Rock in der Krise (Teil 4): Der Tod des Albums

-

Rock in der Krise (Teil 4): Der Tod des Albums

© Naki Kouyioumtzis.Steven Wilson, on location, oxfordshire.„Zu sagen, das Album werde verschwinden, ist wie zu sagen, dass Romanautoren ab sofort nur noch Kurzgeschichten schreiben und Regisseure nur noch Popvideos drehen werden.“

(Steven Wilson)

Zeitschriften, Magazine und sogar Rockstars wie Ian Astbury von The Cult haben den Tod des Albums proklamiert. Aber ist der Longplayer wirklich derart dem Untergang geweiht, wie es den Anschein hat?

Darf ich mal kurz in Erinnerungen schwelgen? Im September 1975, in der goldenen Ära des Albums, sparte ich mir ein bisschen Taschengeld zusammen, um ganz aufgeregt am Tag des Erscheinens WISH YOU WERE HERE von Pink Floyd zu kaufen. Als ich dann feststellen musste, dass Electrip Records (schon längst bankrott: welch Vorahnung!) ein paar Cent mehr dafür verlangte, war ich mächtig enttäuscht. Natürlich schwollen diese Preise mit dem Fortschreiten des Album-Zeitalters weiter an und verharrten dann jahrelang auf einem ähnlichen Niveau.
Im 21. Jahrhundert jedoch hat sich ein drastischer Wandel ergeben, mit vielen Vorteilen und Verwerfungen. Die meisten Alben können heute für weniger als zehn Euro heruntergeladen werden, und wenn man nicht alles haben will, stellt man sich einfach die besten Tracks für je 99 Cent oder weniger zusammen. Das ist das neue – Achtung, verhasster Klischeebegriff – Geschäftsmodell. Hätte mich der Manager von Electrip Records doch nur drei Viertel von WISH YOU WERE HERE kaufen lassen, ich wäre nicht untröstlich nach Hause gegangen und hätte beim heißen Thema der Schulhofdiskussionen am nächsten Montag mitreden können.
Vier Jahrzehnte später ist „der Tod des Albums“ das heiße Thema all der Spielplatzdiskussionen des Mediendiskurses. Kostenlose mp3s, Filesharing, Tracks, die auf Soundcloud debütieren, Crowdfunding, Spotify – sie alle setzen dem Album, wie wir es kannten, zu.
1948 führte Columbia Records die 33rpm-Langspielplatte ein, die mit ein paar Modifikationen (z.B. Stereoklang) unangefochten dominierte, bis 1982 die CD auf den Plan trat. Die Zeitspanne von den frühen 60ern bis Mitte der 00er Jahre gilt heute als die „Albumära“, in der Künstler ihre Vision erkunden und ihr Vokabular erweitern konnten. Das ist jetzt also amtlich, „die Albumära“: ein offizieller historischer Begriff. Das Album als Artefakt einer vergangenen Epoche. Alben gaben uns ein kontinuierliches, immersives musikalisches Erlebnis. Sie waren nicht nur ein Tonträgersystem, sondern ein neues Medium.
„Die Reihenfolge der Stücke auf einem Album ist ein sehr wichtiger Subtext in der Rockmusik“, sagt Peter Hammill, zeitweise Mitglied bei Van der Graaf Generator. „Sie war immer extrem relevant. Für mich muss das einen Fluss haben. Wie eine seltsame Reise, die durch das gesamte Werk führt.“

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Das Neueste

April Wine: Myles Goodwyn verstorben

Myles Goodwyn, Gründungsmitglied und ehemaliger Frontmann der Band April Wine ist im Alter von 75 Jahren in Halifax, Nova...

Kiss: Live im Madison Square Garden, New York (02.12.)

Crazy, crazy night! Am 02.12. spielten Kiss ihr (offiziell) allerletztes Konzert im Madison Square Garden in New York City, in...

CLASSIC ROCK Adventskalender: Türchen 4

Heute haben wir zweimal die CD-Ausgabe von ECHOES FROM THE PAST im Lostopf. Eloys jüngster Geniestreich stellt gleichzeitg den...

Video der Woche: Ozzy Osbourne ›Mama I’m Coming Home‹

Unglaublich aber wahr: Ozzy Osbourne feiert heute seinen 75. Geburtstag. Wir widmen ihm einen seiner größten Hits als Ständchen...

CLASSIC ROCK Adventskalender: Türchen 3

Hinter Türchen Nummer 3 unseres CLASSIC ROCK Adventskalenders verbirgt sich zweimal Vinyl von Elton John. Einmal THE COMPLETE THOM...

Def Leppard: Diamantstatus

Auf ihrer späten Erfolgswelle weitersurfend hatten Def Leppard die Pandemiejahre genutzt, um ihr zwölftes Studioalbum DIAMOND STAR HALOS zu...

Pflichtlektüre

Video der Woche: Faith No More ›Midlife Crisis‹

Wir gratulieren: Heute feiert Faith-No-More-Bassist Billy Gould seinen 59....

Tedeschi Trucks Band: Da war noch Benzin im Tank

Eigentlich eine irrwitzige Idee, das komplette Derek-&-The-Dominos-Album LAYLA AND...

Das könnte dir auch gefallen
Für dich empfohlen