Werkschau: Unser Album-Guide zu Elvis Presley

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Werkschau: Unser Album-Guide zu Elvis Presley

elvis presley 1968Wir suchen uns die Highlights in der Karriere des hüftwackelnden, Eltern provozierenden ehemaligen Lkw-Fahrers heraus, der zum unangefochtenen König des Rock‘n‘Roll avancierte und heute 85 Jahre alt geworden wäre.

Unverzichtbar

FROM ELVIS IN MEMPHIS (1969)

elvis memphis
Dieses Country-Soul-Meister­werk entstand in den American Sound Studios in Elvis‘ Heimatstadt gemeinsam mit den Memphis Boys, einer Band aus Session-Cracks, zu der auch der geniale Bassist Tommy Cogbill und Gitarrist Reggie Young zählten. Zunächst waren sie skeptisch ob des Superstars in ihrer Mitte, doch sein Charisma und sein Wille, hart zu arbeiten, überzeugten sie schließlich. Fakt war, dass Elvis einen Erfolg dieser Sessions dringend be­­nötigte, also gab er absolut alles auf Tracks wie ›Wearin‘ That Loved On Look‹, ›Long Black Limousine‹, ›In The Ghetto‹ und zwei Singles, die nicht aufs Album kamen: ›Suspicious Minds‹ und ›Kentucky Rain‹, beide auf der 2009er Reissue enthalten.

THE COMPLETE ‘68 COMEBACK SPECIAL: THE 40TH ANNIVERSARY EDITION (2008)

elvis complete
Eigentlich hieß diese TV-Sendung, die im Dezem­ber 1968 auf NBC ausgestrahlt wurde, schlicht „Elvis“, doch durch den Schub, den sie seiner damals stagnierenden Karriere gab, wurde sie als „The ‘68 Comeback Spe­cial“ bekannt. Wie er in einem hautengen schwarzen Leder­anzug ›Tiger Man‹ singt, ist dabei nur eines der Highlights. Elvis behauptet hier, auf dem Laufenden mit den neuesten Trends zu sein, und zeigt den Hippies dann mit einer atemberaubenden Darbietung von ›If I Can Dream‹, wie man es richtig macht. Die Stellen, an denen er mit seinen alten Kumpels Scotty Moore und Bill Black herumalbert und jammt, sind natürlich ebenfalls Gold wert.

Wunderbar

THE SUN SESSIONS (1976)

elvis sun
Ob wahr oder nicht: Die Legen­de, dass Sun-Besitzer Sam Phillips einen weißen Jungen suchte, der singen konnte wie ein Schwarzer, trug böse Früch­te, als Südstaaten-Rassisten Elvis als degenerierten „Neger­freund“ bezeichneten. Sogar Frank Sinatra gab seinen Senf da­­zu und tat ihn als „vulgären Einfaltspinsel“ ab. Während der KKK Presleys Tod wollte, fuhren die Kids nur so ab auf explosiven Rockabilly wie ›That‘s All Right‹, ›Blue Moon Of Ken­tucky‹ und ›Mystery Train‹, befeuert von Elvis‘ Rhythmus­gitarre, dem Country-Jazz-Picking von Scotty Moore und Bill Blacks Bass.

ELVIS PRESLEY (1956)

elvis presley
Sein RCA-Debüt hatte nicht nur musikalisch einen großen Einfluss – The Clash bedienten sich 1979 für LONDON CAL­LING auch ungeniert beim Art­work. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Sammlung von RCA-Tracks und übrigge­bliebenem Material von Sun. Die legendären Version­en von Carl Perkins‘ ›Blue Suede Shoes‹, Little Richards ›Tutti Frutti‹ und Ray Charles‘ ›I Got A Woman‹ fügen sich nahtlos an Sun-Aufnahmen wie ›Just Because‹ und ›Blue Moon‹. Das Publikum merkte nichts und kaufte die Platte sowohl in den USA als auch in Groß­britannien auf Platz 1.

ELVIS‘ GOLDEN RECORDS (1958)

elvis golden
Es gibt Hunderte Elvis-Samp­ler, dennoch ist eine seiner besten Hit-Sammlungen ausgerechnet seine erste. ELVIS‘ GOL­DEN RECORDS ist die erste Rock‘n‘Roll-Compila­tion überhaupt – und makellos. Hier finden sich alle Songs, die John und Paul, Mick‘n‘Keef oder Page & Plant dazu brachten, Rockstars sein zu wollen: ›Hound Dog‹, ›Heartbreak Hotel‹, ›Jailhouse Rock‹, ›All Shook Up‹. Dazu gibt es die kariös überzuckerte Ballade ›Love Me‹, die Elvis-Fan – und zeitweise sein Schwiegersohn – Nicolas Cage in „Wild At Heart“ zum Besten gab.

