Zwar spielen hier inzwischen auch Größen wie Ozzy, Priest & Co. – der Star ist aber immer noch das Festival.
Es hat sich langsam entwickelt und ist nach und nach zum Kult geworden: Das Wacken Open Air zieht am ersten Augustwochenende knapp 80.000 Menschen ins norddeutsche Hinterland. Der Grund für die Euphorie der Fans sind natürlich die Bands, aber eben auch das gesamte Drumherum, die Atmosphäre, das gemeinsame Feiern mit Gleichgesinnten.
In den vergangenen Jahren hat dieser Aspekt sogar noch zugenommen – seit auch die Mainstream-Medien erkannt haben, dass es sich eben nicht um eine Freak-Veranstaltung, sondern ein ernstzunehmendes Event handelt, das party- und auch zahlungskräftiges Klientel anzieht. Demzufolge ist auch das Publikum nicht mehr dasselbe, das es vor fünf Jahren war: Neben dem Nachwuchs, der seither dazugekommen ist, schlagen auch viele „Rock-Touristen“ ihre Zelten in Wacken auf, weil sie dieses spezielle Flair einmal hautnah erleben müssen. Zudem wird auch für sie einiges geboten: Das Wackinger-Dorf mit seinen mittelalterlich anmutenden Ständen beispielsweise ist größer denn je, zudem wird dort auch mehr Live-Sound als früher geboten.
Auf dem eigentlichen Festival-Areal, wo sich die vier Hauptbühnen befinden, bietet sich jedoch das gewohnte Bild. Viele alteingesessene Kuttenträger lassen sich ihren alljährigen Urlaub im Riff-Mekka nicht nehmen. Zumal in diesem Jahr Ozzy Osbourne aufspielt – und selbst wenn der Prince Of Darkness nicht mehr in der Topverfassung ist, so gibt er sich doch redlich Mühe und hat nach wie vor unsterbliche Hymnen im Gepäck – nicht nur Sabbath-Klassiker wie ›War Pigs‹ oder das finale ›Paranoid‹, die die Zehntausenden vor der Absperrung zum Kreischen und Grölen bringen, sondern auch die eigenen Hits. ›Mr. Crowley‹ ist und bleibt ein Dauerbrenner, ebenso wie ›Suicide Solution‹ oder ›Bark At The Moon‹. Selbst die Ballade ›Mama, I’m Coming Home‹ kommt bei den Fans an, auch Slayer-Patch- und Killernieten-Fetischisten haben ein Herz für den Song. Weniger lustig finden zumindest die Rocker in den Frontreihen Ozzys Schaumkanoneneinsatz, der – wie schon bei den Hallen-Gigs – sehr früh im Set eingesetzt wird. Und als wäre das noch nicht genug, schickt Osbourne später noch ein paar Eimerladungen Wasser hinterher.
Von derartigen Animationssperenzchen halten die Acts, die die Massen heute für Ozzy warm gespielt haben, nur wenig. Zu den „Animateuren“ zählen nämlich in diesem Jahr keine Geringeren als Helloween und Blind Guardian. Während die Norddeutschen es heute schwer haben, die Leute in Stimmung zu bringen, läuft es bei den Krefeldern rund. Kein Wunder, denn im Grunde gibt es kaum ein perfekteres Publikum für Guardian als die eingefleischten Riff-Liebhaber, die sich hier versammelt haben und anscheinend den kompletten Backkatalog im Kopf haben. Mehr Singalongs geht kaum – der Wacken-Hymnen-Orden geht in diesem Jahr eindeutig an Hansi Kürsch & Co.
Was durchaus etwas heißen will, denn immerhin gibt es 2011 etliche harte Konkurrenten im Rennen um diese Auszeichnung. Judas Priest sind ebenfalls am Start – wenngleich sie erst einen Tag später aufspielen, nämlich am Freitagabend. Und selbst wenn Rob Halford und seine Crew den Wechsel an der Gitarre erstaunlich gut überstanden haben und in der Tat ihre Leidenschaft für die Bühne noch einmal intensivieren konnten: Gegen die Sympathien, die Blind Guardian am Vortag entgegengeschlagen sind, kommen selbst sie nicht an – daran ändert auch die Mega-Gänsehaut-Version von ›Touch Of Evil‹ nichts.
Natürlich sind das bei Weitem nicht alle Bands, die auch das Wacken Open Air 2011 wieder zu einem besonderen Event gemacht haben. Denn ein Festival wie dieses ist nicht nur zum Abrocken bei den etablierten Acts wie den famosen Motörhead gedacht, sondern weckt bei vielen auch Entdeckergelüste. Und so werden wir eine Band wie Ghost im nächsten Jahr vielleicht auf einer größeren Bühne wiedersehen.