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Die reine Polemik: Über Glam Rock und Amerika

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Die reine Polemik: Über Glam Rock und Amerika

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Die transatlantischen Pop-Beziehungen im Wandel der Zeiten. Und warum The Sweet und andere Glam-Rocker rein gar nichts dafür konnten, dass ihnen die Yankees nicht zu Füßen lagen.

Neben den Menschen“, stellte Kurt Tucholsky einst fest, als er mal wieder besonders witzig sein wollte, „gibt es noch Sachsen und Amerikaner.“ Bevor jetzt ein Fäkaliensturm aus dem Land der präsidial begrenzten Fähigkeiten oder dem nicht minder schönen Freistaat losbricht: Das ist ein Zitat. Von Kurt Tucholsky.

Es spiegelt also nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Muss man ja dieser Tage dazuschreiben, sonst behaupten manche Amerikaner und Sachsen noch, wir wären Rassisten. Sind wir aber nicht. Das Verhältnis des Leipzigers, Dresdeners und Chemnitzers zum Phänomen „Glam-Rock“ mag heutzutage noch nicht hinreichend erforscht sein, aber immerhin besitze ich eine AmigaLP mit den größten Hits von T.Rex, Made in Deutsche Demokratische Republik vom volkseigenen Betrieb „Deutsche
Schallplatten Berlin“. Was zumindest nahelegt, dass auch Sachsens „Children Of The ruhmreiche Arbeiter-und-Bauern-Revolution“ gerne mal dem ›Cosmic Dancer‹ beim Reiten des weißen Schwans zuhörten. Vermute ich jetzt mal.

Dass hingegen die Yanks mit dem britischen Make-up-und-Fummel-Pop einst gewaltig haderten, ist relativ unzweifelhaft. Damals in den 70ern, als Lockenköpfchen Marc Bolan Europas Minderjährige verzauberte, David Bowie ein Kleid trug, Roxy Musics Brian Eno mit Federboa und im Glitzer-Overall am Synthesizer hantierte und Slades Dave Hill mit unglücklichem Pony auftrat. Wir reden hier gerade über Frisuren, nicht über depressive Reittiere, okay? Aber zurück zum Thema: The Sweets ›Block Buster!‹ stürmte 1973 in Westdeutschland auf Platz 1 (wie auch die beiden vorangegangenen und nachfolgenden Singles), in den US-Charts hatte es sich bei Rang 73 ausgebustert. Wie kommt’s? Nun, die landläufige eurozentrische Interpretation ist einfach: Im Bibelgürtel stand man eben nicht so auf effeminiert wirkende Männer in Mädchenklamotten, denn das hatte sicher irgendwas mit Sex zu tun, war also mutmaßlich verwirrend.

Zumindest vor der Ehe, vielleicht sogar auch danach. Ist das eine überzeugende These? Hhmm … Die USA bestanden ja schon damals nicht nur aus Frigidville, Idaho, oder Redneck Junction, Texas. Auf amerikanischen Festivals wurde damals wie im Rest der Welt nackt im Schlamm gebadet und in San Francisco … oh, là, là! Zudem: Warum fuhren die Amis dann Jahre später auf Glam-Replikanten wie Twisted Sister und all die toupierten HairsprayBands in ihren Leoparden-Leggins ab, und zwar in ganz großem Stil? Hatte der Mainstream in der Zwischenzeit erkannt, dass Bühnenklamotten eben Bühnenklamotten sind und man durch das Anhören der Musik geschminkter Frisurenträger nicht zwangsläufig schwul wird? Ich vermute ja eher, dass etwas anderes hinter Amerikas Weigerung steckt, The Sweet und T.Rex vorbehaltlos zu vergöttern. Was es aber auch nicht unbedingt besser macht. Der US-Avantgardist John Zorn äußerte sich einst in einer Film-Doku recht abfällig über Britanniens Beitrag zur Popkultur. Alles nur geklaut, und zwar von den USA.

Eine diskussionswürdige Meinung, denn ohne – speziell afroamerikanische – Einflüsse wäre vieles anders gelaufen. Oder gar nicht. Interessant: Nicht unwesentliche Teile der amerikanischen Musikpresse stießen schon Anfang der 70er tendenziell ins gleiche Horn, egal, ob es um Glam-Rock oder Led Zeppelin ging. Briten? Machen nur aufgeblasenen Scheiß! Ende des Jahrzehnts wurde der britische Punk bekrittelt, kurz darauf der inseleigene Metal und in den 90ern wurden Britpopper gerne mal als Klone längst vergangener Zeiten belächelt. Klar, man muss nicht alles super finden, doch in dieser geballten Form und über all die Jahre hinweg konnte einen diese grundsätzliche Kritik durchaus misstrauisch machen. Denn vieles klang leider doch zu sehr nach Traumabewältigung. Konkret: nach einem Selbstverständnis, auf alle Zeiten die globale popkulturelle Hegemonialmacht zu sein, der niemand – schon gar keine blassen Engländer – das Wasser reichen kann, das spätestens seit den 60ern schwer erschüttert worden war.


Steile These? Musikalische Ressentiments aufgrund gekränkten Stolzes? Und deshalb: Buy American? Andererseits: Die britische Musikpresse ging mit US-Acts auch nicht immer zimperlich um, man machte sich gerne über allzu gefällige AOR-Weichspüler lustig, über aseptische Pop-Chanteusen, alberne Hardrock-Darsteller und später dann über betont rustikale Grunge-Karohemdenträger, die nicht ansatzweise den verfeinerten Stil und die intellektuelle Grandezza eines Jarvis Cocker vorweisen konnten. Ja ja, die transatlantischen Beziehungen. In Fragen des gelegentlich auftretenden, popkulturellen Un- und Missverständnisses hinsichtlich Fehlinterpretationen, Abwertungen und Beleidigungen können wir uns wohl auf eines einigen: unentschieden.

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