So ein Ausdruck war vor vier Jahrzehnten noch kein Karrierekiller wie im heutigen Klima des #MeToo-Bewusstseins. Und rückblickend gibt Marsden gerne zu, dass die Wortspiele der Band und das Cover von LOVEHUNTER vielleicht moralisch nicht falsch waren, aber doch das Produkt einer vergangenen Zeit. „Wenn man sich diese Dinge heute ansieht, kann ich es verstehen“, kommentiert er das schwierige Verhältnis von Whitesnake zu den Medien. „Andererseits nahmen wir [die Instrumentalisten der Band] nicht besonders viel Notiz von den Texten, auch wenn David einige großartige schrieb wie ›Ain’t Gonna Cry No More‹. Was die Leute nicht begriffen, war, dass er das, was er da sang, absolut nicht ernst meinte.“
Coverdale wiederum schien nicht zu begreifen, dass Sutcliffe prinzipiell auf der Seite der Band stand. Sein Artikel betonte, dass sie sich mit diesem Artwork keinen Gefallen getan hatte, denn die meisten Songs von Whitesnake „waren nicht sexistisch, sondern sexy“ – und das fünf Jahre, bevor der Spinal-Tap-Film erschien. „David glaubte, es sei in Ordnung, diese Dinge zu sagen, weil er sich selbst davon überzeugt hatte“, erklärt Marsden. „Doch es gab durchaus Zeiten, als Jon [Lord] und ich etwas sahen, das er im ‚Melody Maker‘ oder sonstwo gesagt hatte, und die Nase rümpften. Aber David war nun mal der Sänger, also gab er die Interviews.“
Immerhin durfte man ein bisschen Mitleid mit Coverdale haben, der in ›Rock & Roll Women‹ eindeutig klarmachte, wonach er suchte: „a high-heeled double trouble backstage queen/who gets what she wants and knows where she’s been“. „Das ist wahr, aber ich stimme der Kritik teilweise schon zu“, so Marsden. „David glaubte tatsächlich an all das, denn er musste es ja [auf der Bühne] auch darstellen, und dafür sollte man ihm vielleicht Anerkennung geben. Aber wenn ich heute Autogramme auf der Plattenhülle von LOVEHUNTER gebe, dann schreibe ich nicht ‚cheers‘, sondern ‚cheap‘ auf den Hintern des Mädchens. Das Artwork war nun mal billig.
LOVEHUNTER sollte sich als Dave Dowles letztes Album mit der Band erweisen. Coverdale erklärte im „Sounds“, der Schlagzeuger sei „unfähig, mit konstruktiver Kritik umzugehen“, und fuhr fort: „Whitesnake wurden langsam wie ein spanisches Hotel – es sah von außen gut aus, aber das Fundament war ziemlich wacklig“.
Doch in Marsdens Erinnerung an die Ereignisse wurde Dowle nicht gefeuert, sondern war womöglich von sich aus ausgestiegen, womit er den Platz für seinen Nachfolger Ian Paice räumte, den einstigen Trommler von Deep Purple. „Jon [Lord] hatte uns wissen lassen, dass Ian verfügbar war, und David Dowle wurde immer unglücklicher mit der Band“, erklärt Marsden. „Er war ein Londoner, der nicht gerne weit weg von seiner Familie war. Ein Monat in Clearwell war für ihn schrecklich. Die Trennung hatte nichts mit der Musik zu tun. Hör dir die Platte an. David behauptet, das Fundament sei unzuverlässig geworden, doch ich höre das nicht, auf keinen Fall.“
Durch den Einstieg von Paice, dem „primitiveren“ Drummer, den Coverdale sich gewünscht hatte, waren drei Fünftel des Line-ups von Deep Purples MK III in Whitesnake wieder vereint. Eine Tatsache, die der Presse nicht entgangen war, die andeutete, diese Personalwechsel seien nichts weiter als eine schrittweise Reunion von Deep Purple. Marsden wurde darüber so wütend, dass er extra T-Shirts drucken ließ. „Darauf war das Deep-Purple-Logo zu sehen, zusammen mit den Worten: ‚No, I wasn’t in…‘“, sagt er heute mit einem Lachen. „Und die Presse schrieb dann: ‚Oh, seht mal, die ersten Risse in der Fassade. Bernie Marsden schlägt zurück‘. Doch in der Band lachten sich alle kaputt darüber.“
