Sechstes Soloalbum des Queen-Drummers und das erste, das ihm richtig gelingt
Wie seine Kollegen von Queen hat auch Roger Taylor nur selten außerhalb des Mutterschiffs geglänzt. Seine Band The Cross war nur schwer auszuhalten und während seine Sammlung an Soloalben einige nette Momente vorweisen konnte, hielt er sich seine beste Arbeit doch klugerweise für Queen auf. Getoppt wurde all das, als NAZIS von 1994 einer verschreckten Welt offenbarte, wer die bösen Jungs im Zweiten Weltkrieg waren. Nun also erscheint sein neuestes Album, OUTSIDER, und die Erwartungen hätten größer sein können. Und vielleicht hätten sie das auch sein sollen, schließlich legt der 72-jährige Taylor nun seine ganze Energie in diese Solo-Bestrebung. Wie immer auf seinen Soloplatten macht Taylor fast alles selbst. Er spielt natürlich Schlagzeug, aber auch Gitarre und den Großteil der Keyboards, macht aber gemeinsame Sache mit Joshua J. Macrae, seinem Langzeit-Kollegen von The Cross. Taylor tauchte in seinen eigenen Katalog, um ›Absolutely Anything‹ vom gleichnamigen Terry-Jones-Film von 2015 neu zu justieren. Radikaler ist da schon ›Foreign Sand‹, eine Rocknummer von 1994, die hier, in bittersüße Balladengewänder gekleidet, wieder auftaucht, während sich ein spartanischer, ordinärer Vibe wie ein Schleppnetz durch ›The Clapping Song‹ zieht, auf dem Taylor durch ein Megafon knurrt wie eine Line-Dance-Caller-Version von Mark E. Smith. Mal abgesehen vom holprigen Titel ›More Kicks – A Long Day’s Journey Into Night … Life‹ präsentiert sich Taylor hier richtig kantig. Die wirkliche Überraschung liegt vor allem in der Eleganz des vom Lockdown inspirierten Albums: Taylor selbst bevorzugt das Wort „herbstlich“ und trifft den Kern damit genau.
Das wundervolle ›Tides‹ eröffnet in schwermütiger, feierlicher Manier, KT Tunstall fügt dem einfühlsamen ›We’re All Just Trying To Get By‹ stilvollen Gesang hinzu und das Schlusslied, ›Journey‘s End‹, – eine siebenminütige Single von 2017 – klingt nach einem Mann, der alles geschafft hat und darüber sinniert, was nun noch übrig bleibt. Der Song ist ein subtiler Wink in Richtung Fleetwood Macs ›Albatross‹ und bewegt sich so, wie sich Roger Taylor noch nie zuvor bewegt hat. Andernorts in ›Gangsters Are Running This World‹ (auch selbiges auferstanden in einer eher aggressiven Version à la Deep Purple) wird Taylor eher zurückhaltend wütend – ein sanftes Klavier und der poppige Chorus übertünchen seine Schmährede gegen den Autoritarismus. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht mehr unter dem Druck steht, neue Musik für Queen fabrizieren zu müssen oder daran, dass er im Lockdown zu viel Zeit hatte. Eigentlich ist es ziemlich egal, wo die Gründe dafür liegen, dass Taylor so spät in seinem Leben nochmal richtig aufblüht. Wir sollten einfach nur dankbar sein, dass es passiert.
8 von 10 Punkten
Roger Taylor, OUTSIDER, EMI/UNIVERSALIGO