Nach unseren 100 wichtigsten Rockfilmen aller Zeiten präsentieren wir nun die 75 persönlichen Lieblinge und Geheimtipps der Redaktion und der Fachjury. Hier findet ihr die ersten 25.
Festival Express (GB/2003)
Woodstock hatte die Konzert-landschaft nachhaltig umgekrempelt: Mehrtägige Festivals mit den ganz großen Namen im Line-Up schossen wie Pilze aus dem Boden. Eine der verrückteren Auswüchse war dabei der „Festival Express“, der Künstler wie Janis Joplin, The Band, The Grateful Dead, Ian & Sylvia und Buddy Guy für fünf Tage quer durch Kanada kutschierte. Gespielt wurde bei diversen Zwi-schenstopps und während der Fahrt selbst. Ein Konzept, das perfekt aufging und wundern lässt, wieso denn seitdem niemand versucht hat diese Idee zu kopieren.
Ex Drummer (B, F, I/2007)
Drei behinderte Rockmusiker, die für einen Wettbewerb auf der Suche nach einem Drummer sind. Dabei stoßen sie auf den berühmten Schriftsteller Dries, der diese Gelegenheit als Inspi-ration für sein neues Buch nutzen will. Seine Interessen geraten allerdings recht schnell in unmoralische Gefilde, und so hetzt er alle Beteiligten aufeinander, bis alles in einem riesen Desaster endet. Reichlich Drogen, Rassismus und Anti-Feminismus, um nur wenige der kontroversen Themen in diesem ausgezeichneten Independent-Drama zu nennen. Sehr harte Kost.
Everyone Stares - The Police Inside Out (USA/2006)
„When you get to where you’re going, the ride is over“, so Stewart Copeland am Ende seiner selbstproduzierten Dokumentation über den Aufstieg und die Auf-lösung seiner Band Police. Der ehemalige Drummer war während seiner aktiven Musikerlaufbahn fleißig mit seiner Super-8-Kamera unterwegs und hielt einfach alles fest, was ihm vor die Linse kam, nur um das Material 20 Jahre später auszuwerten, zusammenzuschneiden und als „Everyone Stares – The Police Inside Out“ zu veröffentlichen. Das Material ist entsprechend roh, verzogen und übersteuert, der Einblick jedoch so nah und intim wie selten in einer Rockumentary.
Elvis And The Beauty Queen (USA/1981)
Elvis-Imitate gibt es wie Sand am Meer. Die Anzahl der Musiker, die sich am Gesangsstil des Kings versucht haben, geht ins Endlose. Für „Elvis And The Beauty Queen“, ein Biopic über die letzten Jahre von Elvis, die er mit Schönheits-wettbewerbskandidatin Linda Thompson verbrachte, wurde Ronnie McDowell verpflichtet. McDowell, ein erfolgreicher Country-Sänger, landete mit ›The King is Gone‹ (ein Tribut an Presley nach dessen Tod) einen seiner größten Hits, worauf er Don Johnson, der die Hauptrolle im Film übernahm, für sieben Songs seine Stimme lieh.
Edge - Perspectives On Drug Free Culture (USA/2009)
Straight Edge, die Abstinenz von Alkohol, Tabak, Drogen und promiskuitivem Sex, haben sich seit Beginn der 80er Jahre in der ganzen Welt ausgebreitet, die Ursprungsideen dahinter sind aber kaum bekannt. Grund genug für Ian MacKaye von Minor Threat, Ray Cappo von Shelter sowie Karl Buechner von Freya, Einblicke in die Philosphie und ihren persönlichen Bezug dazu zu geben. Dass die Doku dabei der Bewegung nicht nur lobhudelnd begegnet, sondern kritisch Angriffspunkte wie Gewalt, Sexismus und Intoleranz thematisiert, ist ein eindeutiger Pluspunkt.
Do The Right Thing (USA/1989)
Bereits seine beiden vorhergehenden Filme „School Daze“ und „She's Gotta Have it“ bündelten mit bemerkenswerter Stilsicher-heit Regisseur Spike Lees einzigartige Perspektive auf urbane afro-amerikansiche Kultur. Die Dringlichkeit und den teils bitteren Humor seiner Dramödie über Nachbarschaftsspannungen und der daraus eskalierenden Gewalt, war für viele Zuschauer der erste ernsthafte Einblick in die Realitäten der Rassenbeziehungen der amerikanischen Großstädte, die zu diesem Zeitpunkt schon lange in die Rap-Kultur gesickert waren. Zwar ohne unmittelbaren Classic-Rock-Bezug, dennoch ein Musikfilm-Meilenstein.
