„Ich schreibe keine E-Mails, habe immer noch einen Walkman und bewege mich am liebsten zu Fuß fort“, sagte Florence Welch einst in einem Interview. Klar, und am liebsten kommuniziert sie per Brieftauben! Die britische Sängerin mit den androgynen Gesichtszügen wirkt wie ein wundersames, aus der Zeit gefallenes Wesen. Aus dem Nichts tauchte die Kunst-Studentin vor drei Jahren in der britischen Popszene auf – und noch bevor das erste Album veröffentlicht war, nahm die Londonerin einen Brit Award als hoffnungsvolle Newcomerin entgegen. Das mit ihrer Band (als Florence & The Machine) eingespielte Debüt LUNGS schaffte es schließlich auf den Spitzenplatz der UK-Charts. Nach einem Auftritt bei den MTV Video Music Awards, der von knapp einer Milliarde TV-Zuschauern verfolgt wurde, war Florence Welch am nächsten Tag die meist gegoogelte Person weltweit. Plötzlich war die 25-Jährige, die heute noch bei ihrer Mutter lebt, in aller Munde.
Anfang dieses Jahres zog sie sich in die Abbey Road Studios zurück, wo mit Unterstützung von Produzent Paul Epworth (u.a. Adele) die Fortsetzung von LUNGS entstand. Während Welch auf ihrem Erstling das vorübergehende Ende einer Beziehung und Teenager-Probleme verarbeitete, geht es nun ums Erwachsenwerden: „Ich würde sa-gen, es ist ein Album von einer, die so langsam zu einer Frau heranwächst.“ Druckvolle Sounds dominieren die CD, die Texte sind reich an makabren Bildern. Die Vorab-Single ›What The Water Gave Me‹ – benannt nach einem Gemälde von Frida Kahlo –, in der der Suizid von Virginia Woolf thematisiert wird, liefert einen Eindruck davon. „Ich bin besessen vom Ertrinken. Diese überwältigende Kraft des Wassers fasziniert mich. Es ist wie das erste Mal verliebt zu sein“, sinniert Florence Welch.
Aufgewachsen mit dem Testosteron strotzenden Gitarrenrock, ließ sich Florence Welch für CEREMONIALS von starken Frauen wie Stevie Nicks, PJ Harvey und Kate Bush inspirieren. „Künstlerinnen sind bereit, ihre Verletzlichkeit zu zeigen. Das macht sie aus, diese Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke.“ Das macht auch Florence Welch zu etwas Besonderem. Mit der Theatralik von Lady Gaga, der Mystik von Kate Bush, dem Eigensinn von Tori Amos und der Stimmgewalt von Adele trifft sie genau ins Schwarze.