ELVIS COUNTRY (I‘M 10,000 YEARS OLD) (1971)

elvis country
Auch wenn er in dem Moment, als er im Sun Studio über die Schwelle trat, den Niedergang des Country in Gang setzte, er­­wies er mit diesem weniger bekannten Konzeptalbum den Künstlern und Kunstformen, die ihn als Kind berührt hatten, seine Reverenz. Die Neuinter­pre­­tation von Jerry Lee Lewis‘ ›Whole Lotta Shakin‘‹ ist grandios, doch es ist vor allem die warmherzige Fassung von Willie Nel­sons ›Funny How Time Slips Away‹, die die Repeat-Taste verschleißen lässt. Kom­mer­ziell kein großer Erfolg, doch eine Rückkehr zu Elvis‘ Wurzeln.

Anhörbar

ALOHA FROM HAWAII VIA SATELLITE (1973)

elvis hawaii
Entgegen der Meinung Unwis­sender veröffentlichte Elvis in den 70ern einige seiner besten Platten – niemand beherrschte selbstironische, brustkorbklopfende Rocknummern wie ›Burning Love‹ und ›A Big Hunk O‘ Love‹ besser als er. Daneben plündert er auch seinen Backkatalog mit ›Suspi­cious Minds‹, ›Hound Dog‹ und ›Blue Suede Shoes‹ und erweist den Beatles mit ›So­­me­­thing‹ die Ehre. Am herausragendsten ist jedoch zweifellos ›An American Trilogy‹, eine zu Tränen rührende, tief empfundene Liebes­erklärung an die Südstaaten.

ELVIS (1956)

elvis
Der Nachfolger seines RCA-Debüts beinhaltet eine seiner schrägsten Cover-Version­en. Nur Elvis konnte soviel Pathos aus Red Foleys ›Old Shep‹ wringen, der herzerweichenden Geschichte über einen Köter. Es war der erste Song, den Elvis live gespielt hatte – bei einem Talentwettbewerb im Alter von zehn Jahren. Wer jetzt denkt, „ich kaufe mir doch kein Album mit einem Trauer­lied auf einen Hund“, wird mit Freuden hören, dass sich hier auch einige der besten frühen Rocknummern des King finden, u.a. ›Rip It Up‹, ›Paralyzed‹ und eine stürmische Dar­bietung von Little Richards ›Long Tall Sally‹.

ELVIS‘ CHRISTMAS ALBUM (1957)

elvis christmas
Dieses Festmahl war eine Überraschung für ein Amerika, das von kreisenden Hüften im Fernsehen und deren anschließender Zensur gespalten worden war. Die empörten Eltern wussten eben nicht, dass er ein strenggläubiger Christ und unverhohlenes Muttersöhn­chen war, was er auf seiner aufrichtigen Interpretation des Gospelsongs ›(There‘ll Be) Peace In The Valley (For Me)‹ bewies. Eine schöne Version von ›White Christmas‹ findet sich hier ebenso, doch die meisten werden vor allem seine tolle Fassung des melancholischen Klassikers ›Blue Christmas‹ kennen.

Sonderbar

FUN IN ACAPULCO (1963)

elvis fun in acapulco
Selbst die treuesten Elvis-Fans werden zugeben, dass die meisten seiner Filme scheiße sind. Dabei hatte seine Schau­spielkarriere halbwegs viel­­­­­­­versprechend mit „Gold aus heißer Kehle“ (1957), „Mein Leben ist der Rhythmus“ (1958) und „Café Europa“ (1960) begonnen. Doch im Lauf der 60er wurde er darauf re­­duziert, Flachsinn à la ›(There‘s) No Room To Rhum­ba In A Sports Car‹ auf Zellu­lo­idmüll wie „Acapulco“ zu singen. Dabei ist dieser Sound­track nicht mal sein schlechtester. Wir haben ihn ausgesucht, weil er Elvis in einer müden Phase zeigt, während die Beat­les schon zum Angriff bliesen.

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