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Motörhead: Der Hammer – 41 Jahre ACE OF SPADES

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Motörhead: Der Hammer – 41 Jahre ACE OF SPADES

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Ende der 70er hatte die Karriere von Motörhead richtig Fahrt aufgenommen. Die 80er läuteten sie dann mit dem Album ein, das bis heute als ihr unerreichter Meilenstein gilt. 41 Jahre später sprachen wir anlässlich der Jubiläums-Reissue der Platte mit Journalist Mick Wall, Mitbegründer des britischen CLASSIC ROCK-Mutterschiffs und Autor von „Lemmy: The Definitive Biography“ (2016), über die Entstehung von ACE OF SPADES und seine Zeit als PR-Mann und Freund des legendären Frontmanns.

Mick, woran erinnerst du dich aus der Zeit, als ACE OF SPADES entstand?
Ich sah Lemmy damals sehr oft. Das Büro seines Managers Doug Smith war um die Ecke von meinem in Ladbroke Grove, ich hatte gerade die PR-Firma Heavy Publicity gegründet. Doug vertrat nicht nur Motörhead, sondern auch Hawkwind, The Damned, für die ich ebenfalls die PR machte, und im Sommer 1980 hatte er gerade Girlschool unter Vertrag genommen, die wir alle toll fanden. Wenn Lemmy nicht gerade auf Tour oder im Studio war und sich in London aufhielt, war er täglich in Dougs Büro. Wir hingen ständig miteinander ab, denn ich musste auf dem Weg zur U-Bahn direkt dort vorbei. Ich war 21 und hatte wirklich keinen Grund, jemals früh zuhause zu sein, also schaute ich immer vorbei, wir plauderten, tranken ein Bierchen, rauchten einen Joint. Und daneben, direkt am Kanal, war ein Pub. Ich weiß noch, wie ich an meinem 22. Geburtstag dort war, ich hatte nichts geplant. Und da war Motorcycle Irene, ich glaube, sie war damals Phil Taylors Freundin. Sie fragte, was ich vorhatte, ich sagte, „Nichts“, und sie
sagte: „NICHTS???? Kommt nicht infrage!“ Dann gingen wir alle ins Pub und ich wachte am nächsten Tag bei irgendwem auf dem Boden auf. Lemmy war ein Teil dieser Clique, ich kannte ihn schon seit Anfang der 70er, er war immer dabei.

Und wie nahm er ACE OF SPADES in Angriff? Nach dem Erfolg von OVERKILL und BOMBER muss es ja einen gewissen Druck gegeben haben.
Das war eine ganz andere Zeit damals. Es war normal, dass man zwei Alben pro Jahr veröffentlichen konnte, und die Einstellung war, dass wenn die eine Platte nicht gefällt, die nächste dann eben hoffentlich besser ankommt. Aber man darf nicht vergessen, dass niemand jemals gedacht hätte, dass Motörhead großen Erfolg haben könnten. Als OVERKILL dann überraschend gut lief, musste es flott
gehen mit dem Nachfolger. Es war sehr schnelllebig damals, man konnte genauso schnell wieder weg vom Fenster sein. Deswegen entstand BOMBER dann zu eilig, und das war schade, denn die Songs wurden live mit der Zeit immer besser und härter. Aber es herrschte in dem Sommer sicher nicht die Einstellung, dass die nächste Scheibe jetzt das große Ding werden soll, sondern einfach: Das wird die
Neue und wir hoffen, es geht alles gut. Ich weiß noch, wie wir zusammen im Pub saßen, kurz bevor die Aufnahmen zu ACE OF SPADES begannen. Ich sagte zu Lemmy: „OVERKILL, BOMBER … das wird jetzt euer großer Wurf, oder?“ Und er sah mich verwirrt an und sagte: „Wird es das? Wir sind doch nicht fucking ABBA, Mann. Wir gehen da nicht rein, um einen fucking Hit zu schreiben. Wir gehen da einfach rein, spielen und hauen wieder ab!“ Für ihn war die Devise immer, ins Studio zu gehen und ein Album so schnell wie nur irgendwie möglich einzuspielen. Doch mit Vic Maile hatten sie zum ersten Mal einen richtigen, professionellen Produzenten, der ihnen An weisungen gab. Etwa, dass Lemmy den Bass tiefer
spielen sollte oder dass Phil nicht so durchgedreht wie auf der Bühne auf die Trommeln dreschen sollte. Niemand dachte, wir sind jetzt Def Leppard oder Bon Jovi, niemand hatte den Ansatz, „Hey, wenn wir ein bisschen mehr Arbeit reinstecken, könnten wir wie Black Sabbath werden!“ Aber mit Vic Maile als Produzent entwickelten sie zum ersten Mal ein anderes Bewusstsein. Sie hielten inne und dachten sich: „Hm, mal sehen, was wir noch so erreichen können“. Allerdings waren sie praktisch mit leeren Händen ins Studio gekommen, die Songs entstanden alle erst dort. Und Lemmy schrieb seine Texte immer erst, wenn ein Track mehr oder weniger fertig war. Beim Titelstück weiß ich noch genau, wie er aufs Klo zum Scheißen ging. Er war 40 Minuten drin und alle dachten sich, fuck, was macht er da? Und dann kam er mit dem fertigen Text zurück. Interessanterweise hatte er schon ein Tattoo von einem Pik-Ass auf seinem Unterarm. Auf dem anderen hatte er „Born to lose, live to win“ tätowiert. Das ließ ihn sehr gefährlich und unheimlich wirken, denn im Gegensatz zu heute hatte damals niemand Tattoos, nur Gangster, Biker und Seefahrer.


