Wolfgang Niedecken (69) hat allen Grund zu feiern: Seit mehr als 40 Jahren ist er mit seiner Band BAP erfolgreich unterwegs. Hier hat uns der Songwriter seine fünf Lieblingsalben verraten.
Bruce Springsteen – BORN TO RUN (1975)
Würde ich einem Außerirdischen vorspielen wollen, was Rock‘n‘Roll ist, dann würde ich dieses Album nehmen. Danach wären keine Fragen mehr offen, er würde sagen: Ja, verstehe, stimmt. Die Musik rockt, sie hat Gefühl, Soul, schöne Texte, Alltagslyrik. Es sind unglaublich tolle Songs darauf, ›Thunder Road‹, ›She‘s The One‹. Wenn ich jetzt nur eine Platte hätte nennen sollen, dann wäre es ebenfalls BORN TO RUN gewesen. Ich war ja zunächst reiner Dylan-Fan, bis mein Gitarrist dahergekommen ist und meinte: Hör dir das mal an, das ist wie dein Dylan, nur geiler. (lacht)
Bob Dylan – BLOOD ON THE TRACKS (1975)
Bei Dylan ist es mir unglaublich schwer gefallen, mich zu entscheiden. Schließlich habe ich BLOOD ON THE TRACKS genommen. Das Album kommt sehr rau daher, minimal arrangiert. Dylan hat die Songs geschrieben und direkt aufgenommen, mit wenig Overdubbing. Er musste die Platte am Ende sogar nochmal neu aufnehmen, da der erste Anlauf zu überhastet eingespielt worden war. Die Stücke sind während einer Ehekrise mit seiner ersten Frau Sara Lowndes entstanden, der Mutter von Jakob Dylan. Er hat alles in die Lieder reingelegt. Bitten, Betteln, Fluchen. Große Poesie und unglaublich tolle Texte.
The Rolling Stones – BEGGARS BANQUET (1968)
Auch bei den Stones habe ich mich schwer getan, einen Favoriten zu küren. BEGGARS BANQUET erinnert mich an meine Schulzeit, an die Deutscharbeit „Welches Gedicht hat dich am meisten beeinflusst“. All die anderen Langweiler haben natürlich „Die Glocke“ oder „Die Bürgschaft“ oder etwas in der Art genommen. Ich interpretierte „Sympathy For The Devil“. Was dann natürlich großes Thema im Lehrerzimmer war. Dem ganzen Album merkt man an, dass die Stones sich zu dieser Zeit endgültig mit Dylan auseinandergesetzt hatten. ›Salt Of The Earth‹ etwa oder eben ›Sympathy For The Devil‹.
The Beatles – LET IT BE… NAKED (2003)
Eigentlich wollte ich REVOLVER nehmen, heute Morgen habe ich mich spontan umentschieden, als ich LET IT BE (NAKED) rumliegen sah. Es hat mich riesig gefreut, als das 2003 erschienen ist. Paul McCartney hat die Platte damals von Produzent Phil Spector befreit. Die Überzuckerung des ursprünglichen Albums hatte in den 60ern zu einer Zeit stattgefunden, als Lennon und McCartney nicht gut miteinander zurechtkamen. Es war Lennons Idee, Spector zu beauftragen – daher die Streicher und all die Schnörkel. Relativ unerträglich. McCartney hat für NAKED alles neu abgemischt.
Neil Young & Crazy Horse – RUST NEVER SLEEPS (1979)
Bei Neil Young hätte ich viel nehmen können. Aber RUST NEVER SLEEPS ist wohl doch meine Lieblingsplatte von ihm. ›Thrasher‹ wiederum ist mein Lieblingssong. Mit einem tief gehenden Text, aus der Seele heraus, wie eine Beichte, eine Rechtfertigung, ein Dank auch. Er lässt ganz viel offen, gerade was die Interpretation betrifft. Mein zweiter Favorit ist ›Pocahontas‹. Toll ist natürlich auch der Zweiklang aus ›My My, Hey Hey‹ und ›Hey Hey, My My‹. Ein unglaubliches Powerstück, erdig, ehrlich und unverstellt. Generationen von Punk- und Grungebands haben sich daran orientiert.