In den Monaten vor der Veröffentlichung von LOVEHUNTER waren Whitesnake eine der Bands des Wochenendes beim Reading Festival 1979 gewesen. „Wir wurden euphorisch aufgenommen, und das machte einen großen Unterschied“, erinnert sich Marsden freudig. „Als das Album dann erschien, verkauften wir eine Menge Platten. Ian war noch nicht an Bord, aber Jon war schon eingestiegen, und wir dachen: ‚Vielleicht sind wir eine größere Band, als uns bewusst ist‘.“
Erschienen im Oktober 1979, geriet LOVEHUNTER zum ersten Whitesnake-Album, das in Großbritannien die Top 30 erreichte. In Argentinien wurde ein Ketten-Bikinihöschen auf das Hinterteil der Frau auf dem Cover geairbrusht, während die US-Pressung einen Aufkleber an derselben Stelle verpasst bekam.
Obwohl LOVEHUNTER nach TROUBLE ein großer Schritt nach vorne war, verwirrte Coverdale Jahre später in einem Interview mit dem Statement, dass es auch eine sehr gute EP abgegeben hätte. „Das hat er wirklich gesagt?!“, fragt Marsden ungläubig, bevor er mit einem Kichern hinzufügt: „Ich weiß nicht, welche sechs Nummern er dafür genommen hätte. Aber Alben sind wie deine Kinder – nichts ist perfekt. Und wenn du sie erst einmal gemacht hast, gibt es kein Zurück. Doch damals waren Whitesnake wirklich noch ein Kollektiv. Heute macht David genau das, was er will. Doch damals diskutierten wir über alles, weil das wirklich wichtig war. Das hatte etwas Gutes, Gesundes, Positives. Und die Band wurde dadurch mit READY AN’ WILLING [1980] und COME AN’ GET IT [1981] besser und erfolgreicher. Doch TROUBLE und LOVEHUNTER waren trotzdem wirklich gute Platten. Dass David sagt, er möge seine ersten beiden Kinder nicht… Nun, ich finde das, ehrlich gesagt, ein bisschen respektlos.
Als dieses Album erschien, es war im September 1979 vor gut 41 Jahren ! war die Männer dominierte Welt noch moralisch anders, weniger Scheinheilig verordnet.
Sex und die damit verbunden Attitüden hinsichtlich der Produkt-Vermarktungen , dazu gehören die Produkte der Musik-Industrie wie andere Kunstformen z.B. bildhaftes Gestalten und davon abgeleitet die diversen Kunstwerke aus allen Epochen unserer Geschichte.
Akt-Malerei kann je nach Standpunkt und moralischer Verordnung Sexistisch, unmoralisch für jene Betrachter sein.
Die aktuelle Thematisierung über Sex und dessen öffentliche Wahrnehmung von selbsternannten Tugendwächterinnen und Moralistinnen halte ich doppelzüngig, scheinheilig.
Der aktuelle Moral-Hype ist für mich auf gleicher Stufe wie die angeblichen moralischen Verfehlungen denen diese Anprangerungen gelten sollen.
Ich denke wir sind die vergangen 41 Jahre seit Erscheinen dieses grandiosen Albums nicht moralisch zu Grunde gegangen.
Die aktuellen globalen Schein-Moralisten-Bewegungen könnten allerdings genau selbiges bezwecken ; Eine Welt zu schaffen die von einer Minderheit moralisch gegängelt wird.
Ich meine den Sexismus der in den 1960 Jahren von der Psychologie und Sozialpsychologie definiert wurde und der aktuell von Schein-Moralisten – und Moralistinnen in den öffentlichen Fokus gezerrt wird.
