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Bon Jovi: Im Fegefeuer des Ruhms

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Bon Jovi: Im Fegefeuer des Ruhms

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Wie Richie es erklärte, stellte er klar, dass er und Jon ihre Grenzen kannten. NEW JERSEY war kein ernsthaftes Rockalbum, wie es Springsteen mit DARKNESS ON THE EDGE OF TOWN oder THE RIVER gemacht hatte. „So tief geht das nicht“, sagte Richie. Doch in der Musik von Bon Jovi steckte ebenfalls eine Bedeutung, und ebenso wie ›Livin’ On A Prayer‹ eine Hymne für die Arbeiterklasse war, die das Versprechen einer besseren Zukunft beinhaltete, war dieser Optimismus auch im Kern von NEW JERSEY zu finden.

„Wenn du deinen Optimismus verloren hast, hast du bereits angefangen zu sterben“, sagte Jon. „Was ich als Kind immer aus dem Rock’n’Roll zog, war der Traum von etwas Größerem, Besserem. Man kann negative Sachen schreiben – dies ist eine negative Welt. Aber Rock’n’Roll ist Unterhaltung. Und wenn jemand im Stau auf dem Weg nach Hause das Radio anmacht und ein Song ihn ein bisschen glücklicher macht, wird er vielleicht nicht mit einer verfickten Pistole aussteigen und jemanden das Hirn wegblasen. Ich will den Leuten ein kleines Lächeln bringen. Wenn ich sage, dass wir Spaß machen, sage ich damit nicht: ‚Hey, woo-hoo, wir sind eine spaßige Band!‘ Ich sage: ‚Lasst uns an schönere Dinge denken.‘ Es gibt genug Scheiße auf der Welt. Lasst sie uns nur ein bisschen freundlicher machen.“

Am Ende des Interviews dachten die beiden über den Erfolg nach und wie er sich auf sie ausgewirkt hatte. „Man muss wissen, wie man hier oben auf dieser Welle surft“, so Richie. „So sehr der Erfolg auch ein Geschenk des Himmels ist, kann er auch ein Übel sein. Er kann dich auffressen. Wir kümmern uns um einander.“

Trotz allen brennenden Ehrgeizes sprach Jon über die Schwierigkeiten, mit solch massivem Ruhm klarzukommen: „Es ist schwer für mich, zu denken, dass ich dieser Typ bin. Deswegen sieht man mich nicht auf Partys, wie ich ständig versuche, mein Gesicht in die Zeitungen zu bringen. Dabei fühle ich mich nicht wohl.“ Doch auf die Frage, ob es je einen Punkt gab, an dem er all den Ruhm und das Geld gegen ein normales Leben eingetauscht hätte, war seine Antwort so schnell wie eindeutig: „Fuck, no!“

Als NEW JERSEY am 19. September 1988 erschien, dominierte in den US-Charts der Hardrock. Im der ersten Hälfte jenes Jahres hatten FAITH von George Michael und der Soundtrack zu „Dirty Dancing“ die Spitze erklommen. Dann stürmten Van Halen mit OU812 auf Platz 1, gefolgt von HYSTERIA und APPETITE FOR DESTRUCTION. NEW JERSEY stieg auf Platz 8 ein, schoss dann aber auf die 1 und blieb dort vier Wochen lang. Der „Rolling Stone“ beschrieb das Album als „so rein kommerziell, dass es fast schon jenseits jeder Kritik ist“. Auch in den UK erreichte es den Spitzenplatz, in Deutschland Nr. 4 und in vielen weiteren Ländern ähnlich hohe Positionen. Und auf dieser Seite des Atlantischen Ozeans begannen Bon Jovi am 31. Oktober eine weitere ausgedehnte Welttournee in Dublin.

