Marvin Gayes Soul-Visionen von einer besseren Welt.
In regelmäßigen Abständen taucht Marvin Gayes Meilenstein WHAT’S GOING ON in den Top 500 der „Besten Alben aller Zeiten“ auf. Die 1971 erschienene Melange aus Soul, Jazz und Funk wurde jetzt zum Jubiläum als Doppel-CD plus LP neu aufgelegt – von den 28 Bonus-Tracks waren 16 bislang unveröffentlicht, die Vinyl-Scheibe enthält noch dazu den ursprünglichen „Detroit Mix“. Entstanden in einer politisch hochbrisanten Zeit, begriff Gaye die neun selbstproduzierten Songs von WHAT’S GOING ON aber auch als Tagebuch. Auch wenn manches aus heutiger Sicht naiv klingt, seine Reflektionen zur Lage der Schwarzen in den Ghettos, politische Demonstrationen und den US-Krieg fern der Heimat, seine Kommentare zu gesellschaftlichen Veränderungen, Drogensucht und Armut sind auch anno 2011 noch relevant. Dabei wären Gayes Visionen von einer besseren Welt beinahe nicht veröffentlicht worden: Nach dem plötzlichen Tod seiner Duettpartnerin Tammi Terrell äußerte der Sänger, Komponist und Gelegenheitsschauspieler Selbstmordgedanken (allerdings nicht zum ersten Mal), erging sich in übermäßigem Alkohol- und Kokainkonsum. Ein Jahr tauchte er unter, destillierte Ideen für einen radikalen Stil- und Imagewechsel. Die Klausur half: In nur zehn Tagen mit den Studioassen The Funk Brothers, dem Detroit Symphony Orchestra und dem Arrangeur David Van DePitte fertig gestellt, sollte WHAT’S GOING ON als erstes Motown-Album mit Klappcover, abgedruckten Texten und ineinander übergehenden Songs erscheinen. Doch schon im Vorfeld stellte sich sein allmächtiger Schwiegervater, der Motown-Chef Berry Gordy, quer. Er versuchte, den Release der Single ›What’s Going On‹ zu stoppen – wegen allzu brisanter politischer Inhalte. Doch der damals 32-jährige Gaye setzte sich letztendlich durch. Das Konzeptwerk erreichte Rang 6 der Billboard Charts, die Single-Auskopplungen ›Mercy, Mercy Me‹, ›Inner City Blues‹ und ›What’s Going On‹ kamen jeweils in den Top Ten unter.