Er ist der Bassist der größten und gefährlichsten Band der Welt. Gemeinsam mit Guns N’ Roses stieg er zum Weltstar auf, bis es zum Absturz kam, der ihn beinahe das Leben kostete. Heute ist Duff McKagan stolzer zweifacher Vater, spielte lange zum reinen Spaß in unterschiedlichen Bands wie den Walking Papers, ist seit ein paar Jahren wieder bei den wiedervereinten Gunners und oben drein dankbar für seine Vergangenheit. Unser CLASSIC-ROCK-Interview aus dem Jahr 2014.
Stört es dich nicht, dass der Ruhm früherer Tage größtenteils vergangen ist und bei deinen neuen Bands einige Leute im Publikum gar nicht mehr wissen, wen sie da vor sich haben?
Ich finde das eigentlich ganz angenehm. Manchmal kann ich es ihnen in ihren Gesichtern ansehen, wie sie überlegen: „Ist das der Typ von Guns N’ Roses?“ Außerdem erlebe ich immer wieder beide Extreme. Mal bin ich ganz anonym, mal ist es wie damals. Slash, Gilby, Matt und ich flogen vor einiger Zeit mit den Kings Of Chaos nach Paraguay. Am Flughafen belagerten uns 1000 Fans. Die sind vollkommen ausgeflippt. In der einen Woche ist also noch „Beatlemania“ angesagt und einige Tage später habe ich wieder diese pure Sache mit den Walking Papers. Ich mag beides, denn ich liebe es einfach, Musik zu machen – egal ob nun mit den Walking Papers, Velvet Revolver oder Loaded. Mein Glück ist nicht davon abhängig, dass ich „dieser Kerl von jener Band“ bin.
Du bist also froh, dass die Zeiten des Megaruhms vorbei sind?
Mitte der 90er Jahre habe ich ganz harte Zeiten durchgemacht. Damals lernte ich – wie jeder Mensch irgendwann –, mit dem eigenen Versagen umzugehen. Was aber mindestens genauso schwierig zu bewältigen war, war der irrsinnige Erfolg zuvor. Du weißt in so einer Situation gar nichts. Du weißt nicht, wer dich wirklich als Mensch mag. Du weißt nicht, ob du jetzt einfach in den nächsten Supermarkt gehen kannst. All diese alltäglichen Dinge werden dir genommen und plötzlich findest du dich als Fisch in einem Aquarium wieder. Dafür gibt es einfach keine Anleitung. Als das mit GN’R vorbei war, zog ich zurück nach Seattle. Nachdem ich meinen Entzug beendet hatte, schnitt ich mir die Haare ab und trug andere Kleidung, nur damit ich wieder raus gehen konnte. Bin ich jetzt also froh? Ja!
Deine Vergangenheit scheint ein schwieriges Thema für dich zu sein.
Nun, ich habe sehr lange nicht zurückgeblickt. Erst als ich anfing, mein Buch zu schreiben, setzte ich mich damit auseinander. Da waren einige Sachen dabei, die nicht gerade leicht zu verdauen waren. Doch wenn du so da sitzt und schreibst, bist du vollkommen allein. Und wenn du da lügst, belügst du nur dich selbst. Manchmal tat ich das auch. Ich schrieb irgendeinen Scheiß, las es und dachte nur: „Dude, komm schon! Wen verarschst du hier?“
Für dich sind diese frühen Kapitel nun endgültig abgeschlossen. Kannst du verstehen, warum die Leute nicht aufhören, euch nach einer Guns N’ Roses-Reunion zu fragen?
Die Sache ist durch. Aber ich kann es verstehen. Ich bin selbst ein großer Fan von Guns N’ Roses. Oder der Band, die wir damals waren. Wir produzierten eine Riesenmenge Musik in sehr kurzer Zeit. Deshalb sehe ich dieses Glas auch als halb voll, nicht halb leer. Es war ein Wunder, dass wir es so weit gebracht und so lange ausgehalten haben. Bei der ersten Platte meinten alle, das kann nichts werden: „Das ist zu viel Punkrock, zu viele ‚Fucks‘! Warum will Geffen die überhaupt signen?“ Doch: Wir haben damit die Welt erobert.
Seit dieser Zeit hat sich viel bei dir geändert. Du bist ein Familienmensch geworden, tourst aber noch immer über den Globus. Fällt dir das manchmal schwer?
Gott, ich hasse es! Das einzige, was es leichter macht, ist der Auftritt am Abend. Mit den Kings Of Chaos kann ich es mir erlauben, meine Familie mitzunehmen. Bei den Walking Papers ist das anders. Ganz selten besucht mich meine Frau. Meine größere Tochter ist mittlerweile 16 Jahre alt und hat jetzt selbst eine Rockband gegründet. Neulich hatte sie sogar einen Gastauftritt bei den Kings Of Chaos, bei dem sie die Background Vocals zu ›Knockin’ On Heaven’s Door‹ gesungen hat. Sie war so überwältigt. Danach musste sie weinen. Sie versteht also mittlerweile, was und warum ich das tue. Sie findet, dass ich das Richtige tue und unterstützt mich. Trotzdem fliege ich immer sofort zurück. Es kam auch schon vor, dass ich für einen Tag von Europa nach Hause geflogen bin. Ich bin ein sehr fürsorglicher Vater und Ehemann.
Ein sehr bemerkenswerter und toller Mensch, der es geschafft hat, sich seinen Dämonen zu stellen!