Ähnlich ambitioniert und ungewöhnlich in seiner Produktionsgeschichte wie Richard Linklaters lebens- und liebesphilosophische „Before“-Trilogie zeigt sich „Boyhood“, in dem Linklater Kindheit und Jugend seines Protagonisten Mason (Ellar Salmon) über den Zeitraum von zwölf Jahren einfängt. Bemerkenswert ist, dass Linklater eben nicht mit unterschiedlichen Schau-spielern die verschiedenen Altersstufen seiner Hauptfigur darstellt – er wartet schlicht, bis sein Darsteller im entsprechenden Alter ist. So folgen wir Mason vom Alter von sechs Jahren an, wie er im Patchwork-Familienumfeld aus alleinerziehender Mutter (Patricia Arquette), seinem nur wochenends verfügbaren Vater (Ethan Hawke) und seiner Schwester (Lorelei Linklater) zum jungen Mann heranwächst. Die Meilensteine wie den ersten Kuss und High- School-Abschlußball klammert Linklater dabei gekonnt aus, es geht ihm darum, mit nur wenigen, prägnanten Alltagsszenen einen Einblick in den Reifeprozess eines jungen Menschen zu geben. Über politische Randkommentare wie Obama-Wahlkampf und NSA-Skandal, über Ausformulierungen des Zeitgeistes wie Haartracht und Kleidung sowie über die gekonnt eingebetteten Hit-Songs der jeweiligen Jahre ist „Boyhood“ fest in seiner jeweils gezeigten Epoche verankert. Die Geschichte von Mason zeigt ein packendes und universelles Coming-Of-Age-Drama, das zugleich als Panorama des Amerikas der letzten zwölf Jahre dient. Mal witzig, mal anrührend, mal skurril, legt Linklater mit „Boyhood“ nicht weniger als ein Meisterwerk vor, das trotz dreistündiger Laufzeit zu keiner Sekunde langweilt.