Vor gerade einmal vier Jahren wurden die Rival Sons in Los Angeles gegründet. Seitdem haben sich diese vier bluesbeeinflussten Rock‘n‘Roller den Ruf einer der hoffnungsvollsten Bands des Rock erarbeitet, die gesamte Musikwelt scheint sie zu lieben und die Presse will in ihnen die neuen Led Zeppelin sehen.
Mit ihrem zweiten Album PRESSURE & TIME haben die Rival Sons den Grundstock zu einer steilen Rock‘n‘Roll-Karriere gesetzt. Nun waren sie wieder im Studio und bringen im September ihr neues Werk HEAD DOWN auf den Markt. Scott Holiday, der zwirbelbärtige Gitarrist der Rival Sons, hat sich für CLASSIC ROCK die Zeit genommen, um über das Phänomen Rival Sons, den schwindelerregenden Aufstieg und das neue Album seiner Band zu sprechen.
In unglaublichen 20 Tagen haben Sänger Jay Buchanan, Gitarrist Scott Holiday, Drummer Michael Miley und Bassist Robin Evenhart ihr kommendes Album HEAD DOWN in Nashville geschrieben, eingespielt und gemixt. Denkt man an andere Künstler, die oft mehrere Jahre an einer Platte herumbasteln, stellt sich einem doch die Frage, wie sich die Rival Sons ihr so wichtiges drittes Album scheinbar aus den Ärmeln schütteln konnten. „Ich kann gar nicht erklären, wie wir das geschafft haben. Wir haben uns selbst in diese Lage gebracht. Wir nehmen seit Jahren unsere Alben so auf. Zum Glück hatten wir einen Produzenten, der verstand, wie man mit uns umgehen muss, um so mit uns arbeiten zu können. Während wir auf Tour sind – was wir ja ein ganzes Jahr am Stück waren – sammeln wir die Ideen in unseren Köpfen, spielen sie aber den anderen nicht vor. Das passiert dann erst im Studio“, bleibt Scott Holiday auch sich selbst eine klare Antwort schuldig. Alles scheint bei den Rival Sons aus einer Art magischen Verbindung zwischen den vier Mitgliedern zu entstehen, weiß auch Holiday. „Nun alle Musiker, die lange genug zusammen gespielt haben entwickeln diese Art gemeinsamen Instinkts. Das ist wie in einer Unterhaltung mit einem vertrauten Menschen. Man weiß schon, was das Gegenüber sagen wird, bevor es geschieht. Wenn Miley etwas spielt, reagiere ich automatisch darauf.“ So ist Scott Holiday sehr dankbar mit genau seinen drei Kollegen spielen zu dürfen. „Ich kann nicht genau sagen, wie es mit anderen Musikern wäre, denn auf diese schnelle und spontane Weise habe ich nur in dieser Konstellation Lieder geschrieben. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass nur diese Kombination von uns vier Individuen unsere Art des Songwritings ermöglicht“, beschreibt Holiday die besondere Chemie innerhalb der Rival Sons.
Seit wenigen Jahren erst sind sie mit ihrer Band unterwegs und doch können Scott und seine drei Gefährten seit geraumer Zeit von sich behaupten, solch prominente Fürsprecher und Fans wie Nikki Sixx von Mötley Crüe zu haben. Auch Megabands wie AC/DC oder Guns N’ Roses wollten sie in ihrem Vorprogramm auf Tour dabei haben. Für einen aufstrebenden Musiker kann es ja nichts Schöneres geben. „Natürlich ist es großartig, Lob von unseren Helden zu bekommen. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll“, lacht Scott etwas beschämt. „Es ist ja immer cool, wenn Leuten das gefällt, was du tust“, versucht er bescheiden mit all den Lorbeeren umzugehen, mit denen die Rival Sons derzeit überhäuft werden. Aber nicht nur von Musikern werden sie hochgelobt. Die internationale Musikpresse scheint in den Rival Sons ihren neuen Liebling gefunden zu haben. Eine Tatsache, die Holiday nicht zu stören aber auch nicht zu genießen zu scheint: „Für mich ist das eine Sache, die ich nur schwer verstehen kann“, entschuldigt er sich beinahe, während er sich das Lachen nicht verkneifen kann. „Ich fühle mich nicht so, als wären wir die Lieblinge der Presse. Wir sind doch eine einfache Rock‘n‘Roll-Band.“
