Ob auf der Suche nach antiken Gegenständen, Blues-Klassikern oder alten eigenen Songs: Ex-Stones-Bassist Bill Wyman gräbt gerne Dinge aus. Das Resultat seiner Forschungsarbeit in eigener Sache: BACK TO BASICS, seine erste Soloplatte seit 23 Jahren.
Die Vergangenheit ist nicht immer gnädig gestimmt. Wenn Bill Wyman an seine Soloplatten aus den späten 70ern und frühen 80ern zurückdenkt, bekommt er heute schon mal Kopfschmerzen. „Da waren ein paar Sachen drauf, dich ich mir besser hätte verkneifen sollen“, sagt er und lacht. Der Song ›Jump Up‹ vom 82er-Album BILL WYMAN zum Beispiel. „Eine Art Reggae-Partysong, von dem die Plattenfirma meinte, er käme in den Staaten gut an. Ich hätte da besser auf mein Bauchgefühl hören sollen.“
Und auch die Hochheiligen Rolling Stones, bei denen Wyman von 1962 bis zu seinem Austritt 1993 Bassist war, hätten ein paar Nummern aufgenommen, die er lieber nicht zu Gehör gebracht hätte. Zum Beispiel? „›Let’s Spend The Night Together‹“. Das kommt überraschend. Bill Wyman schnauft am Telefon kurz durch, dann sagt er: „Das war mit immer zu zappelig. Aber letztlich spielen diese Jugendsünden keine Rolle mehr. Die Gesamtbilanz der Rolling Stones ist ja ganz ordentlich, würde ich sagen.“
Nein, ein Prahlhans ist dieser Bill Wyman heute nicht mehr. Einer der größten Rockstars der 60er, 70er und 80er Jahre klingt heute wie ein Schuldirektor kurz vor der Pension: besonnen, abgeklärt, freundlich. Im Vorfeld zu den Interviews gab es nur eine Bitte: nichts Privates. Die Sache mit der viel zu jungen Mandy Smith, mit der er in den 80ern zusammen war und die er später heiratete, hängt ihm noch immer nach.
Und es ist ja auch zu grotesk, dass sein Sohn Stephen später – Wyman und Mandy waren da schon geschieden – Mandys Mutter heiratete, sodass Bill Wyman nicht nur der Schwiegervater seiner Ex-Schwiegermutter wurde, sondern der Opa seiner eigenen Ex. Wer will schon freiwillig über solche familiären Kapriolen reden?
Also lieber zu BACK TO BASICS, seiner ersten Soloplatte nach 23 Jahren, die schließlich der Anlass des Gesprächs ist. Das Album ist eine Sammlung alter und neuer Songs, die meisten solide Rock’n’Blues-Stücke, professionell gespielt und arrangiert. „Ausgangspunkt waren einige Ausgrabungen, die ich gemacht habe“, erklärt Wyman. Der 78-Jährige hatte unlängst ein paar verstaubte Tapes gefunden, die der digitalisierte und dann noch einmal hörte.
„Es waren ein paar Songs dabei, die ich wirklich mochte. Ich dachte mir: Noch ein einige neue Lieder – und ich habe ein Album zusammen.“ Der Titel ist natürlich programmatisch zu verstehen: BACK TO BASICS, Musik, gespielt von Gitarre, Bass, Schlagzeug. „Hier und dort ein paar Bläser und Backing Vocals, mehr wollte ich nicht. Auf dieses ganze moderne Studio-Bohei kann ich gut verzichten.“ Ziel war es, eine Platte aufzunehmen, die an früher erinnert, ohne zu nostalgisch zu klingen. „Ich bin nämlich auch kein Freund von Bands, die alles unternehmen, um so zu klingen wie die alten Meister der Vergangenheit. Das geht in den meisten Fällen schief, weil sie ein anderes Equipment besitzen und andere Aufnahmeverfahren als ihre Helden benutzen.“
Mit seiner Band Rhythm Kings grub Wyman eine Menge alter Blues- und Rocknummern aus. Jetzt buddelte er nach eigenen alten Songs. Warum diese Rückbesinnung? „Es gibt mir halt eine Befriedigung, Dinge zu finden, die nicht mehr an der Oberfläche sind. Dass sie nicht mehr für jedermann sichtbar sind, bedeutet ja nicht, dass sie auch verschwunden sind.“