Call to action.
„Hingabe“ ist ein hybrides Werk, so wie Patti Smith selbst eine Allroundkünstlerin mit einer humanistischen Ader ist. Ihr neues Buch bedeutet eine Rückkehr nach Paris für sie, eine nostalgisch schimmernde Hommage an vergangene Liebe. Bei Smith verschränken sich die Stile der von ihr verehrten Künstler, sie hört die Stimmen von Rimbaud, Baudelaire, Modiano. Sie ist nochmal zwanzig, sie kehrt mit ihrer Schwester zu den Orten der ersten Erinnerung in dieser Stadt zurück, lässt sich in die Einsamkeit sinken und kommt so der Vergangenheit und auch ihrer Schwester näher. Sie reist in das Haus von Camus im Süden Frankreichs und sucht das Grab Simone Veils in England auf. Sie staunt und nimmt alles auf, dekonstruiert und setzt neu zusammen, um auf ihre Art ihre Wahrnehmung neu zu fokussieren – so wie „eine Vielzahl unterschiedlicher Auslöser sich zu einem eigenen Organismus verbinden“, wie sie schreibt. Auf diese Weise ist „Hingabe“ entstanden, die Erzählung, die Smiths Buch den Namen gab. Gerade sie geht unter die Haut, diese merkwürdige Geschichte einer einsamen Eiskunstläuferin, die Geist und Körper komplett ihrer Kunst verschreibt – eine zerstörerische Passion, die ihre Freiheit und Unschuld in Gefahr bringen wird.
Fieberhaft komponiert Smith ihre Textpassagen mit unbändigen Wellen an Worten, Bildern, Rhythmen und Tönen. In einem organischen Duktus beschreibt sie den Moment als „die Zeit anhält und sich dennoch beeilt, indem sie Bilder aus Worten zieht“. So verarbeitet sie innere, strapaziöse und euphorische Kämpfe und berichtet vom Streben nach Kreativität, in dem sie sich lebendig fühlt.
7/10
Text: Sarah Soheyli-Schaffner
Hingabe
Von Patti Smith
Kiepenheuer & Witsch