Man fragt sich: Ist Patti Smith nicht schon immer eine Ausnahmekünstlerin gewesen, eine radikale Querdenkerin mit bizarren Ansichten über Gott, Sexualität, Schmerz, Sünde, Spiritualität, Ehe und Nachwuchs? Eine surreale Hohepriesterin und Gossenpoetin voll gespenstischer Rituale, der schon allein deshalb Hochachtung gebührt, weil sie den Mut aufbrachte, dem alles verschlingenden Moloch Rock’n’Roll bewusst – zumindest für eine längere Spanne –den Rücken zu kehren? In Zeiten angepasster Reißbrettkünstler eine wahre Heldentat. Doch die Tracklist der Best-Of stimmt verwunderlich. Gerade mal 18 chronologisch kompilierte Songs illustrieren Smiths bewegte Karriere seit 1975: Thems ›Gloria‹ mit Smiths legendärem Spoken-Word-Intro „Jesus died for somebody’s sins, but not mine“ stammt ebenso vom Debüt HORSES wie das exaltierte ›Free Money‹. Mit der Taktik „zwei Lieder pro Album“ fährt der Querschnitt fort: ›Ain’t It Strange‹ und ›Pissing In A River‹ dienen als Konzentrat aus RADIO ETHIOPIA, das mit Springsteen co-verfasste ›Because The Night‹ und das wüste ›Rock’n’Roll Nigger‹ stammen aus EASTER. Erstaunlichweise gleich drei Titel, ›Frederick‹, ›So You Wanna Be A Rock’n’Roll Star‹ und ›Dancing Barefoot‹, liefert das für immerhin neun Jahre vorerst letzte Werk WAVE. Nicht ganz so stark wie sie abtrat, machte sie 1988 mit DREAM OF LIFE weiter: ›People Have The Power‹ und ›Up There Down There‹ können das Niveau der ersten vier Werke nicht halten. Weitere acht Jahre vergingen, bis Smith sich mit GONE AGAIN wieder aus der Reserve locken ließ: ›Beneath The Southern Cross‹ und ›Summer Cannibals‹ künden von neugewonnener Kreativität, der ein Jahr später ebenso kraftvoll ›1959‹ von PEACE AND NOISE sowie zur Jahrtausendwende ›Lo And Beholden‹ und ›Glitter In Their Eyes‹ von GUNG HO folgen sollten. Smiths famose Version von Nirvanas ›Smells Like Teen Spirit‹ aus TWELVE klingt ähnlich leidenschaftlich wie das Traditional ›Trampin’‹ aus dem selben Werk von 2004.