Ein phantastischer Artikel! Als ob diese Generation endlich erwachsen wird und Verantwortung übernimmt! Leider nur theoretisch. Gerade Musiker, aber auch andere Kunstschaffende, selbst Wissenschaftler haben sich aufgrund ihres Singsangs, Gezupfes, Gepinsels und Gedenke herausgenommen, das andere Geschlecht als eine Sache zu betrachten. Als Objekt. Das haben sie besungen, so haben sie gemalt, das heben sie gelebt. Und beeinflusst. Männer haben gedacht, sie seien nur Männer, wenn sie sich so verhalten. Frauen haben gedacht, sie seien nur Frauen, wenn sie sich dem unterordnen. Chaplin, Clapton, Manson, Dylan, Kelly, Schrödinger… man würde bis morgen weiterschreiben können. Sexistische Texte sind keine Kunst! Sexistische Bilder sind keine Kunst! Sexistische Männer sind keine Vorbilder! Was solche Männer an Leistung erbringen, kann von anderen Männern, die verantwortlicher leben und handeln ebenso erbracht werden. Die Gesellschaft muss nur lernen, genauer hinzusehen. Und Fans sollten ihre Scheuklappen abnehmen. Was schwer ist, wenn man mit dieser Art Prägung aufgewachsen ist. Aber da einigen Musikern selbst der Schreck in die Glieder fährt und es ihnen augenscheinlich unangenehm und peinlich ist, wie sexistisch sie waren, sollten auch Fans in der Lage sein, aufzuwachen. Mindestens für ihre Töchter.
Da gibt es in einem Artikel endlich einen Fortschritt – und schon kommen aus irgendwelchen Ecken die Verteidiger toxisch sexistischer Denkmuster daher. Herr Rolf Maier, fangen Sie bitte an, umzudenken. Und beschimpfen sie Menschen zukünftig nicht mehr als “scheinheilig verordnet”, “selbsternannte Tugendwächterinnen”, “Moralistinnen”, “doppelzüngig” und “moralisch gängelnde Minderheit”, die empathisch auf ihre Mitmenschen schauen. Was Frauen ertragen haben und was Frauen nicht mehr wollen, können Sie z.B. hier lesen:
https://taz.de/Sexismus-in-der-Filmbranche/!5831917/
Es bleibt zu hoffen, dass es auch in der Musikbranche endlich ein Aufwachen gibt!
Und um die Frage der Überschift zu beantworten:
Whitesnake: Sexistisch!
Wofür Coverdale steht, zieht sich durch alle Teile der Gesellschaft: Ungehemmter Sexismus. Frauen als Objekte. Was nicht heißt, dass Frauen das nicht mitgetragen und unterstützt haben. Aus der Ferne, in völliger Naivität. So lange, bis sie am eigenen Leib erfahren haben, was ausgeübter Sexismus bedeutet. Die Menge dieser Frauen hat in den letzten Jahren einen Kipp-Punkt überschritten, jetzt beginnt der Wandel.
Sexistische Attitüde ist für herausragende Musik nicht nötig!
Aktuell ist bei der (Sexismus :)-Hard-Rock-Band Whitesnake eine Frau am Bass, die für meine Begriffe zu viel an Weiblichkeit in Form Ihres Bühnen-Outfits zeigt. Als Musiker bin ich begeistert vom musikalischen Können der Protagonistin , als männlicher Konsument dieser zur Schau gestellten überzeichneten sexistischen Selbstdarstellung angewidert im übrigen genau so von vielen männlichen Protagonisten mit ihrem überzogenen Macho-Gehabe auf und neben den Bühnen dieser Welt.
Die Bass-Player in dürfte ihr Bühnen-Outfit vermutlich selbst wählen, immerhin steht sie im Umfeld mit männlichen sexistischen Selbstdarstellern in Konkurrenz. Whitsnake : Beide Geschlechter werden Sexistisch bedient!!!!
Einfach die moralische Keule in der Schmuddel-Ecke stehen lassen oder wenn es gefällt die Show genie0en ohne die moralische Blockade in der Birne.