Der Frontmann von Clutch über die hohen Erwartungen von Plattenfirmen und warum es leichter war, ein eigenes Label zu gründen.
Die Karriere von Clutch war seit ihrer Gründung 1990 in Maryland eine einzige Achter-bahnfahrt. Sie sprangen zwischen Independent-Labels und Majors hin und her, bevor sie 2008 Weathermaker gründeten, und tourten ununterbrochen, um sich über Wasser zu halten. Sie gewannen die Kontrolle über ihre Zukunft mit ihrem eigenen Label, das gezielt dem Zweck dient, Clutch-Fans Clutch-Musik zu verkaufen.
Über fast 20 Jahre wart ihr bei diversen Plattenfirmen. War es frustrierend, zu begreifen, dass ihr die Anforderungen der Großen nicht erfüllen konntet?
Ja, denn wir haben unsere Fanbase durch Mundpropaganda aufgebaut und zogen Leute auf unsere Konzerte. Die Firmen sahen das dann fälschlicherweise als das Potenzial für riesigen Erfolg über Nacht. Wenn man keine Goldene Schallplatte hatte, war man ein Versager. Das war das Ende unserer Liebesaffäre mit den Majors.
Was war die Motivation dahinter, Weathermaker zu gründen?
Clutch waren durch das viele Touren autark geworden. Wir wussten nicht viel über Marketing, aber bei unserem letzten Label DRT gab es einen Typen, der sagte: ‘Ihr seid in einer Position, euer eigenes Label zu gründen. Ihr habt eine Fanbase, sie werden eure Platten kaufen. Ihr wärt dumm, es nicht zu tun’.“
Ist es heute schwerer als früher, wahrgenommen zu werden und Alben zu promoten?
Ich denke, es könnte sogar leichter sein. Majors und auch Indies wollen so viele Platten wie möglich an so viele Menschen wie möglich verkaufen, egal wie. Bei Weathermaker geht es darum, die richtige Anzahl von Platten an die richtigen Leute zu verkaufen.
Was ist die größte Herausforderung dabei, sein eigenes Unternehmen zu leiten?
Wir waren so lange Jahre immer nur die Band und betrachteten die Labels als Feind, und jetzt sitzen wir plötzlich auf beiden Seiten. Im Kopf eines Geschäftsmanns spielt sich eine Konversation ab, die ich nicht gewohnt bin. Wenn ich mir über Album-Artworks Gedanken mache, sagt der Band-Typ in mir: ‘Okay, ich will, dass das wie ein Pop-up-Buch aussieht’. Und dann sage ich: ‘Hmmm… das wird in der Herstellung viel Geld kosten, das Gewicht wird das Porto verteuern, vielleicht wollen es die Einzelhändler nicht ins Regal stellen, weil es zu groß ist’.“
Wir überzeugt ihr eure Fans, die Alben zu kaufen, statt sie umsonst im Internet runterzuladen?
Wir versuchen nicht, Menschen anzuziehen, die nur auf Musik stehen, die sie aus dem Radio im Büro kennen. Clutch-Fans gehen in Clubs, sehen uns als Vorgruppe bei anderen Bands und lesen Musikzeit-schriften. Für sie ist es eine Leidenschaft. Und solche Menschen kaufen eher physische Tonträger, weil ihre Beziehung zu den Künstlern, die sie mögen, so greifbarer wird.
Ist der Rock heute gesund oder liegt er im Sterben?
Als Kunstform war, ist und wird der Rock immer bei bester Gesundheit sein, weil er ein Ausdruck des Menschseins ist. Ich bin mir sicher, dass die beste Rockmusik überhaupt von niemandem gehört wird. Sie geschieht gerade in einer Garage irgendwo. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie es sein muss, heute eine Band zu gründen. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es toll, dass mehr Chancengleichheit herrscht. Eine Band kann sagen: ‘Hey, hier sind wir’, und irgendjemand irgendwo auf dem Planeten kann das hören, wenn er will. Aber da sind eine Million andere Bands, die das auch tun. Früher gab es die A&R-Leute, die die Bands fanden, die sie für die besten hielten, und die sie der Welt vorstellten. Jetzt ist das Internet A&R-Mann für alle.
Und Bands müssen mehr denn je touren, um wahrgenommen zu werden.
Ich versuche, das aus einer sehr weiten, historischen Perspektive zu betrachten. CDs scheinen uns überholt, aber eigentlich sind sie noch brandneu. Wenn man über Musik nachdenkt und wie lange es sie schon gibt, sind selbst Vinyl und Radio noch neue Medien. Aber Leute, die für andere Leute Musik spielen, das gibt es seit Zehn-, vielleicht Hunderttau-senden von Jahren, und Live-Musik ist das Einzige, auf das man sich immer verlassen kann. Das kann schwer sein. Manchmal tun dir die Hände weh. Manchmal ist man verkatert. Manchmal will man nicht fahren und an der Tankstelle aufs Klo gehen. Aber wir tun es, weil es uns wichtig ist.