Dogtown Boys (USA 2005)
Bereits während man sich Catherine Hardwicks Sportdrama aus der Geburtsstunde der zweiten Skateboard-Renaissance zu Gemüte führt, in der unter anderem Heath Ledger als Zephyr-Gründer Skip Engblom zu sehen ist, geht die brillante Musikuntermalung ins Ohr: Quer durch die Sound-Landschaft der frühen 70er wird hier gewildert, wenn The Stooges, Funkadelic, Devo und Blue Öyster Cult die perfekte Atmosphäre für die Eskapaden der Skate-Pioniere schaffen. Die knapp 30 (!) Songs fanden leider nicht ihren Weg auf den offiziellen Soundtrack, der jedoch mit exklusiven Cover-Versionen von Rise Against, Sparklehorse und Social Distortion punktete, während Iggy Pop, Rod Stewart, Black Sabbath und Foghat ihren Teil beisteuerten.
Dig! (USA/2004)
Im Mittelpunkt steht natürlich die innige Hassliebe zwischen Anton Newcombe, Sänger von The Bri-anjonestown Massacre, und Courtney Taylor, Kopf der Dandy Warhols, die Regisseurin Ondi Timoner mit vielen alten Auf-nahmen und persönlichen Berichten im Detail aufdröselt. Kein Wunder, schließlich sammelte Timoner knapp sieben Jahre lang umfangreiches Material. Mehr noch aber als die Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Künstlern zu beleuchten, die sowohl auf Bewunderung wie auch auf Rivalität beruht, erlaubt sich die Band-Doku die Frage nach dem „Warum?“ zu stellen. Das Ergebnis ist nicht weniger als eine der schonungslosesten Einblicke in die Mechanismen der Musikindustrie.
The Devil And Daniel Johnston (USA/2005)
Meist ist die Redewendung von der Nähe zwischen Genie und Wahnsinn nur eine wohlmeinende Übertreibung: Schaut her, wie unkonventionell, exzentrisch und „verrückt“ dieser Künstler ist. Daniel Johnston, schon in jungen Jahren als Ausnahmetalent gefeiert, vereint auf Grund seiner manischen Depression die kreativen und destruktiven Impulse wie wenige andere Musiker. Faszinierend, witzig und traurig ist das Porträt, dass Regisseur Jeff Feuerzeig dabei über Johnston zeichnet. Die Dokumentation selbst trifft als wunderbares Zeugnis über Ehrgeiz, Ruhm und Kunst als Zufluchtsort verletzter Seelen immer den richtigen Ton.
The Decline Of Western Civilization II (USA/1988)
Ambitioniert war sie, die dreiteilige Doku-Reihe der späteren „Wayne's World“-Regisseurin Penelope Spheeris, in der sie im Abstand einiger Jahre die Entwicklungen der Punk-, Metal und Gutter Punk-Szene von Los Angeles auf Film bannte. Teil zwei der Reihe, zwischen den Jahren 1986 und 1988 entstanden, holt dann auch einige große Namen vor die Kamera, teilweise, um diese publikumswirksam zu inszenieren: Ozzy Osbour-ne, Steven Tyler und Lemmy sind nur einige der berühmteren Interviewpartner in einem Film, dem aufgrund seiner Darstellungen unsympathischer Rock-Exzesse eine Mitschuld am Tod des Glam Metal gegeben wird.
The Decline Of Western Civilization (USA/1981)
Ohne Frage zählt der Auftakt zu Penelope Spheeris Doku-Trilogie zu einem der wichtigsten Zeitzeugen-berichte aus der explosiven kalifornischen Punkbewegung der späten 70er: Von der Alice Bag Band als Urgestein über Henry Rollins’ Black Flag bis zu den Germs reicht das hier vertretene Punk-Spektrum, das Konzertaufnahmen und Interviews zu einem faszinierenden Einblick in die Szene vereint. Zwar lässt Spheeris einige retrospektiv hochwichtige Bands und Künstler außen vor, weshalb der Anspruch „ultimative LA-Punk-Doku“ relativiert werden muss, was den Status des unverzichtbaren Zeitdokuments aber nicht schmälert.
Cry Baby (USA/1990)
Johnny Depp ist der gefürchtete Rock'n'Roller Wade „Cry Baby“ Walker, der das spießige Baltimore der 50er Jahre gemeinsam mit seiner Gang in Angst und Schrecken versetzt. Dieser Musicalfilm, der erst einige Jahre später von Lieb-habern so richtig anerkannt wurde, besticht durch reizende Bubble-Gum-Romantik, 50er-Jahre-Klischees und die gute alte „Romeo & Julia“-Story von der verbotenen Liebe zwischen den Angehörigen verfeindeter (in diesem Fall) Gangs. Zwar singen die Hauptdarsteller Johnny Depp und Petty Hearst nicht selbst, dafür überrascht „Cry-Baby“ mit keinem Geringeren als Iggy Pop in der Rolle des Onkel Belvedere Rickettes.