Dabei war er ja anscheinend ein ganz anderer Mensch, als sich das viele vorstellen.
Ja, absolut. Er war schon ein Desperado, er sah nicht aus wie all die anderen Musiker damals, die Rock-, Pop- und Soul-Stars, die ihren Bühnen-Look hatten. Das war bei ihm nicht so, er kreuzte einfach auf,
spielte den Gig und das war’s. Dabei gefiel es ihm durchaus, sich herauszuputzen, nur eben nicht für die Bühne. Ich weiß noch, wie ich mal bei ihm vorbeischaute und er mir die Tür in einer kompletten Konföderierten-Uniform öffnete. Ich sagte: „Du willst nicht im Ernst so aus dem Haus gehen, oder?“
Und er antwortete: „Was, wieso denn nicht?“ Aber er war auf jeden Fall ein Gentleman, liebenswert, intelligent, sensibel. Die Leute ahnen nicht, wie feinfühlig er war. Wenn eine Frau den Raum betrat, stand er immer auf, schob ihr den Stuhl hin und all das. Natürlich versuchte er dann, sie zu ficken, bevor
sie den Raum wieder verließ, aber trotzdem … Er war ein guter Kerl, kein Rockstar-Arschloch. Und er war sehr belesen. Er las Unmengen von Büchern, und er hatte ein riesiges Wissen über manche Themen. Als er Anfang der 90er schon in Los Angeles lebte, ging er bei seinen Besuchen in London immer in diesen Antiquitätenladen. Er liebte Insignien, Uniformen, Memorabilia, und dieser Laden hatte alles Mögliche aus den beiden Weltkriegen, dem Krim-Krieg, dem US-Bürgerkrieg. Lemmy verbrachte Stunden dort, konnte dir zu jedem Stück etwas erzählen und nahm Koffer voll von dem Zeug in die USA mit. Zu ACE OF SPADES-Zeiten hatte er dafür aber noch nicht das Geld. Damals bastelte er diese billigen Flugzeugmodelle. Man darf nicht vergessen, der Mann schlief ja nie. Er war immer vier, fünf Tage durchgehend auf Speed wach, bevor er dann wortwörtlich umkippte und man ihn zwei Tage nicht zu sehen bekam. Wenn man ihn besuchte, hatte er dann 150 dieser Kampfflugzeuge in der Wohnung von der Decke hängen und konnte einem alle Details dazu runterbeten.


Wie war seine Sicht auf das Leben an sich?
Er hatte eine Meinung zu allem, war sehr eloquent und artikuliert, aber seine ganze Lebensgeschichte und Philosophie steckt eigentlich in diesem einen Song. Das Leben ist ein Spiel. Er wusste, was im Leben KEIN Spiel war, aber es war so voller Täuschung, Hass, bösen Menschen und Lügen, dass man es nur ertragen konnte, wenn man sich sagte: „Das ist ein verficktes Spiel, und die Regeln sind unfair“.

Hast du eine Lieblingserinnerung an ihn?
Eine lustige ist, dass er Gedichte schrieb, was viele nicht wissen. Und er schickte sie mir, nur gab es damals noch keine E-Mails, sondern Faxgeräte. Und die waren laut! Er war in L.A., ich in London, und oft wurde ich mitten in der Nacht davon aufgeweckt, dass das Ding ansprang und ewige Papierstapel von Lemmys Gedichten ausspuckte, alle handgeschrieben in dieser krassen gothischen Schrift. Doch meine Lieblingserinnerung ist eine andere. Ich verlor meine Mutter recht früh, ich war 28. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte, wollte nicht darüber sprechen. Er hatte irgendwie davon erfahren, und bei einer Show oder so nahm er mich dann aus heiterem Himmel beiseite und sprach 15, 20 Minuten mit mir darüber. Ich wollte das gar nicht, aber er bestand darauf. Und er war der einzige Mensch, der mir das Richtige sagte, etwas, das mich tatsächlich tröstete und mir Frieden gab. Ich war verloren, aber er wusste genau, was er sagen musste. Er war einfach wunderbar. Das war der Unterschied zwischen dem durchgeknallten Rockstar Lemmy und all den anderen durchgeknallten Rockstars. Es ist so ein Klischee, aber einen wie ihn gab es vorher nicht und wird es auch nie wieder geben. Als er starb, hinterließ er eine große Lücke.

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