Neben all den Auszeichnungen, die die Kalifornier einheimsen, müssen sie sich mit einem Vergleich, der zuweilen einem Vorwurf gleich kommt, herumschlagen. Aufgrund ihrer tiefen Verwurzelung im bluesigen Rock der Siebziger, werden die Rival Sons häufig als die neuen Led Zeppelin tituliert. Ausschließlich mit früheren Bands verglichen zu werden, scheint ein Schicksal zu sein, das sie mit anderen jungen Bands wie Black Stone Cherry oder The Gaslight Anthem teilen. Daran gewöhnt, versucht Scott zunächst abgeklärt klar zu machen, dass sie eben nicht die 2000er Version einer Legende sind. „Nun, die Wahrheit ist, dass wir uns das sicher nicht zum Ziel gesetzt haben oder uns das sehr willkommen ist. Wir versuchen einfach nur, die Rival Sons zu sein und das, so gut wir können. Natürlich werden wir verglichen. Das passiert jeder Band. Ich vergleiche selbst Bands miteinander. Tatsächlich versuchen wir aber, weg von den offensichtlichen Einflüssen zu kommen. Denn wir wollten ja niemals Led Zeppelin oder Free kopieren.“ Obwohl diese offiziell anmutende Erklärung als Rechtfertigung reichen würde, hat Holiday offensichtlich das Bedürfnis, den Ursprung des Rival Sons-Stils weiter zu erklären und setzt erneut an. „Es ist so: Wir haben unzählige Einflüsse, dazu gehört natürlich der Blues, aber auch Jazz aus den Dreißiger Jahren, Bibop, Soul und Rock‘n‘Roll. Wir hören soviel Musik. Wenn wir spielen, entsteht eine Mischung aus allem, was wir lieben. Das kommt einfach aus uns heraus. Das geschieht nicht aus Intention. Zudem kombinieren wir die unterschiedlichen Genres und Epochen. Ich kann zum Beispiel etwas spielen, das sehr nach den Fünfziger Jahren klingt und Miley spielt dann einen Siebziger-Groove dazu. Dann kommt Robin dazu und packt ein Motown-Ding aus. Wenn sich dann Jay noch aus der traditionellen Folk-Nische bedient, wird das zu unserer eigenen Idee.“ Manchmal werde auch zuviel in ihre Musik hineininterpretiert, nur weil sie vor einiger Zeit den Stempel der 70s-Rock-Band aufgedrückt bekommen hätten, meint Holiday: „Manchmal sind wir uns selbst gar nicht einig, wonach gewisse Elemente klingen. Für den einen mag dann ein Stück nach 1996 klingen, für mich nach 1976 und wieder ein anderer fühlt sich an 1989 erinnert.“ Außerdem hat er die Zuversicht nicht verloren, dass sich dieses Problem irgendwann legen wird. „Mit der Zeit werden uns die Leute und die Medien hoffentlich als das sehen und hören, was wir wirklich sind – eine eigenständige Band“, so Holiday.
Je mehr ihnen dies gelingen wird, umso größer wird dann natürlich auch das Publikum, das von ihnen bedient werden will. Für eine soulige und atmosphärische Band wie die Rival Sons kann eine daraus nötig werdende Umstellung auf größere Veranstaltungen jedoch einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Nachdem die Rival Sons bereits Jobs als Vorband von AC/DC und Guns N’ Roses hatten und große Festivals wie das diesjährige Rock Am Ring gespielt haben, weiß Holiday um die Unterschiede zwischen Club- und Stadionbühne. „Ich glaube, nein ich weiß, dass wir Rock‘n‘Roll machen, um beides zu tun. Ich für mich persönlich bevorzuge Clubs. Dort kann man einen großartigen Eindruck von dem gewinnen, was uns ausmacht. Bei Stadion-Shows spielen die eigene Beleuchtung, der Backdrop, Videos, Kulissen und all dieser optische Bullshit eine tragende Rolle. Das alles hat einen starken Effekt auf das Publikum. Deshalb glaube ich, dass für uns – an diesem Punkt unserer Karriere – Clubs und Theater passender sind. Aber selbst wenn wir riesig werden sollten, würden wir versuchen, neben den großen Hallen weiterhin Clubs zu bespielen.“
Egal wo sie denn in Zukunft spielen werden, die Rival Sons haben sich in früheren Aussagen als die Band angekündigt, die dem Rock‘n‘Roll seine gefährliche Seite zurückbringen will. Wer dabei an die ausschweifenden Orgien und Drogenexzesse vergangener Jahrzehnte denkt, täuscht sich jedoch laut Holiday: „Oh ja, das ist wohl ein Statement, das wir einmal abgegeben haben. Das kann man natürlich falsch verstehen. Es geht dabei mehr um die Rohheit der Musik, die wir lieben. Ich meine damit Bands, die nicht vorhersehbar waren. Ich will ungeschliffene Live-Auftritte und Aufnahmen. Jeff Beck oder auch Chuck Berry sind perfekte Beispiele dafür. Dabei dürfen auch Fehler passieren, das spielt keine Rolle. Auch im Studio muss ich das Gefühl haben, dass der Künstler aus dem Moment heraus Feuer fängt und darauf spontan reagiert. Wir geben unser Bestes, um diese Idee in unserer Musik und unseren Auftritten umzusetzen. Es geht darum, nicht ängstlich zu sein und Spaß zu haben“, erklärt er sinnierend.
