Kiss-Klassiker, frisch ausgegraben.
Gibt es im Rock’n’Roll smartere Geschäftsmänner als die Herren von Kiss? Wohl kaum. Zutage fördert Gene Simmons’ Geschäfts-tüchtigkeit neben jeder Menge eitlem Tand auch mal ein echtes Juwel: DESTROYER, jenes vierte Studiowerk von 1976, das nach den eher kraftlos produzierten Vorgängern Kiss, Hotter Than Hell und Dressed To Kill zum Klassiker im Kiss-Repertoire avancierte. Möglich machte das facettenreiche Hörerlebnis der kanadische Ausnahmeproduzent Bob Ezrin, der schon Alice Cooper zu Weltruhm verholfen hatte. Auch bei Kiss sorgte er für kompakte Transparenz und allerlei gute Ideen, allein für den majestätischen Stadionhymnengiganten ›Detroit Rock City‹ verwurstete das Studiogenie in tagelanger Tüftelei zahllose Zusatzeffekte und Geräuschkulissen. Wie ein Oberlehrer führt sich Ezrin während der Studiosessions auf, mit Trillerpfeife um den Hals staucht er Simmons zusammen, als der mitten in der Aufnahme sein Spiel unterbricht. Ezrin setzt auf Großorchestriertes, auf Kinderchöre, rückwärts abgespulte Perkussion und mysteriöse Klänge. Doch braucht es eine sentimental inszenierte Ballade wie das von Schlagzeuger Peter Criss co-komponierte und gesungene ›Beth‹, um DESTROYER in obere Chartregionen und die Platinliga zu hieven. Dick Wagner, Solo-gitarrenvirtuose bei Alice Cooper, übernimmt bei ›Sweet Pain‹ und ›Beth‹ Ace Frehleys Job. ›Great Expectations‹ adaptiert ohne den Namen des Komponisten zu erwähnen Teile aus Beethovens ›Pathétique‹. Als Autor beteiligt am Meilenstein ist neben Ezrin auch Kultikone Kim Fowley. Als Singleauskoppelungen fungieren ›Shout It Out Loud‹ und ›Flaming Youth‹. Optisch aufgewertet wird die Neuauflage durch den ursprünglichen, von der Plattenfirma Casablanca damals abgelehnten Coverentwurf von Ken Kelly.