Grinderman: CH-Zürich, Volkshaus

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Grinderman: CH-Zürich, Volkshaus

grindermanSchlingern & Lechzen: der diskrete Charme haariger, alter Bastarde.

Schön, dass Grinderman sich nicht so ernst nehmen: Scannt man vorab das Merch, fallen als Erstes die phänomenal hässlichen Tassen und Geschirrtücher mit Karikaturen von Nick Cave, Warren Ellis, Jim Sclavunos und Martyn Casey ins Auge. Bei einem Song wie ›Kitchenette‹, so argumentiert Cave, sei man das den Fans schuldig. Als sein Reptilrücken sich wenig später scharf unterm nassen Hemd abzeichnet und er vor der Art Deco-Bühne des Großen Theatersaals auf einem Monitor tanzt, drängen sich für die Tücher prompt andere Verwendungszwecke auf: Auf jeden Fall möchte man ihm eins zuwerfen, wie die Hl. Veronika, auf dass er sich den Blutschweiß von der hoch gewordenen Stirne wische.

Man könnte das Zubehör natürlich auch zerbeißen oder sich damit Luft zufächeln (heute die häufigste Variante), denn verdammt, sind diese fiesen, alten Kerle heiß. Wie sie durch ihr GRINDERMAN 2- dominiertes Set schrammen, ist elektrisch, lustvoll und von Erwartungshaltung frei. Cave rudert geladen zwischen Gitarre und E-Piano umher, Sclavunos klöppelt auf Drums in Leberwurst-Rosa, und Warren Ellis – eine gut gekleidete Mischung aus Rumpelstilzchen und Rasputin – agiert so manisch, dass Basser Casey dagegen wie der Mann von der Hamburg-Mannheimer aussieht. Auf ›Mickey Mouse And The Goodbye Man‹ folgen ›Get It On‹, ›Worm Tamer‹, die Single ›Heathen Child‹ und die geballten Harmonien von ›Palaces Of Montezuma‹: „Das habe ich für die Mutter meiner Kinder ge­­schrieben”, schwärmt Cave versonnen. „Los, Affen­­­kopf!”, ruft jemand, „spiel Musik!” Cave gähnt ostentativ („Affenkopf? Ich bin geschmeichelt!”) – und schwingt zum Dank in ein extra schnarrendes ›Evil‹.

Spätestens bei ›When My Baby Comes‹ und ›Kitchenette‹ wird dann klar, dass er in Ellis seinen besten Katalysator seit Blixa Bargeld gefunden hat: Der drahtige Wurzelsepp bearbeitet die Gitarre gern im Spagat und spuckt beim Geigen Bröckchen. Nach 75 Minuten und 15 Songs ist Schluss – doch wer je gesehen hat, wie Nick die Ellbogen bei ›Honey Bee‹ zu Flügeln spitzt und einem Weib unter „Bzzz! bzzz!”-Lauten die Biene macht, kann glücklich sterben.

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