Dass die Rival Sons auch in ihren Texten zu so manch philosophischer Ader neigen, zeigen sie auf ihrem aktuellen Album. Auf HEAD DOWN befinden sich neben elf weiteren Nummern zwei Stücke, die auf die Namen ›Manifest Destiny Pt. 1‹ und ›Manifest Destiny Pt. 2‹ hören. Dieser Begriff beschreibt den Glauben der frühen US-Bürger an ihre offenkundige Bestimmung und Pflicht, sich über den gesamten Kontinent auszudehnen und ihre Form von Zivilisation zu verbreiten. Wenn sich eine Rock‘n‘Roll-Band mit derart tiefgründigen Themen auseinandersetzt, kann man sich schon die Frage stellen, was denn die Rival Sons als ihre ganz eigene Mission ansehen. „Um die langweilige Wahrheit auszusprechen. Unser Auftrag als Rock‘n‘Roll-Band ist es, möglichst aufrichtig und direkt mit unserer Musik zu sein. Wann immer wir etwas herausbringen, sollen wir dahinter stehen können. Ich glaube diese Ehrlichkeit ist ein starkes Element im Rock‘n‘Roll und jeder Art von Musik, ach, in allen Formen von Kunst. Es ist eben die Gefahr, diese Unerschrockenheit, die den Unterschied macht“, meint Scott Holiday.
Track by Track
Der Rival Sons-Gitarrist hat sich mit CLASSIC ROCK durch das neue Album geklickt. Erfahrt hier bereits jetzt von Scott Holiday die Geschichten, die hinter den herausragenden Songs von HEAD DOWN stecken:
›Keep On Swinging‹ war ursprünglich ein akustischer Blues-Song, den ich mitbrachte. Ich wollte ein Lied, bei dem wir auf den typischen Riff-basierten Rival Sons-Sound zurückkehren, nachdem wir ja teilweise neue Territorien auf HEAD DOWN betreten. Wir hatten das Lied sehr schnell fertig.
›Wild Animal‹ entstand aus einem Riff von mir. Jay singt hier in einer ganz anderen Stimmlage als sonst. Die Gitarre bei diesem Song klingt sehr Yardbirdig und hat diesen Garagen-Band-Stil und Jay singt beinahe wie Ray Davies von den Kinks. Inspiriert haben uns dazu aber The Monks, von denen wir gemeinsam ein Video auf Youtube angesehen hatten als wir auf Tour waren.
›Until The Sun Comes‹ sollte eine sehr tanzbare gute Laune-Nummer werden, die live richtig cool für die Leute ist. Dieses Lied klingt wie der Sommer!
›All The Way‹ ist sozusagen Jays Liebling. Er brachte diesen Song mit. Hier singt er nicht nur, er erzählt eine richtige Geschichte, beinahe wie The Animals bei ihrem Lied ›The Story Of Bo Diddley‹. ›All The Way‹ ist gewissermaßen eine Hommage an diesen Song. Ich habe mich hier weitest gehend herausgehalten. Im Refrain spiele ich einen Part, der weniger wie eine Gitarre und mehr wie ein Fünfziger Jahre Bariton Saxophon klingt. Das gefällt mir sehr gut.
›Navav‹ ist das einzige Instrumentalstück auf HEAD DOWN. Ich habe diesen Song für meine Tochter Nava geschrieben. Ich saß in Nashville, spielte meine Akustik-Gitarre und dachte an meine Familie. Ich gab ihn Jay, damit er etwas dazu schreibt. ›Nava‹ ist nur das Intro des Schlussliedes ›True‹. Wir haben den Song sozusagen aufgeteilt und zwei andere Lieder dazwischen gesetzt.
›Manifest Destiny Pt.1‹ entwickelte sich aus einer Spielerei von mir zwischen den Aufnahmen zweier anderer Lieder. Ich saß zusammen mit Jay und unserem Produzenten im Studio. Ich wusste gar nicht, was ich da so spielte und plötzlich meinte unser Produzent nur: „Hey, das gefällt mir, was du da gerade spielst!“ Ich wusste gar nicht, was er meinte und deshalb spielte er mir die Aufnahmen vor. Wir machten also den einen Song fertig und spielten danach gleich ›Manifest Destiny Pt.1‹ in einem Take ein. Der Song erzählt die Geschichte, in der amerikanische Ureinwohner die Kavalerie der weißen Siedler kommen sehen und wissen, dass es zu einer Schlacht kommen wird. Die Erzählung endet in einem Massaker.
›Manifest Destiny Pt.2‹ hatten wir schon vor dem ersten Teil aufgenommen. Jay schrieb zu dem fertigen Instrumentalspuren einen Text, der die Geschichte weiter erzählt. Darin geht es dann um die Heimzahlung der Ureinwohner und um ihre Schlacht. Ich versuchte meine Gitarre dazu möglichst wild klingen zu lassen, um ein passendes Geräuschbild zu erschaffen.