Traumpaarung des R&B: Was passiert, wenn ein Ex-Fühldichgut-Doktor auf eine mikrofonschwingende Rocklegende tifft?
Preisverleihungen können ganz schön anstrengend sein. Stundenlang mit knurrendem Magen aufs Büffet warten, eitle Prominente ertragen und eventuell geht man bei der Trophäenvergabe auch noch leer aus – wer möchte das schon? Wilko Johnson, ehemaliger Gitarrist der britischen R&B-Putztruppe Dr. Feelgood, saß 2010 bei so einer Veranstaltung zufällig neben Who-Frontmann Roger Daltrey. Beide vertrieben sich die Zeit mit Getuschel und stellten irgendwann verblüfft fest: Man hegt ein gemeinsames Faible für die britischen Rockpioniere Johnny Kidd & The Pirates. Vergangenen Herbst war es dann soweit: Johnson, mittlerweile unheilbar an Bauchspeichedrüsenkrebs erkrankt, und der gerade von einer Who-Tour zurückgekehrte Daltrey begeben sich in ein Studio namens Yellow Fish. Unter der Ägide von Produzent Dave Eringa entstehen mit Johnsons Begleitformation, Bassist Norman Watt-Roy und Schlagzeuger Dylan Howe, binnen einer Woche elf knackfrisch am rauen, britischen R&B ausgerichtete Songs. Gemessen am Alter der beiden Veteranen ganz schön flott und flink. Mit dabei an den schwarzweißen Tasten: Mick Talbot (Style Council, Dexy’s Midnight Runners). Ausgewählt hat das Duo diverse Klassiker aus Johnsons Vergangenheit. Von Dr. Feelgood stammen ›Sneakin’ Suspicion‹, ›Going Back Home‹, ›Keep It Out Of Sight‹ und ›All Through The City‹. ›Everybody’s Carrying A Gun‹ datiert zurück auf Johnsons stets zu Unrecht unterbewertete Nachfolgeformation Solid Senders. Auch nicht gerade alltäglich: ›Can You Please Crawl Out Your Window?‹, eine Non-LP-Single von Bob Dylan aus dem Jahr 1965. Als Sahnehäubchen für die wie Arsch auf Eimer passende Traumpaarung wurde obendrein eigens das legendäre Label Chess reaktiviert. Was will man eigentlich mehr?