Wie mir Richie an jenem Sommertag in New York erzählt hatte, war die Tour zu SLIPPERY WHEN WET ein gnadenloser Lernprozess gewesen. „Wir wurden zu einer besseren Band und kamen uns als Menschen näher. Egal wie nah sich fünf Typen stehen können, man wird noch enger miteinander. Man weiß noch ein bisschen mehr über alle anderen. Man weiß… welche Socken sie tragen! Man liebt einander ein bisschen mehr. Man hasst einander ein bisschen mehr.“ Er gestand auch, dass er etwas beunruhigt bei dem Gedanken war, das alles wieder zu tun. „Es ist das Wissen um die Länge dieser motherfucking Tournee“, seufzte er. „Das ist es, was einen fertigmacht.“ Und darin offenbarte er einen schwelenden Konflikt, der langsam begann, der Band zuzusetzen. Bon Jovi waren auf einem Höhenflug, aber gefangen in der Tretmühle des Album-Tournee-Zyklus. Es war, als wüsste Richie, was ihnen bevorstand. Diesmal würden Bon Jovi auf Tour an den Rand des Zusammenbruchs kommen.

Sie nannten sie die „Jersey Syndicate“-Tour, eine augenzwinkernde Referenz an die Mafia. Und sie bauten den Witz noch aus mit den Decknamen, unter denen Jon und sein persönlicher Bodyguard Danny Francis in Hotels eincheckten. Als Hommage an die berühmtesten britischen Gangster, die Kray-Zwillinge, war Jon „Ronnie“ und Danny „Reggie“. Der Unterschied war, dass Jon einfach nur ein Fan von Filmen wie „Der Pate“ und „Es war einmal in Amerika“ war, während Danny, ein harter Londoner, tatsächlich mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stand und für Led Zeppelin und andere gearbeitet hatte.

In Dublin am Abend vor dem ersten Konzert traf sich Jon mit seinem Freund Joe Elliott von Def Leppard, der vor Kurzem dorthin gezogen war. „Ich nahm Jon in meine Stammkneipe mit“, erinnert sich Elliott. „Sie waren es gewohnt, mich dort zu sehen. Aber als ich mit Jon reinkam, schrie diese Frau einfach nur und ließ ihr Glas fallen. Sie fiel fast in Ohnmacht!“

Diese Wirkung hatte Jon Bon Jovi nun mal auf seine weiblichen Fans. Wie Danny Francis sagt: „Ein großer Teil meines Jobs bestand darin, Mädchen davon abzuhalten, ihn in Stücke zu reißen.“

Francis war schon seit Beginn der SLIPPERY-Tour 1986 Jons persönlicher Aufpasser. „Wir standen uns sehr nahe“, sagt er. „Fast wie Brüder.“ Und was er auf der „Jersey Syndicate“-Tour erlebte, bringt er einfach auf den Punkt: „Jon hatte die Zeit seines Lebens. Bis alles zu viel wurde.“

Nach zwei Gigs in Dublin – bei dem zweiten am 1. November kam als Überraschungsgast Joe Elliott für ein Cover von Thin Lizzys ›The Boys Are Back In Town‹ auf die Bühne – zogen Bon Jovi durch ganz Europa und Japan, bevor der erste Teil der Nordamerikareise im Januar 1989 begann. In sieben Monaten spielten sie 119 Konzerte.

Jon genoss die Annehmlichkeiten des Starruhms. Man mietete für 20.000 Dollar zwei Learjets, damit er und die Band aus dem Mittleren Westen nach Las Vegas fliegen konnten, um am 25. Februar den Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht zwischen Mike Tyson und Frank Bruno zu besuchen. George Francis, Dannys Vater, war Brunos Trainer und nach Tysons Sieg traf Jon zwei Legenden: Muhammad Ali, den größten Boxer aller Zeiten, und Colonel Tom Parker, den einstigen Manager von Elvis Presley.