Cream: Farewell Concert (GB/1968)
Ende November 1968 in der Londoner Royal Albert Hall: Cream, musikalisch auf dem Höhepunkt, aber dank legendärer, Itchy-&-Scratchy-mäßiger Auseinandersetzungen zwischen Schlagzeuger Ginger Baker und Bassist Jack Bruce gruppendynamisch komplett am Ende, sagen noch einmal lautstark Lebewohl. Der originale Konzertfilm umfasste sechs Stücke, die DVD-Version kam mit drei Bonustracks. Neben dem 2005er-Reunion-Konzert die zweite vollständig gefilmte Cream-Show – und naturgemäß die einzige aus ihrer großen Zeit. Was völlig ausreicht, den Film als Klassiker zu bezeichnen.
The Commitments (GB, USA/1991)
Je nach Alter, hat die Verbindung zum irischen Musikfilmphäno-men „The Commitments“ unterschiedliche Bedeutung: Für ältere Semester einst ein zeitgemäßes, energiegeladenes Update von Soul-Klassikern der 60er, für ein jüngeres Publikum oft unmittelbarer Erstkontakt mit einigen der großen Hits von James Carr, Otis Redding und Al Green. Dank der enthusiastischen Laien-Besetzung, die sämtliche Stücke selbst einspielte, ein dynamischer und höchst unterhaltsamer Blick auf das Dublin der frühen 90er Jahre, dessen Kombination aus trockenem Humor und überschwänglichem Enthusiasmus sich heute als so treffsicher erweist wie damals.
Cheyenne - This Must Be The Place (F, I, IRL/2011)
Sean Penn ist ein Genie. Ist diese Wahrheit ausgesprochen, bleibt wenig hinzuzufügen, wenn Penn hier in die Rolle des verlebten Rockstars Cheyenne schlüpft, der sich nach dem Tod seines Vaters auf den Weg macht, den SS-Offizier Alois Lange ausfindig zu machen. Der hatte Cheyennes Vater einst in Auschwitz traktiert, der gealterte Musiker sucht nach Vergeltung und neuer Perspektive auf das Leben. Mit Cure-Sänger Robert Smith als Vorbild und dem Soundtrack von David Byrne und Will Oldham ein Requiem auf die Vergänglichkeit.
Cadillac Records (USA 2008)
Die Motive, aus denen heraus Leo-nard Chess 1950 sein später legendäres Label Chess Records gründete, beleuchtet Regisseur Darnell Martin nur am Rande. Die Rolle, die Chess dabei spielte, afro-amerikanische Künstler zu etablieren und damit neue Türen aufzustoßen, ist ihm sehr viel wichtiger. Womit „Cadillac Records“ zwar nicht die ausgewogene Geschichte des Labels und seines Machers erzählt, mit Auftritten von Beyonce als Soul-Legende Etta James und dem brillanten, von Steve Jordan produzierten Soundtrack jedoch mehr als entschädigt.
Brian Wilson Songwriter 1962-1969
Wie prägend war Brian Wilson für die Musik des 20. Jahrhunderts? Die über drei Stunden dauernde Dokumentation „Brian Wilson: Songwriter 1962 – 1969“ widmet sich dieser Frage hingebungsvoll und durchforstet den riesigen Output, den der Musiker für andere Künstler, allen voran aber natürlich zusammen mit den Beach Boys komponiert, produziert und aufgenommen hat. Für den Soundtrack wurde so ziemlich jedes Stück Musik lizenziert, an dem Wilson in seiner Karriere beteiligt war, was trotz seiner Urheberschaft eine nicht zu unterschätzende Leistung war. Womit über die lange Laufzeit natürlich ein Fest für die Ohren garantiert ist.
Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit (USA 1988)
Die beiden Teenager Bill und Ted sind dazu bestimmt, mit der Musik ihrer Band die Welt zu retten. Leider gibt es da ein kleines Problem: Falls Ted seinen Schulabschluss nicht schaffen sollte, will ihn sein Vater auf eine Militärakademie in Alaska schicken. Dadurch wäre ihre Band Wyld Stallyns dem Untergang geweiht – und die Welt natürlich auch. Eine Geschichtsprüfung muss die Rettung sein, die mit Hilfe einer Zeitmaschine gemeistert werden soll, die ihnen der Zeitreisende in Form einer Telefonzelle zur Verfügung stellt. Schon kann die absolut irrwitzige Reise durch die Jahrhunderte beginnen.
Beware Of Mr. Baker (USA 2012)
Ginger Baker – Paradebeispiel dafür, dass Genie und Wahnsinn ganz nah beieinander liegen können. Legendäres Biest am Schlagzeug und durchgeknallt im Charakter. Kurzum: Das perfekte Subjekt für ein filmisches Porträt.
