Eigentlich hatte Noel Gallagher für 2012 ja sein experimentelles Album mit Amor-phous Androgynous aka The Future Sound Of London angekündigt. Inzwischen sieht’s aus, als bliebe diese Platte doch in den Archiven versteckt. Statt gewagten Experimenten gibt’s für die Fans des Oasis-Songwriters lieber noch mal das Übliche: die obligatorische Live-DVD.Die O2-Arena in London ist riesig, der Blick über das Meer des Publikums und seine leuchtenden Handy-Displays beeindruckend. Der Mitschnitt vom 26.02.2012 bietet tolle Ton- und Bildqualität. Wir erleben? Na ja, Noel Gallagher mit seiner kompetenten Begleitband, ohne viel Schnickschnack elf Solosongs und neun Oasis-Titel runterspielend. Es ist durchaus interessant, Songs wie ›It’s Good To Be Free‹ oder ›Supersonic‹ mal nicht von Liam zu hören. Ganz ohne die Großspurigkeit, die mit dessen Performance einhergeht. Noel gibt sich da ganz anders: relaxt in sich ruhend, easy-going. Richtig sympathisch, ja. Das gibt den Songs einen anderen Flavour, dem auf Dauer aber die Würze des Liam’schen arschigen Drauf-gängertums durchaus ganz gut tun würde. Noel ist da ein bisschen zu gemütlich geworden. Man betrachte nur einmal den Hausfrauenchor, der u.a. bei ›If I Had A Gun‹, ›Everybody’s On The Run‹ und ›Whatever‹ zu dick aufträgt: Liam hätte da wohl jede einzelne Sängerin persönlich von der Bühne gepöbelt. Das ist also alles sehr erwachsen hier. Gut, Noel Gallagher ist jetzt auch 45 und hat kein Getue mehr nötig, er muss niemandem mehr den Affen machen. Aber sagen wir’s so: Dieser Auftritt gibt sowohl den begeisterten Fans der Britpop-Ikone als auch den Gegnern genug Material, ihre bestehende Meinung zu zementieren. Dies ist ’ne saubere, makellose Show mit starken Songs einer guten Band. Wer Magie oder Hass will, muss aber vielleicht doch auf einen Oasis-Gig von ’95 zurückgreifen. Disc 2 soll nicht unerwähnt bleiben, denn das Bonusmaterial ist umfangreich. Als da wären: sieben Songs einer Akustiksession in Toronto – fein. „Ride The Tiger“, ein selbsternannter arty Kurzfilm, gestrickt um die drei Promoclips der Albumsingles, inklusive Russell Brand, der einen Jack Sparrow/Papa Lazaru-Crossover spielt – zu gewollt. Sechs weitere Livetracks aus dem Set von Disc 1, nur von einer anderen Show (den NME Awards) – kein Muss, schadet aber auch nicht. Aber nach dieser Manifestation des Gallagher’schen Status Quo wären wir jetzt nur umso gespannter auf sein schräges Zeugs mit Amorphous Androgynes.