Ein weiteres Beispiel für diese Privilegien lieferte der 9. März, als Jon an einem freien Abend in New York ein bisschen zu viel Spaß hatte und verhaftet wurde. Nach reichlichem Alkoholgenuss mit seiner Freundin Dorothea Hurley und dem stets präsenten Danny Francis bestand er darauf, auf dem Wollman Ice Rink im Central Park Schlittschuhlaufen zu gehen. Sie kletterten über einen Zaun, wo sie prompt von Polizisten begrüßt wurden. Ihre Rettung kam in Form eines Fax, das der Besitzer der Eisbahn an die Polizeistation schickte – ein gewisser Geschäftsmann namens Donald Trump. In der handgeschriebenen Nachricht stand: „Wenn sie Jon Bon Jovi dafür verhaften, auf meinem Besitz einzubrechen, wird meine Tochter nie wieder mit mir sprechen.“

Doch mitten auf dieser Nordamerikatour passierte das wohl Überraschendste überhaupt: Am 24. April, vor der Show in Las Vegas an jenem Abend, heirateten Jon und Dorothea in der Graceland Chapel. Es war ihnen gelungen, ihren Plan geheim zu halten, und weder Freunde noch Familie waren anwesend. Erst während einer kurzen Tourneepause in der Augustwoche feierten die Frischvermählten mit einer Party in New York unter dem Begriff „Post-Elopement Extravaganza“ und mit Danny Francis als Jons Trauzeuge.

Für Flitterwochen war aber keine Zeit. Am 12. und 13. August traten Bon Jovi beim Moscow Peace Festival auf, einem zweitägigen Event mit Anti-Drogen-Botschaft, den Doc McGhee als Teil seiner Rehabilitation auf die Beine gestellt hatte. Auch Ozzy Osbourne, Mötley Crüe und die Scorpions gingen hier auf die Bühne, ebenso wie zwei weitere Bands, die mit Bon Jovi in Verbindung waren: Skid Row und Cinderella. Bei beiden Shows kamen mehr als 100.000 Zuschauer. Alle Künstler traten umsonst auf und die Einnahmen gingen an wohltätige Organisationen für die Opfer von Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Es war schon mehr als Parodie: ein Anti-Drogen-Event, bei dem einige der berüchtigtsten Drogenstaubsauger des Musikgeschäfts auftraten. Und für ein sogenanntes Friedensfestival herrschte backstage äußerst wenig Harmonie. Mötley CrüeMötley CrüeMötley Crüe fühlten sich von McGhee hintergangen, nachdem er sich für Bon Jovi als Headliner entschieden hatte. McGhee wollte die Gemüter beruhigen und versicherte ihnen, dass Bon Jovi bei ihrem Auftritt am zweiten Abend auf spektakuläre Bühnentricks verzichten würden – vor allem Pyrotechnik. Doch das war eine Lüge. Zu Beginn des Sets wurde Jon von Spotlights beleuchtet, als er von einem Bereich in der Mitte der Arena entlang eines Spaliers aus russischen Soldaten auf die Bühne ging.

Als die Band dann die ersten Töne von ›Lay Your Hands On Me‹ anstimmte, dem Opener von NEW JERSEY, brach ein Feuerwerk aus, als sei es der 4. Juli. Augenblicke später wurde McGhee am Bühnenrand mit einem einzigen Kinnhaken von Crüe-Drummer Tommy Lee KO geschlagen. Nach der Show debattierten die Mitglieder von Bon Jovi über einen Gegenschlag, doch letztlich waren es David Bryan und Tico Torries, die Danny Francis auseinander bringen musste, als sie in einem Hotelzimmer aneinander gerieten, so betrunken, dass sie gar nicht mehr wussten, wie der Streit begonnen hatte.

Die Tour ging weiter und weiter. Nach Moskau kam ein weiteres riesiges Open Air in Großbritannien in der Milton Keynes Bowl am 19. August, dann eine zweite Runde durch Nordamerika und schließlich noch Australien und Neuseeland. Erst Ende November konnte die Band endlich Pause machen. Und in einem abgeschotteten Hotel an der Küste des australischen Great Barrier Reef machten sie tagelang Party. Sie nannten es die „verlorene Woche“.

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