Der Virtuose erzählt seine eigene Geschichte von Anfang an. Die Interview-Abschnitte werden mit sorgfältig aufgearbeiteten Live-Aufnahmen aller bedeutenden Wegpunkte seiner Karriere ergänzt. Höhen und Tiefen werden von seinen Freunden und Gefährten (darunter Eric Clapton, Jack Bruce, Charlie Watts, Santana, uvm.) kommentiert.
The Beatles: Help! (GB 965)
Die absurde Burleske um einen Ring, dessen Träger eine obskure Sekte aus dem fernen Orient doch tatsächlich opfern möchte, und zwar zum höheren Ruhm der Göttin Kaili. Armer Ringo. Dabei heraus kam eine bunte, rasante Mixtur aus Musikfilm, Slapstick, James-Bond-Parodie und britischem Humor – die finale Widmung an „Elias Howe, Erfinder der Nähmaschine“ hätte auch Monty Python zur Ehre gereicht. Richard Lester inszenierte an mitunter exotischen Orten. Große Filmkunst? Aber nein. Ein Riesenspaß? Ohne jeden Zweifel. Und die Musik ist natürlich auch prima.
The Beatles: The First U.S. Visit (USA 1991)
The Beatles erobern Amerika. Fahren mit dem Zug, lümmeln in Hotel-zimmern herum, sitzen in Limousinen, geben Pressekonferenzen, treten im Fernsehen auf und absolvieren Kon-zerte. Immer dabei: Die Gebrüder Albert und David Maysles, Kamera und Mikrofon stets im Anschlag. Welch ein Glück, denn schon bei der zweiten US-Tournee waren die Fab Four abgeschirmt und hätten wohl kein Aufnahmeteam mehr derart nah an sich herangelassen. 1991 wurde der Film überarbeitet und um Live-Szenen aus dem „Washington Coliseum“ ergänzt. Essentielles Dokument der Beatlemania.
Bad News (GB 1983)
Von 1983 bis 1988 machten Alan Metcalfe und seine Heavy-Metal-Combo Bad News Großbritannien unsicher, lediglich zwei Alben beziehungsweise 24 Songs hat die Band in jener Zeit aufgenommen. Keine schlechte Quote in Hinblick darauf, dass Bad News eigentlich eine reine Spoof-Band waren, die für zwei Folgen der britischen Comedy-Sendung „The Comic Strip presents...“ ins Leben gerufen wurde. Bemerkenswerterweise stammte die Inspiration nicht vom großen Mockumentary-Bruder „Spinal Tap“ – beide Projekte entstanden zeitgleich –, dafür konnte für sämtliche Songs Brian May als Koproduzent gewonnen werden.
Backstage Passport NOFX (USA 2008)
Nofx sind California-Punk in Reinkultur und haben mit ihrer Dokumentation „Nofx: Backstage Passport“ wieder einmal dem gesamten Business schön den Mittelfinger entgegengesreckt. Die Dokumentarserie über ihre Welt-Tournee im Jahr 2008 ist beinahe meta-reflexiv, wenn sich die Band nicht nur über das Musik-Fernsehen, sondern die Medien im Allgemeinen auskotzt, was dann von der Kamera festgehalten und im Fernsehen ausgestrahlt wird. Aber: Genau das scheint gut anzukommen, denn Staffel Zwei der NOFX-Abenteuer wurde bereits angekündigt.
Another State Of Mind (USA 1984)
Als 1982 „Another State Of Mind“ gedreht und somit die erste internationale Tour der mittlerweile jedem bekannten Bands Social Distortion und Youth Brigade dokumentiert wurde, waren über die Subkultur der Punks noch allerlei wahnsinnige Gerüchte im Umlauf. Punks waren im Auge der Öffentlichkeit noch eine wirkliche Bedrohung. Wenn der Tour-Buss also mal nicht gerade wieder liegenblieb, sahen sich die Bandmitglieder mit starker Diskriminierung konfrontiert. „Another State Of Mind“ ist somit viel weniger eine Band-Doku, als vielmehr ein schillerndes Zeitdokument über das Verständnis einer ganzen Subkultur in Amerika.
101 (GB, USA/1989)
Ob man Musik ohne echte Instrumente überhaupt als Rock bezeichnen darauf, darüber wird schon seit Kraftwerk gestritten. Die Kultelektroniker Depeche Mode brachten ihr Plädoyer in Form dieser Live-Doku vor die Jury. Die zeigt nicht nur, welch bedingungslose Hingabe die Fans der Briten für ihre Helden an den Tag legen, sondern vor allem, warum das so ist. An jenem Abend in der Rose Bowl von Pasadena legten Dave Gahan & Co. vor über 60.000 Menschen einfach alles in Schutt und Asche und demonstrierten ziemlich eindrucksvoll: Oh ja, das rockt wie Hölle.