen. Es ist sehr gefährlich, wenn du bei einem Gig sagst: „Hey, was hast du da mit dem Beat gemacht?“ Kommst du dann nach Hause, hat sich die Frage nach Sex von selbst erledigt. Denn die Antwort lautet: „Du hast mich gerade vor allen Leuten zurechtgewiesen.“ So eine Verbindung kann auf Dauer nur in die Hose gehen.
Was hat dich dazu verleitet, ihr ausgerechnet auf der Bühne einen Heiratsantrag zu machen?
Es war spontan. Ich sah sie spielen, und sie hatte etwas, das mich begeisterte und faszinierte. Neben ihr würde ich gerne jeden Morgen aufwachen – bis ans Ende meiner Tage. Wir können stundenlang über Miles Davis, Tony Williams und Wayne Shorter reden. Und über Kinder, über Blumen. Insofern weiß ich, dass wir in Zukunft ein gemeinsames Album machen werden. Aber momentan genieße ich jeden Augenblick mit ihr. Denn Cindy ist ein Engel, den mir der Himmel geschickt hat, um mir wieder Halt, Stabilität und Selbstbewusstsein zu geben.
Außerdem hast du eine Restaurant-Kette unter dem Namen „Maria Maria“ eröffnet – eine Reaktion darauf, dass die mexikanische Küche immer mehr zu Fastfood verkommt?
Das spielt da auch mit rein. Wenn du in New York, San Francisco und Los Angeles bist, wirst du mit Taco Bell und diesem ganzen Mist konfrontiert. Aber wenn du nach Mexiko reist, und damit meine ich nicht Mexiko City oder Tijuana, dann herrscht da eine andere Art von Küche – eine, die auf Hingabe basiert. Die mehr Aufmerksamkeit und Leidenschaft erfährt und Gerichte wie Mole und solche Sachen umfasst. Genau das bekommst du bei uns – richtig gutes Essen.
Was ist deine kulinarische Spezialität?
Enten-Tacos! Heilige Mutter Gottes – die sind ein Traum. Dazu gibt es Guacamole und Krabben. Das ist einfach genial!